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Nur zwei Infektionserreger können dem Pferd schaden

Mit der Wärme kommt die Zecke

Sie sitzen auf Gräsern, Büschen oder Sträuchern und warten auf ihre Opfer: Zecken. Vor allem Hunde- und Katzen-, aber auch viele Pferdebesitzer kennen das Problem, das nicht nur unschön, sondern unter Umständen auch gesundheitsgefährdend ist. Gut wenn man weiß, wie man mit den Lästlingen und gegebenenfalls auch mit ihren Auswirkungen umgeht.

Nach einem Ausritt sollten Sie das Pferd und auch sich selbst auf Zecken untersuchen. Fotos (3): www.galoppfoto.de

Zecken bevorzugen Wälder und Waldränder – gerne in feuchten Niederungen – als Lebensraum. Im Gebirge ab 1500 Metern über dem Meeresspiegel findet man kaum noch Zecken. Auf Bodenpflanzen bis 1,50 Metern Höhe warten die Parasiten auf ihre Opfer. Streift das Tier den Busch, hängen die Zecken sich an und machen sich auf die Suche nach einer Stelle am Körper, an der die Haut nicht allzu dick und möglichst lichtgeschützt ist (z.B. in der Fesselbeuge). Dort bohren sie ihre Stechwerkzeuge in die Haut, die sie zuvor leicht angeritzt haben. Von dem ganzen Vorgang bekommt das Opfer meist nichts mit, weil der Speichel der Zecke eine Art Betäubungsmittel enthält. Aber nicht nur dieses nimmt der Wirt von der Zecke auf. Bei der Recherche stößt man auf die Aussage, Zecken seien die gefährlichsten Tiere Deutschlands – nachvollziehbar angesichts dessen, dass die Parasiten mehr als 50 Infektionserreger übertragen können. Relevant fürs Pferd sind aber vor allem zwei: die Erreger der Lyme-Borreliose und die Anaplasmose, die beide vom sogenannten Holzbock aus der Familie der Schildzecken übertragen werden, der häufigsten Zeckenart in Deutschland, die im gesamten Bundesgebiet verbreitet ist.

Stabiles Gleichgewicht

Soweit die schlechten Nachrichten. Die gute hat Prof. Dr. Reinhard Straubinger parat, Leiter des Lehrstuhls für Bakteriologie und Mykologie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München: „Es ist wichtig, zwischen Infektion und Krankheit zu unterscheiden. Längst nicht jede Infektion mit Borrelien hat einen Krankheitsausbruch zur Folge.“ Denn bei der Borreliose handelt es sich in der Regel um eine sogenannte persistierende Infektion. Das heißt, der Organismus des Pferdes trägt zwar die Erreger in sich, aber das Immunsystem mit seinen Antikörpern hält die Infektion in Schach. Es entsteht ein Gleichgewicht, das über Jahre, ja sogar Jahrzehnte stabil sein kann. Was genau dann doch zum Ausbruch der Krankheit führt, ist noch ungeklärt, so Prof. Straubinger.

Auch gibt es derzeit noch keine Zahlen, die aussagen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass es zu einem Krankheitsausbruch kommt. Prof. Straubinger kann jedoch berichten, dass an seinem Institut annähernd 2.000 Pferde untersucht wurden, bei denen ein Kontakt mit Borrelien befürchtet wurde und klinische Veränderungen zeigten, die mit einer Borreliose möglicherweise vereinbar wären:

Weibliche Zecke Foto: www.zecken.de

  • nicht einzuordnende, wechsel­seitige Lahmheiten,
  • steifer Gang
  • Lethargie
  • Augenkrankheiten
  • Hautveränderungen
  • Abmagern
  • Kolikattacken
  • Headshaking
  • Huflederhautentzündungen und sogar Hufrehe
  • allergische Reaktionen
  • Infektanfälligkeit mit Fieber­schüben
  • organische Erkrankungen.

