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Rezension: „Verhalten und Pferdeausbildung“ von Ulrich Schnitzer

Für eine harmonische Beziehung

Neu im FNverlag erschienen ist das Buch „Verhalten und Pferdeausbildung – für eine harmonische Reiter-Pferd-Beziehung“ von Prof. Dr.-Ing. Ulrich Schnitzer. Es beschäftigt sich mit den typischen Verhaltensweisender Pferde und zeigt anhand von praktischen Beispielen, wie das Verhalten der Pferde in bestimmten Situationen zu interpretieren ist – und wie der Mensch sich darauf einstellen muss.

Unbeaufsichtigte Lipizzanerhengste in der Manege liefern sich gegenseitige Rangeleien.

Bis der Ausbilder (Fredy Knie jr.) die Manege betritt und mit wenigen Gesten eine geordnete Formation herstellt. Das kann er nur, weil er gegenüber den Pferden über den höheren sozialen Rang verfügt.

Das Pferd geht nicht auf den Anhänger, steht beim Putzen nicht still oder springt nicht über den blau-weißen Oxer. In vielen Alltagssituationen verhalten sich Pferde nicht so, wie es der Reiter wünscht oder verlangt. Die Reaktionen des Reiters sind häufig allzu menschlich: Da wird gebrüllt, im schlimmsten Fall sogar geschlagen und zu allerlei Hilfsmitteln gegriffen – selten mit Erfolg. Denn die Ursache für das Verhalten des Pferdes wird meistens nicht erkannt, sei es aus Unwissenheit oder aus mangelndem Empathievermögen. Aber nur wenn der Mensch versteht, warum das Pferd sich auf eine bestimmte Weise verhält, kann er in kritischen Situationen korrekt reagieren.

Schnitzers Buch erzählt auf durchaus amüsante Weise von Pferden und ihren Eigenarten, ohne dabei jemals das Pferd zu vermenschlichen oder das gezeigte Verhalten zu bewerten. Schon im ersten Kapitel wird sehr deutlich, dass Dominanz niemals mit Kraft oder Druck zu erreichen ist. Nur wenn der Mensch sich positiv auf das Pferd einlässt und es für die gewünschte Leistung motiviert, wird es zur Mitarbeit bereit sein und zu einem gehorsamen und vertrauensvollen Partner werden.

Besonders deutlich hebt der Autor hervor, dass an den Ausbilder von Pferden hohe Anforderungen zu stellen sind. Er muss nicht nur über die grundlegenden Kenntnisse und genügend Erfahrung verfügen, sondern darüber hinaus auch über ein sicheres und bestimmtes Auftreten, damit das Pferd die Führung akzeptiert und sich entspannt. Als Beispiel nennt der Autor das Verladen eines Pferdes auf einen Anhänger: Fühlt sich das Pferd beim Menschen sicher und beschützt, folgt es diesem auch auf einen dunklen, beengten Anhänger. Das geht nur über Vertrauen, nicht über Druck.

So wünscht man sich das Verhalten eines Pferdes beim Verladen: Entspannt und ohne zu zögern folgt es seiner Führperson. Wenn Pferde beim ersten Verladen nur Ruhe und Geduld erfahren haben, ist für die meisten von ihnen das Einsteigen in den Anhänger keine beunruhigende Anforderung.

Dabei spielt die Konsequenz eine wichtige Rolle, denn nur wenn der Mensch in seinem Verhalten für das Pferd „berechenbar“ ist, fühlt es sich sicher. Inkonsequentes Handeln zeigt dem Pferd Lücken auf, die es je nach Temperament unsicher oder „aufmüpfig“ werden lassen.

Guter Draht

Jeder Mensch, der sich mit Pferden beschäftigt, ob beruflich oder in seiner Freizeit, sollte daher stets bestrebt sein, eine positive, von Vertrauen und Zuneigung geprägte Beziehung zu seinem Pferd aufzubauen, ohne es zu vermenschlichen. Nur auf Basis dieses „guten Drahts“ zum Pferd wird Ausbildung und Erziehung dauerhaft gelingen. Und auch zum Reiten zeigt der Autor Parallelen auf: Ein unsicheres Pferd, das seinem Reiter nicht vertraut, wird unter dem Sattel nur schwer zur Losgelassenheit kommen. Denn Stress und Unsicherheit sind stets mit körperlicher Anspannung verbunden und schränken den Lernerfolg ein.

Dem Pferd Sicherheit zu vermitteln, gehört daher zu den wichtigsten Aufgaben eines Ausbilders. Wie das im Alltag gelingen kann, beschreibt der Autor anhand von Beispielen lebhaft und anschaulich und gibt viele wertvolle Tipps für Problemsituationen. „Immer wenn etwas Neues verlangt wird, bewährt es sich, wenn dem Pferd möglichst viel Vertrautes gegenwärtig ist.“ Dies ist nur einer von vielen Leitsätzen, die der Leser in der Praxis beherzigen sollte.

