Vorheriger Artikel

Ausgabe 03/2018
Reiten der Grundgangarten

Nächster Artikel

Ausgabe 03/2018
FN-Lehrfilm: Auto trifft Kutsche

Disziplinen der Weltreiterspiele in Tryon, Teil 2: Reining

Im Mutterland der Cowboys

Wenn die Westernreiter bei den Weltreiterspielen in Tryon an den Start gehen, dann weiß man schon heute: Die Halle im Equestrian Center wird in ihren Grundfesten beben. Nirgendwo sonst hat das Westernreiten so viele Fans, nirgendwo sonst gibt es so viele Quarterhorses wie in der Heimat der Cowboys. Im Mutterland des Westernreitsports gelten die Gastgeber zwar als Favoriten, aber die deutschen Aktiven wollen bei der Medaillenvergabe ein Wörtchen mitreden.

Sie wurde die erste deutsche Weltmeisterin: Gina Maria Schumacher gewann Gold (Junge Reiter) bei den Titelkämpfen auf der familieneigenen Reitanlage in Givrins/Schweiz. 2018 will die nun 21-Jährige bei den Senioren in Tryon/USA an den Start gehen. Fotos: Daniel Heinzi

Das könnte Sie auch interessieren:
Die Disziplinen der WM in Tryon, Teil 1 Distanzreiten

Reining-Bundestrainer Nicolas Hörmann, als Aktiver einst bei drei Europameisterschaften am Start und mit Team-Gold und -Silber dekoriert, blickt auf ein erfolgreiches Jahr zurück: Sein Senioren-Team gewann 2017 bei der Europameisterschaft in der Schweiz die Silbermedaille (Mannschaft), dazu Silber (Dominik Reminder) und Bronze (Julia Schumacher) in der Einzelwertung, und bei den Jungen Reitern wurde Gina Maria Schumacher sogar Weltmeisterin. Das ist zwar eine schöne Ausgangsbasis, aber 2018 werden die Karten neu gemischt.

Nicolas Hörmann, einstiger Deutscher Meister in der Reining und mehrfacher EM-Reiter, betreut seit 2015 die Westerndressur Reining als Bundestrainer. Foto: FN-Archiv

„Wir hatten die vergangenen Jahren sehr konstante Paare, die Pferde sind jedoch älter geworden, in Richtung Weltreiterspiele werden wir neue Pferde aufbauen müssen“, sagt Nicolas Hörmann. So wird unter anderem Grischa Ludwig, einer der erfolgreichsten deutschen Reiner, in dieser Saison mit einem neuen Pferd durchstarten. 2017 hatte der 44-jährige einstige Vize-Weltmeister keinen geeigneten Sportpartner zur Verfügung. Auch Alexander Ripper baut sein neues Pferd derzeit auf. Elias Ernst und Julia Schumacher hingegen setzen auch 2018 auf ihre bewährten Championatspferde. Apropos Schumacher: Julia und Gina Maria tragen zwar denselben Nachnamen, verwandtschaftliche Beziehungen bestehen allerdings nicht. Auf der heimischen Reitanlage in Grivins/Schweiz sicherte sich die Tochter der Rennfahrer-Legende Michael Schumacher bei der Weltmeisterschaft der Jungen Reiter die erste WM-Goldmedaille für Deutschland überhaupt. In dieser Saison geht die 21-Jährige, die schon vor sechs Jahren bei den Junioren Gold gewann, bei den Senioren am Start und visiert natürlich auch das große Jahresziel an: Weltreiterspiele in den USA.

Gina-Maria hat, ohne es bewusst zu steuern, der Westerndressur Reining viel Auftrieb verschafft. Hörmann: „Ihr berühmter Name und das hohe mediale und öffentliche Interesse an ihrem Vater hat auch die Weltmeisterschaft stärker ins Blickfeld gerückt.“ Bis die Reiter für die Weltmeisterschaft nominiert werden, müssen sie allerdings erst noch diverse Qualifikationshürden nehmen. Ende März und Ende Juni stehen für die in Deutschland lebenden Aktiven zwei Sichtungstermine zur Auswahl, beide in Kreuth. Die im Ausland beheimateten Reiter können sich in Frankreich, den USA und in der Schweiz qualifizieren. Bundestrainer Hörmann erklärt: „Unabhängig der guten Leistungen und Championatserfolge 2017 müssen alle in Frage kommenden Reiter die Sichtungen absolvieren. Und dann schauen wir mal, wer die besten Perspektiven für Tryon hat.“

Susanne Hennig

Westerndressur Reining

Das Westernreiten hat seine Ursprünge in den USA und bis heute sind die Amerikaner tonangebend, sowohl was die Zucht als auch den Sport selbst angeht. Dieser basiert auf der Reitweise amerikanischer Rinderhirten. Die Cowboys verbrachten oft Stunden im Sattel und waren auf verlässliche, ausdauernde und nervenstarke Pferde mit bequemen Gängen angewiesen. Die bekannteste Westernpferderasse ist das Quarter Horse, mit rund 4,6 Millionen Exemplaren die größte Pferdepopulation der Welt. Ihren Name verdankt sie den Quarter Mile Races, Rennen über eine Viertel Meile (rund 400 Meter).

