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Pferdewirt: Pferdehaltung und Service sowie Pferdezucht

Vielseitig ist Trumpf

Sie sind in Pensionsställen und auf Gestüten im Einsatz und gefragte Leute auf dem Arbeitsmarkt. Teil zwei der Serie zu den Berufen rund ums Pferd widmet sich erneut den Pferdewirten und blickt diesmal auf die Fachrichtungen Pferdehaltung und Service sowie Pferdezucht.
Von der Weide bis in den Stall: Pferdewirte der Fachrichtungen Haltung und Service sowie Zucht betreuen Pferde in fast jeder Lebenssituation. Foto: Stefan Lafrentz
„Viele Betriebe in der Pferdewelt halten Pensionspferde, da liegt es natürlich nahe, sich bei seiner Ausbildung auf Pferdehaltung und Service zu spezialisieren. Man hat damit anschließend viele Möglichkeiten, wo man arbeiten kann“, erklärt Johanna Baumhus, warum sie sich 2011 nach ihrem Abitur für eine Ausbildung zur Pferdewirtin am niedersächsischen Landgestüt Celle entschied. Ihr Einsatzort war von Beginn an die Hengstprüfungsanstalt Adelheidsdorf, in der die Ausbildung von jungen Hengsten und deren Leistungsprüfungen stattfinden: „Zu den Hauptaufgaben während der Ausbildung zählt bei uns der tägliche Stalldienst. Das gilt für alle, was ich ganz schön finde, weil auch die erfahrenen Kollegen und Pferdewirtschaftsmeister morgens mit im Stall sind.“ Heu und Stroh abladen, Pferde pflegen, sie für das Training vorbereiten, longieren, reiten und viele andere Teile der Pferdeausbildung gehörten zu Baumhus‘ Aufgaben. Sie hängte an ihre Ausbildung zur Pferdewirtin in Haltung und Service noch den Abschluss der klassischen Reitausbildung an.
Alexandra Brecht ist Auszubildende auf dem Birkhof in Donzdorf. Foto: Anna Schäfer
Johanna Baumhus unterstützt derzeit ihre Kollegen auf der Besamungsstation der Hengstprüfungsstation Adelheidsdorf. Foto: Laura Herale

Sinnvolle Kombination

Den gleichen Weg geht Alexandra Brecht, die auf dem Birkhof der Familie Casper im baden-württembergischen Donzdorf arbeitet. Sie machte im September 2018 die Prüfung in Haltung und Service und lernt jetzt ebenfalls klassische Reitausbildung. Das Gestüt ist mit einer EU-Besamungsstation und der Aufzucht und Vermarktung von Sportpferden ein vielseitiger Betrieb, veranstaltet unter anderem jedes Jahr ein Fohlenchampionat. Brecht hatte daher von Anfang an viele Aufgaben: „Füttern, Misten, dann natürlich die Pferdepflege, die Pferde auf Veranstaltungen vorbereiten. Ich habe viel mit der Chefin zusammengearbeitet, dazu gehörte auch, mit ihr die Pferde anzureiten und zu longieren.“ Hendrik Sosath bestätigt, dass die Kombination beider Ausbildungen sinnvoll sei. Er bildet auf dem Hof seines Vaters Gerd in Lemwerder bei Bremen Pferdewirte aus: „Es ist schwieriger, Auszubildende zu bekommen, die Haltung und Service oder Zucht machen wollen als Reiten. Obwohl da der Einstieg für die meisten viel einfacher ist und ihnen Druck nimmt.“ Denn: Wer direkt mit der Ausbildung zum Pferdewirt klassische Reitausbildung beginnen möchte, muss bereits gute Reitkenntnisse in Dressur und Springen mitbringen. Hinzu kommt, dass die Ausbildung in Pferdehaltung und Service wichtige Grundlagen, etwa in der Versorgung von Pferden und der Betreuung von Kunden schafft, die für einen Bereiter genauso wichtig sind. „Die Auszubildenden in Haltung und Service reiten während der Ausbildung natürlich auch mit und wenn sie das gut gemacht haben, dann können sie noch ein Jahr klassische Reitausbildung anhängen“, betont Sosath, der seinen Auszubildenden ermöglicht, noch einen zweiten Abschluss zu machen.
Der tägliche Stalldienst inklusive Misten gehört zu den Hauptaufgaben während der Ausbildung. Foto: Stefan Lafrentz
Pferdewirte müssen den Ernährungszustand der Vierbeiner richtig einschätzen und die Pferde fachgerecht füttern können. Foto: Stefan Lafrentz

