Vorheriger Artikel

Ausgabe 05/2017
Persönlichkeiten der Pferdeszene: Klaus Philipp

Nächster Artikel

Ausgabe 05/2017
Bildungskonferenz

4. Liebenberger Pferdeforum

Emotionen sorgen für Aufmerksamkeit

Auch die vierte Auflage des Liebenberger Pferdeforums lieferte dank hochkarätiger Referenten und Diskussionspartner zahlreiche Gedankenanstöße zu „Zukunft und Perspektiven in Pferdezucht und Pferdesport“. Rund 250 Besucher waren der Einladung der Deutschen Kreditbank AG, der Persön­lichen Mitglieder und des Oldenburger Pferdezuchtverbands in Schloss und Gut Liebenberg vor den Toren Berlins gefolgt.

Volles Haus bei der vierten Auflage des Liebenberger Pferdeforums im ehemaligen Rinderstall von Schloss & Gut Liebenberg. Foto: ACP-Fotografie

„Die Zucht hat in den vergangenen 30 Jahren erhebliche Fortschritte gemacht“, sagte Dr. Dietrich Plewa, wenn auch im Sinne einer dressur- oder springbetonten „Spezialpferdezucht“ und „zu Lasten der Vielseitigkeit“. Der Rechtsanwalt, Sachverständige für Pferdezucht, -haltung, -sport und -bewertung und internationale Dressurrichter ging in Liebenberg der Frage nach „ob die Zucht noch auf dem richtigen Weg ist und welche Talente und welche Ausbildung ein Nachwuchspferd für den Spitzensport braucht“. Plewa fokussierte sich dabei auf den Dressursport und spann anhand von Videos den Bogen von dem noch etwas rustikal wirkenden, aber sehr lektionssicheren Granat (Olympiasieger 1976 mit Christine Stückelberger) über den eleganten Rembrandt (Olympiasieger 1988 und 1992 mit Nicole Uphoff) und Totilas (Weltmeister 2010, Edward Gal) mit seinen perfekten Piaff-­Passage-Übergängen bis hin zu Weihegold OLD (Mannschaftsolympiasiegerin 2016 und aktuelle Weltcupsiegerin mit Isabell Werth), die er als Ideal des modernen Dressurpferdes beschrieb. Plewa lobte dabei nicht nur das Exterieur und die Bewegungsqualität der Oldenburger Siegerstute, sondern auch deren Einstellung und Leistungsbereitschaft. „Im Hochleistungssport brauchen wir besonders sensible und intelligente Pferde“, sagte Plewa, was allerdings auch einen Nachteil habe: „Sie sind für den Durchschnittsreiter oft nicht mehr händelbar.“ Gerade Rittigkeit und Gesundheit stünden jedoch für viele Reiter im Vordergrund, worauf der Jurist gleich zu Beginn seines Vortrags hingewiesen hatte, als er von der Wirtschaftlichkeit der Pferdezucht sprach. In aller Deutlichkeit hatte er die Zuhörer, darunter zahlreiche Züchter, daran erinnert, dass nur die wenigsten Pferde zu Toppreisen verkauft werden. Und dass gerade im unteren Preissegment die meisten Rückabwicklungen auf Mängeln bei den Reiteigenschaften und der Gesundheit basieren.

Die Geschichte hinter dem „Gold-Jung“

Ist Weihegold OLD das ideale Dressurpferd, so ist Michael Jung der Prototyp des perfekten Reiters. Zweimaliger Olympiasieger, Weltmeister, viermaliger Europameister, Grand-Slam-Sieger – die Erfolgsbilanz des Schwaben ist nahezu einmalig, dazu kommen Grand-Prix-Erfolge in Dressur und Springen. „Für Michael war schon als Zwölfjähriger klar, dass er einmal Berufsreiter werden will“, berichtete sein Vater, Trainer, Manager und Mentor Joachim Jung. „Und nach einem Besuch in Badminton 1996 war ihm auch klar: Dort will er einmal hin.“ Dass es ausgerechnet die Vielseitigkeit sein sollte, hatte aber auch andere Gründe. „Nur in dieser Disziplin hat ein guter Reiter eine realistische Chance, auch mit einem relativ ‚normalen‘ Pferd an die Spitze zu kommen.“ Denn Geld für teure Pferde war lange Zeit nicht da, vielmehr stand es sogar immer wieder auf der Kippe, ob die Familie ihre Anfang der 1980er Jahre erworbene Reitanlage in Horb-Altheim würde halten können. Dennoch gelang es der Familie alle Pferde für Michael zu sichern, die man behalten wollte. „Teilweise hatten wir bis zu 30 Förderer, Sponsoren und Unterstützer“, erinnerte sich Joachim Jung. Dieser Zusammenhalt der Familie und des gesamten Teams zählt sicherlich zu den Erfolgsgeheimnissen Michael Jungs, ebenso wie seine Coolness und die Fähigkeit, in Stresssituationen über sich hinauszuwachsen. „Dazu gehört aber auch das Ausbildungssystem in Deutschland selbst“, sagte Joachim Jung, der selbst Berufsreiter ist und in allen Sparten erfolgreich war. „Dadurch hatte Michael das Glück, von klein auf als junger Reiter auf erfahrenen Pferden alles erfühlen und erlernen zu können.“

