Vorheriger Artikel

Ausgabe 06/2020
Bodenarbeit: Dr. Claudia Münch im Interview – Mit feinen Signalen zum Erfolg

Nächster Artikel

Ausgabe 06/2020
10 Tipps für fleißiges Schreiten

Berufe rund ums Pferd: Pferdestudiengänge

Mit Pferd im Hörsaal

Sich nach dem Schulabschluss nur noch mit Pferden beschäftigen – das möchten viele junge Pferde freunde. Doch welche Angebote bieten Hochschulen und Universitäten rund um das Thema Pferd und wo arbeiten die Absolventen später? Das PM-Forum stellt Pferdestudiengänge vor.

Verschiedene Studiengänge bereiten auf Jobs in der Pferdebranche vor – Lernen ist in allen angesagt. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Wer im Pferdesektor arbeiten möchte, hat seit einigen Jahren auch in Deutschland die Möglichkeit, sich während eines Studiums mit den Vierbeinern auseinanderzusetzen. Der Studiengang Pferdewissenschaften an der Universität Göttingen war hierzulande der erste staatliche Master mit Fokus Pferd. „Im europäischen Ausland gab es bereits einige Bachelorstudiengänge. Der Master war hingegen eine Lücke“, erklärt Prof. Jens Tetens, Koordinator des Studiengangs. Später folgten die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen und die Freie Universität (FU) Berlin, die Bachelorprogramme rund um das Pferd entwickelten. An der Hochschule Osnabrück gibt es darüber hinaus bereits seit 1997 die Möglichkeit, Landwirtschaft mit dem Schwerpunkt Pferdemanagement zu studieren.

Studienziel

Doch was ist das Ziel all dieser Studiengänge? „Das Studium bereitet auf eine breite Anzahl an Tätigkeiten vor, zum Beispiel im Handel, in der Industrie, im Bereich Futtermittel oder im Stallbau. Außerdem können die Studierenden Leitungsfunktionen in Landgestüten oder Pferdezuchtverbänden übernehmen, im Marketing arbeiten oder auf Auktionen tätig sein“, sagt Jörg Kotenbeutel, Koordinator des Bachelorstudiengangs Pferdewissenschaften an der FU Berufe Berlin. Ein Blick auf den Wirtschaftszweig „Pferd“ zeigt, wer die potenziellen Arbeitgeber sind: Mehr als 10.000 Firmen, Handwerksbetriebe und Dienstleistungsunternehmen in Deutschland haben direkt oder indirekt das Pferd als Haupt-Geschäftsgegenstand.

Wissenschaft rund ums Pferd

Obwohl die Studiengänge rund ums Pferd sehr beliebt sind, hat die Forschung zu den Vierbeinern mit Hürden zu kämpfen: „Die Förderlage im Pferdebereich ist schwierig, vor allem wenn man die Situation mit der Forschung zu Rindern, Schweinen oder Geflügel vergleicht. Die Industrie rund ums Pferd ist nur begrenzt bereit, in Forschung zu investieren. Aber auch in der hoheitlichen Forschung, ohne Auftrag aus der Industrie, ist es im Vergleich zu den anderen Nutztieren schwieriger, Förderanträge bewilligt zu bekommen“, sagt Prof. Westendarp von der Hochschule Osnabrück. Abhilfe soll die Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft um das Pferd (GWP) schaffen. Ihr Ziel ist, Anreize zur Forschung zu bieten und Ergebnisse in die Öffentlichkeit zu tragen. Die GWP zeichnet unter anderem jedes Jahr die besten Abschlussarbeiten zum Thema Pferd aus.

Mehr als 10.000 Betriebe in Deutschland haben das Pferd als Haupt-Geschäftsgegenstand – viele potenzielle Jobs für Studenten. Fotos (2): Frank Sorge

Das Produktmanagement von Pferdeequipment ist ein möglicher Arbeitsbereich von Absolventen.

Die Studiengänge

Erfolge auf Turnieren sind keine Voraussetzung für das Studium: „Wichtig ist, dass man Spaß an Pferden hat und ein Interesse für den Pferdesport und die Pferdewirtschaft mitbringt. Reiten zu können, ist keine Grundvoraussetzung“, fasst Prof. Dirk Winter zusammen. Er ist Studiendekan des Bachelors in Pferdewirtschaft in Nürtingen. Den Studiengang zeichnen ihm zufolge vor allem zwei Dinge aus: „Eine Besonderheit ist, dass wir ein Praxissemester einschieben. Außerdem liegt ein großer Schwerpunkt auf den betriebswirtschaftlichen Fächern.“ In Nürtingen kommen die Studierenden deshalb um Mathematik, Statistik oder Volkswirtschaftslehre nicht herum. An der FU Berlin liegt der Schwerpunkt des Bachelors anders als in Nürtingen: „Unser Alleinstellungsmerkmal ist die Konzentration auf die Pferd-Mensch-Beziehung.

