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ADMR: Sicher durch die Turniersaison

Alles sauber?!

Die Turniersaison läuft und die Pferde hoffentlich auch. Das Schleifensammeln kann allerdings ein jähes Ende haben, wenn es nach einer Medikationskontrolle plötzlich heißt: positiv! Wie Sie derart unangenehme und nicht selten unverschuldete Begebenheiten vermeiden, hat das PM-Forum zusammengestellt.

Der Reitsport ist die einzigartige Verbindung zwischen Mensch und Pferd, hier demonstriert von den Vielseitigkeits-Weltmeistern Sandra Auffarth und Opgun Louvo. Der Verantwortung, die diese Partnerschaft mit sich bringt, sollte sich jeder bewusst sein, der Umgang mit Pferden hat. Foto: Jacques Toffi/Arnd Bronkhorst
Seit Monaten freut sich Luisa auf den Jahreshöhepunkt im Turnierkalender: die Kreismeisterschaft. Ihr Pferd Connor ist fit. Heute ist die letzte Springstunde vor dem großen Tag. Doch als Luisa den Stall betritt, erschrickt sie: Connor bewegt sich unruhig in seiner Box und hat sein Futter nicht angerührt. Eine Kolik? Luisa ruft den Tierarzt. Der spritzt Connor ein krampflösendes Medikament, das rasch Linderung verschafft. Schon tags darauf geht es Connor wieder blendend. Die angeordnete leichte Bewegung an der Longe nutzt er, um fröhlich herumzubocken. Die Kreismeisterschaft hatte Luisa völlig vergessen. Aber als sie ihr übermütiges Pferd beobachtet, fällt es ihr wieder ein: Was bedeutet die Kolik nun für den Saisonhöhepunkt? Der Tierarzt sagte, nach ein, zwei Ruhetagen könne Connor wieder normal geritten werden. Das Turnier beginnt in acht Tagen. Connor dürfte bis dahin wieder auf der Höhe sein. Aber was ist mit dem Medikament? Darf man damit auf dem Turnier starten? Oder hat es der Körper bis dahin ohnehin abgebaut?

Die ADMR geben Auskunft

Solche Fragen beantworten die Anhänge I-III der Anti-Doping- und Medikamentenkontrollregeln, kurz ADMR, der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, die die Listen der verbotenen Substanzen und Methoden enthalten. Hier ist unter anderem festgelegt, welche Arzneimittel und Behandlungsmethoden auf dem Turnier erlaubt sind und welche nicht. In der Broschüre „Fairer Sport“ der FN bzw. auf der Internetseite der FN ist außerdem aufgeführt, wie man leichte Verletzungen behandeln kann, ohne dass man auf dem Turnier negativ auffällt und wie lange man nach einer Behandlung bis zum nächsten Turnierstart warten sollte.

Die ADMR sind in der Leistungsprüfungsordnung (LPO) verankert und stellen die verbandsrechtliche Grundlage für den fairen Pferdesport dar.

Hier gelten vier Grundsätze:
• Das Wohl des Pferdes steht über allen anderen Ansprüchen und Interessen.
• Erst wenn eine Krankheit vollständig auskuriert ist, darf ein Pferd am Wettkampf teilnehmen.
• Das Pferd ist zum Zeitpunkt des Wettkampfs frei von verbotenen Substanzen.
• Die verantwortliche Person ist immer der Reiter, Fahrer, Longenführer, Voltigierer, Besitzer und/oder Eigentümer.

Im Gegensatz zum internationalen Reglement des Weltreiterverbandes FEI handelt es sich bei den ADMR um „offene Listen“. Anders gesagt: Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Substanzen und Behandlungsmethoden sind beispielhaft aufgelistet. Der Grund dafür ist die enorme Anzahl verbotener Substanzen. Also kann auch das, was nicht explizit genannt wird, zu einer positiven Medikationskontrolle führen, wenn es in eine bestimmte Gruppe verbotener Substanzen fällt. Grundsätzlich ist auf dem Turnier alles verboten, was Wirkung zeigt oder zeigen soll.

