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4. Liebenberger Pferdeforum

Persönlichkeiten der Pferdeszene: Klaus Philipp

Rausch der Geschwindigkeit

Pferde, Dynamik und Schnelligkeit prägten Klaus Philipps Werdegang – dabei wurde eher aus Zufall eine lebenslange Leidenschaft. Eine, die ihn zu einem der weltweit renommiertesten Pferdemaler gemacht hat. Denn seine Bilder sind vor allem eines: lebendig.

Alle Fotos: J. Toffi

Durch die bodentiefen Fenster und Dachluken des Ateliers fällt die Frühlingssonne. Sie taucht den Raum in ein warmes Licht. Der Blick an die Decke offenbart offenes Gebälk. Die Holzdielen lassen den Gang hier und da knarzen. Gemälde, Bilder, Skizzen, Zeichnungen und Bleistiftstudien beherrschen jedes noch so kleine Fleckchen. Sie hängen, lehnen, liegen und stapeln sich überall – an der Wand, an den Holzbalken, auf dem Boden, an Bücherregalen, zwischen verstaubten Flaschen, auf den Tischen. Förmlich zu spüren ist der kraftvolle Galopp der Pferde auf der Rennbahn, wie der Boden unter ihren Hufen bebt, wie sie ihre Muskeln anspannen und ihre letzte Kraft ins Finish legen. Der gleichmäßige Rhythmus des lauten Atems durch ihre geblähten Nüstern hallt in den Ohren nach. Drahtige Vollblüter. Schlanke Silhou­etten. Im Rausch der Geschwindigkeit. Klaus Philipps Bilder strotzen nur so vor Energie und Dynamik. Und dabei geben sie wieder, was den Pferdesport so einzigartig macht: das Zusammenspiel zwischen Reiter und Pferd. „Mich interessiert erfolgreiches Reiten nur, wenn es in gutem Stil geschieht“, so Klaus Philipp, der Maler, der aber vielmehr noch Reiter und Pferdemensch ist. Er bringt auf die Leinwand, was er erlebt. Er malt, was er wahrnimmt. Und vielmehr gibt er wieder, was er selbst im Sattel gespürt hat.

Liebe zur Vielseitigkeit

Seine Liebe gilt seit jeher der Vielseitigkeit und noch mehr dem Galoppsport. Kraftvolle Vollblüter haben es ihm angetan. „Ich mag’s gerne schnell“, sagt Philipp, der Anfang April seinen 85. Geburtstag gefeiert hat. In den 50-Jahren strebte er eine Karriere als Jockey an, musste diesen Traum aber wegen seiner körperlichen Konstitution aufgeben. Den engen Kontakt zur Rennszene behielt er aber bei. Voller Stolz erzählt er von seinem Freund Lester Piggott, dem erfolgreichsten europäischen Jockey, dem er das ein oder andere Bild gewidmet hat. Sein Porträt des Vollblut Hengstes Northern Dancerxx hängt im Museum des altehrwürdigen Jockeyclubs von Newmarket und nach Emil Adam ist Klaus Philipp der einzige deutsche Pferdemaler, den die britische Rennsportszene bisher gewürdigt hat. Auf einem Bild muss etwas passieren, es muss Bewegung darin sein und Atmosphäre vermitteln, sagt er, und es soll auf das Wesentliche reduziert sein. „Aber bei bestimmten Themen muss man vorsichtig sein, Malerei kann schnell kitschig werden. Eine Stute mit Fohlen wirkt schnell süßlich.“

Die Vielseitigkeit und der Rennsport haben es Klaus Philipp angetan und finden sich in zahlreichen Bildern wieder.

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70 Knochenbrüche

Klaus Philipp saß sein Leben lang so oft es ging im Sattel und immer auf Pferden, die sonst keiner reiten wollte. Ab und an habe er Schaden genommen, erzählt er leichthin und verweist auf über 70 Knochenbrüche, die ihm sein mutiges Engagement eingebracht hatte. „Auf mein rechtes Knie sind fünf Pferde gefallen und einmal habe ich mir mein Genick angebrochen. Der Deckel meiner Krankenakte ließ sich nicht mehr richtig schließen.“ Mit der Malerei wuchs Klaus Philipp, der 1932 im Erzgebirge zur Welt kam, auf. Sein Vater, ein Fabrikantensohn, hat in seiner Freizeit immer gemalt, das hat er automatisch übernommen. Allerdings waren Pferde zunächst kein Thema für ihn. Das wurden sie erst später. Der Liebe wegen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der sein Elternhaus zerrüttet hat, brach er die Schule ab und landete 1947 auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Schleswig-Holstein, wo der damals 15-Jährige eine Lehre absolvierte und seiner ersten großen Liebe begegnete. Der Bauerntochter Renate. „Eine Weichenstellung in meinem Leben“, sagt er heute. Für Renates Vater ritt er eine Araberstute an, wenngleich er selbst noch keine Erfahrung hatte im Sattel. Das junge Mädchen war auch der Grund, weshalb er anfing, Pferde in Kunst zu verwandeln. Denn Renate fehlte in der Schule die Begabung für das Zeichnen. „Sie sagte: ,Kläuschen, ich soll ein Pferdebild malen, hilfst du mir?‘ Also habe ich mich mit Stift und Papier hinter das Thema Pferd geklemmt, ansonsten hätte ich keine Chance gehabt.“ Klaus Philipp malte sein erstes Pferdebild. Und bekam dafür einen Kuss von Renate.