Pferd und Mensch: Die Er forschung der Pferd-MenschBeziehung ist ein Teil des Studiums. Foto: Christiane Slawik

Die Verhaltensforschung oder Ethologie spielt bei uns eine große Rolle. Darüber hinaus ist die enge Anbindung an die Tiermedizin eine Besonderheit des Studiengangs“, sagt Kotenbeutel. In Berlin gehören außerdem unter anderem landwirtschaftliche Grundlagen und Pferdezucht zum Studium. Der Master in Göttingen umfasst mit Modulen zur Fütterung, zur Pferdezucht und -genetik sowie zur Betriebswirtschaftslehre ähnliche Kurse wie die Bachelorprogramme. Allerdings hebe ihn ein Aspekt besonders von den anderen Studiengängen ab, erläutert Prof. Tetens: „Die Vanstaltungen im Master sind deutlich stärker wissenschaftlich geprägt. Das zeigt sich zum Beispiel in den Abschlussarbeiten. Während im Bachelor reine Literaturarbeiten möglich sind, muss im Master immer eine empirische Eigenleistung im Labor oder draußen im Feld erbracht werden.“ Da der Master ein Aufbaustudium ist, müssen Interessierte einen inhaltlich zum Master passenden Bachelorabschluss haben. In Frage kommen beispielsweise naturwissenschaftliche Studiengänge, Betriebswirtschaftslehre oder Landwirtschaft.

Alle Pferdestudiengänge in Deutschland haben Partnerschaften mit Landgestüten, Verbänden oder Pferdekliniken und werben mit einer großen Praxisnähe. An der Hochschule Osnabrück sind die Anforderungen an das praktische Wissen besonders hoch: „Über 90 Prozent unserer Studierenden haben bereits vor Studienbeginn eine abgeschlossene Berufsausbildung oder Meisterprüfung. Mindestvoraussetzung ist ein einjähriges Praktikum. Diese Anforderung gibt es nirgendwo sonst in Europa“, sagt Prof. Heiner Westendarp. Der Bachelor in Landwirtschaft mit dem Schwerpunkt Pferdemanagement verknüpft landwirtschaftliche Grundlagen mit speziell auf das Pferd bezogenen Modulen. Die Hochschule erkennt als praktische Vorerfahrung alle „Grünen Berufe“ an. Dazu gehören zum Beispiel ausgebildete Pferdewirte und Landwirte.

Im Ausland studieren

In einigen europäischen Ländern sind Bachelor- und Masterstudiengänge rund um das Pferd etablierter als in Deutschland. Insbesondere Angebote an Universitäten und Fachhochschulen in Wien, Großbritannien und den Niederlanden sind bei deutschen Studierenden sehr beliebt. Die Studiengänge lassen sich dabei ebenfalls in veterinärmedizinisch, landwirtschaftlich und wirtschaftswissenschaftlich geprägte Programme unterteilen. Je nach Land können Studiengebühren in unterschiedlicher Höhe entstehen.

Große Praxisnähe

Laut Prof. Westendarp ist die Praxisnähe sehr wichtig: „Wir haben den Studienschwerpunkt und das Curriculum für und mit der Praxis gemeinsam entwickelt und sind ständig mit den potenziellen Arbeitgebern im Dialog.“ Der Leiter des Studienschwerpunkts sieht die große Anzahl an Studienplätzen rund um das Pferd im In- und Ausland durchaus kritisch: „Im mittleren und gehobenen Management sind die Arbeitsplätze in der Pferdebranche begrenzt.“

Wie vererben sich Farbe und andere Merkmale beim Pferd? Auch Genetik ist Bestandteil vieler Pferdestudiengänge. Foto: Stefan Lafrentz

Aus ähnlichen Gründen rät Kotenbeutel aus Berlin von einem alleinigen Fokus auf das Pferd eher ab: „Ein großer Teil unserer Absolventen studiert nach dem Bachelor weiter. Ich persönlich finde die Kombination aus einem pferdewissenschaftlichen Bachelor und einem landwirtschaftlichen Master oder umgekehrt sehr gut. Die Berufsaussichten sind viel besser, wenn die Absolventen auch ein allgemeines Studium im Agrarbereich haben.“ Dennoch sagt der Studiengangskoordinator: „Gute Leute werden in der Pferdebranche händeringend gesucht. Von unseren Absolventen hängt niemand in der Luft.“