Der „Gold-Jung“ war eines der erfolgreichsten Motive der Social-Media-Kampagne des DOSB, erstellt von der renommierten Werbeagentur Jung von Matt. Foto: Picture Alliance/DOSB
Sie verkörpert den Zuchtfortschritt der letzten 40 Jahre: die Oldenburger Stute Weihegold OLD. Foto: S. Lafrentz

„Man muss die Herzen erreichen“

Die Erfolge von Werth, Jung und Co. sind in Reiterkreisen unbestritten. Doch wie lassen sich dadurch auch neue Menschen fürs Pferd gewinnen? „Leere Ränge in Rio – wie muss geworben werden, damit mehr Menschen Reitsport wollen?“ hieß daher das Thema, dem Dr. Peter Figge, Vorstand der renommierten Werbeagentur Jung von Matt AG und selbst Liebhaber des Reitsports, nachging. „Dafür gibt es sicher viele Faktoren, aber auch die Frage: Sind wir ein Mediensport? Welche Schlüsse müssen wir aus dem Charakter unseres Sports ziehen? Und wie müssen wir werben, um Menschen zu erreichen?“, sagte Dr. Figge und führte den Zuhörern vor Augen, wie sich Kommunikationsverhalten in den vergangen 25 Jahren geändert hat. „1991 hatten wir es im Allgemeinen mit einem sozialen Gebilde namens Familie zu tun. Man saß an einem Ort, zu einer Zeit vor einem Gerät, dem Fernseher. Dazu gab es noch Radio und Anzeigen, das war‘s.“ Heute sieht die Situation ganz anders aus. „Wir haben es zwar immer noch mit einem sozialen Gebilde namens Familie zu tun, doch in der Regel sitzen alle zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlichen Räumen vor unterschiedlichen Geräten.“ Dabei ist nicht nur der Medienkonsum deutlich angestiegen, sondern vor allem der „Content“, also die Inhalte. Um in der Flut von Bildern, Filmen und Botschaften nicht unterzugehen, braucht es Inhalte, die die Menschen innerhalb von Sekunden ansprechen und die sie freiwillig konsumieren. „Nur wenn wir ihre Herzen erreichen, dann haben sie auch ein Ohr für Botschaften“, brachte es Dr. Figge auf den Punkt und unterstrich diese Aussage mit Beispielen wie dem Netto-Werbespot über die „Geschichte des wahren Osterhasen“, der auf Youtube innerhalb von sieben Tagen über sieben Millionen Zuschauer fand.

Die Kräfte bündeln

Hoch erfolgreich in den sozialen Medien liefen auch die im Auftrag des DOSB erstellten Werbebotschaften, die Jung von Matt während der Olympischen Spiele auf den Punkt genau nach jeder deutschen Medaille platzierte. Unter den TopTen waren drei Pferdesportmotive – von den „Kür-Fürstinnen“ über das Vielseitigkeitsteam bis hin zum „Gold-Jung“ als Spitzenreiter auf Platz fünf. Dennoch sei Reiten „keine prädestinierte Mediensportart“, sagte Dr. Figge, ungeachtet dessen, dass Sportevents viele Emotio­nen und damit Chancen für attraktiven Content böten. Zur Begründung stellte er zwei Thesen auf: „Kommerzialisierung statt Romantik“ und die „fehlende Zugänglichkeit zum Spitzensport.“ Als überdurchschnittlich gebildete und finanziell ausgestattete Zielgruppe seien Reiter jedoch durchaus für viele Unternehmen interessant. „Statt krampfhaft zu versuchen, ein Mediensport (vergleichbar mit dem Fußball) zu werden, sollten Sie versuchen, Ihre Kräfte zu bündeln, um gemeinsam mehr Reichweite zu erzielen“, empfahl er. Moderne Medien bieten zudem moderne Möglichkeiten, um junge Stars zu inszenieren. „Wer junge Menschen begeistern will, muss ihre Sprache sprechen“, so der Werbefachmann. Die junge Zielgruppe muss zum Austausch animiert werden. Die Werbung sollte besser, schneller, aggressiver ausgerichtet werden, es sollten Vorbilder mit Ecken und Kanten gezeigt werden.

Mehr Geschichten, Emotionen und Reiter „mit Profil“, darin sah auch Jörg Althoff, Chefredakteur von Sportbild Süd, die Lösung für mehr Medienpräsenz des Reitsports. Als Beispiel zeigte er die professionell gemachten Video-­Clips des jungen Formel E-Fahrers Daniel Abt, der damit Jugendliche seines Alters für diese neue Sportart begeistert. Im Anschluss daran entspann sich eine lebhafte Diskussion mit Grand-Prix-Dressurreiterin Kathleen Keller und ihrem ebenso erfolgreichen Vater und Ausbilder Dolf-Dietram Keller, Hengsthalter Burkhard Wahler, Springsport Mäzenin Renate Herzog und dem Aktivensprecher Holger Wulschner über Sinnhaftigkeit und Bereitschaft, auf den genannten neuen Wegen selbst als Botschafter für den Pferdesport aktiv zu werden.

Hb

Vorheriger Artikel

Ausgabe 05/2017
Persönlichkeiten der Pferdeszene: Klaus Philipp

Nächster Artikel

Ausgabe 05/2017
Bildungskonferenz