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Die Sache mit der Senkrechten

PonyBewegung Spabrücken: 100 Kinder pro Woche

„Dann machen wir es eben selbst“

Wer weiß, wie viele Geschäfte so ihren Anfang nehmen: Jemand findet ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht oder nicht in der gewünschten Qualität. Der naheliegende Gedanke und die Lösung: „Dann mache ich es selbst.“ So beginnt auch die Geschichte der PonyBewegung Spabrücken in Rheinland-Pfalz. Melanie Strack suchte eine gute Ponyreitschule für ihren Sohn. Das war 2011. Heute verbringt die ehemalige Personalreferentin ihren Tag in Reitklamotten statt Business-Kostüm. Und auch ihr Mann Jens zog mit. Der Börsenmakler tauschte Büro gegen Stall.

Stolz wie Oskar: Die Kinder haben ihr erstes Reitabzeichen erfolgreich gemeistert.

Blauäugig gingen Melanie Strack und ihr Mann nicht vor. Beide haben eine kaufmännische Ausbildung und können rechnen. Dennoch erwies sich das Projekt als nicht leicht umzusetzen. „Keiner hat uns unterstützt“, nennt Melanie Strack ihre schlechteste Erfahrung. Zunächst war es schwierig, die Informationen zur Gründung einer Ponyreitschule zusammen zu tragen: Wie kann ich einen solchen Betrieb gründen? Was sind die Voraussetzungen? Fragen, deren Beantwortung einer umfangreichen Recherche bedurften, denn eine zentrale Informationsstelle fand sich nicht. Und wenn es denn Auskünfte gab, waren diese eher entmutigend. Am Ende trugen die Stracks mit Hilfe eines landwirtschaftlich versierten Steuerberaters die finanziellen Grundlagen zusammen. Dennoch war es schwierig, eine Bank von dem Existenzgründungs-Projekt zu überzeugen. „Man muss nicht nur Eigenkapital und Einnahmen haben, am besten ist man schon zwei Jahre selbstständig“, fasste Jens Strack die Bankengespräche zusammen. Am Ende fanden die Stracks auch ihre Bank. Das waren aber nur einige Schritte auf dem Weg zur eigenen Pony­reitschule.

Melanie Strack

Schwierige Immobiliensuche

Über ein Jahr suchte das Ehepaar eine geeignete Immobilie. Die Lage war eine Sache – sie sollte nahe dem alten Wohnort sein und natürlich ein ausreichend großes Einzugsgebiet für die kleinen Kunden bieten. Das andere Problem war, dass es zwar vom Bau her geeignete Angebote gab. Es fehlte aber das Land zur Pferdehaltung. Schließlich belohnte der Zufall das Durchhalte­vermögen der Stracks. Sie entschieden sich für einen kleinen Pferdebetrieb, der zentral in Spabrücken liegt und zu dem angepachtete Weiden gehören. Es folgten der Umbau von Haus und Hof, bevor Familie Strack und die vierbeinigen Mitarbeiter – meist Shetland- und Welsh-Ponys – einziehen konnten. Am 1. Januar 2013 war es dann soweit. Die Ponyreitschule eröffnete ihren Betrieb. Drei Shetland-Ponys und ein Welsh-Pony warteten auf die kleine Kundschaft. Mittlerweile läuft die Ponyreitschule.

Sie hat über 100 Reitschüler, die große Mehrheit im Kindergarten- und Grundschulalter. Der vierbeinige Mitarbeiterstab ist auf 14 Schulponys angewachsen: sechs Shetty, vier Welsh- und vier Großponys. Für die Jugendlichen stehen noch zwei Großpferde zur Verfügung. Melanie Strack hat ihren Trainer C Breitensport gemacht und sich mit der Ergänzungsqualifikation „Kinderreitunterricht“ weiter für ihre kleinen Kunden fortgebildet. „Mir hat die Arbeit mit Kindern schon immer gut gefallen“, sagt sie. Aber wie lernen Kinder in welchem Alter? Wie steht es um die körperliche und geistige Entwicklung? Was heißt das für den Unterricht? – dies waren nur einige der Fragen, die grundlegend für Melanie Stracks Qualitätsverständnis sind. „Ich wollte keinen Feld-Wald-Wiesen-Betrieb, sondern eine Reitschule mit Anspruch. Es gibt leider nicht genug Reitschulen, die diese Zielgruppe der kleinen Kinder überhaupt bedienen.“