Aufgaben und Arbeitsfelder

Alle drei Experten betonen, dass die Ausbildung im Betrieb unabhängig von der Fachrichtung vielseitig ausfalle. Ausbilder Sosath sagt: „Bei uns machen alle alles. Unser Auszubildender in Haltung und Service hilft morgens bei der Besamung mit, ist beim Tierarzt dabei, wenn die Stuten untersucht werden. Außerdem lernen die Auszubildenden alles, was die Pferdepflege und Fütterung anbelangt. Wir sind jetzt dabei, Heu zu machen, dann müssen sie auch mal mit auf den Trecker.“ Für Brecht gehörten ebenfalls Aufgaben in der Aufzucht und auf der Deckstation zur Ausbildung. Dabei bezogen die Mitarbeiter vom Birkhof sie von Anfang an in alle Tätigkeiten mit ein: „Bei den Fohlengeburten war es zum Beispiel so, dass immer ein erfahrener Pferdewirt dabei war, der einem alles gezeigt und erklärt hat, wie das abläuft. Wie viel Zeit das Fohlen hat, bis es das erste Mal aufsteht, bis es säuft.“ Im Jahr 2010 veränderte sich die Ausbildung zum Pferdewirt: Während die beiden Fachrichtungen bis dahin noch unter der Bezeichnung „Zucht und Haltung“ zusammengefasst waren, trägt die Aufteilung den Veränderungen in der Pferdebranche Rechnung. Dazu gehört, dass die Beratung von Kunden, zum Beispiel in Pensionsställen, eine größere Rolle spielt und die Zucht moderner und internationaler geworden ist. Während im Bereich Pferdehaltung und Service in erster Linie Pensionsställe und Reitvereine als Arbeitgeber in Frage kommen, können beide Pferdewirte aber auch in Tierkliniken tätig sein.
Henrik Sosath bildet nicht nur Pferde und Auszubildende aus, er ist auch im Sport erfolgreich, holte erst im Juni mit Casino Berlin Bronze bei den Deutschen Meisterschaften. Foto: Stefan Lafrentz
Für Pferdewirte der Fachrichtung Zucht sind insbesondere Gestüte, Hengsthaltungen und Aufzuchtbetriebe mögliche Arbeitgeber. Sosath sieht in der Zucht viel Potenzial, da es immer mehr Aufzuchtställe gebe. Dennoch spielt die Fachrichtung neben der Ausbildung in Pferdehaltung und Service noch immer eine untergeordnete Rolle: „Da haben wir vielleicht mal eine Bewerbung im Jahr, wenn überhaupt“, erzählt er. Dabei bietet der Hof Sosath mit rund 300 Pferden, seiner EU-Besamungsstation sowie der Aufzucht und Ausbildung von Dressur- und Springpferden viele Möglichkeiten.
Am Landgestüt Celle liegt der klare Schwerpunkt hingegen auf der Ausbildung von jungen Hengsten, der Bereich Stutenmanagement ist dafür nicht in dem Maße vorhanden wie auf dem Hof Sosath oder dem Birkhof. Solche Schwerpunkte und Stärken des jeweiligen Betriebes sollten angehende Pferdewirte bei der Wahl ihres Arbeitgebers beachten. Brecht machte vor Beginn ihrer Ausbildung verschiedenste Praktika und war mehr als einmal auf dem Birkhof tätig. Für sie war deshalb vor allem ein Aspekt ausschlaggebend: „Das Entscheidende für mich hierherzukommen war, dass ich den Ablauf und das Team schon kannte und mich einfach sehr herzlich aufgenommen und willkommen gefühlt habe.“ Brecht ist außerdem überzeugt, dass es nicht unbedingt vorteilhaft ist, sich zu schnell auf einen Arbeitsbereich festzulegen: „Wenn man sich von vorneherein schon zu sehr auf einen Schwerpunkt fokussiert, dann verpasst man vielleicht etwas, das einem vielleicht noch ein bisschen mehr Spaß macht.“
Mit Fohlen schmusend eine kurze Auszeit genießen, entschädigt für die oft harte und körperlich anstrengende Arbeit. Foto: Christiane Slawik
Bei der Betreuung und Beratung von Kunden ist Servicementalität gefragt. Foto: Stefan Lafrentz

