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PM-Schulpferdecup: Die vierbeinigen Lehrer

Goldwerte Lehrmeister

Der Job eines Schulpferdes ist kein leichter. Wie vielen Reitanfängern sie schon das Einmaleins im Sattel beigebracht haben, zählt niemand. Wer diese besonderen Pferde eigentlich sind, wie sie leben und was sie lieben, verraten die Ausbilder der drei besten Teams des 19. PM-Schulpferdecup-Finales.

Das Schulpferdeteam, mit dem die Reitschule Altrogge-Terbrack das Finale des PM-Schulpferdecup 2016/2017 gewonnen hat: Vincent, Aleppo, Roger und Harry Boo an der Hand von Mannschaftsführerin Pauline Wenning und Markus Terbrack (v.l.n.r.) Foto: T. Lehmann

Wohl jeder erinnert sich noch an das Pferd, auf dem er einst reiten gelernt hat. Denn das erste Pferd bringt einem nicht nur Reiten bei, sondern auch Verantwortungsbewusstsein, Durchsetzungs- und Durchhaltevermögen. Es beschert erste Höhenflüge und Rückschläge. Und es zeigt dem Reiter, was es heißt, ein Pferd zu lieben. Eltern wie Lehrer berichten häufig von positiven Veränderungen bei Kindern, nachdem diese mit dem Reitsport begonnen haben. Ein gutes Schulpferd verzeiht Fehler und hält seinem Reiter dennoch zur richtigen Zeit den Spiegel vor. Deshalb müssten Schulpferde eigentlich sprichwörtlich auf Händen getragen werden. Doch das ist nicht überall so. In vielen Ställen haben sie nicht das beste Image, werden teilweise sogar als Pferde zweiter Klasse bezeichnet. Zu Unrecht. Denn ohne sie hätte der Reitsport keine Zukunft. Und dass es sich bei Schulpferden nicht immer um bockige Ponys oder Sturköpfe handeln muss, beweisen sie beim PM-Schulpferdecup, einer Turnierserie nur für Schulpferde-Reiter und ihre vierbeinigen Lehrer.

Große Siegerehrung beim Turnier „Horses & Dreams“ in Hagen. Foto: H. Schupp

Sechster Sieg

185 Teams haben alleine in der vergangenen Saison deutschlandweit an den Qualifikationen teilgenommen. Die acht besten Teams schafften es ins große Finale, das Anfang Mai im Rahmen des internationalen Reitturniers Horses and Dreams in Hagen a.T.W. ausgetragen wurde. Gewonnen hat zum sechsten Mal in der Geschichte des Cups die Reitschule Altrogge-Terbrack aus Nottuln. Diesmal sogar mit einer reinen Jungs-Mannschaft. Maßgeblich zu diesem Erfolg beigetragen haben auch die Schulpferde, wie Markus Terbrack weiß: „Besonders stolz sind wir auf unsere besten Lehrpferde, die uns nun zum Teil schon seit unserem ersten Finale begleiten.“ Platz zwei ging an den Reitverein von Bredow Keppeln aus dem rheinischen Uedem, gefolgt vom Reitverein Bissingen aus Braubach in Rheinland-Pfalz. Eines haben alle Finalisten gemeinsam: Ihre Schulpferde sind für sie unbezahlbar.

Spezieller Charakter

Markus Terbrack von der Reitschule Altrogge-Terbrack spricht nicht von Schulpferden. Seine vierbeinigen Professoren heißen Lehrpferde. Diesen Job machen bei ihm ehemalige Turnierpferde in Form einer zweiten Karriere. 30 Lehrpferde sorgen in seiner Reitschule dafür, dass es dem Sport nicht an Nachwuchs mangelt. Und jedes von ihnen hat seine eigene Geschichte. Wie zum Beispiel der 19-jährige Roger, ein dunkelbrauner Oldenburger von Rubinstein. Im Alter von sieben Jahren kam er zu den Terbracks. „Am Anfang war er sehr speziell“, erinnert sich Markus Terbrack an die erste Zeit mit ihm. Schließlich ist das Sportpferd dressurmäßig bis zur Klasse M ausgebildet. „Die Tochter der Besitzerfamilie konnte ein solches Pferd aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter reiten. Sie hat ein braves Pony von uns bekommen und wir haben uns Roger angenommen“, schildert der Pferdewirtschaftsmeister. Heute ist der schicke Braune ein wahres Verlasspferd und der Liebling seiner Reitschüler. Bislang war er bei jeder Finalteilnahme der Reitschule aus Nottuln mit von der Partie.

