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Berufe rund ums Pferd: Der Tierarzt

Im Dienste der Pferdegesundheit

Tierärzte tragen viel Verantwortung: Egal, ob bei einer Kolik oder der Routineimpfung – Pferdebesitzer müssen darauf vertrauen, dass die Ärzte ihr Tier bestmöglich behandeln. Der späteren Tätigkeit geht ein langes Studium voraus. Der nachfolgende Beitrag wirft einen Blick auf den vielseitigen Job.

Bei vielen Untersuchungen nutzen Tierärzte zunächst ihre Sinne, ehe medizinische Geräte zum Einsatz kommen. Das gilt zum Beispiel für das Abhören von Darmgeräuschen oder der Atmung. Foto: Frank Sorge

Der Gedanke, Tiermedizin zu studieren, kam Dr. Anke Müller früh: „Mein erstes eigenes Pferd war permanent krank und ich dadurch oft mit Tierärzten konfrontiert. Da habe ich gemerkt, dass ich die medizinische Seite sehr spannend finde.“ Mittlerweile ist sie Fachtierärztin für Pferde und Innere Medizin in der Tierklinik Telgte und zudem Mannschaftstierärztin für die Junioren und Jungen Reiter in der Vielseitigkeit. Solche und ähnliche Motivationen für den Beruf kennt Prof. Dr. Karsten Feige, Leiter der Klinik für Pferde der Tierärztlichen Hochschule Hannover: „Diejenigen, die sich für die Behandlung von Pferden interessieren, sind meistens die, die sich schon in ihrer Freizeit mit Pferden beschäftigt haben.“

Voraussetzungen

Dr. Müller führte ihr Weg nicht gleich an die Universität. Sie entschied sich zunächst für eine Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten (TFA). Denn: Ein Studienplatz der Veterinärmedizin ist nicht so leicht zu bekommen. Gerade einmal fünf deutsche Hochschulen und Universitäten bieten den Studiengang an. Auf insgesamt 1.000 Studienplätze kommt ein Vielfaches an Bewerbern. Seit 2020 gehen 30 Prozent der Plätze an die Abiturbesten. Weitere 60 Prozent vergeben die Hochschulen über eigene Verfahren und die übrigen zehn Prozent über Kriterien, die von den Schulnoten unabhängig sind. Für die beiden letzteren Verfahren zählt unter anderem das Ergebnis eines Eignungstests.

Prof. Dr. Karsten Feige Foto: Christian Wyrwa

Dr. Anke Müller Foto: FN-Archiv

Das Studium

Das Studium der Veterinärmedizin bereitet auf die Behandlung aller Tierarten vor – von der Maus bis zum Rind. Die ersten beiden Studienjahre bestehen vor allem aus zwei Schwerpunkten: In den ersten beiden Semestern werden Inhalte zu den Fächern Physik, Chemie, Zoologie und Botanik vermittelt. Im Vorphysikum werden diese geprüft. In den folgenden zwei Semestern ist zum einen die Lehre über die Anatomie, also die Lehre vom Körperbau, ein wesentlicher Bestandteil der Lehrinhalte und zum anderen steht die Physiologie im Mittelpunkt: „Dort geht es um die Funktionsmechanismen des Körpers. Wie funktioniert zum Beispiel ein Muskel oder das Herz? Was laufen für Stoffwechselvorgänge in der Leber ab?“, erklärt Prof. Dr. Feige. Im Anschluss steht die tierärztliche Vorprüfung an, allgemein als Physikum bekannt. Dieser erste Teil des Studiums ist sehr theoretisch. Dr. Müller hat in den ersten Semestern ihre Ausbildung zur TFA geholfen: „Die erste Zeit im Studium ist gar nicht so spannend. Aber da ich wusste, wie der Beruf später abläuft und wofür man das alles macht, hat mich das motiviert und mir geholfen zu verstehen, um was es geht.“

Es folgt der klinische Teil des Studiums. Dort lernen die Studenten Techniken der Untersuchung kennen: „Zunächst geht es um Untersuchungen, die man mit Händen, Augen und Ohren durchführt. Dann kommen Laboruntersuchungen dazu oder beispielsweise Röntgenuntersuchungen und Endoskopien, also die Spiegelung von Magen und Lunge“, beschreibt Prof. Dr. Feige. Außerdem lernen die Studenten die verschiedenen Krankheiten kennen. Dafür kommt nicht selten ein echter Patient in den Hörsaal. Der Professor stellt das Tier und seine Symptome zunächst vor und bespricht den Fall anschließend mit den Studenten. 

