Vorheriger Artikel

Ausgabe 08/2015
Zwei Welten vereint

Nächster Artikel

Ausgabe 08/2015
Internationales Festhallenturnier Frankfurt

Ausbildungstipp: Wenn das Pferd zu einem passartigen Schritt neigt

Ein Riese aus dem Takt

Sehr große Pferde haben oft Probleme in der Grundgangart Schritt und sind gefährdet, den klaren Viertakt zu verlieren und sich eine passartige Fußfolge anzugewöhnen. Wie der Reiter dieses Problem lösen kann, erläutert FN-Ausbildungsbotschafter Christoph Hess im folgenden Beitrag.

Das Reiten im Gelände, bergauf und bergab, hilft, den Schritt des Pferdes zu ver­bessern. Jessica von Bredow-Werndl auf unserem Foto hat dies allerdings nicht nötig, aber auch sie reitet regelmäßig in die Natur. Foto: J. Toffi

Frage: Mein siebenjähriger 1,80 m Stockmaß großer Wallach hat einen enormen Schritt, hält sich aber insbesondere in Stresssituatio­nen im Rücken fest, stützt sich auf das Gebiss und geht passartig. Zu den Stresssituationen gehören Ausritte in unbekanntem Gelände, versammelnde und anstrengende Trab- und Galoppreprisen oder auch das Einreiten auf das Prüfungsviereck. Zuletzt trat dieses Problem während des Erlernens der fliegenden Galoppwechsel auf. Welche Möglichkeiten gibt es, den Takt im Schritt wieder herzustellen und auch sauber zu halten?

Mit einem Stockmaß von 1,80 m handelt es sich um ein wirklich großes Pferd. Große Pferde haben häufig das Problem, dass sie sich nur schwer unter dem Sattel balancieren können, insbesondere, wenn sie eine große Übersetzung in ihren Bewegungen haben. Pferde mit einem „riesigen“ Schritt fußen mit den Hinterbeinen weit über die Spur der Vorderbeine. Sie sind deshalb in hohem Maße gefährdet, den sicheren Viertakt zu verlieren, in dem das Pferd gleichseitig, aber nicht gleichzeitig fußt. Durch das weite Überfußen der Hinterbeine wird der Prozess des gleichseitigen Nacheinander-Fußens häufig zu einem gleichzeitigen Fußen. Dieses bezeichnet man als passartige Fußfolge, die nicht in jedem Einzelfall, aber häufig korrigierbar ist.

In Ihrer Frage weisen Sie selbst darauf hin, dass Ihr Pferd in Stresssituationen die Rückenmuskulatur festhält  und sich auf das Gebiss legt. Das heißt, Ihr reiterlicher Einfluss wird im Sattel von einer zur nächsten Sekunde minimiert und Sie werden in einer Stresssituation aus der „Pilotenrolle“, die Sie im Sattel haben, in die eines Copiloten versetzt. Sie haben also nicht mehr den Einfluss, den Sie sich selbst wünschen. Genau hier müssen und können Sie ansetzen, denn es ist erforderlich, dass Ihr Wallach sich in jeder Situation loslässt, besonders dann, wenn er unter Stress gerät. Ihr Pferd muss seine Rückenmuskulatur entspannen und darf sich nicht auf das Gebiss legen. Gerade das auf das Gebiss-Legen fördert bei Ihrem Pferd den Taktverlust im Schritt.

Ins Maul „hineinhorchen“

Ich empfehle Ihnen in diesen Situationen, sofort Ihr vorgesehenes Trainings- und Ausbildungsvorhaben umzustellen und in die Übung Schultervor bzw. Schulterherein überzugehen. Diese Übung hilft Ihrem Pferd, erneut seinen Schrittrhythmus zu finden. Sie selbst sind in dieser Übung in der Lage, wieder an Einfluss auf Ihr Pferd zu gewinnen, weil Sie über den vermehrten Einsatz Ihrer inneren Wade beginnen, Ihr Pferd erneut auf sich zu konzentrieren. Sie bekommen mehr Einfluss und werden vom Copiloten zurück auf den „Sessel“ des Piloten befördert. Mit Ihren Händen dürfen Sie dabei nur ins Pferdemaul „hineinhorchen“.

