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Basis-Ausbildung mit Rolf Petruschke: Reiten von Wendungen

Meilenstein in der Ausbildung

Es geht schon mit dem Aufmarschieren los und zieht sich durch die gesamte Aufgabe wie der berühmte rote Faden: Wer geschmeidig durch die Wendung reiten kann, liegt in der A-Dressur weit vorn. Unser Experte für die Basisarbeit, Pferdewirtschaftsmeister Rolf Petruschke, erläutert im vierten Teil der Ausbildungsserie „Alles andere als Anfänger – Reiten auf dem Niveau der Klasse A“, warum gebogene Linien von so großer Bedeutung sind.
Auf dem Zirkel lassen sich Gleichgewicht und Längsbiegung am besten überprüfen, besonders auf dem Mittelzirkel ohne Begrenzung durch die Bande. Foto: Arnd Bronkhorst
Neben den Grundgangarten und den Übergängen sind es vor allem die Hufschlagfiguren, die in einer Dressurprüfung bewertet werden. Deshalb zählen Zirkel, Volten und Schlangenlinien in allen drei Grundgangarten und auf beiden Händen zu den wichtigsten Bausteinen einer jeden Dressurprüfung. Und um diese präzise reiten zu können, muss das Pferd insbesondere Stellung und Biegung geschmeidig annehmen. Da lohnt ein Blick in die Richtlinien für Reiten und Fahren Band 1, denn hier wird genau erklärt, was unter Stellung und was unter Biegung des Pferdes zu verstehen ist und wie diese zu erreichen sind.
Die Skizze zeigt links die korrekte Rechtsstellung des Pferdes und rechts die falsche, übertriebene Rechtsstellung. Illustration: Cornelia Koller, Dierkshausen; mit frdl. Genehmigung entnommen aus „Grundausbildung für Reiter und Pferd, Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1, Hrsg.: Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN), FNverlag, Warendorf 2018.
Stellung heißt zunächst einmal, dass das Pferd seinen Kopf soweit seitlich wendet, dass der Reiter das innere Auge und den inneren Nüsternrand schimmern sehen kann. Dazu wird das Genick des Pferdes in die Bewegungsrichtung gestellt, der Hals ist nur ganz leicht gebogen. Die Ohren des Pferdes bleiben auf einer Höhe, die Nasen-Stirn-Linie an oder leicht vor der Senkrechten. Wichtig ist, dass der äußere Zügel so viel Stellung zulässt, wie der Reiter fordert. Das Schenkelweichen weist noch eine Besonderheit auf: Das Pferd ist bei dieser lösende Übung gegen die Bewegungsrichtung gestellt und nicht gebogen. Hier ist es ganz besonders wichtig, dass das Pferd die treibenden Hilfen ehrlich annimmt, stimmt der Schenkelgehorsam nicht, neigen viele Reiter dazu, mit zu viel Stellung zu arbeiten. Doch auch auf dem Zirkel oder im Arbeitsgalopp sieht man häufig Pferde, die zu stark nach innen gestellt werden. Rolf Petruschke fällt auf, dass viele Reiter gerade auf der linken Hand oft mit zu viel Stellung arbeiten. „Das Überstellen auf der linken Hand macht es dann umso schwerer, eine korrekte Rechtswendung zu reiten. Das Pferd weicht über die Schulter aus, weil die Begrenzung durch die verwahrenden Hilfen fehlt.“ Der Reiter sollte sich stets bewusst sein, dass zu viel Stellung auch das innere Hinterbein blockiert und eine geschmeidige Biegung unmöglich macht. Auch hier gilt also der Grundsatz: Weniger ist mehr!
Während das Reiten in Stellung ohne Biegung zum Beispiel beim Schenkelweichen sogar gefordert ist, kann es Biegung niemals ohne Stellung geben. Biegung bezieht sich immer auf den gesamten Pferdekörper und meint eine Krümmung der Längsachse. Diese wird, soweit anatomisch möglich, gleichmäßig auf die gebogene Linie eingestellt. Die Biegsamkeit im Bereich der Brustwirbel ist für das Maß an Längsbiegung ausschlaggebend. Die Biegsamkeit und damit die Elastizität des Pferdes nimmt mit weiter fortschreitender Gymnastizierung und Ausbildung zu, deshalb sollte jede Stunde mit großen gebogenen Linien begonnen werden und das Maß an Biegung erst allmählich mit zunehmender Losgelassenheit und Durchlässigkeit erhöht werden.

