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Serie Berufe rund ums Pferd: Pferdewirt, klassische Reitausbildung

Weit mehr als nur Reiten

Das schönste Hobby der Welt zum Beruf machen – das PM-Forum stellt in einer neuen Serie Berufe rund ums Pferd vor. Den Anfang macht der Pferdewirt. Den staatlich anerkannten Ausbildungsberuf gibt es in fünf Fachrichtungen: Klassische Reitausbildung, Pferdehaltung und Service, Pferdezucht, Spezialreitweisen und Pferderennen. Im ersten Teil der Serie dreht sich alles um die Klassische Reitausbildung.
Das Unterrichten, im Idealfall in allen drei Diszplinen Springen, Dressur und Geländereiten, gehört zu den zentralen Aufgaben des Pferdewirts Klassische Reitausbildung. Foto: Stefan Lafrentz
„Es ist die Leidenschaft mit Pferden zu arbeiten, in Kombination mit den ganzen Menschen, die man kennenlernt. Und, dass man das über Generationen überlieferte Regelwerk weitergeben und pferdegerecht vermitteln kann“, sagt Markus Terbrack darüber, was für ihn den Beruf des Pferdewirts Klassische Reitausbildung so schön macht. Der Pferdewirtschaftsmeister betreibt gemeinsam mit seiner Frau Maria die Reitschule Altrogge-Terbrack in Nottuln-Darup. Sein Arbeitstag beginnt früh, rund 30 Lehr- und 25 Pensionspferde wollen versorgt werden: „Meistens geht es so halb sieben mit kurzer Büroarbeit los. Halb acht ist Kraftfutterfütterung, um acht Uhr sind alle Pferde versorgt und ab halb neun haben wir schon viele Erwachsene, die dann vormittags reiten.“ Denn: Eine wesentliche Aufgabe des Pferdewirtschaftsmeisters ist das Unterrichten von Turnier- und Freizeitreitern. Die letzte Reitstunde ist abends um Viertel nach acht: „Wir handhaben das so, dass nicht eine Person stundenlang in der Bahn steht, sondern wir uns mit den Unterrichtseinheiten abwechseln.“ Zwischendurch bleibt für Markus Terbrack Zeit, die eigenen Pferde und Berittpferde zu trainieren. Ähnlich früh beginnt der Tag für Sophie Leube: Die Pferdewirtin betreibt seit November 2018 mit ihrem Mann einen eigenen Turnier- und Ausbildungsstall in Hamm-Rhynern. „Im Moment ist es so, dass wir morgens früh anfangen, die Pferde bekommen Heu und Kraftfutter. Dann machen wir eine Frühstückspause. Danach kommen die ersten Pferde auf die Weide und ich fange an zu reiten.“
Sophie Leube, studierte Pferdewissenschaftlerin, absolvierte ihre Ausbildung zur Pferdewirtin bei Ingrid Klimke, von der sie unendlich viel gelernt hat. Sehr früh hat sich Sophie Leube mit einem Ausbildungsstall selbständig gemacht. Foto: Stefan Lafrentz
Anders als in der Reitschule Altrogge-Terbrack liegt der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit mehr auf der Ausbildung und dem Training von Pferden, sechs bis zehn reitet sie am Tag. Füttern, Ausmisten sowie die Pflege der Anlage und der Weiden gehören dennoch auch zu ihrem Alltag.

