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Sportprüfung für gekörte Hengste

Positives Feedback für neue HLP

Züchter und Zuchtinteressierte dürfen sich freuen. Seit diesem Jahr haben sie eine Gelegenheit mehr, die kommende Vätergeneration in Augenschein zu nehmen – und zwar jenseits der üblichen Hengstschauen. Diese sind zwar in der Regel kurzweilig, liefern aber nur einen sehr subjektiven Eindruck. Die neue Sportprüfung für gekörte Hengste ist da anders. Sie bietet vergleichbare, neutral erfasste Ergebnisse und kommt dank der ruhigen Atmosphäre den jungen Pferden mehr entgegen als jede Show. Langweilig? Ganz bestimmt nicht. Das hat die Premiere in Münster-Handorf bewiesen.

Zur Sportprüfung für Hengste gehört auch der Fremd­reitertest. Alle Fotos: Kiki Beelitz
Zur Sportprüfung für Hengste gehört auch der Fremd­reitertest. Alle Fotos: Kiki Beelitz
Es gab einmal Zeiten, in denen die Züchter in Scharen zu Hengstleistungsprüfungsanstalten pilgerten, um die jungen Hengste bei ihrer Abschlussprüfung live mitzuerleben. Heute fehlen zum großen Bedauern der Zuchtverbände oft sogar die Hengsthalter, wenn die künftigen Vererber auf Station ihr „Abitur“ ablegen. Dass soll sich wieder ändern, daher wurde die gesamte Hengstleistungsprüfung unter dem Motto „kürzer, sportlicher und disziplinspezifischer“ neu konzipiert und nun erstmals umgesetzt. Eine Prüfungsform der neuen HLP ist die dreitägige Sportprüfung für vier- und fünfjährige Hengste, bestehend aus vier Teilen: dem Anreisetag mit der Möglichkeit eines freien Trainings, gefolgt vom ersten Prüfungstag mit einem Pflichttraining unter den Augen der Bewertungskommission sowie einem Aufgaben- beziehungsweise Parcoursreiten am Nachmittag unter dem eigenen Reiter. Den Abschluss macht am zweiten Prüfungstag eine Überprüfung der Rittigkeit in gemeinsamer Abstimmung zwischen Fremdreiter und Disziplinexperten.

Kein Turnier, aber Turnierbedingungen

Bei der Premiere in Münster-Handorf waren es noch vorwiegend die Vertreter der Zuchtverbände und Hengsthalter, die mit Argusaugen den Verlauf der Veranstaltung verfolgten. Wie läuft das Training ab? Was passiert, wenn ein Hengst im Parcours verweigert oder Fehler macht? Wie streng ist die Bewertungskommission? Bereits nach den ersten Kandidaten machte sich vor und hinter den Kulissen eine gewisse Entspannung breit. Kein Hengst wurde wegen einer Verweigerung oder einem Abwurf aus der Bahn geschickt, vielmehr durfte jeder – unter Anweisung – Verpatztes und weniger Geglücktes wiederholen. „Kein Turnier, sondern nur Turnierbedingungen“, so die allgemeine Erkenntnis. „Es kam bei allen sehr gut an, dass sich die Richter für jeden Hengst ausreichend Zeit gelassen haben“, sagte Victoria Laufkötter, für die HLP zuständige Mitarbeiterin im FN-Bereich Zucht. Weitere Erkenntnisse folgten durch den ausführlichen Kommentar, mit dem die Bewertungskommission ihren jeweiligen Eindruck schilderte. Schön für diejenigen, bei denen bereits jetzt ein „gut“ oder gar „sehr gut“ im Kommentar auftauchte.

Höchste Bewertung für sein  Springvermögen erzielte der Holsteiner Hengst Zuccero v. Zirocco Blue.

Hengste in ihrer Entwicklung bewerten

Um zu bestehen, muss ein Hengst die Sportprüfung mit einer Endnote von 7,5 beenden. Errechnet wird sie aus den Noten der jeweiligen Leistungsmerkmalen, wobei die Rittigkeit sowie der Gesamteindruck inklusive der Veranlagung für die jeweilige Disziplin in allen drei Sparten berücksichtigt werden. In Abstimmung mit dem jeweiligen Disziplinexperten ging es im letzten Prüfungsteil genau darum: Noch einmal die Rittigkeit der Hengste unter einem Fremdreiter zu überprüfen. „Wir haben uns bereits im Training und in der Prüfung die Hengste angeguckt und überlegt, was wir überprüfen bzw. nachprüfen wollen“, sagte Sandra Frieling, die in Münster die dressurbetonten Hengste unter der Anleitung von Oliver Oelrich Probe ritt. „Es war sehr spannend, die Entwicklung der Hengste über die drei Tage zu verfolgen“, erläuterte Dr. Klaus Miesner, Geschäftsführer des FN-Bereichs Zucht. Viele Hengste präsentierten sich am letzten Tag deutlich losgelassener und geschmeidiger in der Anlehnung, wodurch speziell die Springpferde einen noch besseren Sprungablauf entwickeln konnten.

