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Neue Empfehlungen der Ständigen Impfkommission

Herpes & Co – richtig impfen

Wie oft soll man gegen Influenza impfen? Was sollte ich zum Thema Herpes-Impfung wissen? Fragen, die viele Pferdehalter beschäftigen und die die neuen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin Pferd beantworten. Ein Interview mit Prof. Dr. Klaus Osterrieder, Geschäftsführender Direktor Institut für Virologie, FU Berlin, Mitglied der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin Pferd (StIKo Vet Pferd).
Prof. Dr. Klaus Osterrieder sagt: „Aus meiner Sicht ist es unethisch, sein Pferd nicht impfen zu lassen und ihm damit den Schutz vor Infektionskrankheiten zu verwehren.“ Foto: Paula de Silva/Arnd Bronkhorst

PM-Forum: Die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin Pferd hat vor kurzem neue Empfehlungen für das Impfen von Pferden herausgegeben. Welche Neuerungen beinhalten diese?

Prof. Dr. Klaus Osterrieder: Nach unseren Erfahrungen der vergangenen Jahre haben wir die Impfabfolge beim Fohlen etwas vereinfacht. Wir empfehlen jetzt, die Impfungen gegen Influenza, Tetanus und EHV zusammenzulegen, anstatt zuerst gegen Herpes und später gegen Influenza und Tetanus zu impfen. Das ist logistisch einfacher umzusetzen. Bevor Impfungen vergessen und gar nicht vorgenommen werden, sollten die Impfungen lieber an einem Termin erledigt werden.

PM-Forum: Die FN schreibt eine Impfung gegen Influenza verpflichtend für alle am Turnier teilnehmenden Pferde im halbjährlichen Rhythmus vor. Laut Angabe der Hersteller müssen die Pferde aber nur einmal jährlich geimpft werden. Ist dieser Unterschied gerechtfertigt?

Osterrieder: Ja, der Unterschied ist gerechtfertigt. Das Expertengremium der OIE, also der Weltorganisation für Tiergesundheit, ist zu dem Schluss gekommen, dass es Sinn macht, im halbjährlichen Abstand zu impfen, weil dann der Impfschutz besser gewährleistet ist. Studien haben gezeigt, dass der durch die Influenza-Impfung hervorgerufene Antikörperspiegel fünf bis sechs Monate nach der Impfung beginnt abzusinken. Der Empfehlung, im halbjährlichen Abstand zu impfen, hat sich die StIKo angeschlossen. Dennoch geben die Hersteller oftmals an, dass eine Impfung gegen Influenza pro Jahr ausreicht. Dies gilt allerdings nur für Pferde, die einem geringen Infektionsdruck ausgesetzt sind. Also zum Beispiel ein altes Pferd, das den ganzen Tag auf der Wiese ist, muss nicht jedes halbe Jahr geimpft werden. Wenn aber der Infektionsdruck größer wird, zum Beispiel auf Veranstaltungen, auf denen viele Pferde zusammen kommen, sollten Pferde im halbjährlichen Abstand geimpft sein. Daher empfehlen wir für Turnierpferde die Impfung im sechsmonatigen Abstand.

PM-Forum: Die StIKo Vet Pferd empfiehlt für Influenza dringend, nur Impfstoffe mit momentan kursierenden Virusstämmen, also mit aktueller Zusammensetzung, zu verwenden, um eine größtmögliche Schutzwirkung zu erreichen. Ist eine Aktualisierung der Impfstoffe auch für Herpes relevant?

Osterrieder: Nein, das gilt für Herpes nicht. Herpes-Viren sind DNA-Viren. Sie verändern sich weitaus weniger schnell als Influenza-Viren. Wenn man sich equine Herpesviren ansieht, haben sie sich in den letzten Jahrzehnten antigenetisch nicht verändert, im Gegensatz zu den Influenzaviren.

Wenn viele Pferde auf Turnieren oder sonstigen Veranstaltungen zusammen sind, sollten sie im halbjährlichen Abstand geimpft werden. Foto: Arnd Bronkhorst

PM-Forum: Warum ist die Herpes-Impfung empfehlenswert, obwohl auch geimpfte Pferde noch an Herpes erkranken können? Was kann die Impfung, was nicht?

