Wie kann man Pferde gegen Erreger und Krankheiten schützen?

Hygiene – ein vernachlässigtes Thema

Rotz in Niedersachsen, Infektiöse Anämie in Sachsen und Herpes im Norden, in der Mitte und im
Süden. Solche Meldungen verbreiteten in den vergangenen Monaten Angst und Schrecken bei
Pferdebesitzern. Aber sobald die schlechten News aus den Medien verschwinden, sinkt das
Interesse an Seuchenprophylaxe und Hygiene schnell – ein grundlegender Fehler, denn verglichen mit dem Rinder- oder Schweinebereich liegt das Niveau der Bestandshygiene in der Pferdehaltung eher im unteren Bereich.

Das Wort Hygiene kommt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet eigentlich die Kunst der Gesunderhaltung. Unsere Vorfahren, in Landwirtschaft, Transport und Militär noch auf die Gesunderhaltung ihrer Pferde angewiesen, waren in Sachen Hygiene vielleicht etwas sensibilisierter als viele heutige Pferdehalter. Das im Jahr 1913 errichtete Hauptgestüt im hessischen Altefeld verfügte bereits damals für gestütseigene und gestütsfremde Stuten über zwei völlig getrennte Wegeführungen zum Deckhaus der Hengste. Damit war sichergestellt, dass die beiden Populationen im Sinne einer Seuchenprophylaxe niemals in einen direkten Kontakt kamen.

„Von dem Wissen in Sachen Hygiene und Prophylaxe bei Infektionskrankheiten, das einst in den deutschen Staatsgestüten geherrscht hat, sind heute viele Pferdehaltungen leider weit entfernt.“ Mit diesem ernüchternden Satz skizziert Dr. Karsten Zech, Fachtierarzt für Reproduktionsmedizin, Rinder- und Pferdegesundheit bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, die Situation. Der Veterinärmediziner gilt als einer der erfahrensten Fachleute zum Thema. „Im Vergleich zu anderen Nutztierhaltungen sind wir mit den Pferden auf Grundschulniveau.“ Als Hauptgrund für diese unbefriedigende Situation vermutet Zech, dass Pferdehalter und pferdehaltende Betriebe zu wenig Ideen- und Informationsaustausch mit anderen Tierhaltungen betreiben und deshalb oft im eigenen Saft schmoren. „Wenn ich mir anschaue, wie sich das Berufsbild des tierhaltenden Landwirts in den vergangenen 20 Jahren im Hinblick auf die Hygiene-Anforderungen durch Politik, Verwaltung, Medien und Öffentlichkeit verändert hat, dann spüre ich davon etwa beim Beruf des Pferdewirtes relativ wenig. Wir müssen akzeptieren, dass Politik und Öffentlichkeit heute ganz andere Maßstäbe an Tierhaltung setzen, als das noch vor 20 oder 30 Jahren der Fall war. Wenn wir als Pferdeleute uns nicht bewegen, dann werden wir möglicherweise zukünftig in eine Richtung bewegt, die uns wenig gefallen wird“, prognostiziert Zech.

Der Pferdestall

Da einerseits viele Pferde hierzulande einen großen Teil ihrer Zeit im Stall verbringen und anderseits der Stall und sein Management die meisten Ansatzpunkte in Sachen Hygiene bietet, dürfte diesem Kapitel die größte Aufmerksamkeit zu widmen sein. Zudem können hier aus der Verletzung von Sorgfaltspflichten nicht nur Nachteile für die Pferde, sondern auch massive juristische Probleme für den Stallbetreiber oder die Einstaller entstehen.

Wer fahrlässig oder vorsätzlich als Neueinstaller Pilz, Influenza oder andere Infektionen mit seinem Pferd in den Bestand einschleppt, ist genauso schadensersatzpflichtig wie der Stallbetreiber, der seine Pflichten verletzt, weil er schuldhaft Hygienemängel geschaffen hat, die das neu eingestallte Pferd erkranken lassen. Worauf ist also zu achten?

Bei der Neueinstallung eines Pferdes sollte der Betreiber sich ein tierärztliches Gesundheitszeugnis vorlegen lassen, in dem bescheinigt wird, dass das Pferd frei von ansteckenden Krankheiten ist. Eine Rechtsgrundlage hierfür besteht zwar nicht, aber sollte das neue Pferd eine Infektionskrankheit einschleppen, könnten durch das Unterlassen dieser Maßnahme durchaus Regressansprüche anderer Einstaller gegenüber dem Betreiber entstehen.