Geglückter Start

Eine Marktlücke, die den Betrieb brummen lässt und innerhalb eines Jahres verdoppelt hat. Vor einem Jahr waren es noch 50 Schüler pro Woche. Mundpropaganda und die Teilnahme an örtlichen Reitertagen machten jede weitere Werbung überflüssig. Vor allem hat sich durch begeisterte Geschwisterkinder und -freunde ein weiterer Schwerpunkt der Reitschüler entwickelt: die 8- bis 14-Jährigen. „Ich könnte sogar noch Müttergruppen machen, so groß ist das Interesse“, berichtet Melanie Strack, die ihren Betrieb Schritt für Schritt weiterentwickelt. Auch wenn die Zahl der Schulponys in den letzten 12 Monaten von sieben auf 14 gestiegen ist, reichen die Kapazitäten noch nicht. Die Warteliste ist geblieben. Die Ausbilderin ist ausgelastet. Viele Hindernisse sind überwunden. Manche Hindernisse tauchen aber immer mal wieder auf. So kämpft eine Ponyreitschule mit Reitschülern im Alter von 3 bis 6 Jahren mit ganz besonderen Herausforderungen: Wie kommt man an geeignete – also kleine und brave – Ponys? „Ich suche gezielt nach Shettys oder Welsh-Ponys mit Familienanschluss, wo die Kinder also für das Pony zu groß geworden sind“, sagt Melanie Strack. „Dann sind sie schon ausgebildet und kennen den Umgang mit Kindern.” Trotzdem setzt sie den Neuzugang nicht sofort ein. Die erste Woche arbeitet sie allein mit dem Pony, damit es auf Stimme reagiert. „Das ist bei uns für ein Schulpony Voraussetzung, denn die Kinder können sich noch nicht koordinieren.“ Ausgebildete bzw. gerittene kleine Ponys sind allerdings rar gesät. Und auch eine Frage des Preises, denn viel Geld sollen sie nicht kosten. Daher findet auch das eine oder andere „rohe“ Pony seinen Weg in eine Reitschule. Aber wie bildet man als Erwachsener die kleinen Vierbeiner aus? Bodenarbeit ist die Grundlage, irgendwann muss aber ein Reiter auf den Rücken.

Ob Schnuller-Kind oder Vorschulalter – die Kids haben riesig viel Spaß mit ihren Ponys.

„Bei den großen Welsh mache ich das zuerst selbst“, sagt die nur 1,70 Meter große und schlanke Ausbilderin. Dann bindet sie zunächst eine der 14- bis 16-jährigen Reitbeteiligungen ein, die sie unterstützen, und schließlich eines der kleineren, schon gut reitenden etwa zehnjährigen Kinder. Lernen müssen die vierbeinigen Mitarbeiter vor allem die Grundausbildung. Reiterlich wird von ihnen nicht so viel verlangt. Sie müssen sich in Schritt, Trab, Galopp reiten lassen, sie müssen durchparieren oder anhalten und in die Richtung gehen, in die der kleine Reitschüler obendrauf möchte. Das Wichtigste sind Umgang und Charakter. „Meine Ponys sind super kinderfreundlich. Ich habe kein Pony im Stall, das die Ohren anlegt.“ Damit das auch so bleibt und die Vierbeiner der kleinen Zweibeiner nicht überdrüssig werden, gehen die Ponys nur ein bis zwei Stunden pro Tag.

Von der Idee bis zur laufenden Reitschule mit Warteliste sind fast vier Jahre vergangen. Die Reitschulgründung erwies sich als Parcours, für den es Ausdauer und Mut bedurfte. Es mussten mehr und höhere Hindernisse überwunden werden, als Anfangs erwartet. Auch wenn es nicht immer einfach war, fällt Melanie Stracks Fazit positiv aus. Kein Wunder bei dem Ergebnis: 100 begeisterte Reitschüler, eine Warteliste und eine zufriedene Familie.

Adelheid Borchardt

Rat für Reitschulgründer:

Melanie Strack hat viele Erfahrungen gesammelt, von denen andere profitieren können. Was also rät sie anderen Menschen, die eine Ponyreitschule gründen wollen? Hier ihre Tipps:

 

• Eine gute Marktanalyse ist wichtig. Was gibt es schon in meinem relevanten Umfeld? Mit wem komme ich gegebenfalls in Konflikt? Wer ist Konkurrenz? Machen Sie nicht das Gleiche, sondern bieten Sie etwas Neues oder eine Ergänzung bestehender Angebote. Ihr Angebot muss ein Alleinstellungsmerkmal haben.
• Das Startkapital entscheidet über die Möglichkeiten. Man sollte Reserven haben, wenn es die ersten ein bis zwei Jahre nicht so läuft.
• Wenn möglich erst einmal klein anfangen und das Konzept testen.
• Man sollte unbedingt eine entsprechende Ausbildung haben: Mindestens Qualifikation Trainer C. Idealerweise setzt man noch die Ergänzungsqualifikation „Kinderreitunterricht“ obendrauf.

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