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Hannelore Brenner; Fotos (4): N. Harms
Steffen Zeibig
Paralympics in Rio de Janeiro
In neuer Besetzung auf Medaillenkurs
Die deutschen Para-Dressurreiter gehörten in den vergangenen Jahren zu den fleißigsten Medaillen-Sammlern unter den deutschen Pferdesportlern. Aber auch in der Para-Equestrian wird die Konkurrenz immer stärker – sowohl international als auch in Deutschland selbst.
„Damals waren wir ja schon froh, wenn wir überhaupt ein Turnier beschicken konnten“, erinnert sich Dr. Jan Holger Holtschmit, Vorsitzender des DKThR an die Anfänge des internationalen Para-Sports. 1996 war der Pferdesport erstmals Teil der Paralympics, seit 2006 ist Para-Equestrian offizielle Disziplin der FEI. So waren es anfänglich oft dieselben, die zu den Championaten reisten und dort fleißig Medaillen für Deutschland sammelten. Doch je mehr Aufmerksamkeit der Parasport in den vergangenen Jahren erhalten hat und je näher er an den Regelsport heranrückt, desto größer wird das Interesse im In- und Ausland. Umso härter umkämpft sind auch die Medaillen und umso schwieriger wird, sich einen Platz im deutschen Team zu erobern.
Elke Philipp
Carlolin Schnarre mit Del Rush; Foto: Caremans
Konkurrenzdruck nimmt zu
Genügte über viele Jahre eine offizielle Sichtung pro Jahr, um die Kandidaten für das anstehende Championat auszuwählen, sind es seit dem vergangenen Jahr bereits drei. Fest im Kalender etabliert hat sich das internationale Para-Turnier (CPEDI) in Mannheim. Peter Hofmann, der „Macher“ des Maimarktturniers, war auch der erste, der einen Nationenpreis für die Reiter mit Behinderung ausgerichtet hat. Hier fand der erste Leistungsvergleich der Para-Reiter im Frühjahr statt, die zweite Sichtung wurde dann im Rahmen der Deutschen Meisterschaften ausgetragen, deren Gastgeber bereits zum zweiten Mal das Gestüt Bonhomme in Werder an der Havel war. Die dritte und letzte Sichtung erfolgte wieder im Rahmen eines CPEDI auf dem Linslerhof im saarländischen Überherrn. Dabei hatte der DOKR-Beirat bereits im Frühjahr elf Kandidaten auf die Long-list gesetzt. Darunter viele neue Gesichter, aber auch bekannte Namen mit neuen Pferden. Die Entscheidung fiel schließlich auf Hannelore „Hanne“ Brenner (Grade III) aus Wachenheim und Steffen Zeibig (Grade II), die beide bereits in London dabei waren, jedoch in Rio andere Pferde satteln werden. Hanne Brenner, die erfolgreichste deutsche Para-Reiterin der vergangenen Jahre, setzt in Rio auf ihr Nachwuchspferd, den elfjährigen Trakehner Fuchswallach Kawango, mit dem sie mittlerweile bis zur Klasse L* im Regelsport erfolgreich war. Steffen Zeibig sattelt die Hannoveraner Fürst Heinrich-Tochter Feel good, mit der er im vergangenen Jahr zwei Bronzemedaillen bei den EM in Deauville gewann. Erstmals bei Paralympics am Start sein wird Elke Philipp (Grade I). Sie rückte 2013 erstmals in den Kreis der Championatsreiter vor und holte mit dem mittlerweile neunjährigen Hannoveraner Regaliz (v. Rubinero) sowohl bei der WM 2014 als auch der EM 2015 jeweils eine Bronzemedaille. Erst einmal auf einer Europameisterschaft dabei war die 24-jährige Alina Rosenberg (Grade Ib) aus Konstanz. Mit ihrem neuen Pferd Nea’s Daboun, einem siebenjährigen Oldenburger von Dressage Royal ist sie in diesem Jahr an die Spitze durchgestartet. Und gerade wurd bekannt, dass auch Carolin Schnarre (Grade IV) als erste Reserve einen frei werdenden Startplatz erhaschen konnte. Die 24-jährige, schwer sehbehinderte Reiterin wird mit dem von Elke Philipp zur Verfügung gestellten Del Rusch nach Rio reisen.
