Heinrich-Wilhelm Johannsmanns Serie: Geheimnisse effektiven Springreitens

Ausbilder aus Überzeugung

Heinrich-Wilhelm Johannsmann, gerne „Kaiser“ genannt, gibt heute das zurück, was ihn zu einem der großen Reiter gemacht hat: das Wissen seiner Lehrmeister von Lutz Gössing über Fritz Ligges und Hermann Schridde bis hin zu Herbert Meyer. In seine Seminarreihe für Ausbilder „Geheimnisse effektiven Springreitens“ fließt der Erfahrungsschatz ganzer Generationen ein. Was ihn motiviert, verrät er im Interview.

PM-Forum: Herr Johannsmann, Sie reisen mit einer Seminarreihe quer durch die Republik und wollen in jedem Landesverband die Reitlehrer und Ausbilder an der Basis für besseren Springunterricht begeistern. Was treibt Sie an?
Heinrich-Wilhelm Johannsmann: Die Freude an guter Ausbildung liegt in meiner Vergangenheit begründet. Ich bin einer der Letzten, die von allen Topausbildern der vergangenen Jahrzehnte profitiert haben. Dieses Wissen und diese Erfahrung möchte ich heute weitergeben. Ich habe immer ausgebildet und unzählige Springseminare gegeben. Diese Veranstaltungsreihe richtet sich jetzt allerdings nicht an Reiter, sondern an Ausbilder.

PM-Forum: Beim Trainerkongress des DOKR vor einigen Wochen (PMForum berichtete) wurde allgemein kritisiert, dass die Springausbildung an der Basis nicht gut genug sei und viele Talente nicht ausreichend betreut würden. Teilen Sie diese Einschätzung?
Johannsmann: Das ist sicher vielerorts so. Wir erkennen, dass sich die Ausbildung heute zu wenig Zeit nimmt. Die Schüler glauben, wenn sie einen Lehrgang besucht haben, können sie morgen schon besser Turnier reiten. Man muss ihnen wieder klarmachen, dass die Ausbildung eines Pferdes dauert. Es gibt keine schnellen Erfolge.

Mit dem Warendorfer Landbeschäler Gralshüter war Heinrich-Wilhelm Johannsmann siegreich und weit vorne platziert.

PM-Forum: Ist dies eine der zentralen Botschaften der großen Ausbilder der Vergangenheit, die Sie ansprachen?
Johannsmann: Ja auch, aber entscheidend ist die Summe der Erfahrungen. Ich habe von jedem einzelnen viel gelernt. Mein erster Ausbilder war Lutz Gössing, auf dessen Anlage ich ab 1973 gearbeitet habe. Er sagte immer: ,Wenn du ein Pferd in Ausbildung hast, musst du es nach dem Ritt immer selber versorgen. Nur dann kannst du fühlen, in welchem Zustand das Pferd ist und ob es ihm gut geht‘. Diese Aussage stimmt, über den Pflegezustand kann man fast alles über ein Pferd erfahren. In den Profiställen wird nicht umsonst so viel Wert auf die Betreuung des Pferdes nach der Arbeit gelegt. Aber diese Sensibilität bringen viele Reiter nicht auf, sie haben es einfach nicht gelernt, sie zu entwickeln.

PM-Forum: Welche weiteren prägenden Erkenntnisse haben Ihnen Ihre einstigen Trainer vermittelt?
Johannsmann: Von dem berühmten Parcourschef und Ausbilder Hans-Heinrich Brinckmann habe ich gelernt, geduldig zu sein. Er kam noch aus der Kavallerieschule Hannover und dort dachte man immer in größeren Zeiträumen. Der Misserfolg an einem Trainingstag spielte für ihn keine Rolle, er hat mir immer gezeigt, wie wichtig es ist, dem Pferd und sich selbst die Zeit zu geben, in neue Aufgaben hineinzuwachsen. Alwin Schockemöhle war direkter. Bei ihm habe ich während meiner ersten aktiven Championatszeit Ende der 70er Jahre trainiert. Er duldete keine halben Sachen. Wenn Reiter und Pferd von den Anforderungen her eine Leistung bewältigen können, dann muss sie auch abrufbar sein, egal wie groß der Druck ist. Das war seine Meinung, die er energisch vertrat, und dazu sagte er seinen Standardsatz: ,Nationenpreise werden mit Nullrunden gewonnen, alles andere zählt nicht.‘ Diese Zielstrebigkeit prägte auch das Training. Für Schockemöhle war es das Spiegelbild des Turnierreitens. In dem Zusammenhang muss ich auch an Hans Günter Winkler denken. Ich durfte einige seiner Pferde reiten. Er hat mir eingeschärft, wie wichtig es ist, das Potenzial eines Pferdes zu erkennen. Er gab mir folgenden Rat mit auf den Weg: ,Wenn du einmal ein ganz herausragendes Pferd hast, dann höre auf, von Turniersieg zu Turniersieg zu planen. Dann willst Du nur noch nach Aachen, zu Nationenpreisen und Championaten. Der Rest interessiert nicht mehr.‘