So wohnen die Schulpferde in der Reitschule Altrogge-Terbrack: Roger in einer luftigen Offenstall-Box. Foto: T. Lehmann

Auslauf und Weide bieten Ausgleich vom Schulpferde-Alltag und sorgen für ausgeglichene Vierbeiner wie Vincent. Foto: T. Lehmann

Pferde blühen auf

Anja Klostermann, Trainerin des zweitplatzierten Teams im Finale des Schulpferdecups, ärgert sich über das teils schlechte Image der Schulpferde. „Ich finde das sehr, sehr schade“, sagt sie. Sie erlebte es häufiger, dass Pferde von ihren Vorbesitzern als vermeintlich nicht reitbar in den Schulbetrieb abgegeben wurden. Die Entwicklung dieser Pferde beeindruckt sie. „Die Pferde blühen als Schulpferd regelrecht auf. Sie haben eine Aufgabe, werden gebraucht und von den Kindern umsorgt.“ Nur in Einzelfällen sei ein Pferd dem Job als Schulpferd tatsächlich nicht gewachsen. Besonders wichtig ist Anja Klostermann, dass ihre Schüler mindestens eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn im Stall sind, um die Pferde zu begrüßen und ausgiebig zu putzen. „Das gehört dazu. Reiter und Pferd müssen zueinander finden. Vertrauensbildung fängt schon beim Putzen an.“ Ihre Devise lautet: „Behandelt die Schulpferde so, als wären es eure eigenen.“ Dass diese Pferde auch lange glücklich im Schulbetrieb laufen können, beweist der heute 25-jährige Bobby. Das Deutsche Reitpony absolviert im Reitverein von Bredow Keppeln täglich seine zwei Unterrichtsstunden unter den Reitanfängern. Anja Klostermann ist sicher: „Das Geheimnis seiner Fitness liegt in der täglichen Bewegung.“ Vormittags besuchen Schulklassen den Reitverein. Um zwölf Uhr geht es für alle 45 Schulpferde auf die Weide. Um 16 Uhr geht dann der Schulbetrieb in die zweite Runde. Das Besondere am Reitverein von Bredow Keppeln: Drei der vierbeinigen Schulpferdecup-Finalisten stammen aus der eigenen Zucht des Reitercamps Hötzenhof, dem der Reitverein angegliedert ist.

Den zweiten Platz beim Schulpferdecup sicherte sich das rheinische Team vom Reitverein von Bredow Keppeln. Foto: H. Schupp

Mit der aktuellen Serie 2017/2018 ist der PM-Schulpferdecup in seine 20. Auflage gestartet. Die ersten Qualifikationen laufen schon. Wer also noch mitmachen will: Qualifikationstermine und Ausschreibung gibt es unter www.pferd-aktuell.de/pm-schulpferdecup. Dort finden sich auch Infos zu einer besonderen Neuheit zum 20. Geburtstag der Serie für Schulpferdereiter: Den Schulpferde-Ausbilder-Club, der zahlreiche Vorteile und Goodies für diese wertvollen Ausbilder in den Reitschulen bietet.

Vier bis fünf Turniere

Dass Schulpferde auch mit Qualität aufwarten können, beweist ebenfalls der 13-jährige Westfale Harry Boo von der Reitschule Altrogge-Terbrack. „Er springt besonders gerne“, betont Markus Terbrack. Er sei aber auch sehr sensibel und man müsse ihn reiten können. Auf die Frage nach seinen Schwächen antwortet Markus Terbrack nach reiflicher Überlegung: „Er ist ein wenig schwer zu sitzen.“

Nichtsdestotrotz steht Harry Boo beim jährlichen Hausturnier der Reitschule immer ganz oben auf der Wunschliste der Reitschüler, die dann selbst wählen dürfen, welches Pferd sie reiten möchten. Kein Wunder – schließlich ist er im Springen bis zur Klasse L ausgebildet. Regelmäßig gehen die ersten Plätze der Springprüfungen auf sein Konto. Von ihren Vorzügen überzeugen die Lehrpferde der Reitschule mit ihren Schülern auch auf ländlichen Turnieren in der Umgebung. „Vier bis fünf Turniere gehen auch die Lehrpferde pro Jahr“, sagt Markus Terbrack, dem eine vielseitige Ausbildung seiner Reitschüler am Herzen liegt. Nur beim Aufhübschen mit Schweif- und Mähnenspray macht Harry Boo nicht mit. „Er mag einfach keine Sprühflaschen“, lacht Pferdewirtin Pauline Wenning, die das Team der Reitschule Altrogge-Terbrack beim Schulpferdecup vorstellte.