Die bei der Medikationskontrolle gewonnenen Proben werden im Labor der Deutschen Sporthochschule Köln untersucht. Foto: Frank Sorge
In großen Ställen ist es gängige Praxis, die Medikamente mit dem Futter zu verteilen. Ein Risiko, denn so kann es passieren, dass bei Verwechslung der Eimer auch gesunde Turnierpferde im Wettkampf verbotene Substanzen aufnehmen. Foto: Frank Sorge

Große Verantwortung

Die ADMR sind auch als Hilfestellung zu verstehen, den Anforderungen, die der Pferdesport an das Verantwortungsbewusstsein der Menschen stellt, gerecht zu werden. Fairness gegenüber dem Pferd ist das oberste Gebot! Es ist Aufgabe der Zweibeiner, dafür zu sorgen, dass das Pferd durch seine Rolle als Sportpartner körperlich und seelisch nicht zu Schaden kommt. Henrike Lagershausen, Leiterin der FN-Abteilung Veterinärmedizin: „Wir Menschen haben selbst in der Hand, ob wir uns trotz Krankheit zu einem Sportwettkampf schleppen und es uns danach womöglich noch schlechter geht. Und vor allem gehen wir Menschen wissentlich das Risiko ein, unseren Körper dauerhaft zu schädigen. Das können und dürfen wir von unseren Pferden nicht verlangen. Ihre Gesundheit liegt in unserer Verantwortung. Dieser Situation müssen wir uns stets bewusst sein. Wer versucht, die Krankheitssymptome seines Pferdes mithilfe von Medikamenten zu unterdrücken oder Leistungsvermögen und -bereitschaft durch Stimulantien zu beeinflussen, verstößt nicht nur gegen die ADMR, sondern auch gegen das Tierschutzgesetz.“ Dessen §3 beschäftigt sich explizit mit dem Thema Doping.

Genauso verantwortungslos wäre es, ein Pferd nicht mit den wirksamsten Medikamenten zu behandeln, weil diese verbotene Substanzen enthalten und damit ein Turnier ausfallen müsste. Wer seinem Pferd die bestmögliche Behandlung vorenthält, um möglichst rasch wieder starten zu können, macht sich nicht nur aus ethisch-moralischer Sicht schuldig, sondern schadet sich letztendlich auch selbst. Schließlich kann es langfristig nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit des Pferdes haben, wenn eine Erkrankung nur unzulänglich behandelt wird.

Grenzwerte und Karenzzeiten

Grundsätzlich gilt beim Pferd die sogenannte „Nulltoleranz“. Das bedeutet, dass sich während eines Turniers keinerlei wirksame verbotene Substanzen im Pferdekörper befinden dürfen. Allerdings gibt es auch Grenzwerte. Die legen fest, wie hoch die Konzentration einer eigentlich verbotenen Substanz im Organismus sein darf, ohne dass der Test positiv ausfällt. Das ist z.B. für Hormone relevant, die das Pferd selbst produziert wie etwa Testosteron. Andere Substanzen kommen in der Umwelt oder im Futter vor. Auch sie werden in gewissem Umfang akzeptiert. Alle Infos dazu findet man in den Anhängen I-III der ADMR.

Kleinere Verletzun­gen wie diese kann man beispielsweise mit einer jodhaltigen Salbe bzw. einem Jodpräparat behandeln. Dies ist ADMR-konform und sollte in keiner Stall­apotheke fehlen. Foto: Frank Sorge
Die empfohlene Zeit von der Verabreichung eines Medikaments bis zum Einsatz auf dem Turnier nennt man Karenzzeit (KRZ). Sie ergibt sich aus den in wissenschaftlichen Studien an kleinen Gruppen von sechs bis zehn Pferden ermittelten Nachweiszeiten der Medikamente (also der Zeit, die angibt, wie lange eine Substanz im Blut und im Urin des Pferdes nachzuweisen ist) plus einem zeitlichen Sicherheitszuschlag. Dieser ist von Seiten der FN großzügig bemessen worden. Dennoch muss beachtet werden, dass es sich bei den Angaben der FN lediglich um Empfehlungen handelt. Denn jeder Organismus reagiert anders und baut Stoffe unterschiedlich schnell ab. Zumal kranke Pferde im Vergleich zu gesunden einen veränderten Stoffwechsel aufweisen. Zudem spielen Faktoren wie die Dosierung der Substanz, die Häufigkeit der Gabe usw. eine Rolle. Und ganz wichtig: Nach der Behandlung eines Pferdes aufgrund einer Erkrankung oder Verletzung wird der nächste Turnierstart in erster Linie von der Regeneration des Pferdes anhängig gemacht! Dem gegenüber ist die Frage nach der Karenzzeit der verabreichten Medikamente zweitrangig.
Achtung, Verwechslungsgefahr: Karenzzeiten haben nichts mit Wartezeiten zu tun! Letztere bezieht sich auf die Anwendungen von Medikamenten bei Pferden, die als Schlachtpferde deklariert sind, also potenziell der Lebensmittelgewinnung dienen.

