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Olympische Disziplinen in Rio de Janeiro: Dressur

Fulminanter Aufgalopp

In der zweiten Folge unserer Olympiavorschau steht die Dressur im Fokus. Spätestens seit der Deutschen Meisterschaft in Balve gelten die deutschen Viereckstars als heiße Favoriten auf die Mannschafts-Goldmedaille und wohl auch auf ein- oder vielleicht zweimal Edelmetall in der Einzelwertung.

Isabell Werth mit Weihegold OLD; Fotos: S. Lafrentz

Kristina Bröring-Sprehe mit Desperados FRH

Dorothee Schneider mit Showtime

Sönke Rothenberger mit Cosmo

Equipechef Klaus Roeser, Bundestrainerin Monica Theodorescu und Co-Trainer Jonny Hilberath haben allen Grund, mit viel Optimismus die „Operation Olympia“ in Rio de Janeiro anzugehen. Reichte es in London vor vier Jahren „nur“ zu Team-Silber, könnte in Brasilien olympisches Gold zurückerobert werden. Die Chancen stehen besser denn je. So überzeugend, wie die besten deutschen Dressurpaare im Juni bei der Deutschen Meisterschaft in Balve auftrumpften, dürfte es der internationalen Konkurrenz schwer fallen, Paroli zu bieten. Isabell Werth und Weihegold OLD, Dorothee Schneider mit Showtime, Kristina Bröring-Sprehe mit Desperados FRH sowie der Shooting-Star der Saison, der erst 21-jährige Sönke Rothenberger mit Cosmo, beeindruckten mit ausdrucksstarken und nahezu makellosen Ritten, die im Grand Prix Special allesamt mit über 80 Prozent bewertet wurden und sich in der Kür zwischen 84 und knapp 87 Prozent bewegten.

Ein so hohes Niveau habe es auf einer Deutschen Meisterschaft noch nie gegeben, bestätigten die beiden Richterinnen Dr. Evi Eisenhardt und Katrina Wüst unisono. Auch Bundestrainerin Monica Theodorescu schwärmte: „Sensationell, welche Leistungen auf den vorderen Plätzen gezeigt wurden.“

So fiel es dem Dressurausschuss nicht schwer, dieses Quartett zunächst für den CDIO in Aachen Mitte Juli zu nominieren. Bleiben alle Pferde gesund und zeigen sich auch in der Soers in Top-Form, dürfte dieses Quartett die Reise an den Zuckerhut antreten. Bleibt allerdings noch die Frage, wer die Rolle des Ersatzreiters einnehmen könnte. Den Balver Ergebnissen nach zu urteilen, kommen am ehesten Hubertus Schmidt mit Imperio und Jessica von Bredow-Werndl mit Unee BB in Frage.

Zeitplan
01. August
 Abflug der Dressurpferde
08. August Verfassungsprüfung
10. August Grand Prix, erste Hälfte
11. August Grand Prix, zweite Hälfte
12. August Grand Prix Special (Mannschaftsentscheidung)
15. August Grand Prix Kür (Einzelentscheidung)
17. August Rückflug der Pferde

Anderes Reglement

Das olympische Reglement ist anders als das von Welt- und Europameisterschaften. Im Reitstadion Deodoro im Norden der brasilianischen Metropole fällt die Mannschaftsentscheidung nämlich nicht im Grand Prix, sondern erst nach Addition von Grand Prix und Grand Prix Special. Somit hat jedes Paar zweimal die Chance, sich von der besten Seite zu zeigen. Anders als in London 2012, wo die Teams aus drei Reitern bestanden und manche Nationen über ihre Weltranglistenpunkte noch einen Einzelreiter an den Start schicken konnten, bilden in Rio wieder vier Paare die Mannschaft, wobei das schwächste Resultat als Streichergebnis aus der Wertung fällt.

Dieser Modus wird auch nur noch in diesem Jahr angewandt, denn es ist so gut wie beschlossene Sache, dass bei künftigen Spielen nur drei Reiter pro Nation (ohne Streichergebnis) an den Start gehen dürfen. Das FEI-Sportforum hat sich bereits für diese Änderung ausgesprochen, aber die endgültige Entscheidung wird die Generalversammlung des Weltreiterverbandes Ende des Jahres fällen.