Die Anforderungen

Sophie Leube studierte nach dem Abitur zunächst Pferdewissenschaften in Wien. In ihrem letzten Semester machte sie ein fast sechsmonatiges Praktikum im Stall von Ingrid Klimke. Das Praktikum öffnete ihr die Tür zur Ausbildung, die sie ein Jahr später begann. „Ich habe mich schon immer für Pferde begeistert, wie so viele. Aber ich habe mich, glaube ich, noch intensiver für das Drumherum interessiert. Ich kannte immer die Abstammung meiner Pferde und durfte schon in meiner Jugend junge Pferde mit anreiten und ausbilden. Das hat mir unheimlich viel Spaß gemacht. Außerdem haben mir Leute, die sich auskannten, positiv zugesprochen“, erklärt Leube, warum sie sich für die Ausbildung entschied.
Was jemand mitbringen sollte, der Pferdewirt werden will, das weiß auch Wolfgang Egbers. Der Pferdewirtschaftsmeister ist Mitglied im Prüfungsausschuss für Pferdewirte: „Erstmal die absolute Liebe zum Pferd, aber auch zum Menschen. Nur die Liebe allein zählt aber nicht, sondern die fachliche Voreignung ist schon sehr wichtig. Reiterlich ist absolutes A-Niveau erforderlich, egal ob im Springen oder in der Dressur.“ Bringt jemand Schwächen in einem der beiden Bereiche mit, dann kann derjenige das eventuell durch den passenden Betrieb, wie etwa eine Landesreitschule mit Schulpferden, ausgleichen. Denn: Gerade in Turnier- und Ausbildungsställen müssen Bewerber schon vor Beginn der Ausbildung über ein gutes reiterliches Niveau verfügen: „Der sportlich orientierte Betrieb tut sich schwer mit jungen Leuten, die diese Anforderung A bzw. L noch nicht erfüllen. Denn sie brauchen die Akzeptanz ihrer Kunden und Pferdebesitzer, dass sie die Auszubildenden auf die entsprechenden Pferde lassen können.“ Für Terbrack, der auf seinem Betrieb ebenfalls Pferdewirte ausbildet, sind Schulnoten nicht das Entscheidende, sondern: „Man muss diesen Job leben, er darf nicht Beruf, sondern muss Berufung sein.“
Wolfgang Egbers, Pferdewirtschaftsmeister und Mitglied im Prüfungsausschuss für Pferdewirte, sagt: „Wer den Beruf Pferdewirt anstrebt, muss reiterlich absolut auf A-Niveau sein, im Springen und in der Dressur.“ Foto: FN-Archiv/Beelitz
Pferdewirtschaftsmeister Markus Terbrack bringt seine Einstellung auf den Punkt: „Man muss diesen Job leben, er darf nicht Beruf, sondern muss Berufung sein.“ Foto: privat
Die Abbrecherquote bei der dreijährigen Ausbildung ist hoch. „Dieser Job ist mehr als nur Pferde streicheln“, betont Terbrack, der die Erfahrung gemacht hat, dass junge Leute teilweise mit falschen Vorstellungen an den Beruf herangehen. Neben der oft unterschätzten körperlichen Belastung, die die Arbeit im Stall mit sich bringt, gibt es laut Egbers aber noch einen weiteren Grund für Ausbildungsabbrüche: „Die jungen Leute sind oft das erste Mal komplett von zu Hause abgenabelt, was in anderen Berufen meist nicht so ist.“ Die Folge: Heimweh. Doch zumindest hinsichtlich der falschen Erwartungen lassen sich Enttäuschungen vermeiden.
Die Experten empfehlen ein mindestens 14-tägiges Praktikum vor Ausbildungsbeginn zu machen, um den späteren Betrieb bereits kennenzulernen – am besten sogar zwei, eines im Sommer und eines im Winter. Egbers rät Auszubildenden mit ihrem Ausbilder vor Beginn der Tätigkeit wichtige Eckpunkte abzusprechen, um Frust zu vermeiden: „Man sollte erörtern, wie sich der Ausbilder den Ablauf der Ausbildung vorstellt, wie oft man reitet, wie er sich für den Erfolg der Ausbildung engagieren will.“

Die für Ausbildung der Isländer und ihrer Reiter gibt es die Fachrichtung Pferdewirt Spezialreitweisen, Schwerpunkt Gangreiten. Foto: Frank Sorge

Pferdewirte in anderen Reitweisen:

Fachrichtung Spezialreitweisen

In dieser Fachrichtung wird zwischen Westernreiten und Gangreiten unterschieden. Die Aufgaben sind ähnlich wie die des Pferdewirts Klassische Reitausbildung, nur eben im jeweiligen Schwerpunkt. So bilden Pferdewirte Spezialreitweisen unter anderem Pferde und Reiter in der jeweiligen Reitweise aus, bereiten sie auf Prüfungen und Wettbewerbe vor und beurteilen Pferde hinsichtlich ihrer Eignung für die Reitweise.

Fachrichtung Pferderennen

In der Fachrichtung spezialisieren sich Pferdewirte aufs Rennreiten oder Trabrennfahren. Neben Rennställen können sie auch in Trainingsbetrieben, Rehabilitationszentren, im Pferdefachhandel oder im Pferdetransport aktiv sein. Diese Fachrichtung wird allerdings nicht durch die FN, sondern durch die Verbände des Rennreitens geregelt.