Für einige Tierärzte lohnt sich der Blick über den Tellerrand der Schulmedizin und sie entscheiden sich zum Beispiel für eine Weiterbildung zum Chiropraktiker. Foto: Stefan Lafrentz

Da der Beruf des Tierarztes weit mehr Einsatzgebiete umfasst als nur die kurative Tätigkeit in der Tierarztpraxis, stehen nicht nur Fächer wie Pathologie, Chirurgie, Innere Medizin und Parasitologie auf dem Stundenplan, sondern auch Teilgebiete wie Fleischhygiene, Milch- und Lebensmittelkunde.

Praktische Erfahrungen

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Studiums sind Praktika. Was nicht jedem klar ist: Diese sind nicht nur in klassischen Tierarztpraxen und -kliniken zu leisten, sondern auch in den Berufsfeldern der Lebensmittelhygiene: „Das ist der Bereich des sogenannten Veterinary Public Health. Dazu gehören die Themen Fleischhygiene und die Überwachung der Lebensmittelproduktion sowie des Tierschutzes. 

Einmal vortraben, bitte. Lahmheiten gehören zu einem der häufigen Probleme, mit denen Tierärzte konfrontiert sind. Foto: Stefan Lafrentz

Das ist ein großer Teil der Ausbildung. Es müssen zum Beispiel Praktika am Schlachthof gemacht werden“, sagt Prof. Dr. Feige. Gerade das öffentliche Veterinärwesen gewinne momentan an Bedeutung als späteres Berufsfeld: „Die Überwachung des Tierschutzes, der Lebensmittelsicherheit und -qualität spielen in jüngster Zeit aufgrund politischer Vorgaben eine große Rolle.“ Da das Studium auf eine Vielzahl von Tätigkeiten vorbereitet, müssen angehende Tierärzte nicht von vorneherein wissen, in welchem Bereich sie arbeiten wollen. 

Wichtiger sei, sich grundsätzlich zu fragen, ob das Studium und die späteren Berufsfelder zu den eigenen Interessen passen, betont Prof. Dr. Feige: „Das ist ein ausgesprochen arbeitsintensives Studium mit vielen tausend Unterrichtsstunden. Es braucht sehr viel Fleiß und Engagement, um das Studium erfolgreich abschließen zu können.“ Hinsichtlich des späteren Arbeitsbereichs kommt es durchaus vor, dass angehende Tierärzte im Laufe des Studiums ihre Meinung ändern. 

Geduld: Ein guter Tierarzt braucht Geschick, Geduld und Einfühlungsvermögen. Foto: Stefan Lafrentz

Bei Dr. Müller wäre es beinahe dazu gekommen: „Im Studium fand ich Kleintiere unglaublich interessant. Ich habe dann sowohl Praktika in der Pferdeklinik als auch in der Kleintierpraxis gemacht und dann hat mir die Arbeit in der Pferdeklinik aber doch mehr Spaß gemacht.“

Spezialgebiet Pferd

Wer sich auf Pferde spezialisieren will, kann nach dem Abschluss und der Zulassung als Tierarzt eine Weiterbildung zum Fachtierarzt für Pferde machen. Diese ist jedoch nicht zwingend notwendig, um Pferde zu behandeln. „Die Weiterbildung muss man sicherlich nicht machen, es ist aber sinnvoll. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass man auf dem Gebiet dann auf einem viel höheren Niveau arbeiten kann“, lautet die Einschätzung von Prof. Dr. Feige.

Den Profis über die Schulter schauen: Studenten lernen während des Studiums verschiedenste Behandlungsmöglichkeiten von Pferden kennen, dazu gehören unter anderem Operationen. Foto: Frank Sorge

Dr. Müller machte aus genau diesem Grund ihre Weiterbildungen zur Fachtierärztin. Allerdings merkt auch sie an: „Wenn man in einer Außenpraxis das ganze Spektrum von Kleintieren über Nutztiere bis hin zu Pferden betreuen möchte, dann ist die Weiterbildung zum Fachtierarzt nicht so wichtig.“ Um Pferde gut behandeln zu können, sind regelmäßige Fortbildungen entscheidender. Notwendig wird der Fachtierarzt hingegen für spezifische Bereiche, wie zum Beispiel Kolik-Operationen. „Das sind Spezialeingriffe, die niemand im Studium lernen kann“, erklärt Prof. Dr. Feige.