Nachweiszeiten

Mit der immer weiter verbesserten Labortechnik können mitunter Substanzen auch dann noch im Organismus nachgewiesen werden, wenn sie längst nicht mehr wirksam sind. Aus dem Grund werden Substanzen, für die Nachweiszeiten ermittelt wurden, mit einer eingeschränkten Analytik untersucht, das heißt es kommt nur zu einer positiven Medikationskontrolle, wenn die nachgewiesene Menge noch wirksam ist.

Mit der App auf der Höhe

Auf der Internetseite der FN oder auch mobil in der FN-App kann man mithilfe einer Suchfunktion prüfen, ob eine bestimmte Substanz ADMR-relevant ist. Das gilt übrigens auch für Futtermittel. Denn auch hier gibt es Inhaltsstoffe, die dopingrelevant sein können, etwa Reiskeimöl, das eine Karenzzeit von 48 Stunden hat. Was erlaubt ist, findet man in den ADMR. Nicht vergessen: Ist eine Substanz in der Suchleiste nicht auffindbar, heißt dies nicht, dass sie erlaubt ist. In diesem Fall sollte man sich direkt an die FN wenden und nachfragen.

Stallmanagement

Der Reiter hat die Aufgabe, alles in seiner Macht stehende zu tun, um eine positive Medikationskontrolle zu verhindern. Um sich abzusichern, empfiehlt es sich, ein Behandlungsbuch zu führen, in dem sorgfältig vermerkt wird, welche Medikamente und auch Zusatzfuttermittel das Pferd zu welchem Zeitpunkt bekommen hat. Das hat mehrere Vorteile: Zum einen behält man so den Überblick und kann die gesundheitliche Entwicklung des Pferdes kontrollieren. Zum anderen kann man im Falle eines Falles nachvollziehen, was zu einer positiven Dopingkontrolle geführt haben mag. Und wenn man sich unsicher ist, wann das Pferd das letzte Medikament bekommen hat, genügt ein Blick ins Buch, um auszurechnen, ob die Substanz rechtzeitig vor dem Turnier abgebaut sein wird.

Inhalieren verschafft Linderung bei Atemwegsproblemen. Mit Kochsalzlösung ist das ADMR-konform. Mischt man jedoch ätherische Öle bei, muss man mindestens 48 Stunden warten, ehe man aufs Turnier geht. Foto: Frank Sorge
Für kleinere Blessuren, die man selbst behandeln kann, sollte man ADMR-konforme Desinfektionsmittel und Wundsalben in der (am besten abschließbaren) Stallapotheke bereithalten. Dazu gehören beispielsweise Jodpräparate, Lebertran-Zinksalben, Zinksprays etc. Probleme kann es hingegen bei bestimmten Blau- oder Alusprays geben. Hier kommt es auf das Produkt an. Auch gängige Mittel gegen Strahlfäule wie z.B. Jodoformprodukte sind erlaubt. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn ein netter Boxennachbar einem hilfsbereit „die Wundersalbe“ für ein Wehwehchen zur Verfügung stellt …
Es ist gar nicht so selten, dass es gewissermaßen „aus Versehen“ zu einer positiven Medikationskontrolle kommt. Ein Großteil der Turnierreiter hält seine Pferde in Pen­sionsställen. In Hinblick auf das Management von Turnierpferden kann das Probleme mit sich bringen. Beispielsweise fahren Hustenmedikamente, Entzündungshemmer etc. häufig im Futterwagen mit und werden vom Futterdienst dem Patienten über den Hafer gegeben. Doch was, wenn ein Teil des Medikaments nicht nur in der Krippe des Sorgenkindes landet, sondern vielleicht auch in der Ration des Nachbarn, der am Wochenende Turnier gehen soll? Oder wenn Reste an der Futterschaufel hängen bleiben? Oder es wird ein Messlöffel benutzt, mit dem das eine Pferd seine Hustenpulver und das andere sein Vitamin E verabreicht bekommt. Passiert dies regelmäßig, kann das auf dem Turnier relevant werden. In einigen Ställen stehen die Futterrationen auch vor den Boxen. Die Behälter können leicht vertauscht werden.