Ein Tipp

Einen wertvollen Tipp hat Rolf Petruschke noch parat: „In der Grundausbildung sollte der Reiter die Gerte in beiden Händen führen können. Liegt die Gerte immer in der rechten Hand, wird die linke oft verdreht und wirkt starr. Da bei vielen Reitern die linke Wade die schwächere ist, entsteht ein laterales Problem, geschmeidiges Stellen und Biegen wird unmöglich.“
Doch egal, wie anspruchsvoll die zu reitende Linie auch ist, die Grundidee ist immer dieselbe: Auf der gebogenen Linie wird die Muskulatur der äußeren Körperhälfte gedehnt, dadurch wird die Biegearbeit zu einem intensiv gymnastizierenden Prozess und stellt ein wichtiges Element in der Grundausbildung eines jeden Reitpferdes dar. Außerdem sind die Fähigkeit und die Bereitschaft zur Biegung eine wichtige Voraussetzung für die geraderichtende und die versammelnde Arbeit und dienen damit der Gesunderhaltung des Pferdes. „Das richtige Stellen und Biegen beeinflusst ganz maßgeblich das Vertrauen zum Reiter und die Durchlässigkeit des Pferdes“, betont Rolf Petruschke.

Geschmeidiger Grundsitz

Um eine Wendung korrekt ausreiten zu können, braucht der Reiter vor allem einen ausbalancierten, losgelassenen und geschmeidigen Grundsitz. Wer einen Zirkel korrekt reiten möchte, muss in der Lage sein, diese Linie auch mit seinem Körper „vorzugeben“– der Reiter sitzt in die Bewegungsrichtung und gibt diese damit dem Pferd vor. Das Pferd folgt in dem Bestreben, sein eigenes Gleichgewicht zu halten, stets dem Schwerpunkt des Reiters – die einseitig vermehrt belastende Gewichtshilfe ist also kein Selbstzweck, sondern eine Grundvoraussetzung für das Reiten aller gebogenen Linien.

Blickrichtung wichtig

Auch die Blickrichtung spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle: Die Augen leiten die Bewegungen des Körpers und wer nach unten schaut, reitet fast immer schlechte Bahnfiguren. Der Reiter sollte sich angewöhnen, mit dem Blick stets eine Pferdelänge weiter zu sein, also wirklich in die Richtung der zu reitenden Linie zu schauen. Wer als Reiter seinen Körper ganz gezielt einsetzen kann, um die Bewegungen des Pferdes zu veranlassen, zu steuern und zu verändern, der ist auf seinem Ausbildungsweg schon ein gutes Stück vorangekommen. Dazu gehört natürlich auch, dass der Reiter sich angewöhnt, stets das Optimum anzustreben, sprich den Zirkel immer korrekt rund und von Punkt zu Punkt zu reiten und sich nicht zu ungenauen Bahnfiguren verleiten lassen, nur weil gerade keiner zuschaut.

Durchreiten der Ecken

Eine ganz wichtige Übung ist in diesem Zusammenhang das Durchreiten der Ecken. Viele Reiter sind hier nachlässig, es ist kaum zu unterscheiden, ob sie gerade auf dem Zirkel oder auf der ganzen Bahn unterwegs sind. Dabei ist eine gut durchrittene Ecke immer auch eine Möglichkeit, die Durchlässigkeit des Pferdes und die Akzeptanz der Reiterhilfen zu überprüfen. Denn jede Ecke ist eine Viertelvolte und bietet durch die Bande eine gute äußere Begrenzung. Je weiter ausgebildet Pferd und Reiter sind, desto tiefer und bewusster sollte die Ecke ausgeritten werden, auch um diese als Vorbereitung auf die folgenden Lektionen zu nutzen. Wenn zum Beispiel in der A-Dressur durch die ganze Bahn gewechselt und dabei der Mitteltrab verlangt wird, dann bietet die Ecke die Chance, das Pferd noch mal zu schließen und vermehrt im Hinterbein zu aktivieren, bevor der Schwung dann auf der Diagonalen herausgelassen wird. „Ich lasse das Ausreiten der Ecken gerne um Kegel herum üben. Auch die Kehrtvolten in die Ecke hinein im Mittelschritt oder Arbeitstrab sind hier wertvoll. Übergänge in den Ecken geritten, fördert nicht nur die Längsbiegung, sondern erziehen die Reiter auch zum angemessenen Nachgeben“, sagt Rolf Petruschke.
Beim Schenkelweichen ist das Pferd gegen die Bewegungsrichtung gestellt und nicht gebogen. Zu starke Stellung führt oft zu einem Ausweichen der äußeren Schulter und blockiert das innere Hinterbein des Pferdes. Foto: Arnd Bronkhorst