Pferdestudiengänge vermitteln Fachwissen aus verschiedensten Bereichen, so auch zur Besamung. Hier wird die Samenqualität unter dem Mikroskop kon trolliert. Foto: Stefan Lafrentz

Dass eine Nachfrage nach Absolventen vorhanden sei, bestätigt Prof. Winter aus Nürtingen: „Momentan ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt ideal, es gibt mehr Nachfrage, als wir durch Absolventen abdecken können.“* Das Problem einer zu starken Spezialisierung auf den Pferdesektor sieht er nicht: „Durch die breite Grundlage in der Betriebswirtschaft können unsere Absolventen in andere Bereiche abwandern.“ Dennoch hat die Hochschule Nürtingen jetzt einen dualen Bachelor eingeführt, der das Studium mit einer Ausbildung zum Pferdewirt verbindet: „Viele Unternehmen wollen mehr Praxiserfahrungen in den Lebensläufen sehen. Außerdem gibt es viele Anfragen von Studierenden, die gerne eine Lehre machen wollen.“

Wie kann die Pferdehaltung der Zukunft aussehen? Eine Frage, mit der sich Pferdewissenschaftler während des Studiums und später im Beruf beschäftigen. Foto: Christiane Slawik

Pferdewissenschaftler können auch im Bereich der Reithallen- oder Reitplatzbauer tätig sein. Foto: Stefan Lafrentz

Für Zielstrebige

In Göttingen begegnet Prof. Tetens Studierenden mit unterschiedlichsten Vorerfahrungen aus dem Bachelor und spricht eine Empfehlung aus: „Interessierten, die genau wissen, dass sie später im Pferdebereich arbeiten wollen, würde ich immer zum Master in Pferdewissenschaften raten. Jemand, der etwas unentschlossen ist und nur weiß, dass er später im Tierbereich arbeiten möchte, sollte lieber Agrarwissenschaften studieren.“ 

Wichtige Fakten auf einen Blick

Studiendauer: Ein Bachelor dauert drei bis vier Jahre, ein Master (Aufbaustudium) ein bis zwei Jahre. Ausbildungsart: Studium an staatlichen Universitäten oder Fachhochschulen. Bei privaten Anbietern sollten Interessierte auf eine staatliche Anerkennung des Studiengangs achten. Voraussetzungen: Die Fachhochschulreife. Außerdem gibt es je nach Universität oder Hochschule zusätzliche Zulassungskriterien, wie zum Bei spiel bestimmte praktische Er fahrungen.

„In der Arbeitswelt werden immer mehr Spezialisten gesucht“

Wie die Pferdestudiengänge wirklich sind, das wissen die Absolventen der Programme am besten. Das PM-Forum hat deshalb mit zwei ehemaligen Studentinnen gesprochen.

Antje Kühnemann

…hat bis 2015 Pferdewirtschaft in Nürtingen studiert und im Anschluss einen Master in Agrarwirtschaft gemacht. Mittlerweile arbeitet sie bei der Firma „Stremmer Sand + Kies GmbH“, die unter anderem speziellen Reitsand produziert. Kühnemann hat dort im Marketing angefangen und ist jetzt als Bereichsleitung „Strategieentwicklung & Sonderprojekte“ tätig.

PM-Forum: Was hat Ihnen an Ihrem Studium der Pferdewirtschaft besonders gut gefallen?

Antje Kühnemann: Mir hat sehr gut gefallen, dass es ein Wirtschaftsstudium mit starkem Praxisbezug war. Für die Praxismodule kamen viele Referenten aus Firmen oder Verbänden. Dadurch hat man ganz andere Einblicke und Insiderinfos bekommen. Für den späteren Beruf fand ich persönlich den Marketing- und Wirtschaftsschwerpunkt besonders hilfreich.

Antje Kühnemann. Foto: Stremmer Sand + Kies GmbH

PM-Forum: Warum haben Sie nach ihrem Bachelor noch einen Master in Agrarwirtschaft gemacht?