Die Aufgaben

Sophie Leube kannte Ingrid Klimke und ihr Team bereits gut, als sie ihre Ausbildung begann. Neben dem Reiten standen Stallarbeit, die Pflege der Pferde und die Sorge für ihre Gesundheit im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit. Obwohl Leube bereits vor Beginn der Ausbildung erfolgreich im Sattel unterwegs war und unter anderem in der Dressur bis zur Klasse S startete, lernte sie viel dazu: „Ich konnte auf weit ausgebildeten Pferden fliegende Wechsel oder Pirouetten üben oder eben im Springen oder Geländespringen Erfahrungen sammeln. Außerdem durfte ich viel junge Pferde anreiten und sie auf Turnieren vorstellen.“ In diesem Zusammenhang hatte Leube ein echtes Highlight in ihrer Ausbildung, als sie mit Klimkes späterem Olympiapferd Hale Bob ihre allererste Ein-Stern-Vielseitigkeit ritt: „Ingrid hatte sich am Knie verletzt und sagte zu mir: ‚Sophie, du musst einspringen. Traust du dir das zu?‘ Und dann habe ich gesagt: ‚Ingrid, wenn du mir das zutraust, dann schaffen wir das irgendwie. ‘“ Am Ende landete das Paar auf dem vierten Platz.

Auch das gehört in vielen Betrieben zum Aufgabengebiet des Pferdepflegers: Füttern, Ausmisten, Pferde putzen und die Pflege der Anlage – kein Job für Faulpelze. Fotos: Frank Sorge

Unterrichtserteilung

Bei Terbrack bekommen die Auszubildenden früh Einblicke in die Unterrichtserteilung: „Ich finde ganz wichtig, dass sie erst als Hospitant dabei sind, aber dann relativ schnell selbständig Longenunterricht erteilen.“ Eine weitere Aufgabe in der Reitschule Altrogge-Terbrack ist die Beratung der Einsteller: „Da gibt es immer wieder welche, die nur wenig Erfahrung haben und bei Fragen rund ums Pferd Hilfe brauchen. Das ist ein großes Aufgabengebiet.“ Dafür müssen die Pferdewirte nicht nur Experten für Vierbeiner sein, sondern auch Sozialkompetenz mitbringen: „Wir sind hier dafür da, die Freizeit unserer Reitschüler zu gestalten. Es ist ein Ort der Erholung, ein Ausgleich zu Schule oder Beruf. Reitschüler kommen auch mit vielen Problemen in so einen Reitstall.“ Doch auch im Ausbildungsstall machen gute Reitkenntnisse allein keinen guten Pferdewirt, betont Leube: „Man muss schon echt viel Fleiß, Willen, Talent und Einfühlungsvermögen in die Pferde, aber auch in die Menschen, in die Kunden und die Pferdebesitzer mitbringen. Man sollte wirklich Spaß an der Ausbildung haben und das Ziel verfolgen, dass es den Pferden gut geht.“

Der Abschluss

Am Ende der dreijährigen Ausbildung steht für die angehenden Pferdewirte die Abschlussprüfung in der Deutschen Reitschule in Warendorf an: „In der Prüfung muss gezeigt werden, dass der Auszubildende in Springen und Dressur, Pferd und Reiter bis zur Klasse L ausbilden kann“, erklärt Egbers.
Neben einem theoretischen Teil, in dem unter anderem Pferdegesundheit, Reit- und Sportlehre sowie Wirtschafts- und Sozialkunde abgefragt werden, müssen die Auszubildenden ein Pferd auf Trense auf dem Niveau der Klasse L vorstellen, darin enthalten ist auch ein Pferdewechsel. Außerdem werden eine Dressurreiterprüfung der Klasse L auf Kandare und ein Stilspringen der Klasse L verlangt. Hinzu kommt eine Prüfung der Unterrichtserteilung in Springen und Dressur. Nach der Prüfung arbeiten die Pferdewirte in der Regel zunächst als Angestellte, zum Beispiel in Reitvereinen, Pferdeausbildungsbetrieben, Gestüten oder Handelsställen. Die Nachfrage sei groß, sagt Egbers: „Gesucht wird im ganzen Land und auch weltweit. Derjenige, der eine Stelle braucht, findet auch eine. Wenn jemand dann turniermäßig schon ein bisschen unterwegs ist, dann sind das begehrte Leute, gerade in Ausbildungs- und Turnierställen. Und auch die Leute, die in der Unterrichtserteilung ihre Stärken haben, sind händeringend gesucht, egal ob das jetzt im Reitverein oder im Ausbildungsbetrieb ist.“ Er empfiehlt jungen Pferdewirten mindestens noch zwei Jahre unter einem anderen Ausbilder zu arbeiten und seine reiterlichen Fähigkeiten weiter zu verbessern, ehe sie sich selbständig machen oder eine Weiterbildung zum Pferdewirtschaftsmeister anstreben.

