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Rezension: Die deutschen Landgestüte

Disziplinen der Weltreiterspiele in Tryon, Teil 8: Springen

Neustart im Parcours

Bundestrainer Otto Becker und das deutsche Springreiterteam kehrten von den Weltreiterspielen 2010, die in Lexington/Kentucky stattfanden, mit der Goldmedaille heim. Nun reist die Equipe wieder in die USA, allerdings in neuer Besetzung. Das Springreiten beschließt unsere Serie über die acht Disziplinen der Weltreiterspiele.

Doppel-Null im Nationenpreis beim CHIO Aachen: Die 24-jährige Laura Klaphake und ihre Oldenburger Stute Catch me if you can erwiesen sich als bestes Paar in der Soers. Alle Fotos: Stefan Lafrentz

„Wir sind in einer Phase des Umbruchs“, hatte Bundestrainer Otto Becker schon im vergangenen Jahr gesagt. Bewährte Championatspferde stehen altersbedingt nicht mehr zur Verfügung und Deutschlands prominentester Springreiter Ludger Beerbaum hatte sich nach sieben Olympiateilnahmen und insgesamt 24 Championatseinsätzen aus der deutschen Nationalmannschaft verabschiedet. Zeit für einen Neubeginn mit jungen Reiterinnen und Reitern und ebensolchen Pferden. Nun ganz jung sind nicht alle, der Bundestrainer kann auf den routinierten Marcus Ehning (44) zählen, der nicht nur die Saison über für Nationenpreise zur Verfügung stand, sondern nun auch in Tryon gewissermaßen als Kapitän die Mannschaft begleitet (siehe auch Seite 16). Das hatte schon im vergangenen Jahr ganz gut geklappt, denn mit Laura Klaphake und Maurice Tebbel gehörten zwei „junge Wilde“ aus der Altersklasse U25 zum deutschen Championatsteam, das sich bei der Europameisterschaft in Göteborg achtbar schlug. Einen Medaillenplatz hatte die Mannschaft zwar verfehlt, aber die dort gesammelten Erfahrungen waren von unschätzbarem Wert.

Laura Klaphake blickt im Film auf die EM 2017 zurück, ihr erstes Championat im Seniorenlager.

Sieg beim CHIO Aachen

Die Nationenpreissaison 2018 verlief recht unterschiedlich, zwischen tiefer Enttäuschung und großer Freude erlebten Bundestrainer und Aktive die gesamte Bandbreite. Zum emotionalen Höhepunkt entwickelte sich der CHIO Aachen Ende Juli. In der Favoritenrolle hatten allenfalls unverbesserliche Optimisten das Team gesehen, doch dann passierte Unglaubliches in der Soers:

Der Titelverteidiger: Weltmeister in Einzel und Mannschaftswertung 2014 wurde der Niederländer Jeroen Dubbeldam mit dem Wallach Zenith. Doppel-Gold gelang dem Paar auch ein Jahr später bei der Europameisterschaft in Aachen.

In der Besetzung von Simone Blum/DSP Alice, Laura Klaphake/Catch me if you can OLD, Maurice Tebbel/Chacco’s Son und Marcus Ehning/Pret a Tout wuchs das Quartett regelrecht über sich hinaus und beendete das Länderspiel der Springreiter vor 40.000 Zuschauern mit einem Sieg. Dass Marcus Ehning drei Tage später auch noch den Großen Preis in der Soers gewann, setzte der deutschen Erfolgsbilanz die Krone auf. Nun darf man sehr gespannt sein, wie sich Otto Beckers Mannschaft in der sehr viel schwierigeren Konkurrenzsituation der Weltreiterspiele wird behaupten können. In Aachen fehlten etliche starke Teams und Einzelreiter.

Kein Pferdewechsel mehr

Wer neuer Weltmeister wird, entscheidet sich nicht mehr mit dem Pferdewechsel, den das Championat von seiner Premiere an hatte (siehe Kasten). Mit den letzten Weltreiterspielen in Caen (Normandie) ging die Tradition zu Ende. Der Pferdewechsel war zwar für die Zuschauer spannend, aber für die Pferde auch recht kräftezehrend, denn nach der ersten Wertung (Zeitspringen), dem Nationenpreis über zwei Umläufe und dem Einzel-Finale noch mal über zwei Runden traten die besten vier Paare zur letzten Prüfung mit Pferdewechsel an. Viele Aktive hatten auf die Regelwerksänderung gedrängt, die der Weltreiterverband letztlich auch beschloss.

