Vorheriger Artikel
Ausgabe 05/2018
Das Altwürttemberger Pferd
Nächster Artikel
Ausgabe 05/2018
5. Liebenberger Pferdeforum
Disziplinen der Weltreiterspiele in Tryon, Teil 4: Voltigieren
Zu Gold und Silber geturnt
Pferde, Musik, Akrobatik, Choreografie und Show – Voltigieren hat seinen ganz eigenen Reiz innerhalb der acht Pferdesportdisziplinen der Weltreiterspiele 2018. Aus deutscher Sicht gehören die Kunstturner zu Pferde zu den zuverlässigsten Medaillenlieferanten – ob einzeln, als Duo, Gruppe oder ganz neu als Nationenpreis-Team.
Sie bewerben sich um das WM-Ticket: die Voltigiersportler des Teams NORKA (VV Köln-Dünnwald), die mit Longenführer Patric Looser 2017 Europameister wurden. Fotos: Daniel Kaiser
Bundestrainerin Ulla Ramge (54) beendete ihre eigene sportliche Karriere mit 21 – allerdings nicht ganz freiwillig. „Das war damals einfach die Altersgrenze, danach war international wie national Schluss“, erinnert sie sich. Erst seit 1985 bzw. 1987 dürfen Einzelvoltigierer älter sein. Bei den Gruppen dauerte es sogar bis 2008, bis die Grenze fiel und sich der ehemalige Reiteinstiegssport für Kinder endgültig zum Hochleistungssport mauserte. Mittlerweile gibt es parallel zum Spitzensport einen hochkarätigen U18-Juniorensport, aus dem viele der potenziellen WM-Kandidaten hervorgegangen sind. „Es hat sich ausgezahlt, dass wir hier schon zeitig mit einem Nachwuchschampionat aktiv geworden sind, bevor der Weltreiterverband Championate ausgeschrieben hat“, sagt Ramge, die seit 2002 das Amt der Bundestrainerin innehat.
Jannis Drewell gewann die Europameisterschaft und zweimal das Weltcup-Finale.
So hat der gesamte Championatskader der Einzelvoltigierer seine Wurzeln im Nachwuchsbereich: Thomas Brüsewitz, Jannik Heiland und Jannis Drewell, dessen Stern bei den Europameisterschaften 2015 in Aachen aufging. In diesem Jahr gewann der Sportsoldat zum zweiten Mal das Weltcup-Finale in Dortmund und gehört damit zu den Topfavoriten seiner Disziplin.
Jedes Jahr neue Kür
Für Drewell hat – wie für alle seine Kollegen – die Weltmeisterschaftssaison bereits im Herbst 2017 begonnen. Denn in der Szene ist es üblich, jede Saison mit einer neuen Kür anzutreten. „Vorschrift ist das nicht. Aber nochmal dasselbe Programm zu zeigen, wird nach Möglichkeit vermieden“, sagt Ramge. Direkt nach der Saison, im September und Oktober beginnt daher bereits die Kreativphase fürs kommende Jahr. Dann werden sich neue Übungen ausgedacht, ein neues Thema und eine neue Musik gewählt und mit dem vorhandenen Repertoire an Übungen verbunden.
„Die Medaillen werden im Winter gemacht“, so Ramges Credo, mit dem sie bislang sehr erfolgreich war. 113 Mal Edelmetall, darunter alleine 38 Goldmedaillen, sammelten ihre Schützlinge während ihrer bisherigen Amtszeit in allen Altersklassen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Bedeutung der Longenführer im Voltigiersport: Starke Partner im Hintergrund
Kürthemen
Besonders beliebt für Voltigier-Küren sind Film- und Musicalthemen, es werden aber auch berühmte Persönlichkeiten wie Mozart, Sherlock Holmes, Romeo und Julia interpretiert. „Es gehört zu den Ritualen des Sports, zunächst ein Geheimnis aus der jeweils neuen Kür zu machen, das dann erst im Weltcup oder zu Beginn der Saison im April gelüftet wird“, schildert Ramge. So viel sei aber schon verraten: In diesem Jahr dürfen sich die Fans auf einen mit dem Wolf tanzenden Jannis Drewell und Kristina Boe als Gorilla-Forscherin Jane Goodall freuen.