Die Ausbildung im Überblick

  • Ausbildungsdauer: drei Jahre, kann teilweise auf zwei Jahre verkürzt werden. Vor dem Ende des zweiten Ausbildungsjahres findet eine Zwischenprüfung statt, die der Überprüfung des Ausbildungsstandes in Theorie und Praxis dient.
  • Ausbildungsart: Duale Ausbildung im Betrieb und der Berufsschule
  • Schulabschluss: Die Schulpflicht muss erfüllt sein, besser ist mindestens der Haupt- oder Realschulabschluss.
  • Reitkenntnisse: Mindestens ein sicheres A-Niveau in Dressur und Springen
  • Wichtige Eigenschaften: Verständnis für das Pferd, Bereitschaft an Wochenenden und Feiertagen zu arbeiten, körperliche und mentale Belastbarkeit, Ausgeglichenheit, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein und eine gute Auffassungs- und Beobachtungsgabe
  • Verdienst: Bruttovergütung erstes Lehrjahr ca. 690 Euro, zweites Lehrjahr ca. 740 Euro, drittes Lehrjahr ca. 790 Euro (je nach Bundesland gibt es Abweichungen)
  • Weiterbildung: Der Pferdewirtschaftsmeister bescheinigt Absolventen, dass sie einen Pferdebetrieb meisterlich führen können und Auszubildende ausbilden dürfen. Voraussetzung für die Fortbildung ist eine mindestens zweijährige Berufspraxis in der Pferdewirtschaft.
  • Weitere Informationen: Bundesvereinigung der Berufsreiter, www.berufsreiter.com

Die Selbständigkeit

Leube entschied sich für einen anderen Weg und wagte schnell den Schritt in die Selbständigkeit. Kein leichter Einstieg: „Ich muss echt sagen, dass ich das ohne Ingrid nicht geschafft hätte. Sie unterstützt mich und durch sie kenne ich viele Leute aus der Pferdeszene, viele meiner Pferdebesitzer.
Das ist schon wichtig, sonst ist es wirklich schwierig. Die Leute kommen nicht unbedingt von sich aus zu einem und sofort nach der Ausbildung sowieso nicht.“ Hilfreich sind in diesem Fall auch eigene reiterliche Erfolge oder Erfolge in der Pferdeausbildung. Leube gelang es beispielsweise, sich zweimal mit demselben Pferd für die WM der jungen Vielseitigkeitspferde zu qualifizieren. Sie gibt aber auch zu bedenken, dass nur die Ausbildung von Pferden oft nicht als Geschäftsmodell reicht: „Das ist schon echt schwierig, da muss alles passen und die Pferde müssen gesund bleiben.“
Gute Bereiter gibt es reichlich, aber gefragt sind Ausbilder die nicht nur die Pferde, sondern auch die Reiter weiterbringen. Foto: Dirk Caremans
Unterrichten ist eine wichtige Verdienstmöglichkeit für Pferdewirte. Foto: Arnd Bronkhorst
Neben der Vermittlung von Verkaufspferden ist für Pferdewirte das Unterrichten eine wichtige Verdienstmöglichkeit. Terbrack sagt sogar: „Unterrichtserteilung ist das, womit unsere Auszubildenden später Geld verdienen können. Richtig gute Reiter gibt es viele und es gibt immer wieder welche, die besser sind als man selbst.“ Auch Leube gibt Unterricht, vor allem in der Dressur und im Gelände: „Da kommt meistens etwas bei rum und man guckt hinterher in glückliche Gesichter und sieht zufriedene Pferde. Und wenn man danach nach Hause fährt und seine eigenen Pferde, ihre Erfolge und Ausbildungsfortschritte sieht, dann ist das eine echt schöne Kombination.“ Obwohl alle drei Experten keinen achtstündigen Arbeitstag haben, sind sie dennoch froh, ihr Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Egbers, der mit dem Vechtehof in Gölenkamp selber einen Stall mit rund 40 Pferden betreibt und Pferdewirte ausbildet, fasst es so zusammen: „Das sind eher zwölf und manchmal sind es auch 14 Stunden und dessen muss man sich bewusst sein. Aber die Pferde geben einem so viel zurück, so viel Freude. Und wenn man mit ihnen dann im Sport ist, ist das das größte Dankeschön.“ Melanie Köster
Nächste Folge: Der Pferdewirt – Fachrichtung Haltung und Service sowie Zucht

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