Die Behinderten-Grades
Die Zuordnung in die Wettkampfklassen (Grades) richtet sich nach der Schwere der Behinderung und wird von speziellen Klassifizierern vorgenommen. In Grade I starten die Reiter mit den schwersten Behinderungen. Es handelt sich hauptsächlich um Rollstuhlnutzer, entweder mit geringer Rumpfbalance oder mit begrenzten Arm- und Beinfunktionen. Geritten werden Prüfungen mit Schritt- und wahlweise Trabsequenzen. Im Grade II starten vorwiegend Rollstuhlnutzer mit starken Einschränkungen der Beinfunktionen und/oder der Rumpfbalance, aber mit guten bis leicht behinderten Armfunktionen. Die Prüfungen bestehen aus Schritt- und Trabsequenzen und wahlweise in der Kür mit bestimmten Galopplektionen. Die Reiter in Grade III können in der Regel ohne Unterstützung gehen. Sie haben meist Behinderungen entweder an einem Arm und einem Bein, mäßige Behinderungen in beiden Armen und beiden Beinen oder schwere Behinderungen der Arme. Die Prüfungen bestehen aus Schritt-, Trab- und Galoppsequenzen. Die Anforderungen entsprechen vergleichbar der Klasse A bis L im Regelsport. Grade IV-Reiter müssen Aufgaben vergleichbar zur Dressur der Klassen L bis M absolvieren. Sie haben in der Regel Behinderungen nur in einer oder zwei Gliedmaßen oder Einschränkungen der Sehfähigkeit. Die Prüfungen bestehen aus Schritt-, Trab- und Galoppsequenzen, wobei die Kür annähernd alle vorstellbaren Dressurlektionen enthalten kann, wie beispielsweise Serienwechsel.
Alina Rosenberg
Unschlagbare Briten?
„Eine Goldmedaille ist voraussichtlich auch in Rio nicht realistisch, aber Bronze fürs deutsche Team ist auf jeden Fall drin. Und wenn es gut läuft, sogar Silber“, schätzt Dr. Jan Holger Holtschmit. Seit Jahrzehnten ungeschlagen sind die Briten, deren üppige finanzielle Ausstattung auf Geldern der staatlichen Lotterie beruht. Aber auch die Niederländer sind gut aufgestellt, haben in den letzten beiden Jahren sowohl bei der WM als auch der EM die Silbermedaille gewonnen.
Nicht zuletzt müsse man auch die Dänen im Auge behalten, meint Equipechefin Britta Bando, die zusammen mit Bundestrainer Bernhard Fliegl seit Jahren die deutschen Teams begleitet. „Die Dänen haben sehr gute Pferde, die immer besser ‚funktionieren‘. Ich hoffe, wir können sie auch dieses Jahr wieder im Zaum halten“, sagte sie und kündigte an: „Kämpfen werden wir auf jeden Fall!“
Uta Helkenberg
Drei Fragen an Jan Holger Holtschmit
Vorsitzender des DKThR
Was unterscheidet einen Para-Reiter vom Regelsportler (die Behinderung einmal außen vor gelassen)?
Para-Reiter zeichnen sich dadurch aus, dass sie es durch ihre Behinderung allgemein schwerer im Leben haben und daher oft einen noch intensiveren Durchhaltewillen, noch mehr Biss haben, als Regelsportler. Unsere Reiter sind echte Spitzensportler, die gewinnen wollen. Nur „dabei sein“ gilt auch im Parasport nicht mehr. Darüber hinaus sind Para-Reiter aufgrund ihrer Behinderung auf absolutes Vertrauen zu ihrem Pferd angewiesen. Sie können nicht mal eben die Beine zumachen oder zupacken wie ein Regelsportler. Dazu brauchen sie aber auch ein absolut durchlässiges und losgelassenes Pferd.
Die Qualität der Pferde im Para-Sport hat ja in den letzten Jahren gewaltig zugenommen. Wie sehen Sie diese Entwicklung? Welche Risiken birgt sie?
Seit dem Einsatz eigener Pferde ist die Qualität in der Tat sehr viel besser geworden. Bei den ersten Championaten wurde ja noch auf Leihpferden gestartet. Je intensiver sich Regel- und Parasport annähern, umso mehr sich die Grenzen auflösen, umso mehr spielt die Qualität der Pferde eine entscheidende Rolle. Der Nachteil ist, dass diese Pferde mit solchen großen Bewegungen für die Reiter im Handling teilweise kritisch werden. Ein weiterer Nachteil ist, dass solche Pferde richtig Geld kosten. Para-Reiter sind zum allergrößten Teil Amateure und müssen sich ihren Sport nebenher verdienen. So stehen wir im Moment auf der FEI-Weltrangliste weit hinten. Das liegt daran, dass unsere Reiter zu wenige internationale Turniere besuchen, einfach weil das zu teuer ist. Es war aber noch nie der Fall, einerseits einen Fortschritt zu haben, der auf der andere Seite nicht auch Nachteile mit sich bringt.
Was war für sie der bewegendste Moment im Para-Sport?
Es begeistert mich immer wieder, wie man den Pferden genau ansieht, wieviel Rücksicht sie auf ihren behinderten Reiter nehmen. Wenn man ihnen in die Augen sieht oder das Ohrenspiel beobachtet, merkt man, wie sie auf ihre Reiter aufpassen, dass ihnen nichts passiert. Oder wie sie sich vorsichtig in den Ecken bewegen, wenn sie merken, der Reiter kommt oben ins Rutschen. Das sind Momente, die mich immer wieder bewegen.
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