Weiterhin empfehle ich Ihnen in dieser Situation eine Vielzahl an Übergängen zwischen Trab und Galopp sowie Galopp und Trab zu reiten. Es bietet sich an, diese Übergänge auf einer großen gebogenen Linie oder im Schultervor vorzunehmen, weil Sie in diesem Falle den so wichtigen inneren Schenkel vermehrt einsetzen können. Je besser Ihnen der Übergang vom Zweitakt des Trabens in den Dreitakt des Galopps und umgekehrt gelingt, je fließender diese Übergänge geritten werden, je weniger Sie dabei über Ihre Zügel auf das Gebiss einwirken und je mehr das Pferd beim „Hoch- wie beim Runterschalten“ vor Ihnen an Ihren treibenden Hilfen bleibt, desto einfacher werden Sie hinterher in der Lage sein, den taktsicheren Schritt zu reiten. Deshalb ist der Schritt auch ein wesentliches Kriterium zur Überprüfung richtiger Trab- und Galopp-arbeit.

Gelände löst Probleme

Falls es Ihnen möglich ist, dann sollten Sie häufig ins Gelände gehen. Dort sollten Sie bergauf und bergab reiten und das auf festem und unebenem Untergrund. Sie können Ihr Pferd dort auch dressurmäßig arbeiten, so wie Sie es normalerweise auf dem Viereck bzw. in der Reithalle tun. Das Üben des fliegenden Galoppwechsels, die nicht immer problemlos verlaufende versammelnde Trab- und Galopparbeit können Sie im Gelände ebenso durchführen wie zuhause. Verspannt sich Ihr Pferd und verliert dadurch den Takt im Schritt, dann sollten Sie antraben, weil sich der falsche Bewegungsablauf des Schrittes sonst zu sehr bei Ihrem Pferd automatisiert und das wäre fatal.

Richtiges Treiben

Wichtig ist, dass Sie im Schritt wechselseitig treiben, das heißt, wenn das rechte Hinterbein des Pferdes vorfußt, muss Ihr rechter Schenkel an den Pferdeleib heranfallen. Das gleiche gilt für Ihren linken Schenkel. Der Schritt ist eine Grundgangart im Viertakt mit acht Phasen, das heißt, nach jeweils vier Phasen fällt Ihr Schenkel rechts bzw. links an den Pferdeleib heran. Denken Sie bitte daran, dass es eine Bewegung des Heranfallens ist und nicht des Heranpressens. Ihre korrekte Schenkellage darf deshalb beim Treiben nicht verändert werden und das Treiben muss ein koordinierter Bewegungsablauf des Mitschwingens aus dem Hüftgelenk sein – in Verbindung mit dem lockeren Heranfallen-Lassen der Wade. Das ist nur möglich, wenn das gesamte Bein vom Hüftgelenk abwärts entspannt positioniert ist.

Ohne Sattel reiten

Sollten Sie selbst nicht ganz sicher sein, ob Sie den richtigen Bewegungsablauf des Pferdes zu hundert Prozent spüren, dann empfehle ich Ihnen den Schritt mit geschlossenen Augen und möglichst ohne Sattel – verwenden Sie nur eine Schabracke – zu reiten. Je dichter Sie sich am Rücken Ihres Pferdes befinden, desto unmittelbarer spüren Sie den Bewegungsablauf Ihres Pferdes und desto mehr können Sie in dessen Bewegung eingehen. Je mehr Ihnen das Eingehen in die Bewegung Ihres Pferdes gelingt, desto besser werden Sie in der Lage sein, einen vom Takt und Fleiß her korrekten Schritt zu reiten. Und noch etwas: Vergessen Sie nicht, im Schritt mit Ihren Händen in die Nickbewegung des Pferdehalses einzugehen. Sie müssen das Auf und Ab sowie das Vorwärts und Rückwärts der Bewegung des Pferdehalses mit Ihren Händen – bei einer gleichmäßig anstehenden Zügelverbindung – zulassen.

PM-Leserinnen und -Leser können sich bei Ausbildungsproble­men…

Christoph Hess

…gerne an Christoph Hess wenden. Schildern Sie Ihre Schwie­rig­keiten kurz und bündig, die Redaktion wählt dann einen Beitrag für die Veröffentlichung aus. Wenn Sie ein gutes, druckfähiges Foto ­haben, können Sie dies selbstverständlich mitschicken.

 

Kontakt: chess@fn-dokr.de

Vorheriger Artikel

Ausgabe 08/2015
Zwei Welten vereint

Nächster Artikel

Ausgabe 08/2015
Internationales Festhallenturnier Frankfurt