Dr. Karsten Zech

Auch sollte er einen Blick in den Equidenpass werfen, um sich über den Impfstatus des Pferdes zu informieren. Eine Selbstverständlichkeit sollte es sein, dass die Box, die das neue Pferd bezieht, gründlich gesäubert und desinfiziert ist sowie Tränke und Krippe frei von Rückständen sind. Idealerweise wird ein Neuankömmling zunächst an einem vom übrigen Bestand etwas abgesonderten Standort oder gar in einer Quarantänebox untergebracht. Dr. Zech erläutert: „Einerseits müssen wir versuchen, dass der Erregereintrag in einen Bestand so gering wie möglich ist. Andererseits müssen wir beim Auftreten von Infektionskrankheiten alles daran setzen, die betroffenen Pferde so früh wie möglich zu behandeln und vom Rest des Bestandes abzugrenzen, um weitere Infektio­nen zu vermeiden.“

 

Unterschätzt: Mauke

Zech nennt in diesem Zusammenhang ein typisches, allerdings in weiten Kreisen der Pferdehalter unbekanntes Beispiel: „Bei Infektionskrankheiten denken wir Reiter meistens an Influenza, Herpes oder Pilzerkrankungen. Genauso klassisch ist die Mauke. Infizierte Pferde können problemlos den Erreger über den Bodenkontakt auf Reitplatz oder Halle an andere Pferde weitergeben.

Dr. Lutz Alswede

Das ist auch ein Grund, warum wir in manchen Pferdehaltungen bei auftretender Mauke gleich eine Vielzahl von betroffenen Pferden innerhalb eines Bestandes sehen. Hier hilft nur frühzeitiges Erkennen und Behandeln sowie eine Isolation, soll heißen, das betroffene Pferd sollte, solange eine Ansteckungsgefahr gegeben ist, nicht auf den Weiden und Reitböden laufen, die auch vom Rest des Bestandes genutzt werden.“

Die natürlichen Abwehrmechanismen sowie die Lebensbedingungen bei Wildpferden oder frei lebenden Pferden sorgen dafür, dass in solchen Beständen Infektionskrankheiten nur eine untergeordnete Rolle spielen. Ganz anders sieht das in der modernen Pferdehaltung aus. Hier ist häufig eine größere Gruppe von Pferden permanent auf einer relativ kleinen Fläche untergebracht, was zwangsläufig zu einem gänzlich anderen Infektionsdruck als in der freien Wildbahn führt. Zudem stellt die hohe Mobilität der Pferde heutzutage ein in früheren Zeiten kaum gekanntes Problem dar. Man stelle sich nur einen ganz normalen Pferdebetrieb mit etwa 50 Pferden und den entsprechenden Trainingsmöglichkeiten vor und versuche folgende Rechnung aufzumachen: Wie viele Pferde aus diesem Bestand haben nur innerhalb einer Woche durch den Besuch von Turnier-, Freizeit- oder Zuchtveranstaltungen Kontakt zu anderen Beständen? Wie viele dieser Pferde kommen bei Ausritten mit anderen Pferden in Kontakt? Und wie viele Pferde aus anderen Beständen besuchen die Anlage zu Trainings- oder anderen Zwecken?

Generell gilt: Je höher die Fluktuationsrate der Pferde, aber auch der Menschen in einem Stall ist, umso höher ist zwangsläufig der Eintrag von Erregern und damit der Infektionsdruck. Eine Studie des Friedrich Löffler-Institutes aus dem Jahr 2007 zu bestimmten Infektionskrankheiten bei Rindern zeigte, dass 40 Prozent der Infektionen durch Tierkontakte und 20 Prozent durch Personen oder Fahrzeuge übertragen wurden.

Ältere Pferde gefährdet

Besonders gefährdet sind ältere Pferde (etwa ab dem 20. Lebensjahr), deren Immunsystem nicht mehr so stark ist, aber auch sehr junge Pferde wie etwa Fohlen, deren Immunsystem sich gerade erst im Aufbau befindet. Dies ist auch ein Grund, warum die Geburt eines Fohlens oder seine Aufzucht in einem normalen Pensions­stall mit den oben geschilderten Rahmenbedingungen nicht ideal ist. Pferdezucht und Aufzucht lassen sich hygienetechnisch nur schwer mit den Gepflogenheiten in einem normalen Pensions- oder Turnierstall bringen. Zumindest sollten beide Betriebszweige deutlich voneinander getrennt sein.

