Vorheriger Artikel

Ausgabe 07/2016
Ausbildungstipp: Stellung und Biegung

Nächster Artikel

Ausgabe 07/2016
Nachlese: Reise nach Jerez de la Frontera

Pferdegerechtes Reiten

FN-Dialogveranstaltungen kamen gut an

Woran erkennt man pferdegerechtes Reiten? Diese Frage stand im Mittelpunkt der vier bundes­weiten Dialogveranstaltungen, zu denen die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) und die Persönlichen Mitglieder (PM) in der zweiten Maihälfte eingeladen hatten. Fazit: Es gibt ein sehr großes Bedürfnis, sich mit der FN über Ausbildung und Reiten auszutauschen.

Fotos: Jan Reumann

Reiten bewegt die Gemüter – genauer gesagt: die Qualität des Reitens. Ist das Reiten pferdegerecht oder nicht? Woran erkennt man das eigentlich? Welche Kriterien spielen eine Rolle bei der Beurteilung von Ritten? Als Anschauungsbeispiele und Diskussionsgrundlage präsentierten die Referenten Christoph Hess, FN-Ausbildungsbotschafter, und Kai Vorberg, Diplom-Trainer und Pferdewirtschaftsmeister in der FN-Abteilung Ausbildung und Wissenschaft, Live-Ritte sowie Filme. Moderiert von der Fernsehjournalistin Clara Briefs wurde das Diskussionsangebot von den im Schnitt 55 Gästen, darunter viele Ausbilder, dankend und intensiv angenommen. „Es wird immer nur auf die Kopf-Hals-Haltung geschaut und nicht auf das Gesamtbild“, stellte einer der Besucher im Verlauf der durchaus kontroversen Diskussion fest und leitete damit quasi den theo-retischen Part von Kai Vorberg ein. Er stellte den „Kriterienkatalog zur Beurteilung des Reiters und Pferdes auf dem Vorbereitungsplatz“ vor, den die FN vor zwei Jahren entwickelt und veröffentlicht hat. In dem Papier sind alle Kriterien aufgeführt, die zusammen die Qualität des Reitens einschätzen helfen: Neben der Art des Reitens selbst sind es beim Pferd der Bewegungsablauf und das Gangbild, der Rücken, das Maul, die Kopf-Hals-Haltung, Auge und Gesicht, die Ohren, der Schweif, die Nüstern und Atmung sowie die Schweißbildung. Zudem fließt auch die Ausrüstung in die Beurteilung ein.

Fällt vor dem Hintergrund dieser Kriterien auf Turnieren bzw. dem Vorbereitungsplatz ein Reiter-Pferd-Paar negativ auf, sind die Zuständigkeiten klar geregelt: Diese liegen bei den eingesetzten Richtern. Allerdings halten über Dreiviertel der Besucher die Kontrollen der Richter auf dem Vorbereitungsplatz für nicht angemessen, so ein Ergebnis, das via Umfrage mit Abstimmungsgeräten während der Veranstaltungen ermittelt wurde. Noch schwieriger wird es im privaten Umfeld. „Was mache ich denn, wenn ich da jemanden sehe, der nicht pferdegerecht trainiert? Wenn ich den anspreche, wird der doch gleich aggressiv?“, lautete eine Frage, die bei allen Veranstaltungen gestellt wurde. Als Antwort beschrieb Christoph Hess, selber seit Jahrzehnten Richter, wie er es auf dem Turnier macht: „Ich frage denjenigen, ob er mir einmal erklären kann, was er gerade macht. Meist fällt demjenigen dann selbst auf, dass das nicht der Reitlehre entspricht.“ Zudem gab er zu bedenken, dass Richter die Reiter diskret ansprechen, wenn es nötig ist. Möglicherweise werde daher ihr Einsatz nicht immer wahrgenommen. „Ich bitte den Reiter immer zu mir und führe dann ein ruhiges Gespräch.“

Grundsätzlich wünsche er sich einen weniger aggressiven Ton innerhalb der Reitergemeinschaft. „Wir sollten uns bewusst machen, dass jeder von uns eine Vorbildfunktion hat und dass jeder erst einmal bei sich selber anfangen soll.“

Dass die Dialogveranstaltungen sinnvoll sind, zeigte auch die letzte Umfrage via Abstimmungsgerät vor Ort. Im Schnitt stimmten zwei Drittel der Besucher der Aussage zu, dass die FN dem pferdegerechten Ausbilden einen angemessenen Stellenwert einräumt. In der im Frühjahr von der FN durchgeführten Online-Umfrage „Wie pferdegerecht sind Ausbildung, Turniersport und Pferdehaltung in Deutschland?“ sah das nur ein Drittel der befragten Vereinsmitglieder so. „Im Rahmen der Veranstaltung haben wir zum einen die Richtlinien erklären können, zum anderen ist auch deutlich geworden, was die FN für das pferdegerechte Ausbilden und Reiten unternimmt“, so das Fazit von Kai Vorberg.

Dialog und Meinungsaustausch standen im Mittelpunkt.

Vor allem aber wurde deutlich, wie wichtig der direkte Dialog mit den Mitgliedern ist. „Viele haben diese Veranstaltung genutzt, um ihre persönliche Sicht mitzuteilen und waren froh, einmal gehört zu werden. Dies haben auch die Gespräche in der Pause und nach der Veranstaltung gezeigt. Wir werden im Verband überlegen, wie wir diesen persönlichen Dialog fortführen können, denn auch für uns sind diese Gespräche sehr wertvoll“, sagte Dieter Medow, FN-Vize-Präsident, zum Abschluss der Veranstaltungsreihe.

Adelheid Borchardt

Vorheriger Artikel

Ausgabe 07/2016
Ausbildungstipp: Stellung und Biegung

Nächster Artikel

Ausgabe 07/2016
Nachlese: Reise nach Jerez de la Frontera