Polizei-Reiterstaffel

Drei Jahre später verschlug es Klaus Philipp schließlich nach Süddeutschland, nach Langenargen am Bodensee. Zunächst arbeitete er wieder in der Landwirtschaft und trainierte Pferde, die ihm zur Verfügung gestellt wurden. Er war Mitglied des baden-württembergischen Landeskaders Vielseitigkeit und wollte eigentlich Turnierreiter werden und in die Schweiz ziehen. Doch schon ein Jahr später trat er in den Polizeidienst in Biberach ein und machte sein Abitur nach. 1955 wechselte er zur berittenen Polizei in Stuttgart – „Vom Pferd aus ist es viel einfacher, freundlich zu sein“ – und erlebte als Dienststellenleiter die Jahre hautnah mit, als militante Anhänger der Roten Armee Fraktion die Stadt aufmischten. Seinen Chefposten hatte er schnell bekommen, zum Unmut mancher Kollegen. Aber eines erkannten ihm alle neidlos an: „Ich hatte immer die saubersten Pferde. Darauf legten die meisten Kollegen nicht besonders viel Wert. Aber mir war es schon immer wichtig, dass meine Pferde ordentlich aussehen und gepflegt sind. Das Fell eines Holsteiners muss glänzen wie eine Kastanie. Ein Rappe muss stahlblau schimmern und ein Schimmel sollte schlicht weiß sein.“

Der tägliche Besuch bei seinen Pferden ist Klaus Philipp „heilig“.

Kosename „Der Künstler“

Die Malerei begleitete Klaus Philipp fortwährend. Zeitweise rückten die Pferde dabei etwas in den Hintergrund. Er wurde in Stuttgart in den Verband Bildender Künstler aufgenommen, besuchte einige Semester an der Freien Kunstschule Stuttgart und widmete sich seiner surrealistischen Phase – „Der Hang zum Surrealen kommt aus meiner Kindheit. Im Erzgebirge wurden viele Gespenstergeschichten erzählt.“ 1980 beendete er mit 48 Jahren seinen Dienst bei der Polizei und lebte als freischaffender Künstler in Baden-Baden – Pferde und die gegenständliche Malerei wurden wieder mehr und mehr sein Hauptthema – bevor er 1992 nach Putensen in der Lüneburger Heide zog, nur einen Steinwurf entfernt vom Vielseitigkeitsmekka Luhmühlen. Auf einem Bauernhof aus dem 16. Jahrhundert mit Reetdach und Fachwerk, Pferdestall, Wohnhaus, Kopfsteinpflaster im Innenhof und Weiden soweit das Auge reicht, lebt er bis heute in dritter Ehe mit Tierärztin Bernadette, die sich kümmert und ihren Mann mit einem Schmunzeln nur „den Künstler“ nennt.

Aus seinen früheren Ehen hat Klaus Philipp vier Töchter, denen er allen das Skifahren und Reiten beigebracht hat, und vier Enkelkinder, die es lieben, mit ihren Großvater gemeinsam im Atelier zu stehen und selbst den Pinsel in die Hand zu nehmen. Ein Hauch Stuttgarter Dialekts zwischen den Zeilen erinnert bis heute an seine Zeit in Süddeutschland.

Eines der Pferde, das Klaus Philipp begegnete und nachhaltig prägte, war „The Mole“, „Der Maulwurf”, ein 7/8 Blüter – das Pferd seines Lebens. „Ich habe dreieinhalb Jahre gebraucht, bis ich mit ihm klar kam. Er war unheimlich schwierig, er verspannte und überschlug sich oft. Irgendwann kam ich darauf, dass er das tat, weil er Muskelkrämpfe hatte. Mit viel Geduld, Akupressur und Akupunktur hat es geklappt. Er konnte galoppieren wie ein Rennpferd. Bei einer Vielseitigkeitsprüfung in Bielefeld kam er in vollem Tempo an einen überbauten Wassergraben. Er übersprang sich, wir hoben ab und ich schickte ein kurzes Stoßgebet gen Himmel. Es waren neun Meter, die er sprang, Weltrekord.“ The Mole verbrachte seinen Lebensabend in Putensen und wurde 32 Jahre alt.