Fesch herausgebracht und mit viel Spaß bei der Sache: Die Reiterinnen des RV von Bredow-Keppeln. Foto: H. Schupp

Entspannt im Sand: Harry Boo. Foto: T. Lehmann

Korrekturreiten muss sein

Auch Sabine Kraußer sieht die Schulpferde als großes Kapital für den Reitsport. Die Pferdewirtin stellte die drittplatzierte Mannschaft vom Reiterverein Bissingen im Rahmen des Schulpferdecups vor. „Ich kümmere mich um die Schulpferde, als wären es meine eigenen“, so Kraußer. Im Gegensatz zur Reitschule Altrogge-Terbrack, denen ehemalige Turnierpferde von ihren Besitzern als Lehrpferde angeboten werden, muss der Reiterverein Bissingen selbst aktiv werden, wenn ein neues Schulpferd gefragt ist. Rentner gibt es hier nicht. „Das ist rein wirtschaftlich gesehen nicht möglich“, sagt Kraußer. Doch bislang habe sich für jedes ehemalige Schulpferd noch ein schöner Platz gefunden, versichert sie. Neue Schulpferde kommen entweder von Händlern oder Privatpersonen. Um deren Ausbildung kümmert sich Sabine Kraußer, die Erfolge in der Dressur bis Intermediaire-Niveau und im Springen bis Klasse L vorweisen kann, selbst. Aktuell sind das elf Pferde und Ponys. Deren Pensum: zwei bis drei Reitstunden täglich. Dafür ist der Sonntag frei. Um die Pferde, wie Sabine Kraußer sagt, „in Gang zu halten“, schwingt sie sich auch regelmäßig selbst in den Sattel. „Ohne Korrekturreiten geht es nicht“, sagt sie. Denn wie heißt es noch so schön im bekannten Gebet eines Pferdes: So gib‘ mir dann und wann einen Reiter, der es richtig kann.

Der PM-Schulpferdecup wird von den Persönlichen Mitgliedern der Deutschen Reiterlichen Vereinigung getragen. Unterstützt wird der Cup durch das Fachmagazin Reiter Revue International und die Firma HKM Sports Equipment, die die Serie seit 2008 mit Ehrenpreisen, Jacken, Stiefeln und Stiefeletten, Schabracken und Decken sponsert.

Auch Markus Terbrack und seine Frau Maria Terbrack behalten Rittigkeit und Erziehung ihrer Lehrpferde immer im Blick. Disziplin, Konsequenz und Fairness sind die Schlüsselbegriffe, die sich die Reitschule auf die Fahne geschrieben hat. Das Management seiner Schulpferde sei immer individuell, so Markus Terbrack. Er kenne alle seine Reitschüler, immerhin circa 300 pro Woche, und wähle für jeden das passende Pferd aus. „Hier reitet kein Reitschüler immer das gleiche Pferd“, sagt er. „Manche Pferde machen es den Schülern sehr leicht, andere wiederum quittieren Reiterfehler sofort.“ Ganz nach Bedarf wählt er so für jeden Schüler das passende Pferd. Um neue Lehrpferde braucht Markus Terbrack sich nicht zu sorgen. Zum einen ist das seinen Kontakten in der Reiterszene zu verdanken. Zum anderen aber auch dem Ruf der Reitschule. „Unsere Lehrpferde sind Sportpferde, die aus gesundheitlichen oder alterstechnischen Gründen nicht mehr im Leistungssport mithalten können. Würden sie aber nur noch auf der Weide stehen, wären sie unterfordert und würden schnell abbauen. Als Lehrpferd haben sie weiterhin eine Aufgabe, werden gebraucht, im leichten Training gehalten und von den Reitschülern und natürlich von uns gepflegt und umsorgt“, schildert Markus Terbrack. „Sehen die Vorbesitzer dann Fotos von ihren Pferden oder besuchen sie bei uns, geht ihnen das Herz auf.“ In den meisten Fällen genügt es, den ehemaligen Sportcrack wieder runterzubringen, wie Markus Terbrack es nennt. „Die Pferde müssen hier erst einmal ankommen und sich an den Trubel im Reitschul-Alltag gewöhnen – und natürlich an ihren neuen Job.“ Konkret bedeutet das: In der Abteilung gehen statt allein durchs Viereck tanzen, sich beim Reiten ausbinden lassen und den Reitschülern auch mal einen Fehler verzeihen. Von seinen Lehrpferden erwartet Markus Terbrack einen freundlichen Charakter, gute Erziehung, Leistungsbereitschaft und Geraderichtung. „Das Pferd setzt den Reiter hin“, so Terbrack. „Ist das Pferd schief, wird auch der Reiter schief sitzen.“ Genau deshalb durften zu Kavalleriezeiten auch nur die besten Pferde Schulpferd werden – eben um die besten Reiter auszubilden.