Vielseitig veranlagt: Gentleman  v. Grey Top

Bundeschampion Fürst William überzeugte auch in der Sportprüfung für Hengste.

Fürst William liefert Topergebnis

Am Ende des Tages erzielte der imponierende braune Hannoveraner Flic Flac v. Flipper d’Elle Landgestüt Celle dank seiner „guten Einstellung und Rittigkeit“ die höchste Endnote von 8,73 bei den vierjährigen springbetonten Hengsten. Das beste Ergebnis, die 7,97, in dem sehr homogenen Starterfeld der Fünfjährigen, ging an den Westfalen Magic Max v. Mylord Carthago, ausgestellt vom Pferdezentrum Unna Massener Heide. Bei den vierjährigen Dressurhengsten schoss der amtierende Bundeschampion Fürst William v. Fürst Wilhelm mit der Gesamtnote 9,11 den Vogel ab, bei den Fünfjährigen war es der Oldenburger Santo Dottore v. Sir Donnerhall (8,37). Er war wie seine gleichaltrigen Kollegen unter etwas erschwerten Bedingungen angetreten, da sich zum Zeitpunkt das Pferdezentrum bereits mit Besuchern der späteren Hengstschau füllte – einer der wenigen Wermutstropfen der Veranstaltung. Das Gerücht, man wolle mindestens die Hälfte der Hengste „durchfallen“ lassen, erwies sich übrigens als Ente. Am Ende erreichten alle elf springbetonten Hengste das geforderte Mindestergebnis von 7,5, bei den dressurbetonten Hengsten waren es 14 von 19.

Interview mit Dr. Klaus Miesner

PM-Forum: „Was ist eigentlich die Sportprüfung für gekörte Hengste?“
Dr. Klaus Miesner: „Die Sportprüfung ist Bestandteil des neuen Gesamtkonzepts der Hengstleistungsprüfung, die kürzer, sportlicher und disziplinspezifischer als bisher sein sollte. Die Sportprüfung war dabei ausdrücklicher Wunsch der Hengsthalter, die ihre Hengste nicht so gerne für längere Zeit aus der Hand geben wollen. Der Weg über die 14-tägige Veranlagungsprüfung und zweimalige Sportprüfung ist daher eine echte Alternative zur 50-tägigen Hengstleistungsprüfung auf Station. Ich gehe davon aus, dass 2017, wenn alle Zuchtverbände die gemeinsamen Beschlüsse umgesetzt haben und keine Übergangslösungen mehr greifen, deutlich mehr Hengsthalter diese Chance nutzen werden.“

 

PM-Forum: „Sind Sie zufrieden mit dem Verlauf der Prüfung?“
Miesner: Das Nennungsergebnis war gut, das Konzept als solches ist aufgegangen. Die Aufteilung der Prüfung in vier Blöcke – freies Training, Pflichttraining, Aufgaben- beziehungsweise Parcoursreiten sowie eine Überprüfung der Rittigkeit unter dem Fremdreiter – hat sich als richtig und zielführend herausgestellt. Positiv war auch die gemeinsame Bewertung durch die vierköpfige Expertenkommission und die Kommentierung. Es gibt aber auch noch Verbesserungspotenzial. So werden wir zum Beispiel die Linienführung im Parcours noch einmal überdenken.

 

PM-Forum: Gibt es in diesem Jahr noch eine weitere Sportprüfung?
Miesner: Nein, nicht als eigene Veranstaltung wie jetzt in Münster. Die zweite geplante Prüfung in München wurde wegen mangelnder Nachfrage abgesagt. Für die Hengste, die dort teilnehmen sollten und diejenigen, die die Sportprüfung wiederholen müssen, wird in Kürze eine Möglichkeit angeboten, wahrscheinlich im Rahmen der Abschlussprüfungen der 14-Tage-Tests.

 

PM-Forum: Wie war die Züchterresonanz?
Miesner: Allein am ersten Prüfungstag hatten wir über 300 Zuschauer, das war mehr als zunächst erwartet. Nun hoffen wir, FN und Zuchtverbände, dass sich das positive Echo auf die Premierenveranstaltung bei den Züchtern und Stutenbesitzern herumspricht und sie vermehrt den Weg zu zukünftigen Sportprüfungen oder auch den Stations­prüfungen finden.

„Weltmeisterliche“ Vorstellung

Erster Absolvent der Sportprüfung für vielseitig veranlagte Hengste war der von Sandra Auffarth „weltmeisterlich“ präsentierte vierjährige Hannoveraner Hengst Gentleman von Grey Top, der mit seiner Gesamtnote von 8,67 sicherlich auch in einem größeren Teilnehmerfeld weit vorne gelegen hätte. In Münster waren er und sein ein Jahr älterer Kollege Polar­tanz, ein Trakehner von Konvoi – Heraldik xx, allerdings die Einzigen ihrer Sparte. „Gerade für die vielseitig veranlagten Pferde ist diese Prüfung aber eine gute Sache, da sie hier ihren eigenen Qualitäten entsprechend als Vielseitigkeitspferde bewertet werden“, sagte Fremdreiterin Julia Krajewski.

Uta Helkenberg

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