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Berufe rund ums Pferd: Pferdestudiengänge
Bodenarbeit: Dr. Claudia Münch im Interview
Mit feinen Signalen zum Erfolg
Bodenarbeit mit dem Pferd ist in den letzten Jahren immer beliebter geworden und kommt disziplinübergreifend in den verschiedensten Situationen zum Einsatz. Eine, die diese Entwicklung mit vorangetrieben hat, ist Dr. Claudia Münch. Im Interview mit dem PM-Forum spricht sie über den Sinn der Bodenarbeit, ihre Philosophie und ihr neues Buch, das kürzlich im FNverlag erschienen ist.
Dr. Claudia Münch gibt ihr Wissen rund um die Kunst der feinen Signale auch an Schüler weiter.
PM-Forum: Schön, dass Sie sich Zeit genommen haben. Die Bodenarbeit ist ihr absolutes Steckenpferd. Verraten Sie uns doch einmal, was zeichnet Bodenarbeit aus und warum ist sie so sinnvoll?
Dr. Claudia Münch: Ich glaube, das Besondere der Bodenarbeit ist, dass sie eine Klammer zwischen den verschiedenen Disziplinen bilden kann. Ob wir Dressurreiten, Springen, Fahren oder Voltigieren – jeder kann mithilfe der Bodenarbeit gezielt Bereiche trainieren, die für seine persönlichen Ziele wichtig sind. Möchte ich ein Jungpferd einreiten, kann ich am Boden wertvolle Vertrauensarbeit leisten. Als Dressurreiterin wünsche ich mir vielleicht mehr Abwechslung für mein Pferd und stelle fest, dass es große Freude daran hat, Seitengänge auch einmal ohne Reiter durchzuführen. Viele suchen auch eine sinnvolle Beschäftigung für ihre älteren Pferde, die nicht mehr geritten werden können. Grundsätzlich liegt es mir besonders am Herzen, Pferde über Bodenarbeit gezielt zu gymnastizieren und einzelne Muskelgruppen zu stärken. Hierin und in der Verbesserung der Pferd-Mensch-Kommunikation liegt auch ihr größter Wert.
PM-Forum: Sie sprechen viel von „feinsten Signalen“ bei der Bodenarbeit. Wie erreiche ich so eine feine Kommunikation mit meinem Pferd überhaupt?
Dr. Münch: Pferde sind wunderbare Lehrmeister für Präsenz und Körpersprache. Das Ziel meiner Ausbildung am Boden ist eine besonders feine, fast schon unsichtbare Hilfengebung. In meinem neuen Buch erkläre ich, wie der Mensch das richtige Timing und die richtige Dosierung für seine Hilfen entwickelt. Der Fokus meiner Ausbildung liegt auf der Schulung unseres Körpergefühls und unserer koordinativen Fähigkeiten. Dies sind alles Fertigkeiten, die wir auch beim Reiten benötigen. Damit unsere Pferde auf minimale Signale reagieren, ist auch der richtige Einsatz von Lob und Korrektur entscheidend. Deshalb gebe ich auch in jedem Kapitel des Buchs Lösungsansätze für mögliche Probleme und formuliere einen klaren Trainingsfahrplan.
PM-Forum: Sie beschreiben in Ihrem Buch den Weg vom einfachen Führen bis zur Vorbereitung von Seitengängen. Wie bauen Sie die Ausbildung auf?
Dr. Münch: Bei der Ausbildung am Boden muss man genauso systematisch und vorausschauend vorgehen wie bei einer guten Reitausbildung. Bevor ich mich fortgeschrittenen Lektionen wie den Seitengängen oder der seillosen Arbeit widme, muss das Führtraining sicher sitzen und mit Leichtigkeit abrufbar sein. Unser Pferd soll lernen, uns zu lesen und achtsam zu sein. Gleichzeitig sind wir mit unserem Pferd auf Augenhöhe und lernen auch das Ausdrucksverhalten viel besser kennen: Wie sieht mein Pferd aus, wenn es etwas verstanden hat? Wie zeigt mir mein Pferd, dass es gestresst ist oder dass seine Konzentrationsfähigkeit nachlässt? Wenn sich unser Pferd immer im Tempo an uns orientiert, sich sowohl mit der linken als auch mit der rechten Hand ohne den Einsatz von Kraft führen lässt, prompt anhält, sich rückwärts senden und punktgenau antraben lässt, dann ist dies eine wunderbare Bereicherung für das gesamte Pferd-Mensch-Verhältnis.