Aber nur bei einem geringen Anteil der untersuchten Pferde seien die klinischen Veränderungen tatsächlich auf eine Lyme-Borreliose zurückzuführen gewesen, berichtet der Experte weiter. Auch wenn es keine gesicherten Zahlen gibt, geht er davon aus, dass es insgesamt noch deutlich weniger Pferde sein müssen, die an Borreliose erkranken.

Spezifische Antikörper gegen Anaplasmen hingegen hat Prof. Straubinger bei etwa einem Viertel der von ihm untersuchten Pferde mit verdächtigen klinischen Veränderungen nachweisen können, wie:

  • Fieber
  • Appetitlosigkeit
  • Lethargie
  • kleine Blutungen auf den Schleimhäuten
  • Ödeme an den Gliedmaßen und
  • im Blutbild erkennbarer Abfall der Thrombozyten und der weißen Blutkörperchen.

Die sogenannte Lyme-Borreliose ist die häufigste Krankheit, die durch Zecken übertragen wird. Auslöser ist das Bakterium Borrelia burgdorferi, ein spiralförmiges Lebewesen, von denen ca. 10 bis 35 Prozent der Zecken in Deutschland befallen sein können – „und zwar in der gesamten Bundesrepublik“, räumt Prof. Dr. Straubinger mit dem Irrtum auf, dass vor allem Menschen und Tiere in Süddeutschland Gefahr liefen, sich eine von Zecken übertragene Krankheit zuzuziehen.

„Knifflige“ Diagnose

Beim Menschen ist die sogenannte Wanderröte ein ziemlich sicherer Hinweis auf die Anwesenheit von Borrelien. Damit ist ein roter Hof mit mehreren Zentimetern Durchmesser rund um die Einstichstelle herum gemeint, der sich im Verlauf weniger Tage um die Zeckenstichstelle ausweitet (Wanderröte). Bei Menschen ist dieser leicht zu erkennen (wenngleich er auch nur bei 70 bis 90 Prozent der Borrelioseinfektionen zu sehen ist und seine Abwesenheit insofern auch keine Garantie darstellt). Bei Tieren ist keine Wanderröte auszumachen, da diese bei Tieren nicht vorkommt. Die Diagnose einer Borrelioseerkrankung ist grundsätzlich „knifflig“, wie Prof. Straubinger sagt. Während man bei der Anaplasmose die Erreger selbst im Blut nachweisen kann, findet man bei der Borreliose lediglich die Antikörper. Mit dem Nachweis von Anaplasmose-Erregern in Zusammenhang mit dem bei der Erkrankung typischen Abfall der Thrombozyten sowie klinischen Veränderungen könne man mit hoher Sicherheit sagen, dass man es mit einer Anaplasmoseerkrankung zu tun hat, erklärt Prof. Straubinger. Um die Borreliose zu diagnostizieren, wird ein sogenannter Zwei-Stufentest durchgeführt, beginnend mit dem Nachweis der Antikörper durch einen Screening-Test, einem sogenannten ELISA. Weist dieser keine Antikörper im Blut aus, kann Borreliose ausgeschlossen werden. Werden Antikörper angezeigt, hat man zwar einen ersten Hinweis, aber erst eine weitere Untersuchung mit einen Western-Blot kann gesicherte Auskunft geben, ob man es mit einem spezifischen Antikörper zu tun hat. Denn bei dieser Untersuchung werden die Antikörper selbst unter die Lupe genommen, um zu erkennen, wogegen sie wirksam sind. Sind es Borrelien, kann man sich ziemlich sicher sein, dass man es mit einer Borreliose-Erkrankung zu tun hat – jedenfalls dann, wenn alle anderen infrage kommenden Krankheitsursachen sorgfältig ausgeschlossen wurden.

Im Weidegras, besonders an Waldrändern, lauert die Zeckengefahr, und zwar in ganz Deutschland.

