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Reisekalender

PM-Reise nach Jerez de la Frontera

Spanische Träume

Die große Geschichte des Spanischen Pferdes, der „Pura Raza Espanola“, die Wurzeln der klassischen Reitkunst, die Landschaft Andalusiens zu erleben, aber auch einzutauchen in die Lebensart der Menschen Andalusiens, ihre Kultur und die tief verwurzelte Liebe zu ihren Pferden zu fühlen, das war das Motto der PM-Reise, die Anfang Mai nach Jerez de la Frontera führte.

Prächtige Kutschen bei der Feria del Caballo; Alle Fotos: Bettina Besenhart

Ein Höhepunkt direkt zu Beginn: Die Königlich Spanische Hofreitschule in Jerez de la Frontera. Die Besichtigung des historischen Kutschenmuseums, Paradekutschen, zum Teil nach wie vor im Einsatz für die spanische Königsfamilie, aber auch Wagen und Kutschen des täglichen Gebrauchs darunter, hinterließ einen ersten prägenden Eindruck von der großen Geschichte des spanischen Pferdes bei Paraden, Festlichkeiten, der Jagd und in der täglichen landwirtschaftlichen Arbeit. Die ausverkaufte Schau der Königlich Spanischen Hofreitschule, naturgemäß im Geschmack und nach den Vorlieben der zahlreichen Touristen aus aller Welt inszeniert, bot dann doch das eine oder andere reiterlich höchst ansprechende Bild, wenn auch von einigen Teilnehmern Reitweise sowie die Art der reiterlichen Darstellung keineswegs ungeteilte Zustimmung fand. Ein tiefer Eindruck blieb jedoch haften, nämlich der von einer unbezwingbaren Ästhetik des spanischen Pferdes, der sich kein Betrachter entziehen kann, darüber hinaus verzaubern die Vertreter der Rasse durch ihren menschenfreundlichen Charakter, das unerschütterliche Temperament und ihre unermüdliche Arbeitsfreude. Der Besuch der Bodegas William & Humbert mit charmanter Führung durch die mit Hunderten von Sherry Fässern angefüllten Keller mit anschließender Verkostung bot einen gelungenen Abschluss eines von vielfältigen Erlebnissen angefüllten ersten Tages. In ausgelassener Stimmung begab man sich auf die Rückfahrt, und viele Mitglieder der Gruppe blickten voll stolzer Vorfreude auf ihr mit Sherry und Brandy wohlgefülltes neues Reisegepäck.

Die Feria del Caballo in Jerez

Andalusisches Flair, Stolz und Lebensfreude der Bewohner dieses Landes in Reinkultur waren beim Besuch der Feria del Caballo im Herzen von Jerez de la Frontera zu bewundern und zu genießen. Auch der Stolz und die Liebe, die sie ihren Pferden entgegenbringen. Authentischer geht’s kaum. Prächtig geschmückt die Reitpferde und Gespanne, in festlicher Kleidung die Caballeros im Sattel ihrer Pferde, hinter ihnen im seitlichen Sitz die Señoras und Senhoritas. Anspannungen der unterschiedlichsten Art, doch stets klassisch oder zumindest traditionell. Das Auge des Betrachters mochte sich nicht lösen von solcherart Vielfalt an Eindrücken – und dies den gesamten Nachmittag und frühen Abend lang.

 

Familie Domecqs Pferde

Einen richtigen Höhepunkt der Reise bildete am folgenden Tag der Besuch der Finca Los Alburejos.

Das Karthäuser Staatsgestüt

Der Besuch von Yeguada Cartuja bildete den Auftakt des nächsten Tages. Das spanische Staatsgestüt ist vor Jahren aus den uralten Wurzeln des Karthäusergestüts des gleichnamigen Mönchsordens  neu entstanden. Akribisch hat man versucht und in die Tat umgesetzt, die besten Stämme und Blutlinien, die sämtlich auf die ursprüngliche Zuchtstätte zurückführen, im ganzen Land zu sammeln und mit neuem Leben zu erfüllen. Der Qualitätsstand der Zucht kann sich sehen lassen, er befindet sich auf hohem und höchstem Niveau – aber auch das Niveau der Ausbildung und Reiterei. Der Ausbildungsleiter ließ sich gern befragen und berichtete auch von seinen Lehr- und Wanderjahren, die ihn in einigen der renommiertesten Dressurställen Deutschlands sahen, zum Beispiel in Münster bei Dr. Reiner Klimke. Kaum verwunderlich, dass Yeguada Cartuja kaum Vermarktungsprobleme kennt. Viele der dortigen Zuchtpferde und Vertreter der heranwachsenden Jahrgänge sind zudem unverkäuflich, da hinsichtlich ihrer Genetik und Qualität unersetzlich.