So gehen die Reiter wie in der Vergangenheit zunächst im Zeitspringen an den Start, bei dem Fehler und benötigte Zeit in Punkte umgerechnet werden. Der Reiter mit der niedrigsten Punktzahl startet bei null, bei allen anderen wird die Differenz zum Ersten in Punkte umgerechnet. Die zweite Prüfung ist auch weiterhin der Nationenpreis, der in Addition mit dem Zeitspringen über das Mannschaftsergebnis bzw. die Teammedaillen entscheidet. Für viele Reiter und Pferde ist das Championat an dieser Stelle beendet, denn für den Kampf um die Einzelmedaillen sind nur die 25 punktbesten Paare zugelassen. Das Finale führt wiederum über zwei Runden, für den zweiten Umlauf qualifizieren sich aber nur noch die besten zwölf Reiter. Unter ihnen wird schließlich der Weltmeister ermittelt – wie gesagt, ohne Pferdewechsel zum Abschluss.

Susanne Hennig

Sternstunde für Bundestrainer Otto Becker: Sein Team mit Marcus Ehning, Laura Klaphake, Simone Blum und Maurice Tebbel (v.l.) gewann den berühmten Nationenpreis von Aachen 2018.

Ludger Beerbaum (55), über Jahrzehnte Stütze des deutschen Springreiterteams, hat sich nach Rio aus der Nationalmannschaft zurückgezogen. Das Foto zeigt ihn mit seiner Holsteiner Erfolgsstute Chiara.

Blick in die Historie

Die Weltmeisterschaft der Springreiter feierte ihre Premiere 1953 in Paris. Nur elf Länder nahmen teil. Große Reiternationen wie Großbritannien, USA oder Schweden bleiben dem Ereignis fern, weil sie den neuartigen Modus fürchten und ablehnen. Schon im ersten Jahr wird nämlich der Sieger im Pferdewechsel ermittelt, eine für viele Aktive schreckliche Vorstellung. Da die Mannschaft nur aus zwei Reitern bestehen darf, entsendet Deutschland Hans Günter Winkler mit Halla und Fritz Thiedemann mit dem erst siebenjährigen Diamant in die französische Metropole. Erster Weltmeister wird der Spanier Francisco Goyoaga, Fritz Thiedemann gewinnt die Silbermedaille. Von 1953 bis 1956 wurden die Weltmeisterschaften jährlich, ab dann im Vierjahres-Rhythmus ausgerichtet. Die zweite WM 1954 führte die Aktiven nach Madrid. Hans Günter Winkler ritt mit Halla auf der iberischen Halbinsel zu weltweitem Ruhm. Seinem ersten WM-Sieg folgte ein Jahr später in Aachen der zweite. Fünf Deutsche ritten nach Winkler zu WM-Gold. Knapp 20 Jahre sollte es allerdings dauern, bis Hartwig Steenken auf Simona im britischen Hickstead das Championat gewinnt (1974).

Auch bei den nächsten beiden WMs erklingt die deutsche Nationalhymne: 1978 heißt in Aachen der Sieger Gerd Wiltfang mit Roman, vier Jahre später in Dublin siegt Norbert Koof mit Fire. Ab 1990 sind die Weltmeisterschaften der Springreiter in die World Equestrian Games, die Weltreiterspiele, eingebunden. Das erste Mammutchampionat findet in Stockholm statt. In Den Haag 1994 schlägt die Stunde der Deutschen: Das Team gewinnt erstmals Mannschafts-Gold bei einer WM, Franke Sloothaak und die auffällige blauäugige Fuchsstute Weihaiwej sichern sich den Einzeltitel. Einen deutschen Einzel-Weltmeister hat es seitdem nicht mehr gegeben. 1998 in Rom siegte der Brasilianer Rodgigo Pessoa, 2002 in Jerez de la Frontera der Ire Dermott Lennon, 2006 der für Belgien startende Niederländer Jos Lansink, 2010 der Belgier Philippe Le Jeune und 2014 der Niederländer Jeroen Dubbeldam.

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