Als Vizewelt- und amtierende Europameisterin zählt Boe auch zu den Favoriten für einen Start und eine Medaille in Tryon. Aber auch für die Hamburger Unfallchirurgin heißt es zunächst, die starke Konkurrenz aus den eigenen Reihen hinter sich zu lassen und den DOKR-Ausschuss, die Bundestrainerin und Disziplintrainer Kai Vorberg zu überzeugen. Schwierig wird die Wahl auch bei den Doppelvoltigierern, von denen pro Nation maximal zwei für die WM benannt werden dürfen. Dabei dürfte sich das Duo Theresa Bresch und Thorben Jacobs mit seinem Sieg im Weltcupfinale bereits einen kleinen Bonus erworben haben. Ihre Kür für Tryon haben die beiden jedenfalls schon: Sie treten zum Paartanz-Klassiker Paso Doble an.
Die derzeit erfolgreichste Voltigiersportlerin ist Kristina Boe aus Hamburg.
Longiert werden die beiden von Alexandra Knauf, die ebenso wie der gebürtige Schweizer Patric Looser, Weltmeister 2010, im Verein Köln-Dünnwald aktiv ist. Looser gelang in den letzten Jahren das Kunststück, gleich mehrere Spitzeneinzel- und -doppelvoltigierer zu einer schlagkräftigen Gruppe zu formen. Im vergangenen Jahr setzte sich dieses Team NORKA Köln gegen die jahrelang führenden Teams aus Neuss und Ingelsberg durch, reiste zu den Europameisterschaften und kehrte mit Gold nach Hause zurück. Welche Gruppe in diesem Jahr die deutschen Farben vertreten wird, entscheidet sich nach dem CVI Krumke. Die übrigen Entscheidungen fallen nach dem CVIO Aachen.
Im Film sprechen Gruppenmitglied Justin van Gerven und Longenführer Patric Looser vom Team NORKA des VV Köln-Dünnwald über das Voltigieren und ihren Erfolg bei der EM 2017.
Neuheit Nationenpreis
Und dann wartet in Tryon noch etwas ganz Neues auf die Voltigierer. Forciert durch Kai Vorberg als Mitglied im FEI-Voltigier-Komitee wird es in Tryon erstmals auch einen zusätzlichen Nationenpreis geben. Ausgetragen im Rahmen des ersten Kürdurchgangs, werden dafür jeweils die Ergebnisse zweier Einzelvoltigierer und der Gruppe addiert. Welche beiden Einzelvoltigierer in diesem Nationenpreis für Deutschland starten werden, entscheidet sich allerdings erst vor Ort. „Das macht die WEG nochmal spannend, vor allem weil einige Nationen mit ihren Topleuten sehr eng beieinander liegen. Im Grunde war so eine Wertung längst überfällig“, sagt Ulla Ramge.
Uta Helkenberg
Der Weg zur Medaille
- Der Weg zum Titel führt für die Einzelvoltigierer über zwei Durchgänge. Der erste besteht aus Pflicht und Kür, der zweite aus Technikprogramm und Kür. Das Technikprogramm setzt sich aus fünf vorgeschriebenen Elementen zusammen, die nach eigener Vorstellung in einer Art „Kurz-Kür“ interpretiert werden.
- Ebenfalls zunächst ein Pflichtprogramm müssen auch die Gruppenvoltigierer absolvieren. Danach wird zwei Mal die Kür gezeigt, die damit einen höheren Stellenwert bekommt.
- Zwei Mal zeigen auch die Doppelvoltigierer ihre Kür, woraus sich dann die Platzierung ergibt. Eine Pflicht gibt es im Pas-de-Deux nicht.
- Die neue Nationenpreiswertung errechnet sich aus den Kürergebnissen zweier Einzelvoltigierer pro Nation sowie der Gruppe. Dafür herangezogen wird jeweils die erste Kür. Daran wird auch die Startreihenfolge angepasst. Nachdem zunächst alle anderen ihre erste Kür absolviert haben, treten zuletzt die Nationenpreis-Teilnehmer nacheinander an.
Vorheriger Artikel
Ausgabe 05/2018
Das Altwürttemberger Pferd
Nächster Artikel
Ausgabe 05/2018
5. Liebenberger Pferdeforum