Finca erscheint weit untertrieben, denn Herrenhaus, Hof, Gebäude und Ländereien bilden einen großflächigen, blühenden landwirtschaftlichen Betrieb, der sich der Zucht der schwarzen Kampfstiere und spanischer Reitpferde aus einer Kreuzung von andalusischen Pferden, Arabern und Englischen Vollblütern verschrieben hat. Viele dieser Pferde werden bei den Corridas eingesetzt und müssen von daher wendig und schnell sein. Überaus herzlich der Empfang seitens der Hausherrin Isabel Domecq, die es sich nicht nehmen ließ, die Besucher persönlich zu führen. Los Alburejos befindet sich seit Generationen im Besitz der Familie, einer der ältesten und traditionsreichsten Spaniens, wohl auch einer der wohlhabendsten, zudem eng verbunden mit dem spanischen Königshaus. Zum Zeitpunkt unserer Besichtigung wurden die Gästezimmer des Herrenhauses für Altkönig Juan Carlos I. hergerichtet, dessen Besuch am Abend erwartet wurde. In beeindruckenden Erzählungen ließ Isabel Domecq die Besucher am Leben ihrer Vorfahren und ihrer Familie teilhaben. Der Großvater, Vater, die Onkel, die Brüder, bereits auch ihre Söhne sind nationale Berühmtheiten in der Stierkampfarena. Nicht ohne Emotionen berichtete sie von einem Kampf vom Vortage,  nach dem ein von ihnen gezüchteter Stier aufgrund seiner Tapferkeit und seiner überlegenen Kampftechnik vom Publikum „begnadigt“ wurde, um auf die heimatlichen Weiden zurückzukehren und sein Leben in Zukunft damit zu verbringen, für Nachwuchs zu sorgen. War dieser Besuch bereits ein richtiger Höhepunkt des Tages und der gesamten Reise, so schloss sich ein weiterer an: Die Familie Domecq lud zu einer Schau „A Campo Abierto“ ein. In einer halbkreisförmigen Arena wurden in reiterlichen Bildern das Leben und die Arbeit der andalusischen Züchter und Gutsherren nahe gebracht.

Vor der Kulisse der traumhaft schönen, frühlingshaft erblühten andalusischen Landschaft trieben berittene, von ihren Hunden begleitete Rinder- und Pferdehirten die von mächtigen Ochsen geleiteten Stier-, Kuh- und Stutenherden in die Arena und vermittelten Bilder aus der täglichen Arbeit und Ausbildung. Dies alles gelang ohne Zwang oder Druck, die Tiere im gewohnten Herdenverband, zwar in Distanz aber ohne Furcht zu ihren Hirten. Auf der Rückfahrt ein kleiner Abstecher nach Arcos de la Frontera, einem der berühmtesten der legendären weißen Dörfer Andalusiens. In der Altstadt, an steil abfallender Klippe ein imposanter Ausblick in die Weite des Landes mit seinen vielen Fincas, den Weinbergen, Olivenhainen und Obstgärten.

Sevilla zum guten Schluss

Die Fahrt nach Sevilla am folgenden Morgen bei strömendem Regen, doch das Glück ist den Tapferen hold: Kaum in der uralten Stadt der Mauren und Kalifen angekommen, klarte der Himmel auf, die ausführliche Besichtigung der Altstadt mit ihren zauberhaften verwinkelten Gassen, den romantischen Innenhöfen mit ihren orientalisch anmutenden Gärten geschah bei strahlendem Sonnenschein. Schließlich ließ der Zeitplan auch noch den Besuch der Kathedrale und des Grabes von Christoph Kolumbus zu.

Es war eine faszinierende Reise, darüber waren sich alle Teilnehmer einig. Andalusien, seine Pferde, seine Menschen, seine Kultur und Geschichte nahmen gefangen und hinterließen zahlreiche unvergessliche Eindrücke.

Erhard Schulte

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