Professoren

Ein solcher Professor ist auch Pony­wallach Aleppo. Der 16-jährige Braunfalbe war sogar schon einmal Westfälischer Meister in der Vielseitigkeit und Dritter bei den Deutschen Meisterschaften der Pony-Buschreiter. Und typisch Vielseitigkeitspferd steckt er voller Energie. „Aleppo kann auch mal mit einem Bocksprung überraschen“, lacht Pauline Wenning. Im Sommer letzten Jahres kam er zu den Terbracks. Eine glückliche Fügung, denn mit ihm hat sich der zwölfjährige Sohn der Familie, Laurenz Terbrack, im Sattel enorm entwickelt. Nach dem Erfolg beim PM-Schulpferdecup plant er nun mit Aleppo die Qualifikation zur Goldenen Schärpe. Die Begriffe Schulpferd und Turniersport schließen sich eben nicht aus. Das zeigt auch das Beispiel des heute erfolgreichen Springreiters Jens Baackmann. Seine Karriere begann nämlich in der Reitschule Altrogge-Terbrack – auf einem Schulpferd. Wie alle Lehrpferde der Reitschule verbringt auch Aleppo seine Freizeit am liebsten auf der Weide.

Vierter im Bunde der Schulpferdecup-Sieger ist Vincent, ein 15-jähriger Reitponyhengst von Van Gogh. Ein wahrer Schönling mit dicker Mähne, freundlich-frechem Blick. Er steht zwar nicht im Besitz der Reitschule, doch sein Züchter und Besitzer Helmut Hunke hat den schicken Dunkelbraunen in die Obhut der Familie Terbrack gegeben. Und das schon als Junghengst. „Wir haben Vincent hier damals auf seine Körung und die Hengstleistungsprüfung vorbereitet“, berichtet Markus Terbrack. Der Ponyhengst überzeugte sowohl in FEI-Prüfungen im Viereck als auch in Springponyprüfungen der Klasse L und steht bis heute im Deckeinsatz. 46 seiner Nachkommen sind aktuell im Sport registriert. „Erziehung ist alles“, ist Markus Terbrack sicher. „Dann ist es auch kein Problem, einen Hengst im Schulbetrieb mitgehen zu lassen.“ Auch für die Reitschüler sei der Umgang mit einem Hengst sehr lehrreich. Vincent sei sich seiner Schönheit durchaus bewusst, weiß Pauline Wenning. So durfte er beim Finale des Schulpferdecups an der Tete gehen und habe seinen besonderen Auftritt sehr genossen, versichert sie.

Aleppo: Weidegang mit Kumpel; Foto: T. Lehmann

Das Jungs-Team der Reitschule Altrogge Terbrack hat ordentlich für die Theorieprüfung gebüffelt. Foto: H. Schupp

Nicht nur bei den Terbracks leben die Schulpferde das Leben, das sie verdienen. Ein Leben mit genügend Ausgleich zum teils harten Job, mit viel Pflege und Zuwendung und nicht zuletzt mit einer großen Portion Anerkennung. Denn eines haben alle Teilnehmer des Schulpferdecups gemeinsam: Ihre Schulpferde sind für sie Gold wert.

Kirsten Ahrling

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