Doping versus unerlaubte Medikation

In den ADMR finden sich drei Listen mit verbotenen Substanzen und Methoden (Anhänge I-III). Auf Liste I werden auf dem Turnier verbotene Dopingsubstanzen und Methoden aufgeführt. Liste II beinhaltet Medikamente, die zwar bei der Behandlung von Pferden gängig, aber auf dem Turnier dennoch verboten sind (unerlaubte Medikation). Und die Liste III umfasst schließlich all jene Substanzen, die weder im Wettkampf noch im Alltag etwas im Pferdekörper zu suchen haben.

6.17_18_UrinprobeDie Liste II mit den unerlaubten Medikamenten will verhindern, dass ein eigentlich krankes Pferd sozusagen fürs Turnier fitgespritzt wird. Unter Doping versteht man Substanzen, die ein hohes Missbrauchspotential aufweisen und die Leistungsfähigkeit direkt beeinflussen, wie beispielsweise Anabolika. Hier unterscheidet man noch einmal nach jenen Stoffen, die zwar als Doping aufgeführt werden, die aber ansonsten vom Tierarzt üblicherweise verwendet werden (z.B. Beruhigungsmittel für eine Zahnbehandlung), und jenen, die im Organismus des Pferdes überhaupt nichts zu suchen haben, z.B. Psychopharmaka. Ausnahmen: Ausdrücklich erwähnt werden in den ADMR alle Ausnahmen, also Substanzen und Methoden, die erlaubt sind. Darunter fallen z.B. Wurmkuren, oral verabreichte Mineralstoffe, Vitamine etc., manuelle Therapien, Kältebehandlung und Magnetdecken. Das bedeutet, dass man sein Pferd auch während eines Turniers physiotherapeutisch behandeln lassen kann.

Ob die ADMR eingehalten werden, wird kontrolliert. Wer bei LPO-Turnieren in die Medikationskontrolle muss, entscheidet in der Regel das Los. Aber es gibt auch Verdachtsproben. Vorzugsweise wird zur Untersuchung Urin der Pferde aufgefangen. Gelingt dies innerhalb von 30 Minuten nicht, können aber auch Blutproben genommen werden. Dabei gibt es immer zwei Behälter, einen für die A- und einen für die B-Probe, auf die das gewonnene Probenmaterial aufgeteilt wird. Das Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule in Köln übernimmt alle Analysen für die FN. Ist die A-Probe positiv, kann auf Wunsch der verantwortlichen Person die Analyse der B-Probe beauftragt werden, um etwaige Fehler bei der Untersuchung auszuschließen.

Im Falle eines Verstoßes wird die Disziplinarkommission der FN eingeschaltet. Zusätzlich werden alle positiven Medikationskontrollen an die zuständigen Behörden weitergeleitet. Beim Nachweis einer Dopingsubstanz wird der Betroffene mit sofortiger Wirkung von der weiteren Teilnahme an Turnieren gesperrt. Wie hoch die Strafe nach einer positiven Medikationskontrolle dann letztendlich ausfällt, richtet sich nach der Art der angewendeten verbotenen Substanz. Wer beim Doping erwischt wird, muss mit einer Sperre von in der Regel zwei Jahren rechnen. Bei verbotener Medikation dauert die Sperre mindestens einen Monat und bis zu einem Jahr. Auch Geldbußen werden in jedem Fall verhängt. Darüber hinaus können auch die betroffenen Pferde zeitweilig suspendiert werden.

Kann die verantwortliche Person allerdings glaubhaft darlegen, wie die Substanz in den Pferdekörper gelangt ist und, dass sie dabei kein oder kein signifikantes Verschulden trifft, ist es auch möglich, dass sich das Strafmaß verringert.

Apropos tauschen – nicht nur in Hinblick auf das ADMR-Management ist es ein No Go, im Stall die Boxen zu tauschen, ohne diese vorher gründlich ausgemistet und gereinigt zu haben. Neben Parasiten werden sonst auch Medikamentenreste im Mist und in der Einstreu vom nächsten Pferd aufgenommen. Aus diesen Gründen rät Henrike Lagershausen darum Pferdebesitzern mit Turnierambitionen: „Erklären Sie dem Stallbesitzer Ihre Sorge, dass Sie womöglich Probleme auf dem Turnier bekommen könnten und bitten Sie ihn, künftig auf diese Dinge zu achten. Es ist wichtig, dieses Thema auch mit den Boxennachbarn offen anzusprechen. Werden Sie aktiv!“

Dominique Wehrmann

Tipp: Weitere Infos, die Broschüre „Fairer Sport“ sowie die Suchmaschine für ADMR-Substanzen finden Sie hier.

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