PM-Forum: Wie war der Einfluss von Bundestrainer Hermann Schridde und Jugendtrainer Fritz Ligges?
Johannsmann: Beide waren herausragende Persönlichkeiten, die ihre individuellen Stärken hatten. Fritz Ligges hat mir viel über Zucht und Anpaarungen vermittelt. Er hatte ja einen züchterischen Hintergrund. Bis zum Verkauf nach Belgien war sein Hengst Ramiro sicher einer der bedeutendsten Springpferdevererber, die es jemals in Deutschland gegeben hat.

Schade, dass er den Zuchtfortschritt nicht mehr erlebt hat. Hermann Schridde war züchterisch nicht so versiert, sondern zu hundert Prozent auf die Ausbildung konzentriert. Wir ritten in den USA einen Nationenpreis und sahen auf diesem Turnier Springprüfungen, wie wir sie aus Deutschland nicht kannten. 40 Reiter absolvierten den Parcours in nahezu identischem Stil. Das waren perfekte Bilder, wir staunten. Und uns war klar, wenn wir schöneres, besseres Reiten auf unseren Turnieren sehen wollen, dann brauchen wir ein Prüfungsangebot, das genau diese Qualität abverlangt. Es war die Zeit, die frühen 1980er Jahre, in der die Stilspringprüfungen geboren wurden. Ein Segen für den Springsport insgesamt, wie wir längst wissen. Hermann Schridde, der selbst stets ein Stilist war, war an diesem Prozess maßgeblich beteiligt. Er war seiner Zeit um 20 Jahre voraus. Fritz Ligges hat mit klar gemacht, dass sich ein guter Springreiter immer auch für Zucht und die Veranlagung und Vererbung von Leistungsgenen interessieren muss.

Heinrich-Wilhelm Johannsmann, der „Kaiser“, lebt für die Ausbildung. Seine Seminarreihe führt ihn in alle Landesverbände.

PM-Forum: Stilspringprüfungen und Springpferdeprüfungen sind eng mit dem Namen Herbert Meyer verbunden…
Johannsmann: Das stimmt, Herbert Meyer hatte großen Anteil an der weiteren Entwicklung. Er war zunächst Jugendtrainer, ehe er Bundestrainer wurde und hat unheimlich viel für die Ausbildung der Jugend getan. Aber nicht nur für sie. Am meisten erinnere ich mich an seine Mahnungen, die guten jungen Pferde nicht zu früh gegen die Uhr zu reiten. Sieben oder achtjährige Pferde mussten bei ihm erst fertig ausgebildet und gereift sein. Er sagte: ,Ein Profi hält sich zurück, bis die Pferde alles kennen und alles können, nur dann hat man lange Freude mit ihnen.‘ Es hat keinen erfolgreicheren Bundestrainer gegeben und auch keinen, der mehr Reiter-Pferd-Paare zusammengebracht und zusammengehalten hat.

PM-Forum: Lernen Sie heute auch noch von anderen?
Johannsmann: (lacht) Ja, natürlich. Ich habe von 2005 bis 2011 bei Ludger Beerbaum als Trainer gearbeitet. Er hat mir gezeigt, wieviel Management nötig ist, um einen so großen Betrieb erfolgreich zu führen. Äußerste Pünktlichkeit und ein klares Konzept für jeden Reiter und jedes Pferd, das zeichnet ihn aus. Hier wird das Wissen der großen Ausbilder so zielgenau umgesetzt, dass es den Anforderungen des modernen Springsports entspricht. Und dieses sportliche Know How in meinen Lehrgängen zu vermitteln, habe ich mir zum Ziel gesetzt.

Das Gespräch führte Susanne Hennig.

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