Idyllische Alleinlage: Klaus Philipp lebt mit seiner Frau in einem Reetdach-Bauernhaus ganz in der Nähe des Vielseitig­keitsmekkas Luh­mühlen.

100 Stunden Arbeit

„Für mich ist es leicht, ein Pferd zu zeichnen, weil ich die Pferde im Kopf und im Herzen trage“, umschreibt Klaus Philipp seine Passion. Seinen Tagesablauf dagegen bezeichnet er als chaotisch. Er habe keinen festen Plan, nur dass er jeden Tag im Atelier stehe. Wenn er sich ein Galopprennen ansieht, macht er sich Skizzen – der erste Schritt eines Bildes. Oder aber eine Idee entsteht aus einer Erinnerung. Ein Bild, das er vor seinem inneren Auge hat, verwandelt sich in eine Skizze.

Klaus Philipp mit seiner Ehefrau, Tierärztin Bernadette

Stute und Fohlen von Klaus Philipp zieren auch einen PM-Werbeflyer aus dem Jahr 1993.

Anhand dieser Zeichnungen entsteht dann in stundenlanger Arbeit das fertige Werk. Kohle, Bleistift, Wachskreide, Aquarell und vornehmlich Öl, als Hintergrund dient häufig eine Leinwand, auf der er Farbreste sammelt. Das Bild des Holsteiners Hengstes Manometer xx war sein erstes Porträt in Öl, bei dem er eine Lasurtechnik in verschiedenen Farbschichten anwendete. Etwa 100 Stunden dauert es, bis solch ein Bild fertiggestellt ist. „Ein Porträt ist technisch anspruchsvoll. Aber es ist wenig Bewegung darin. Bei den Momentaufnahmen aus dem Sport ist das anders.“ Klaus Philipp bezeichnet die englischen Pferdemaler Georg Stubbs, John Herring und Sir Alfred James Munnings als seine Lehrer. Genauso wie die Impressionisten Pierre Bonnard, Claude Monet, Max Liebermann und Edgar Degas. Er erhielt 2004 von der FN das Deutsche Reiterkreuz in Gold für seine „Einbeziehung des Kulturgutes Pferd“. Das Direktorium für Vollblutzucht und Rennen verlieh ihm 1985 die Silberne Verdienstmedaille. Etliche Reiter und Pferde, Englische Vollblüter und Stempelhengste hat der 85-Jährige porträtiert: Reiner Klimke mit Ahlerich, Paul Schockemöhles Deister, Linsenhoffs Piaff, Lauries Crusadorxx, De Niro, Donnerhall, Lagunas xx. Seine Kundschaft kommt aus der ganzen Welt und seine Bilder werden für gute Zwecke im vier- und fünfstelligen Be­reich versteigert, noch bevor der Künstler überhaupt den Pinsel in die Hand genommen hat. Mitunter wartet man Jahre, bis ein Bild fertiggestellt ist.

Prinzessin not amused

Auch die Tochter der Queen, Princess Anne, hat er mehrmals gemalt. Ein Bild, das sie an einem Wasserhindernis zeigt, trägt den Namen „Anne in action“. Damit hatte Klaus Philipp aber wohl den britischen Humor etwas überfordert. Sie habe das Bild bei einer Ausstellung im Rahmen der Weltmeisterschaft 1982 in Luhmühlen gesehen und sei angesichts des Titels „not amused“ gewesen, erzählt er gelassen.

Von englischen Pferdemalern wurde Klaus Philipps Schaffen ebenso beeinflusst wie von den großen Impressionisten Monet, Degas und Bonnard.

Klaus Philipp hat eine klare Vorstellung davon, wie Pferd und Reiter zusammen agieren sollten. Sein Ideal: Der Reiter ist das Gehirn, das Pferd ist der Körper. Vor allem sollte man dem Pferd gegenüber immer ehrlich sein, sagt er und erzählt: „Ich habe heute noch einen Traum: Ich reite einen Schimmel, wir springen und es passt immer wunderbar. Wir überwinden ganz elegant die Hindernisse. Ich wache morgens auf und bin ganz glücklich. Wenn ich im Atelier bin, könnte man meinen, der Maler kontrolliere den Reiter – dabei ist es genau umgekehrt.“

Laura Becker

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