Anforderungen

Doch welche Eigenschaften muss ein guter Haltungs- oder Zuchtexperte mitbringen? Baumhus und Brecht betonen beide, dass bei der Ausbildung von Pferden die Zusammenarbeit mit anderen wichtig sei: „Zumindest bei uns im Betrieb stellt man jeden Tag aufs Neue fest, dass man in der Pferdeausbildung immer auch auf Hilfe von anderen angewiesen ist“, meint Baumhus. Brecht ergänzt: „Man muss auf jeden Fall flexibel sein und auch offen für neue Sachen. Außerdem muss man natürlich Geduld haben, hinter seinem Beruf stehen und das wirklich wollen.“ Dazu gehört die Bereitschaft, am Wochenende zu arbeiten und Überstunden bei Turnieren oder anderen Veranstaltungen zu machen. Für Sosath sind Zeugnisse bei der Einstellung von Lehrlingen nicht das Entscheidende: „Ich frage nicht, wie jemand in der Schule war oder wie er sein Reitabzeichen bestanden hat. Viel wichtiger sind mir die Persönlichkeit des Bewerbers und seine Einstellung zum Job.“
Ein Pferdewirt muss Fohlen und Mutterstute für eine Schau vorbereiten und richtig präsentieren können. Foto: Christiane Slawik
Pferde zu pflegen und sie für das Training vorzubereiten, gehört zum Arbeitsalltag eines Pferdewirts. Foto: Stefan Lafrentz

Nach der Ausbildung

In welchem Bereich die Pferdewirte hinterher arbeiten, darüber entscheidet letztendlich nicht unbedingt die Ausbildung. Baumhus ist aktuell auf der EU-Besamungsstation in Adelheidsdorf tätig: „Jetzt in der Saison von Februar bis Juli unterstütze ich die Kollegen bei allen Aufgaben rund um die Besamung und das Aufbereiten von Sperma. Wir haben über 20 Hengste, von denen wir jeden Morgen den Samen nehmen und es ist viel Kundenberatung dabei. Außerdem gehört auch viel Buchführung dazu.“ Wenn die Decksaison vorbei ist, wechselt Baumhus zurück in die Hengstprüfungsanstalt und bekommt feste Pferde zugeteilt, deren Ausbildung sie übernimmt. Dabei hilft ihr die Ausbildung noch heute bei ihrer Arbeit: „Der Kern, den man lernt, der Umgang mit dem Pferd und ein Auge für seine Bedürfnisse zu entwickeln und auch mal genauer hinzuschauen und alles zu hinterfragen. Das wird jeden Tag aufs Neue wieder abgefragt.“ Gerade in Bereichen wie der Fütterung treten immer wieder neue Trends und Entwicklungen auf. Die Aufgabe eines Pferdewirts ist es daher, diese wahrzunehmen, zu hinterfragen und richtig einzuordnen. Dafür empfiehlt Baumhus allen Pferdewirten einen Blick über den Tellerrand: „Ich glaube, dass es Sinn macht, sich vielseitig weiterzubilden. Es spricht ja zum Beispiel nichts dagegen, wenn man Haltung und Service gelernt hat, zum Beispiel noch einen Besamungswart folgen zu lassen.“ Denn: Gerade die Kombination von Fähigkeiten mache Pferdewirte für verschiedenste Arbeitgeber attraktiv. Die Nachfrage nach guten Managern für das Drumherum ist auf dem Markt jedenfalls vorhanden: „Wir haben einen Mangel. Ein guter Pfleger ist heute mehr wert als ein guter Reiter“, schildert Sosath, dass gutes Personal schwer zu finden sei. Das liege unter anderem daran, dass für einige die Ausbildung nur eine Zwischenstation sei: „Viele wollen irgendwann lieber anders Geld verdienen und nach Feierabend reiten und machen deshalb noch eine andere Ausbildung oder studieren. Das ist immer schade.“
Sollte jeder Pferdewirt können: Traktor fahren. Foto: FN-Archiv