Sauberkeit im Stall sollte eigentlich selbstverständlich sein – doch die Realität ist vielfach anders.

Die Ausrüstung

Neben dem Stall und seinem Management können die Ausrüstungsgegenstände für den täglichen Gebrauch des Pferdes ein weiterer Hort von Krankheitserregern sein. Sattel- und Stalldecken, Schabracken, Gamaschen und Zäumungen sowie das Putzzeug sind regelmäßig zu säubern und zu desinfizieren. Dabei sollte jedes Pferd seine eigene Ausrüstung haben, die mit keinem anderen Pferd in Berührung kommt. Wer aus Bequemlichkeitsgründen Sattel­decke und Gurt nicht wechselt, wenn er mehrere Pferde mit dem gleichen Sattel reitet, handelt grob fahrlässig. Auch Stiefel oder Chaps werden von den Erregern gerne als Transportmittel auf dem Weg zum nächsten Pferd genutzt.

Über viele Jahre hinweg hatten etwa die Auktionsstandorte in Deutschland immer wieder mit Pilz- und Hustenerkrankungen der meist jungen Pferde zu kämpfen, berichtet Dr. Lutz Ahlswede aus Münster, Fachtierarzt für Tierernährung und Diätetik sowie Fachtierarzt für Zuchthygiene und Besamung. „Wenn junge Pferde aus 40 oder 50 verschiedenen Beständen zusammenkommen und deren noch nicht ausreichend trainiertes Immunsystem zusätzlich durch den Stress einer neuen Umgebung und des Anreitens belastet wird, sind sie besonders anfällig. Zudem kamen früher die Jungpferde oft ohne ausreichenden oder erst kurz zuvor erfolgten Impfschutz zu den Auktionsstandorten. In der Bekämpfung von Atemwegserkrankungen und Pilz bei jungen Pferden kommen wir heute am Thema Impfen nicht mehr vorbei. Ich empfehle auch immer, früh genug mit dem Impfen zu beginnen, damit die jungen Pferde etwa sechs Monate Zeit haben, um einen optimalen Schutz aufzubauen. Seitdem wir das Hygienemanagement bei den Auktio­nen verbessert haben, ist die Rate der durch Infektionskrankheiten bedingten Ausfälle spürbar zurückgegangen. Ganz wesentlich dafür war auch die Sensibilisierung der Mitarbeiter.“ In diesem Zusammenhang weist Ahlswede auch daraufhin, dass manche Infektionskrankheiten gar nicht richtig erkannt werden: „Gerade bei jungen Pferden werden Atemwegserkrankungen von den Besitzern schnell als normaler Husten oder Erkältung abgetan, die in Wirklichkeit auf einer Herpes-Infektion basieren.“

Einen Risikofaktor bei der Ausrüstung bilden auch Stalldecken. Zum Ende des Winters leiden viele eingedeckte Pferde an Hautirritationen oder gar Pilzbefall. Der Grund: Die Pferde, die eingedeckt werden, tragen die Stalldecke rund sechs Monate im Jahr. Werden die Decken in dieser Zeit nicht regelmäßig gewechselt oder gewaschen, sind sie ein idealer Nährboden für Erreger und Pilzsporen. Hinzu kommt, dass Eindecken von manchen Reitern als Ersatz für das Putzen angesehen wird. Die Haut, das größte Organ des Pferdes, wird aber durch das Ein­decken in seiner Funktion maßgeblich eingeschränkt, bis hin zur Verhinderung der „Pflege“ durch das Wälzen. Und dies zusammen mindert die Abwehrfähigkeit der Haut selbst.

Ein No Go: Solche dreckigen Futtereimer sind ein Tummelplatz für Bakterien.

Ein No Go: Solche dreckigen Futtereimer sind ein Tummelplatz für Bakterien.

Basiswissen rund um Hygiene

Allgemeinwissen in der Pferdehaltung sollte sein, dass sämtliche Boxen nach einer gründlichen Säuberung mindestens einmal im Jahr desinfiziert werden. Welche Mittel hierfür zu verwenden sind, weiß der Tierarzt. Die Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (DVG) empfiehlt etwa das Mittel Venno Oxygen, da es nach dem Einsatz in seine unschädlichen Bestandteile zerfällt Grundsätzlich gilt für Desinfektionsmaßnahmen:

• Pferde und andere Stallbewohner (Katzen, Hunde oder Schwalben) sowie Kinder schützen und möglichst vor der Säuberungsaktion aussperren, ausreichende Schutzkleidung tragen (etwa Augen- und Atemschutz).