Kühnemann: Ich wollte noch mehr lernen und weiter wissenschaftlich arbeiten. Der Master in Pferdewissenschaften in Göttingen wäre für mich nicht in Frage gekommen, weil er inhaltlich nah an meinem Bachelor ist. Deshalb habe ich mich für die Agrar wirtschaft entschieden. Ich konnte auf der Schiene bleiben und trotzdem etwas Neues lernen.

PM-Forum: Es gibt immer mal Diskussionen, ob die Pferdestudiengänge zu spezialisiert sind. Wie sehen Sie das?

Kühnemann: In der Arbeitswelt werden immer mehr Spezialisten gesucht. Viele Verbände und Firmen setzen Fachwissen voraus und dafür wird in meinen Augen so ein Studiengang gebraucht. Ohne das Wissen aus dem Studium, gerade im Bereich Marketing, hätte ich in einem so komplexen Feld wie dem Reitsand überhaupt nicht arbeiten können.

PM-Forum: Welche Tipps würden Sie jemandem geben, der überlegt, einen Pferdestudiengang zu beginnen?

Kühnemann: Man sollte wissen, in welche Richtung man gehen möchte und das Studium als Möglichkeit nutzen, um in der Pferdebranche Fuß zu fassen. Durch Praktika kann man sehr gut Kontakte knüpfen. Es ist außerdem wichtig zu wissen, dass viele Absolventen später gar nicht direkt am Pferd arbeiten, sondern im Wirtschaftssektor rund um das Pferd. Das Studium hat daher wenig mit der Ausbildung von Pferden zu tun.

Daniela-Maria Friedrich

…hat im Bachelor Angewandte Chemie studiert und sich danach für den Master in Pferdewissenschaften in Göttingen entschieden. Seit ihrem Abschluss im Jahr 2018 arbeitet sie für die Firma „Cleanstar Handels- und Dienstleistungsgesellschaft“, die Mittel zur Desinfektion und Wundpflege vertreibt und im Hygiene-Coaching und -Consulting tätig ist. Friedrich leitet den Teilbereich des Unternehmens, der sich mit der Hygiene rund ums Tier beschäftigt. Sie berät unter anderem Tierärzte, Pferdebesitzer und Züchter.

PM-Forum: Wie hat Ihnen das Studium in Göttingen gefallen?

Daniela-Maria Friedrich: Prinzipiell sehr gut. Es war ein abwechslungsreiches Gesamtpaket und ich hatte das
Gefühl, dass ich in jedem Bereich beruflich hätte ansetzen können. Schön war auch die Kooperation mit der Tierärztlichen Hochschule Hannover. In Praxiskursen haben wir uns dort mit Themen wie Hygiene, Erkrankungen, Zucht und Genetik auseinandergesetzt. Zum Beispiel damit, wie man eine Stute besamt oder ein Fohlen auf die Welt bringt.

 

Daniela-Maria Friedrich. Foto: Alexander Georg Staudt

PM-Forum: Wäre für Sie auch ein Bachelor im Pferdebereich in Frage gekommen?

Friedrich: Das hätte ich mir eher nicht vorstellen können. Man muss sich klar machen, dass es nicht in jeder Region genügend Arbeitsplätze in der Wirtschaft rund um das Pferd gibt. Deshalb ist es in meinen Augen besser, ein zweites Standbein zu haben bzw. einen Bachelor in einem anderen Bereich. Bei mir hat es letztendlich aber gut geklappt, dass ich einen Job gefunden habe, der zu beiden Studiengängen passt.

PM-Forum: Wie kann der Berufseinstieg nach dem Studium gelingen?

Friedrich: Ich habe mich im Studium wirklich bemüht, Kontakte zu knüpfen und ein Netzwerk aufzubauen. Man braucht ein bisschen Vitamin B, das wurde uns immer wieder gesagt. Deshalb sollte man unbedingt Praktika oder Nebenjobs machen. PM-Forum: Haben Sie Tipps für Personen, die ihr Studium im Pferdebereich demnächst abschließen? Friedrich: Die Unternehmen, mit denen ich Kontakt hatte, haben den Abschluss anerkannt, aber das ist nicht überall so. Man sollte sich deshalb mit einem abgeschlossenen Studium, nicht unter Wert verkaufen und zu schüchtern an die Gehaltsverhandlungen gehen.

* Das Gespräch wurde vor der Coronakrise geführt

Melanie Köster

Vorheriger Artikel

Ausgabe 06/2020
Bodenarbeit: Dr. Claudia Münch im Interview – Mit feinen Signalen zum Erfolg

Nächster Artikel

Ausgabe 06/2020
10 Tipps für fleißiges Schreiten