Biegung

Biegung wird durch konsequente Abstimmung der diagonalen Hilfen erreicht. Dazu treibt der Reiter das Pferd mit dem inneren Schenkel und der einseitig vermehrt belastende Gewichtshilfe an den äußeren Zügel heran. Der äußere Schenkel verhindert ein Ausweichen des Pferdes, während der äußere Zügel die Biegung zulässt und die Schulter begrenzt. Der innere Zügel sorgt für leichte Innenstellung. So wird eine harmonische, geschmeidige Längsbiegung gefördert und das Pferd systematisch biegsamer und elastischer. Das Grundverständnis für die diagonale Hilfengebung stellt einen Meilenstein auf dem Ausbildungsweg des Reiters dar. „Ist ein Reiter in der Lage, auf beiden Händen gleichmäßig gut diagonal einwirken, ist er in seiner Ausbildung schon ein ganz gutes Stück vorangekommen“, stellt Rolf Petruschke klar.

Reiten auf dem Zirkel

Beim Reiten auf einem Zirkel ist das Pferd beständig gebogen und bewegt sich auf einer gleichmäßigen Kreislinie, die Ecken werden abgerundet. Der Zirkel beginnt stets Mitte der kurzen Seite bei A oder C oder beim Mittelzirkel entsprechend bei B oder E. Der Reiter behält das Pferd in konstanter Stellung und Biegung auf der Linie und blickt stets zum nächsten Zirkelpunkt. Probleme treten meist dann auf, wenn der Reiter den Zirkel nicht wie eine andauernde große Wendung reitet, sondern die Längsbiegung zur geschlossenen Zirkelseite hin aufgibt und sie dann immer zum Abwenden neu erarbeiten muss. Das korrekte Ausreiten der Zirkellinie sollte im Training einen festen Platz erhalten, nur dann kann der Zirkel seine gymnastizierende Wirkung entfalten. Besonders effektiv wird das Zirkeltraining, wenn Größe, Tempo und Richtung regelmäßig variiert werden. Beim Aus-dem-Zirkelwechseln wird das Pferd fließend und geschmeidig von der einen auf die andere Hand umgestellt, so dass auf beiden Händen gleichmäßig an der Elastizität gearbeitet wird. Der Mittelzirkel ist übrigens Rolf Petruschkes Lieblings-Linie: „Ohne Begrenzung durch die Bande lassen sich Gleichgewicht und Längsbiegung am besten überprüfen.“ Gerne kombiniert er den Mittelzirkel mit Volten nach außen beim Überreiten der Mittellinie. „Das veredelt die Einwirkung des Reiters und das Gehen der Pferde“, ist sich der Experte sicher.
Die Augen leiten die Bewegungen des Körpers und wer nach unten schaut, reitet fast immer schlechte Bahnfiguren. Foto: Arnd Bronkhorst

Schlangenlinien

Eine weitere wertvolle Bahnfigur sind die Schlangenlinien durch die Bahn, eine Übung, die in ihrem Schwierigkeitsgrad individuell an das Können von Pferd und Reiter angepasst werden kann. Je weiter fortgeschritten beide sind, desto mehr Bögen werden gefordert. Auf dem Turnier wird nach jedem Bogen zunächst geradeausgeritten und das Pferd dann in die neue Bewegungsrichtung gestellt und gebogen. Als Premiumübung kann man die Schlangenlinien noch mit zusätzlichen Übergängen beim Durchreiten der Mittellinie versehen und so zusätzlich die Durchlässigkeit abfragen. Rolf Petruschke lässt zum Einleiten und Beenden der Schlangenlinien gerne Volten reiten. Oder man wählt die „alte“ leicht birnenförmige Variante, bei der nicht geradeaus geritten, sondern das Pferd direkt und fließend von der einen auf die andere Hand umgestellt wird. Für eine verbesserte Geschmeidigkeit des Pferdes ist diese Form noch effektiver, sie stellt aber auch hohe koordinative Anforderungen an den Reiter.