International gibt es zehn verschiedene Reining-Aufgaben (Pattern), die aus sieben bis acht Elementen (Manöver) in jeweils unterschiedlicher Folge zusammengesetzt sind und auswendig geritten werden müssen. Typische Manöver sind schnelle und langsame Galoppzirkel, fiegende Galoppwechsel, Drehungen auf der Hinterhand (Spin), rasante Stopps, Hinterhandwendungen (Rollbacks) und Rückwärts-Richten (Back-up). Es wird fast ausschließlich galoppiert bei einhändiger Zügelführung – ein Relikt aus einer Zeit, als der Cowboy eine Hand für das Lasso brauchte. Gewünscht ist die vollkommene Kontrolle des Pferdes durch minimale Zügel-, Schenkel- und Gewichtshilfen.

Julia Schumacher, Lebensgefährtin von Grischa Ludwig und nicht verwandt mit Gina Maria Schumacher, sicherte sich 2017 neben Team-Silber auch die Einzel-Bronzemedaille bei der Europameisterschaft in Givrins.

Julia Schumacher im Video über das Reining und über ihren Erfolg bei den Europameisterschaften 2017.

Die wichtigsten Manöver der Westerndressur

Back up: Das Rückwärtsrichten sollte gerade, flüssig und ohne Widerstand über mindestens drei Meter erfolgen.

Hesitate: Ruhiges und entspanntes Verharren des Pferdes nach einzelnen Manövern und am Ende der Aufgabe.

Rollback: 180°-Wendung auf der Hinterhand nach einem Stopp, wobei das das Pferd ohne Verharren anspringt und weitergaloppiert. Es darf weder vor- noch zurücktreten. Galoppiert das Pferd nach dem Rollback auf der falschen Hand an, hat der Reiter bis zum Erreichen der kurzen Seite Zeit zur Korrektur.

• Spin: Eine Folge von 360°-Drehungen auf der Hinterhand, wobei die Vorderbeine trabartig um die Hinterhand laufen. Der Standort der Hinterhand darf während der Drehung nicht verändert werden. Der ideale Spin ist flach, rasant, aber taktrein und muss auf den Punkt beendet werden.

• Stop: Das Manöver Stop besteht aus drei Teilen. Es beginnt mit einem „Rundown“, bei dem das Pferd kontinuierlich und kontrolliert Tempo aufbaut, um dann weich mit der Hinterhand in den Stop zu gleiten, wobei die Vorderbeine locker weitertraben. Das anschließende Verharren, Wenden oder Rückwärtsrichten wird ebenfalls mitbewertet.

• Zirkel: Geritten werden jeweils große schnelle und kleine langsame Galoppzirkel. Das Pferd muss auch bei hohem Tempo stets unter Kontrolle bleiben und auf kleinste Hilfen ohne Zögern zum langsamen Zirkel zurückkommen. Der Galoppwechsel erfolgt punkt- genau an der vorgeschriebenen Stelle und ohne vorherige Tempoänderung.

Bewertungsverfahren

Jeder Reiter startet mit einem Guthaben von 70 Punkten („Score“), zu denen Plusund Minuspunkte hinzukommen können. Maximal ist ein Score von 82 möglich, ein solches Ergebnis ist allerdings ebenso unwahrscheinlich wie ein 100-Prozent-Ritt in der klassischen Dressur. So gewinnt der erste Weltmeister Shawn Flarida aus USA 2002 den Titel mit einem „Score“ von 221,5 bei drei Richtern, im Durchschnitt also 73,8 Punkte. Minuspunkte gibt es für groben Ungehorsam wie Ausschlagen oder Bocken, für Widerstand oder Fehler in der Ausführung.

Wer wird Weltmeister?

Vergeben werden Medaillen in der Mannschafts- und Einzelwertung. Deutschland ist mit vier Mannschaftsreitern und voraussichtlich einem Einzelreiter am Start. In der Mannschaftsaufgabe treten zunächst alle Reiter an. Für die Vergabe der Mannschaftsmedaillen
werden die besten drei Ergebnisse der Teamreiter herangezogen. Die 20 besten Teilnehmer sind direkt fürs Finale qualifiziert. Weitere rund zehn Paare haben die Chance, sich über die Trostprüfung noch für das Finale zu empfehlen. Dort wird dann der Weltmeistertitel in der Einzelwertung vergeben.

Dominik Reminder war mit zwei Silbermedaillen der beste deutsche Reiter bei der Europameisterschaft 2017. Der 29-Jährige baut derzeit neue Pferde auf.

Vorheriger Artikel

Ausgabe 03/2018
Reiten der Grundgangarten

Nächster Artikel

Ausgabe 03/2018
FN-Lehrfilm: Auto trifft Kutsche