Regionaltagung der Persönlichen Mitglieder in Schleswig-Holstein:

Wenn Pferde in die Jahre kommen

Ein Thema, das jeden Reiter bewegt, ist die altersgerechte Betreuung des Pferderentners. Wann ist ein Pferd alt, welche besonderen Bedürfnisse hat es, worauf muss bei Haltung und Fütterung geachtet werden – diese und viele andere Fragen wurden bei der Regionaltagung der Persönlichen Mitglieder und des Pferdesportverbandes Schleswig-Holstein in den Holstenhallen von Neumünster lebhaft diskutiert.

Alt aber fit: Sehr alte Pferde magern häufig ab, weil sie die Nahrung nicht mehr richtig verarbeiten können.

Wann ist ein Pferd alt?

Der Segeberger Tierarzt Dr. Henning Achilles eröffnete den Reigen mit seinen Vortrag zur ethischen Ver¬pflichtung gegenüber dem alternden Pferd. Hier wurde zunächst angesprochen, was für viele Reiter nicht ganz klar ist: Wann ist ein Pferd alt? Wie alt Pferde werden können, zeigen immer wieder Meldungen über Pferde, die 46 oder 50 Jahre geworden sind. „Ab dem 20. Lebensjahr tritt das Pferd in die dritte Lebensphase ein. Ist ein Pferd bereits 25 Jahre, gilt es ohne weiteres als alt“, so Achilles. Doch unter Berücksichtigung gewisser Punkte muss eventuell auch das eine oder andere 15-jährige Pferde als „alt“ eingeordnet und entsprechend versorgt werden. Sinnvoll ist in diesem Zusammenhang die Gesamtbetrachtung der Symptome des Alterns. Zu ihnen zählen unter anderem Auge und Gesichtsausdruck, Vitalität und Anteilnahme, Haut- und Fellstoffwechsel, der Muskel-Fettstoffwechsel, Veränderungen der Wirbelsäule wie Senkrücken, degenerative Probleme der Gliedmaßen, ein veränderter Hormonstoffwechsel, Schwäche des Immunsystems, Anfälligkeit für Parasiten (Milben, Haarlinge) und nicht zuletzt der Zustand der Verdauungstätigkeit.

Bis zu 200.000 Senioren

In Deutschland gibt es derzeit rund 1,2 Millionen Pferde und Ponys, davon sind etwa 10 bis 20 Prozent zu den Pferderentnern zu zählen. Daraus ergibt sich, so wird geschätzt, ein Pferde-Senioren-Bestand von 100.000 bis 200.000 Tieren. Eine durchaus beachtliche Anzahl, die zeigt, für wie viele Pferdebesitzer und Pensionsstallbetreiber Informationen über Fütterung und Haltung der Oldies von Interesse sind und auch sein müssen. Schließlich sollte jedes ältere Pferd so gehalten werden, dass seinen Bedürfnissen Rechnung getragen wird.

Die Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten gelten selbstverständlich auch für Pferde im Alter 20 plus. Das heißt, dass soziale Kontakte, Bewegung, Gelegenheit zu ausreichenden Ruhephasen, angemessene Einstreu, ausreichend Futter und Zugang zu Wasser unverzichtbar sind. Eigentlich sind dies Selbstverständlichkeiten und doch kann man sie nicht oft genug betonen. Beim Futter ist zusätzlich darauf zu achten, dass hohe Schmackhaftigkeit dazu beitragen kann, dass mehr Futter aufgenommen wird. Wichtig ist dies, da ältere Pferde oft dazu neigen „einzufallen“, sprich mager zu werden, und auch gelegentlich wählerisch werden, was ihr Futter betrifft. Leichte Kau- und Schluckbarkeit erlangt besondere Bedeutung, da die Zähne mit fortschreitendem Alter glatt abgerieben werden. Grobe Strukturen können in der Folge oft nicht mehr ausreichend zerkleinert werden. Das Raufutter kann sich zu Wickeln zusammenpressen und wieder aus dem Maul fallen. Bei Kraft- und Saftfutter droht bei unzureichender Zerkleinerung eine Schlundverstopfung. Da auch der Stoffwechsel nicht mehr optimal arbeitet, profitieren ältere Pferde zudem von einem hohen Anteil an Vitaminen und Proteinen im Futter.

Arthrose macht steif

Was die Haltung angeht, kommen Pferdesenioren größere Boxen sehr entgegen, da sie durch Arthrose steif werden, sich nicht mehr geschmeidig drehen können. Der tägliche Weidegang sorgt für Bewegung, am besten gemeinsam mit gleichaltrigen Tieren, da ältere Pferde zumeist rangniedrig sind und zwischen jungen Pferden oft Stress entwickeln, erst Recht, wenn die „Flegel“ auf der Weide sie mit Tritten und Bissen traktieren.

Bei kalter Witterung schützt und wärmt eine Decke, denn der Stoffwechsel des Seniors läuft oft nicht mehr auf Hochtouren. Prophylaktisch kann eine Reihe von Maßnahmen helfen, Altersbeschwerden vorzubeugen oder zu lindern. Hierzu zählen die Verwendung einer Magnetfelddecke, Kräutergaben und Teezubereitungen, Packungen bei Sehnen und Gelenk-Beschwerden, frisches Obst, Akupressur, Homöopathie, Osteopathie, Akupunktur und vor allem liebevolle Pflege und Zuwendung. In Zweifelsfällen berät der Tierarzt, was man seinem Rentner angedeihen lassen sollte.