Osterrieder: Studien haben gezeigt, dass die Ausscheidung von Herpesviren bei geimpften Tieren weitaus niedriger ist als bei nicht geimpften Tieren. Das heißt, man reduziert den Infektionsdruck auf die Population drastisch, wenn, wie im Idealfall, alle Tiere in einem Stall geimpft werden. Der Impfstoff gegen equine Herpesviren schützt nicht sicher vor der Infektion, aber die Ausprägung von Krankheitsanzeichen nach einer Infektion wird deutlich abgemildert, genau wie bei Influenza. Deswegen macht eine Impfung trotzdem Sinn. Denn auch die landläufige Vorstellung, dass man sozusagen einen undurchdringlichen Grippe-Schutzschild bekommt, wenn man sich gegen Influenza impfen lässt, ist falsch. Es ist mitnichten so, dass alle Influenza-geimpften Tiere kein Virus mehr ausscheiden oder nicht daran erkranken können. Wenn sie jedoch erkranken, dann in einer viel milderen Form als ohne Impfung. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es in der Biologie nicht. Es stimmt allerdings, dass ein Schutz vor Influenza durch eine Impfung weitaus einfacher aufzubauen ist als gegen Herpes.

PM-Forum: Einige Pferdesportler fordern auch eine verpflichtende Impfung gegen das Herpesvirus für alle Turnierpferde. Wie ist Ihre Meinung hierzu? Was ist der Unterschied zwischen den Impfungen gegen Herpes und Influenza?

Osterrieder: Eine Impfpflicht würden wir begrüßen, am meisten Sinn macht diese aber nur als Bestandsmaßnahme bzw. als Maßnahme in der gesamten Population. Nachdem zunächst auf einigen Galopp-Rennbahnen in den USA die Herpesimpfung zur Pflicht wurde, gilt dies dort nun auch für die Turnierpferde. Auch eine durch die Leistungsprüfungsordnung (LPO) geregelte Herpes-Impfpflicht in Deutschland würde nur für Turnierpferde gelten und die meisten Freizeitpferde nicht erreichen. Das wäre suboptimal. Wie bei jeder anderen Impfung macht es Sinn, dass alle Pferde eines Bestands bzw. einer Population geimpft sind. Dann sprechen wir von Herdenimmunität. Ein Beispiel: Bei Masern braucht man eine Impfdecke von über 90 Prozent, erst dann kann man Erkrankungen mit ziemlicher Sicherheit verhindern. Wenn sie darunter liegt, dann gibt es immer wieder neue Erkrankungen. Bei Herpes liegen wir bei einer Impfdecke, wenn man überhaupt davon sprechen kann, von 15 bis 20 Prozent. Da ist klar, dass man Infektionen nicht verhindern kann. Mir sind die Schwierigkeiten und Kosten einer Impfpflicht bekannt. Aber nur immer zu sagen, die Impfung hilft ja nichts, ist so nicht richtig. Nur so, wie wir es jetzt machen, hilft sie tatsächlich wenig. Es ist aber der falsche Weg zu sagen, dann impfen wir lieber gar nicht. Wir müssen erstmal eine Impfdecke aufbauen, um zu sehen, ob wir einen besseren und umfassenderen Schutz der Population aufbauen können oder nicht. Hier sind auch die Betriebsleiter gefragt, die eine Herpes-Impfung für alle Pferde in ihrem Betrieb fordern können und sollten.

Bei Pferden, die wenig Kontakt zu fremden Pferden haben und selten den heimischen Stall verlassen, kann eine jähr­liche Impfung ausreichen.
Prof. Dr. Klaus Osterrieder, Geschäfts­führender Direktor Institut für Virologie, FU Berlin, ist Mitglied der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin Pferd. Foto: privat

PM Forum: Warum kommt es immer wieder zu Lieferengpäs­sen beim Herpes-Impfstoff und wie ist das künftig zu verhindern?