Im weiteren Verlauf geht es um die Arbeitsstrategien, also den Aufbau und die Anforderungen der Trainingseinheiten. Dabei stellt Schnitzer heraus, dass sich „pferdegerechte Ausbildung…zwischen zwei Begrenzungen“ abspielt, „…den Möglichkeiten des Pferdes und denen des Reiters“. So ist es zunächst einmal unerlässlich, die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des Pferdes UND des Reiters jeden Tag aufs Neue einzuschätzen und das Pensum an die Tagesform anzupassen.

Pausen sind wichtig

Besonders hebt Schnitzer den Wert von Pausen im Rahmen einer Trainingseinheit hervor und verdeutlicht, dass Pausen nicht nur zur Regeneration des Muskelstoffwechsels beitragen, sondern auch für die Motivation des Pferdes unerlässlich sind. Und auch auf Situationen, in denen sich das Pferd dem Menschen widersetzt, geht Schnitzer kritisch ein und stellt klar, dass das Scheuen nicht zum widersetzlichen Verhalten zählt, weil es keine Auseinandersetzung mit dem Ausbilder als Ursache hat. Er gibt Tipps für den Umgang mit Widersetzlichkeit und zeigt anhand von Beispielen, wie sich diese Situationen bewältigen lassen. Besonders deutlich macht er, dass jede Widersetzlichkeit den Reiter zum Nachdenken anregen sollte, denn meistens sind Unstimmigkeiten im Ausbildungskonzept oder im eigenen Verhalten die Ursache von Problemen zwischen Reiter und Pferd.

Wenn ein Polizeipferd bereit ist, sogar durch Feuer zu galoppieren, geht dem ein langer Lernprozess voraus, der seine natürliche Scheu vor ungewohnten und gefährlich erscheinenden Reizen allmählich abgebaut hat.

Um solche Unstimmigkeiten zu vermeiden, geht es im vierten Kapitel um die Elemente gegenseitiger Verständigung. Schnitzer erläutert, wie Kommunikation zwischen Reiter und Pferd funktioniert und stellt dabei das Belohnungsprinzip als wichtigstes und wirksamstes Instrument in der Verständigung zwischen Mensch und Tier dar. Auch das Wohlbefinden des Pferdes wird ausführlich thematisiert. Schnitzer sensibilisiert die Reiter, auf das Ausdrucksverhalten der Pferde zu achten und aus ihrer Mimik und Gestik Rückschlüsse auf ihr Befinden zu ziehen. So zeigen Schweifschlagen und angelegte Ohren Missbehagen an und sollte den Reiter zum Nachdenken bringen, vor allem wenn das Pferd nicht nur kurz in Phasen besonderer Anstrengung dieses Verhalten zeigt.

Auf das Pferd einlassen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Vertrauen und Konsequenz das Geheimnis einer harmonischen Beziehung zwischen Mensch und Pferd sind. Um aber zu einer solchen zu gelangen, bedarf es grundlegender Kenntnisse über das Pferdeverhalten und eine gehörige Portion Erfahrung im Umgang und in der Ausbildung von Pferden. Das Buch von Prof. Dr. Schnitzer liefert nicht nur das nötige Wissen, sondern stellt auch immer wieder heraus, dass der Mensch die Bereitschaft entwickeln muss, sich auf das Pferd und sein Verhalten einzulassen, um diesem wirklich gerecht werden zu können. Nur aus dieser inneren Einstellung zum Pferd gelingt es, partnerschaftlich mit dem Pferd zu kommunizieren.

Alle Fotos: Mit frdl. Genehmigung entnommen aus „Verhalten und Pferdeausbildung” von Prof. Dr.-Ing. Ulrich Schnitzer, FNverlag, Warendorf, 1. Auflage 2018.

Das Buch

Verhalten und Pferdeausbildung. Für eine harmonische Reiter-Pferd-Beziehung
von Prof. Dr.-Ing. Ulrich Schnitzer
1. Auflage 2018; 80 Seiten mit vielen Fotos und Illustrationen; 210 x 260 mm, gb. Hardcover;
ISBN: 978-3-88542-810-7; € 29,90
Zu beziehen über den Reitsportfachhandel oder über den FNverlag, www.fnverlag.de.

Der Autor

Prof. Dr.-Ing. Ulrich Schnitzer wirkte über Jahrzehnte im Institut des Reitmeisters Egon von Neindorff mit, wo er insbesondere für seine Arbeit am langen Zügel bekannt wurde. Er ist geschätzter Experte für artgerechte Pferdehaltung und arbeitete unter anderem an den „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ und der „Leitlinie Tierschutz im Pferdesport“ mit. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung verlieh ihm 2008 das Reiterkreuz in Silber.

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