Besonderheiten des Berufs

Ein Thema, das sich in diesem Zusammenhang nicht vermeiden lässt, ist die körperliche Belastung des Berufs. Alle drei Experten empfehlen vor Beginn der Ausbildung Praktika zu machen, denn: „Das frühe Aufstehen, den ganzen Tag auf den Beinen sein, sich nicht zwischendurch hinzusetzen, viele Praktikanten merken schnell, dass der Beruf für sie doch nicht der richtige ist“, berichtet Baumhus von ihren Erfahrungen aus dem Landgestüt. Und: „Diese rosarote Ponyhofwelt, die ist einfach in keinem Betrieb vorhanden.“ Die Arbeitstage können nicht nur lang sein, sondern Pferdewirte sind darüber hinaus rund ums Jahr viele Stunden am Tag Wind und Wetter ausgesetzt. Schwere körperliche Arbeit zum Beispiel durch Misten, Füttern, Fegen, aber auch psychische Belastbarkeit ist wichtig, zum Beispiel wenn Pferde oder Fohlen durch Krankheiten begleitet werden müssen.
Auch das gehört zum Beruf: Pferde durch Krankheiten und beim Tierarztbesuch begleiten. Foto: Stefan Lafrentz
Nicht immer sind alle Pferde gesund, dann ist intensive Betreuung gefragt, wie hier beim Wechsel eines Hufverbands beim Fohlen. Foto: Christiane Slawik
Baumhus studiert momentan neben ihrer Arbeit, um sich für die Zukunft die Möglichkeit offen zu halten, auch einen körperlich weniger fordernden Job auszuüben. Soweit ist es aber noch nicht. Besonders die Entwicklung der Junghengste zu sehen, macht ihr noch immer sehr viel Spaß: „Es ist jeden Tag wieder interessant und spannend zu sehen, welche Fortschritte ein Pferd macht und wie individuell sie sich entwickeln.“ Brecht betont ebenfalls, dass sie die Wahl ihres Berufs nicht bereue und jedem die Ausbildung empfehle, der mit Herzblut dabei sei: „Man kann gerade bei der Arbeit mit den Tieren sehr viel lernen, nicht nur in dem Beruf spezifisch, sondern auch für sich und das Leben. Man bekommt von den Pferden viel zurück.“ Dem stimmt Sosath zu, für ihn bedeutet die Arbeit draußen und mit den Tieren Freiheit. Ihm ist wichtig, die Besonderheiten des Berufs zu betonen: „Einen Zusammenhalt wie in unserem Beruf gibt es selten. Man macht viel zusammen, wohnt meistens gemeinsam auf dem Hof. Wenn man auf Turniere oder zu einer Zuchtschau fährt, lernt man überall Leute kennen und hat schnell europaweit Freunde.“ Melanie Köster

Die Ausbildung im Überblick

Ausbildungsdauer: Drei Jahre, kann teilweise auf zwei Jahre verkürzt werden. Vor dem Ende des zweiten Ausbildungsjahres findet eine Zwischenprüfung statt, die Wissen zu Themen aus den Bereichen Pferdehaltung und -gesundheit sowie Pferde bewegen abfragt. Ausbildungsart: Duale Ausbildung im Betrieb und in der Berufsschule Schulabschluss: Die Schulpflicht muss erfüllt sein, besser ist mindestens der Haupt- oder Realschulabschluss. Wichtige Eigenschaften: Verständnis für das Pferd, Bereitschaft an Wochenenden und Feiertagen zu arbeiten, körperliche und mentale Belastbarkeit, Ausgeglichenheit, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein und eine gute Auffassungs- und Beobachtungsgabe Verdienst: Bruttovergütung erstes Lehrjahr ca. 690 Euro, zweites Lehrjahr ca. 740 Euro, drittes Lehrjahr ca. 790 Euro. Hierbei handelt es sich um Empfehlungen der Bundesvereinigung der Berufsreiter (BBR), je nach Bundesland gibt es Abweichungen. Weiterbildung: Sofort nach Ausbildungsende kann bei entsprechender Eignung eine verkürzte, einjährige Ausbildung zum Pferdewirt klassische Reitausbildung absolviert werden. Voraussetzung für die Fortbildung zum Pferdewirtschaftsmeister ist eine mindestens zweijährige Berufspraxis in der Pferdewirtschaft. Mit der Meisterprüfung dürfen Absolventen selbst Lehrlinge ausbilden. Weitere Informationen: Bundesvereinigung der Berufsreiter (www.berufsreiter.com) und bei Landwirtschaftskammern, Pferdesportverbänden, Zuchtverbänden, den deutschen Landgestüten sowie der Deutschen Reiterlichen Vereinigung

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