Herausforderung Volte

Klappt die birnenförmige Schlangenlinie, stellen die Volten eine nächste Herausforderung an die Längsbiegung dar. Auf der kleinen Wendung muss das Pferd gut geschlossen und ausbalanciert sein, damit Takt und Selbsthaltung sichergestellt werden können. Auch hier sollte nach dem Grundsatz „Vom Leichten zum Schweren“ vorgegangen werden – der Zirkel wird schrittweise und behutsam von 20 auf 15 Meter Durchmesser verkleinert, bevor die erste 10 Meter Volte angelegt wird. Am besten wählt der Reiter dafür eine Ecke aus, denn durch die Begrenzung der Bande lässt sich die erforderliche Biegung leichter erarbeiten und in die Volte mitnehmen. Auch für das Reiten von Volten ist der Blick des Reiters ein wichtiges Hilfsmittel. Beim Abwenden sollte er zum Scheitelpunkt der Volte schauen und ab dort wieder zurück zum Ausgangspunkt. Im weiteren Verlauf der Ausbildung werden kreisrunde Volten auch unabhängig von der Bande an jedem beliebigen Punkt der Reitbahn geritten, so bekommt der Reiter ein Gefühl für die Bedeutung der verwahrenden Hilfen und verfeinert seine diagonale Hilfengebung. Zwei aufeinanderfolgende halbe Volten in Form eines S geritten, stellen die „Feinstform“ der gebogenen Linien dar: Wer es schafft, beide halben Volten gleich groß, mit gleichmäßiger Stellung und Biegung, taktmäßig und in Selbsthaltung zu reiten, der zeigt nicht nur den Richtern, dass er ausbildungsmäßig schon ziemlich weit fortgeschritten ist. „Für mich als Ausbilder und Richter sind Hufschlagfiguren die Kontrolllinien der korrekten Ausbildung“, betont Rolf Petruschke.

Pylone und Kegel

Bis dahin schwören viele Ausbilder auf optische Hilfsmittel, und das aus gutem Grund. Pylonen als Markierung helfen, die Bögen der Schlangenlinie gleichmäßig einzuteilen, erleichtern das Einhalten der Volte und zeigen dem Reiter an, wo auf dem Zirkel der unsichtbare Punkt X versteckt liegt. Rolf Petruschke nutzt zu diesem Zweck auch gerne die Hindernisse auf dem Springplatz. „Schlangenlinien durch eine Gymnastikreihe zu reiten, ist eine tolle visuelle Hilfe und verbessert die Längsbiegung, insbesondere, wenn der Reiter auch noch Übergänge einbaut.“ Es ist also durchaus ratsam, für die Verfeinerung der gebogenen Linien auf optische Hilfsmittel zurückzugreifen, denn sie erleichtern die Orientierung in der Reitbahn und schaffen Anhaltspunkte für den Blick des Reiters – und dieser spielt beim Einhalten der runden Form eine entscheidende Rolle. Alle gebogenen Linien sind nicht nur für die Ausbildung des Pferdes wertvoll: Sie verbessern die Geschmeidigkeit und Elastizität, fördern die Geraderichtung und sind als Vorbereitung auf die weiterführende Arbeit unerlässlich.
Biegung des Pferdes in einer Volte. Foto: Arnd Bronkhorst
Viele Reiter „schlampen“, wenn es um das Durchreiten der Ecken geht. Dabei hilft diese Lektion, die Durchlässigkeit des Pferdes zu verbessern. Foto: Arnd Bronkhorst
Auch der Reiter profitiert von regelmäßigem Zirkeltraining: Das Einhalten von vorgegebenen Linien schult die Orientierungsfähigkeit und verbessert die Umstellungs- und Differenzierungsfähigkeit. Der Reiter lernt, wann er welche Hilfe in welcher Intensität und Dosierung zu geben hat und wie sich unterschiedliche Bedingungen auf die Reaktion seines Pferdes auswirken. „Durch das Wechselspiel von gebogenen und geraden Linien auf der linken und auf der rechten Hand wird auch die Koordination der Reiter verbessert, sie sitzen mittiger im Pferd und bekommen ein Gefühl für das Geradeausreiten“, macht Rolf Petruschke den Wert der gebogenen Linien deutlich.
Ein korrekt ausgerittener Zirkel dient also nicht nur der guten Note in der A-Dressur, sondern zeigt vielmehr, dass der Reiter in seiner Ausbildung auf dem richtigen Weg ist. Lina Sophie Otto

Rolf Petruschke; Foto: FN-Archiv

Rolf Petruschke ist Pferdewirtschaftsmeister Reiten sowie Ausbilder im Reiten als Gesundheitssport. Er war mehrere Jahre Leiter der Landesreit- und Fahrschule Dillenburg, bevor er Berufsschullehrer für Pferdewirte und Bereiter an der Hochtaunusschule in Oberursel wurde. Er arbeitet intensiv an der APO 2020 mit und ist Mitglied des Arbeitskreises Lehrkräfte. Seit 2008 ist er selbstständig und als Ausbilder, Lehrgangsleiter und Referent von Rastede bis München unterwegs. Der Richter Dressur bis Klasse M und Springen bis Klasse S ist als viel gefragter Prüfer zur Abnahme von Trainerprüfungen bundesweit tätig.

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