PM-Forum: Warum empfehlen Sie die Arbeit mit einem Knotenhalfter und mit Bodenarbeitsseil und verzichten auf den Einsatz von Gerten?
Dr. Münch: In meinen Lehrgängen lege ich immer sehr viel Wert darauf, dass die Knotenhalfter perfekt sitzen und ich die Handhabung genau erläutere. Wir können mit einem Knotenhalfter sehr fein einwirken und zugleich durch das lange Seil unkompliziert die Führposition wechseln und auch aus größerer Distanz mit dem Pferd arbeiten. Der Schlüssel für die feine Einwirkung liegt allerdings in einer weichen und unabhängigen Hand. Ich persönlich verzichte auf eine Gerte, weil ich unser Feingefühl verbessern möchte. Das Pferd muss lernen, sehr genau auf uns und unsere Körpersprache zu achten und wir können trainieren, immer feinere Signale zu geben. Das sieht zwar oft
einfach aus, bedarf tatsächlich allerdings viel Übung.
PM-Forum: Ihr neues Buch wird als „multimediales Lehrbuch“ vorgestellt. Welche Vorteile ergeben sich daraus für den Leser?
Dr. Münch: Da es bei der Bodenarbeit – wie auch grundsätzlich im Umgang mit dem Pferd – auf feinste Signale und die richtige Körpersprache ankommt, können dem Leser die einzelnen Übungen durch Kurzvideos besser visualisiert werden. Außerdem zeigen wir, wie unsere Pferde auf feinste Signale Seitengänge oder punktgenaue Übergänge absolvieren. Das ist nicht nur schön anzusehen, sondern kann auch ungemein motivieren, weiter am Ball zu bleiben.
PM-Forum: Wenn man sich Ihr Buch genauer anschaut, merkt man, wie viel Liebe und Engagement dahintersteckt. Warum sind Ihnen das Thema Bodenarbeit und auch die Lehrvermittlung so wichtig?
Dr. Münch: Bereits mit Anfang zwanzig habe ich als Dozentin an der Universität gemerkt, dass ich wirklich gerne unterrichte. Ich empfinde es als Geschenk, meine Leidenschaft für Pferde jetzt als Beruf so ausüben zu können. Besonders wichtig ist mir dabei, Pferd und Menschen gleichermaßen zu motivieren. Ich glaube, dass der Schlüssel für ein harmonisches Miteinander in der gemeinsamen Motivation und Freude liegt. Loben allein genügt hier allerdings nicht. Deshalb bemühe ich mich, die Vermittlung der Inhalte immer weiter zu verbessern und gehe in der Bodenarbeit bewusst neue Wege. Entscheidend für einen guten Unterricht ist natürlich auch die richtige Balance zwischen Systematik und individuellen Begebenheiten. Als Ausbilder haben wir das Glück, immer unmittelbar eine Rückmeldung von Pferd und Mensch zu bekommen. Es ist wirklich toll zu erleben, wie Pferde uns mit Eifer und Motivation belohnen.
Das Interview führte Lorella Joschko.
Zur Person
Dr. Claudia Münch ist Fachbuchautorin und hat als Mitglied des FN-Arbeitskreises Bodenarbeit maßgeblich an der Entwicklung und Konzeption der Abzeichen Bodenarbeit Stufe 1 und Stufe 2 mitgewirkt. Ihre Form der Bodenarbeit spricht Reiter aller Disziplinen an und begeistert. Sowohl Turnier- als auch Freizeitreiter können davon in der eigenen reiterlichen Ausbildung profitieren. Ihr Wissen gibt Dr. Claudia Münch auch in Lehrgängen und bei Fortbildungen weiter. www.bodenarbeit.net
Den Trailer zum Buch „Die Kunst der feinen Signale – Ausbildung am Boden“ von Dr. Claudia Münch aus dem FNverlag gibt es hier:
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