Osterrieder: Die Ursache dafür liegt in der Produktion. Dabei geht immer mal was schief, das ist ganz normal. Aber die Pferde-Impfstoffe stehen im Gegensatz zu denen für Geflügel, Rind und Schwein hinten an, weil der Markt für die Nutztiere größer ist. Die Produktion ist sehr eng getaktet. Wenn etwas schiefgeht, dann muss die Charge wieder hinten angestellt werden, weil schon die nächste wartet. Eigentlich müsste es von der Zulassungsbehörde für Impfstoffe Sonderregelungen für Pferde geben. Inzwischen gibt es für Tierärzte die Möglichkeit, Herpes-Impfstoff aus Tschechien zu importieren, aber das kann keine Dauerlösung sein. Die Herstellung der Impfstoffe ist extrem aufwändig und Zulassungsstudien sind sehr kostspielig.

PM-Forum: Wird aktuell an einem neuen, besser wirksamen Herpes-Impfstoff geforscht? Warum ist das so schwierig?

Osterrieder: An der Erforschung alternativer Impfstoffe mangelt es nicht, aber die Testung ist, genau wie die Herstellung, sehr aufwändig und kostenintensiv.

PM-Forum: Was entgegnen Sie Pferdehaltern, die ihre Pferde nicht impfen lassen wollen?

Osterrieder: Impfen ist eine der besten Interventionen, die wir in der Medizin je hingekriegt haben. Die Impfstoffe, die wir haben, sind sicher und wirksam. Aus meiner Sicht ist es unethisch, sein Pferd nicht impfen zu lassen und ihm damit den Schutz vor Infektionskrankheiten zu verwehren. Aber das ist eine schwierige Diskussion. Jede Impfung ist ein medizinischer Eingriff. Und der ist nie zu einhundert Prozent ohne Nebenwirkungen. Aber was da an Meldungen mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen eingeht und was davon klar und eindeutig den Impfstoffen zugeschrieben werden kann, ist geringfügig. Vom Gefühl her mag das anders sein, aber rational ist das überhaupt kein Argument. Es gibt zumindest dokumentiert keinen Grund, nicht zu impfen.

PM-Forum: Im vergangenen Jahr gab es vor allem in Hessen Todesfälle und Turnierabsagen aufgrund von Herpes-Ausbrüchen. Haben wir es mit einem neuen, aggressiveren Virus zu tun?

Osterrieder: Es gab schon vor zehn, zwölf Jahren Berichte darüber, dass sich das Virus verändert hat. Momentan sieht es so aus, als ob es zwei verschiedene Varianten des Virus gibt. Eine davon scheint aggressiver zu sein und steht im Verdacht, vor allem die neurologische Verlaufsform der Krankheit hervorzurufen. Dass sich das Virus in den letzten Jahren so verändert hat, dass es jetzt viel aggressiver ist, halte ich für extrem unwahrscheinlich. Mein Standpunkt ist, dass wir keinen Unterschied zwischen den Virenvarianten machen sollten, da die Bekämpfung für beide gleich ist. Mein Verdacht ist, dass die Häufung der Fälle auf Impfstoffknappheit zurückzuführen ist, weil deshalb noch mehr Viren zirkulieren. Das Gefühl, dass es mehr Herpes-Fälle gibt als früher, würde ich auch darauf zurückzuführen, dass mehr da­rüber gesprochen wird, zum Beispiel in den sozialen Netzwerken. Eine genaue Zahl der Fälle ist schwierig nachzuvollziehen, weil eben viel auf Gefühlen und weniger auf belastbaren Daten basiert.

PM-Forum: Würde denn eine Melde- oder Anzeigepflicht helfen?

Osterrieder: Das müsste über den Gesetzgeber über das Tierseuchenrecht geregelt werden. Für eine Anzeigepflicht ist EHV viel zu unbedeutend. Und nur ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht wäre sanktionierbar. Bei der Meldepflicht hätten wir als Tierarzt oder der Verband überhaupt keine Handlungsmöglichkeit. Was aus meiner Sicht viel besser hilft, sind Best Practice Beispiele, Maßnahmenkataloge und Infoblätter, um aufzuzeigen, was bei einem Ausbruch wirklich zu tun ist bzw. wie Hygiene- und Impfmaßnahmen einem Ausbruch vorbeugen.

Das Gespräch führte Julia Basic.

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