• Bei Stallungen mit Steinwänden empfiehlt sich auch ein anschließendes Kälken, da die Kalkmilch zumindest vorübergehend eine gewisse antiseptische Wirkung hat.

• Auch die regelmäßige, idealerweise tägliche Kontrolle von Futterkrippen und Selbsttränken sollte selbstverständlich sein.

• Da viele Pferdebetriebe eigenes Brunnenwasser zum Tränken benutzt, empfiehlt sich auch eine regelmäßige Analyse der Wasserqualität. Tränkwasser muss Trinkwasserqualität haben.

• Bei der auch heute noch gelegentlich anzutreffenden Matratzeneinstreu ist festzuhalten, dass diese sich nicht positiv auf das gesamte Stallklima auswirkt. Diese Art der Einstreu produziert zudem eine höhere Erregerdichte und Ungeziefer.

• Nach der Gabe von Wurmkuren ist zu beachten, dass am folgenden, spätestens am übernächsten Tag die Box komplett entmistet und bestmöglich gesäubert wird. Sonst besteht die Gefahr, dass ausgeschiedene Würmer vom Pferd wieder aufgenommen werden.

• Eine häufig zu beobachtende Unart ist es, dass Hundebesitzer ihre Tiere, während sie ihre Pferde reiten, in die Boxen sperren. Die dort zurückgelassen Exkremente können unter Umständen Haken-, Spul- oder Bandwurmkontaminationen beim Pferd bewirken.

Uralte Spinnweben gehören entfernt.

Uralte Spinnweben gehören entfernt.

• Zwei weitere typische Bewohner von Pferdeställen – Spinnen und Schwalben – sind grundsätzlich als Schädlingsbekämpfer zu begrüßen. Deshalb sollten frische Spinnweben auch nicht entfernt werden. Hat sich im Spinnennetz aber schon deutlich Staub abgelagert, ist dies ein Zeichen dafür, dass das Netz von der Spinne nicht mehr genutzt wird und entfernt werden kann.

• Schwalben als Insekten-Vertilger werden in Pferdeställen gern gesehen. Allerdings sollte man hier darauf achten, dass ihre Nester nicht unmittelbar über Futterkrippen oder Tränken platziert sind, da ihr Kot Krankheitserreger enthalten kann. Ein unter dem Nest montiertes Holzbrett verhindert dies.

Impfen: erhebliche Defizite

Ein weites Feld ist das Thema Impfen, weshalb es hier im Zusammenhang mit der Bestandshygiene nur angerissen werden kann. „Diesem Thema wird im Alltag zu wenig Bedeutung zugemessen“, kritisiert Dr. Lutz Ahlswede. „Mittlerweile sehen wir ja auch schon erhebliche Defizite bei der menschlichen Impfmoral, wie das Beispiel des Masern-Ausbruchs in Berlin im vergangenen Winter gezeigt hat. Frühzeitiges, korrektes und vor allem regelmäßiges Impfen ist der beste Schutz, den wir unseren Pferden angedeihen lassen können.“ Wer lange genug mit Pferden zu tun gehabt hat, der weiß, dass bis in die 80er Jahre die Influenza jährlich für hunderte wenn nicht tausende Pferde eine dauerhafte Unbrauchbarkeit, oft sogar den Tod zur Folge hatte. Erst durch die Einführung der Impfpflicht bei Teilnahme an Sportveranstaltungen durch die Pferdesportverbände in Kombination mit Verbesserungen bei den Haltungsbedingungen konnten diese Verluste in den letzten drei Jahrzehnten signifikant reduziert werden. Doch auch heute noch ist die Influenza eine der häufigsten infektiösen Atemwegserkrankungen des Pferdes und ein sinnvolles Impfen mit angepassten und aktualisierten Impfstoffen ein entscheidender Bestandteil der Bestandshygiene.

Gerade gegen Ende des Winters sind Pferde, die dauerhaft mit schmutzigen Decken eingedeckt sind, anfällig für Pilzerkrankungen.

In der nächsten Ausgabe des PM-Forums setzen wir unseren Beitrag über Bestandshygiene mit der Futtermittelhygiene, dem richtigen Weidemanagement sowie Hygiene bei Reise und Transport fort.

Thomas Hartwig

Weiterführende Informationen zum Thema Impfung auch unter:

www.pferd-aktuell.de/veterinaermedizin/impfung/impfung
oder unter de.merial.com/Pferd/Impfung/Pages/default.aspx

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