Antibiotika helfen

Antibiotika sind das Mittel der Wahl bei der Behandlung von Anaplasmose und Borreliose. Ersteren würde man mit Tetrazyklinen zu Leibe rücken. Bei Letzteren empfiehlt Prof. Dr. Straubinger Penicilline oder Tetrazyklin. Bei der Borreliose-Therapie ist es wichtig, schon nach wenigen Tagen zu überprüfen, ob die Behandlung wirkt. Das Allgemeinbefinden des Patienten sollte sich innerhalb der ersten Behandlungstage deutlich bessern. Schlägt die Therapie nicht an, sollte man das Mittel absetzen und nach einer anderen Krankheitsursache suchen. Ist hingegen eine Besserung festzustellen, muss das Antibiotikum mindestens 28 Tage lang gegeben werden, da „Borrelien langsame Bakterien sind, die sich nur einmal am Tag teilen“, wie Prof. Straubinger erklärt. Um alle zu eliminieren, ist daher eine langfristige Behandlung wichtig. Die Erfolgsaussichten der Behandlung sind sehr gut, wenn man erst einmal eine gesicherte Diagnose hat.

Einen tödlichen Verlauf schließt Prof. Straubinger so gut wie aus. „Es sei denn, es trifft einen Wirt, der ohnehin schon einen extrem geschwächten Organismus hat.“ Auf die Frage, ob man eine Borreliose auch mit homöopathischen Mitteln in den Griff bekommen kann, hat Prof. eine eindeutige Antwort: „Borrelien wird man mit Hilfe von Homöopathika nicht los.“ Und Anaplasmen ebenso wenig.

Im dichten Fell ist es leichter gesagt als getan, die Zecken in den ersten zwölf Stunden nach dem Stich zu entfernen. Man muss sie erst mal finden, aber beim Abtasten des Pferdekörpers fühlt man schon im Anfangsstadium eine kleine Erhöhung auf der Haut.

Zecken entfernen

Ob mit Zeckenzange, Zeckenkarte, Pinzette oder den Fingern – wichtig ist, die Zecke möglichst frühzeitig zu entdecken und dann zeitnah zu entfernen. Zu beachten ist, dass die Zecke möglichst hautnah an ihrem Kopf gegriffen wird. So wird ihr Körper nicht gequetscht und verhindert, dass im letzten Moment doch noch möglicherweise gefährliche Körperflüssigkeiten in den Körper des Wirtes gelangen. Die Angst, dass der Zeckenkopf stecken bleiben und möglicherweise Krankheiten übertragen könnte, ist übrigens unbegründet. Meistens sind es ohnehin lediglich die Stechwerkzeuge, die zurückbleiben. Nach kurzer Zeit werden diese vom Körper abgestoßen ohne bleibende Schäden zu hinterlassen.

Impfen zur Vorbeugung

Ab einer Außentemperatur von sieben Grad Celsius werden Zecken aktiv. Im Allgemeinen heißt es, Zeckenzeit sei von Frühjahr bis Herbst. Aber bei den zunehmend milden Wintern sind sie das ganze Jahr über zu finden. Um sein Pferd zu schützen, sollte man es täglich bei der Fellpflege untersuchen. Je früher man die Zecke entfernt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Infektion kommt, denn die Zecke überträgt Krankheitserreger erst zwölf bis 24 Stunden nach dem Stich. Und grundsätzlich gilt laut Prof. Dr. Straubinger: „Die Dosis beeinflusst den Ausbruch der Krankheit. Je höher die Anzahl der Erreger, desto mehr Schwierigkeiten hat der Wirt, mit diesen fertig zu werden.“ Mittlerweile können Pferde auch gegen Borreliose geimpft werden, was in Gebieten mit einem hohen Zeckenaufkommen sinnvoll sein kann. Wer sich für die Impfung entscheidet, sollte sich laut  Prof. Straubinger allerdings „peinlich genau an die vorgeschriebenen Impfintervalle“ halten. Die Impfung wirkt nämlich nur dann, wenn ständig ein hoher Antikörperspiegel im Blut vorhanden ist. Die Impfung regt den Organismus an, Antikörper zu bilden. Diese gelangen beim Blutsaugen in den Darm der Zecke, wo die Borrelien lauern. Die Antikörper binden an die Borrelien noch in der Zecke und verhindern, dass diese auf Wanderschaft in den Organismus des Pferdes oder Hundes gehen.

Dominique Wehrmann

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