Arbeitsalltag

Insgesamt bieten sich angehenden Tierärzten somit viele Möglichkeiten: Sie können als Amtsveterinäre arbeiten, in einer Außenpraxis tätig sein, in einer Klinik oder eine wissenschaftliche Karriere einschlagen. Für letzteres entschied sich Prof. Dr. Feige: „In der Routinepraxis steht häufig das Abarbeiten von sehr vielen Fällen im Vordergrund. An der Hochschule ist hingegen meist die Möglichkeit gegeben, einzelne und schwere Fälle in die Tiefe aufzuarbeiten.“ Dr. Müller wählte die Tierklinik als Arbeitsort: „Die Innere Medizin ist das, was ich am liebsten mache.“ In der Tierklinik Telgte begegnen ihr ganz unterschiedliche Fälle: „Wir haben Pferde mit Lahmheiten, Husten, Koliken, Herzerkrankungen – die ganze Bandbreite.“ Kein Tierarzt deckt dabei das gesamte Spektrum ab, dennoch betont Dr. Müller: „Wir sind alle nicht so streng spezialisiert, dass wir uns den ganzen Tag nur mit unserem Lieblingsgebiet beschäftigen.“ Sie selbst arbeitet im ambulanten Bereich und hat viel mit Lahmheiten zu tun: „Wir treffen uns um 8 Uhr zur Visite. Dazu laufen wir gemeinsam durch die Ställe und besprechen die einzelnen Patienten. Danach betreue ich die Pferde, die mit einem Termin zu uns kommen.“

Wichtige Fakten:

• Studiendauer: 5,5 Jahre

• Art des Studienabschlusses: Staatsexamen, danach kann die Approbation (Zulassung) beantragt werden

• Schulabschluss: Erforderlich ist die Allgemeine Hochschulreife, ein fachbezogener Hochschulzugang oder ein Zugang aufgrund einer passenden beruflichen Vorbildung mit anschließender, mindestens dreijähriger Berufstätigkeit (z. B. Landwirt, Tierpfleger, Tiermedizini scher Fachangestellter)

• Verdienst: Zwischen 2.000 und 3.000 Euro brutto (Einstiegsgehalt)

• Weiterbildung: In Deutschland spielt die Weiterbildung zum Fachtierarzt für Pferde eine große Rolle, außerdem ist eine Spezialisierung auf verschiedene Behandlungsgebiete möglich. Darüber hinaus gibt es sogenannte Residency-Programme, deren Ziel der international anerkannte Titel des „Diplomate“ ist. Tierärzte, die Interesse an wissenschaftlicher Forschung haben, können zudem eine Doktorarbeit schreiben.

• Studienorte: Tierärztliche Hochschule Hannover, Freie Universität Berlin, Justus-Liebig-Universität Gießen, Universität Leipzig und Ludwig-Maximilians-Universität München

Arbeitsbelastung

Wer Tierarzt werden will, sollte am besten vorab durch ein Praktikum ausprobieren, ob der Beruf zu ihm passt. Dr. Müller fasst zusammen, was ein guter Tierarzt mitbringen sollte: „Interesse an medizinischen Themen und die Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln. Außerdem muss man bereit sein, hinsichtlich der Arbeitszeiten nicht immer auf die Uhr zu gucken. Es gibt Notdienste, Wochenenddienste und Momente, in denen man nicht so Feierabend machen kann, wie man das gerne würde. Und: Ganz wichtig ist natürlich Spaß an der Sache.“ Prof. Dr. Feige sieht das ähnlich und ergänzt: „Die Behandlung von Tieren ist das, was jedem vorschwebt, der Tierarzt werden will. Aber es gibt viele andere Dinge, die auch zu diesem Beruf gehören. Zum Beispiel müssen Tierärzte viele Gesetze und Bestimmungen beachten.“ Dazu gehören die Strahlenschutzordnung, die Hausapothekenverordnung oder die Datenschutzgrundverordnung. Darüber hinaus sollten Tierärzte auch mit ihren zweibeinigen Kunden umgehen können: „Man muss nicht nur das Pferd gut behandeln, sondern es ist sicherlich genauso wichtig, die Besitzer gut zu beraten und aufzuklären“, sagt Dr. Müller. 