Alter und Gesundheit

Zu den Erkrankungen, die Pferde im Alter entwickeln können, referierte Dr. Jane-Carolin Eichel über das Cushing-Syndrom und Augenprobleme. Dr. Marco Grzybowski, ebenfalls wie seine Kollegin aus der Pferdeklinik Bockhorn, widmete seinen Vortrag den Orthopädischen Erkrankungen. Das seit einigen Jahren häufiger auftretende Cushing-Syndrom bringt das Problem mit sich, dass es je nach Rasse nicht immer eindeutig von altersbedingten Veränderungen zu unterscheiden und daher nicht einfach zu diagnostizieren ist. Langes, lockiges Fell, das als Zeichen für diese Er-krankung gilt, ist nicht ausreichend um auf Cushing zu schließen. Ein spezieller Test, der vom Tierarzt durchgeführt wird, kann aber Aufschluss darüber geben, ob das Pferd von diesem gesundheitlichen Problem betroffen ist. Zwar ist die Krankheit nicht heilbar, mit Hilfe von Medikamenten kann dem Pferd aber Linderung verschafft werden.

Pferde mit orthopädischen Erkrankungen wie Arthrose und Podotrochlose (früher als Hufrolle bezeichnet) können mit Hilfe von Arzneimitteln unterstützt werden, insbesondere wenn ein schmerzhafter Schub der Erkrankung auftritt. Doch hier gilt: Das Umfeld muss immer mit gestaltet werden. Dazu gehört neben orthopädischem Hufbeschlag auch die Anpassung von Bewegung und Arbeit, unter Umständen auch eine Veränderung in der Haltung.

Alt, aber mit Biss

Tierärztin Dr. Julia Lamp referierte zum Thema „Zähne des alternden Pferdes“ und wies darauf hin, wie sich länger unbemerkte Haken an den Zähnen auswirken können. Oft wird ein Zahnproblem erst dann bemerkt, wenn das Pferd stark abmagert, kaum noch Futter aufnimmt oder aus dem Raufutter Wickel formt, die wieder aus dem Maul fallen. Um sicherzustellen, dass die Zähne des Seniors in Topform sind, empfiehlt sie einen Seniorencheck durch den Tierarzt, der einmal im Jahr durchgeführt werden soll und Aufschluss über den Zustand von Augen, Zähnen, Blutbild und Hufen gibt.

Das Thema „Fütterungsempfehlungen für das alternde Pferd“, das Jürgen Lamp vom landwirtschaftlichen Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp vortrug, ist an sich schon abendfüllend. Fest steht: Der Bedarf des älteren Pferdes ist erhöht, so kann man bei Heu täglich bis zu 14 Kilogramm einrechnen. Informationen über die veränderten Bedürfnisse geben Tabellen, die unter anderem auf der Internetseite der Landwirtschaftskammer einzusehen sind. Zu den Tipps und Tricks, wie abgemagerte ältere Pferde wieder aufgefüttert werden können, gehört unter anderem der Einsatz von Zuckerrübenschnitzeln und Maissilage.

Der letzte Weg

Ein Beitrag mit besonders emotionalem Aspekt war der Vortrag von Dr. Henning Achilles. Der letzte Dienst, den man seinem vierbeinigen Freund erweisen kann, ist es, ihm auf dem letzten Weg Geleit zu geben. Ob Schlachtung oder Euthanasie in Frage kommen, legt der Pferdebesitzer bereits im Equidenpass fest. Ist das Pferd ein Lebensmitteltier, ist die Schlachtung möglich. Ist das Tier kein Schlachttier, bleibt nur die Tötung durch Euthanasie. Wichtig ist hier sich bewusst zu machen, dass Töten nicht jederzeit möglich ist. Einschläfern erfolgt nur im Sinne von Erlösen. Ist das Pferd alt, aber organisch fit, wird der Tierarzt es nicht aus Gefälligkeit einschläfern. So ist es im Tierschutzgesetz geregelt. Auch ein Testament, in dem der Pferdebesitzer verfügt, dass sein Pferd nach seinem eigenen Tod eingeschläfert werden soll, bietet in diesem Fall nicht die Möglichkeit, das Tierschutzgesetz zu umgehen.

Wann ist es soweit?

Wenn es um die Euthanasie geht, lautet die Kernfrage: Wann sollte man ein Pferd erlösen? Die klare Antwort von Dr. Achilles lautet: „Wenn ein Pferd seine Lebensqualität nicht mehr wahrnehmen, fressen und laufen kann und keine Anteilnahme und Emotionen mehr zeigt.“ Ist der Zeitpunkt gekommen und es ist entschieden, das Pferd erlösen zu lassen, muss man sich darauf einstellen, dass dies nicht in fünf Minuten erledigt ist. „Euthanasie benötigt Zeit, gut 30 Minuten muss man rechnen“ berichtet der Referent aus eigener Erfahrung. Dabei wird das Pferd nach einer Betäubungsspritze auf weichen Grund abgelegt, denn eingeschläfert wird ausschließlich das niedergelegte, betäubte Pferd. Bis das Herz des Pferdes stehen bleibt, vergehen etwa drei bis vier Minuten.

Anschließend erfolgt der Abtransport durch die Tierkörperbeseitigung (TKB). Da die Lastwagen in aller Regel nur auf hartem Untergrund aufladen können, muss das Pferd für den Abtransport an eine entsprechende Stelle geschafft werden.

Der Abschied von einem langjährigen Freund ist schwer. Und nicht jeder Pferdebesitzer möchte sich damit abfinden, das Pferd von der Tierkörperbeseitigung abtransportieren zu lassen. Inzwischen gibt es auch in Deutschland Krematorien, die Einäscherungen von Pferden vornehmen. Nicht ganz preiswert, aber für manchen Pferdebesitzer ein trostvollerer Abschied.

Autor: Stephanie Sieckmann

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