Für die Dressurpferde wird es am 1. August „ernst“, wenn sie von Lüttich (Belgien) aus die lange Reise per Flugzeug einmal um den halben Erdball antreten. Zwar ist noch keines der potenziellen deutschen Olympiapferde jemals geflogen, aber Sorge bereitet dies niemanden, denn der Transport der wertvollen Sportler liegt in den bewährten Händen der Firma Peden Bloodstock in Mülheim an der Ruhr, die den Großteil aller Flugtransporte zu Championaten und internationalen Turnieren abwickelt. Zwölf Stunden Flugzeit muss man rechnen. Die Frachtmaschine der Airline Emirates bietet Platz für 44 Pferde, Ausrüstung und pro Pferd 120 Kilo Futter. In Rio angekommen, haben die Pferde und ihre Reiter eine Woche Zeit, sich zu akklimatisieren und sich auf die Wettkämpfe vorzubereiten. Am 8. August fällt der Startschuss mit dem ersten Teil des Grand Prix.

 

Konkurrenz

Auf welche Konkurrenz die Deutschen stoßen werden, ist derzeit schwer einzuschätzen. Viele der Spitzenpferde sind lange Zeit nicht mehr im internationalen Sport aufgetaucht. Das britische Traumpaar Charlotte Dujardin und Valegro, die Seriensieger der vergangenen Jahre, haben sich seit der Europameisterschaft in Aachen im August 2015 keinem internationalen Vergleich mehr gestellt. Auch Edward Gals Hengst Undercover tauchte seit der EM erst einmal wieder bei einem niederländischen CDI Anfang April auf. Delgado, das Toppferd der Spanierin Beatrice Ferrer-Salat war zwar in München erfolgreich (Platz 2 im Grand Prix), hat aber ansonsten nur ein paar Prüfungen in Südeuropa absolviert. Immer für Überraschungen gut sind die USA-Reiter, die sich selten in Europa blicken lassen. So wird man gespannt auf das vorolympische Kräftemessen in Aachen schauen, wobei erfahrungsgemäß nicht alle ausländischen Spitzenpaare in der Soers antreten werden.

Susanne Hennig

Dr. Joachim Bösche, langjähriger Vorsitzender der Deutschen Richtervereini­gung, richtete ein Viertel­jahrhundert lang als deutscher „O-Richter“ Dressurprüfungen bei Welt- und Europameisterschaften. Foto: privat

Drei Fragen an Dr. Joachim Bösche

Sie kennen den Dressursport seit vielen Jahrzehnten und haben seine Veränderungen intensiv begleitet. Was fällt Ihnen am meisten auf?

Bösche: Das Niveau auf dem Viereck war noch nie so hoch, das hat sich gerade erst bei der Deutschen Meisterschaft in Balve eindrucksvoll bestätigt. Der Sport hat heute einfach andere Pferde. Es ist sensationell, was die Zucht hervorbringt, nämlich Pferde, die einerseits keine Gebäudemängel haben und mit herausragendem Bewegungspotenzial ausgestattet sind, und die andererseits von Hause aus eine Rittigkeit mitbringen, von der man früher nur träumen konnte. Dieser Zuchtfortschritt erlaubt uns heute, ein Pferd zu einem Athleten zu formen, der durch Eleganz und Leichtigkeit besticht.

Wie hat sich Reiterei durch die leichteren Pferde verändert?

Bösche: Nun, man muss ganz klar sagen, dass die Pferde der 1960er und 70er Jahre heute kaum noch Platzierungschancen hätten. Es waren ganz ohne Zweifel imposante Pferde, aber sie erforderten von ihrem Gebäude und ihrer inneren Einstellung auch ein etwas energischeres Reiten. Der Wandel hin zum Leichten trat mit Pferden wie Reiner Klimkes Ahlerich und Nicole Uphoffs Rembrandt ein. Jetzt konnten auch 20-jährige Mädchen ein Grand Prix-Pferd reiten. Das Reiten wurde viel charmanter.

Welchen Einfluss hat die Kür, die anfangs von manchen Reitern belächelt wurde, auf die Entwicklung des Dressursports? 

Bösche: Ich kann mich gut erinnern, die Kür spaltete die Reiter in zwei Lager. Viele hielten sie für Zirkusreiterei. Aber Wolfgang Niggli, der damalige Vorsitzende des FEI-Dressurausschusses, sollte Recht behalten: Die Kür würde den Dressursport fürs Publikum attraktiver machen. Genauso ist es ja auch geschehen. Die Kür hat dem Dressursport einen enormen Aufwind gegeben. Ich muss allerdings auch sagen, dass für die reinen Insider des Sports der Grand Prix und der Grand Prix Special die wichtigeren, weil aussagekräftigeren Prüfungen sind.

hen

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