Kraft oder Körpergröße seien für einen Tierarzt nicht entscheidend, viel wichtiger seien Geschick, Geduld und Einfühlungsvermögen. Zudem sollte man sich im Klaren über das Berufsrisiko sein: Täglich mit Pferden zu arbeiten, die Schmerzen haben, birgt auch Gefahren und daher sollte man absolut souverän und sicher mit Pferden umgehen und sie einschätzen können. Auf die negativen Seiten des Berufs angesprochen, nennen Dr. Müller und Prof. Dr. Feige die Arbeitsbelastung: „Die Nacht- und Wochenenddienste sind gerade ein großes Thema, da junge Leute sehr viel Wert auf eine Work-Life-Balance legen“, sagt Prof. Dr. Feige. Dr. Müller kennt Kollegen, die ihren Beruf auch aufgrund der Arbeitsbelastung aufgegeben haben. Für sie selbst ist jedoch eher ein anderer Aspekt ihrer Tätigkeit schwierig: „Nicht so schön sind Situationen, in denen man trotz aller Bemühungen einem Pferd nicht helfen kann oder nicht zu einer Diagnose kommt.“ Dennoch hat Dr. Müller gelernt, damit umzugehen: „Es ist hart, wenn man ein Pferd über eine gewisse Zeit begleitet hat und mir tut das auch für die Besitzer leid. Aber ich empfinde es als Vorteil der Tiermedizin, dass man schwerstkranke Tiere erlösen darf.“

Tierärzte müssen auch medizinische Geräte, zum Beispiel zum Röntgen, beherrschen. Foto: Frank Sorge

Was sieht der Experte auf dem Röntgenbild? Ein Tierarzt muss den Besitzern die Erkrankung des Pferdes erklären und Möglichkeiten der Therapie aufzeigen können. Foto: Stefan Lafrentz

Tieren helfen

Neben den herausfordernden Aspekten überwiegen für die Tierärztin aber die positiven Seiten des Berufs: „Das Schöne ist, dass man mit Tieren arbeitet und dass der Beruf unheimlich abwechslungsreich ist. Wir haben einen Alltag, von dem man sagen kann: Kein Tag ist wie der andere.“ Auch Prof. Dr. Feige ist die Freude an seiner Tätigkeit nach vielen Berufsjahren erhalten geblieben: „Dingen auf den Grund zu gehen und die Tiermedizin an sich weiterzubringen, das finde ich extrem spannend und interessant.“

Stetiger Fortschritt

Dabei zeichnet den Beruf aus, dass ein Tierarzt niemals auslernt: Die Tierärztekammer schreibt eine bestimmte Anzahl an Fortbildungsstunden im Jahr vor. Hinzu kommt, dass sich die Veterinärmedizin permanent weiterentwickelt und Tierärzte sich deshalb ohnehin weiterbilden müssen: „In den 1980er-Jahren hat es zum Beispiel noch gar keine Computertomografie beim Tier gegeben, heute gehört sie zum Studium dazu. Das Gleiche gilt für Spiegelungen von den Atemwegen oder dem Magen, das hat man vor 30 Jahren alles technisch noch nicht gekonnt“, blickt Prof. Dr. Feige zurück. Auch der medizinische Fortschritt sorgt also mit dafür, dass der Beruf spannend bleibt. Melanie Köster

Der Fachtierarzt:

Um den Titel des „Fachtierarzt für Pferde“ zu erhalten, ist eine Zulassung als Tierarzt notwendig. Die Fortbildung dauert mindestens vier Jahre und Interessenten können sie an Universitäts- und Hochschulkliniken sowie bei zur Weiterbildung berechtigten Tierärzten absolvieren. Neben der allgemeinen Fortbildung zum Fachtierarzt gibt es unter anderem Weiterbildungen für die folgenden Fachgebiete: Chirurgie, Innere Medizin, Pathologie und Toxikopathologie. Diese Fortbildungen dauern zusätzlich mindestens weitere zwei Jahre.

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