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Persönlichkeiten der Pferdeszene: Christoph Hess

Ausbildung: Motiviert durch den Winter

Mit visuellen Hilfsmitteln abwechslungsreich trainieren

Stangen und Pylonen gestalten das Training für Reiter und Pferd nicht nur abwechslungsreich, sondern können als visuelle Hilfsmittel auch dabei helfen, den Ablauf von Lektionen und Hufschlagfiguren zu optimieren.

Draußen an der frischen Luft reiten, sobald es das Wetter zulässt, hilft gegen den Hallenkoller im Winter. Foto: Stefan Lafrentz

Gerade im Winter, wenn die Tage kürzer und die Reithallen voller werden, ist seitens der Reiter viel Kreativität erforderlich, um das Training möglichst abwechslungsreich zu gestalten. Mit sinkender Motivation sinkt gleichzeitig auch die Leistungsbereitschaft des Pferdes: regelmäßige Ausritte, Bodenarbeit, Springgymnastik oder auch die Nutzung von Pylonen und Stangen bringen viel Schwung und Spaß in die tägliche Arbeit. Für die Dressurarbeit steht dem Reiter eigentlich ein sehr großes Repertoire an Lektionen, Übungen und Hufschlagfiguren zur Verfügung. Leider neigen viele Reiter dazu, immer wieder die gleichen auszuwählen und als festes Programm abzuspulen. Das führt nicht nur schnell zu sinkender Leistungsbereitschaft, das monotone Training ist auch eher schädigend als fördernd für die Leistungsfähigkeit.

Dabei sind es gerade die Basis-Hufschlagfiguren mit entsprechender Hilfengebung, die den Grundstein für eine pferdegerechte Ausbildung innerhalb der Skala der Ausbildung ebnen. Wer hier nachlässig reitet, der riskiert, dass sich im Laufe der Zeit Fehler im Ablauf von eigentlich simplen Figuren einschleichen: Die Ecken werden nicht korrekt ausgeritten, die Schlangenlinien nicht symmetrisch eingeteilt oder der Zirkel wird zu eiförmig angelegt. „Gerade das Reiten eines Zirkels erfordert eine gleichmäßige Biegung des Pferdes während der gesamten Lektion. Das Pferd sollte dabei lediglich dreimal den Hufschlag berühren. Die korrekte Hilfengebung sowie das genaue Reiten des Weges stellen für viele Reiter ein Problem dar“, erklärt Julia Kohl, zweifache Pferdewirtschaftsmeisterin und Ausbilderin.

Konzentration verbessern

Aber oftmals mangelt es beim nicht angeleiteten Reiten auch an Ideen oder an nicht zielführender Ausführung von bestimmten Lektionen. Während im Reitunterricht die Punkte von Übergängen, Lektionen und Verstärkungen meist vorgegeben und koordiniert werden, sodass der Reiter zum Beispiel am Punkt die Gangart wechselt, so lassen viele Reiter dieses zielgenaue Reiten beim täglichen Training schleifen. Das kann dann oftmals dazu führen, dass die Traversale zum Beispiel zu spät eingeleitet oder die Kurzkehrtwendung zu groß angelegt wird.

So können Stangen und Pylonen auf zweierlei Art hilfreich sein: zum einen als visuelle Fixpunkte zur korrekten Wegführung einer bestimmten Hufschlagfigur und zum anderen als optische Stütze zum präzisen Reiten und Ausführen von Lektionen. Hinter allen Vorzügen der Arbeit mit zusätzlichen Hilfsmitteln steht aber auch die Abwechslung im Vordergrund, da sich das Pferd nicht nur auf die reiterlichen Hilfen konzentrieren muss, sondern zusätzlichen visuellen Reizen ausgesetzt ist und ebenfalls darauf achten wird, die Pylonen und Stangen nicht zu berühren. Die anfängliche Arbeit mit Pylonen und Stangen stellt viele Reiter und Pferde zunächst vor eine große Herausforderung.

So werden die ersten Zirkelversuche wahrscheinlich hakeliger als gewohnt, weil man sich zusätzlich noch sehr auf die korrekte Wegführung konzentrieren muss. Der Mehrwert dieser Arbeit wird sich aber schon nach kurzer Zeit einstellen, da nicht nur die Wege sauberer geritten werden, sondern auch die Hilfengebung bewusster und feiner erfolgt. „Der Schwierigkeitsgrad sollte langsam gesteigert werden, da sonst der schulende Zweck der Übung nicht erfüllt und dies eher nicht vertrauensbildend wäre. Zu eng gestellte Pylonen würden zum Beispiel einen übermäßigen Einsatz der Zügelhilfen provozieren“, erklärt Julia Kohl.

Ob beim Reiten, der Boden- oder sogar Freiarbeit, Pylonen sind vielseitig einsetzbar und ein einfaches Hilfsmittel um die punktgenaue Hilfengebung zu verbessern. Foto: Christiane Slawik

Stangen gekonnt einsetzen

Auch Stangen können als rein visuelle Hilfsmittel eingesetzt werden. Da einfache Hindernisstangen wegrollen können, sollten sie immer gut befestigt sein – am besten durch Cavalettiblöcke. Wie beim Zirkel, weichen auch bei Volten viele Pferde nach außen über die äußere Schulter aus. Eine Gasse aus zwei Stangen rechts und links der Mittellinie begrenzt nicht nur den Durchmesser, sondern macht dem Reiter auch die Wichtigkeit des äußeren Zügels und Schenkels bewusst. Wird das Reiten einer 8-Meter-Volte angestrebt, kann die Gasse entsprechend verändert oder um eine dritte Stange erweitert werden. Ebenso können Stangen die Strecke markieren, die die Pferde geradeaus zurücklegen sollen wie beim Durchreiten der Mittellinie bei Schlangenlinien.

Auch das Reiten mit und um Tonnen sorgt für Abwechslung und mehr Präzision. Foto: Christiane Slawik

Das Reiten von gebogenen Linien und Wendungen hat zudem einen ganzheitlichen Trainingseffekt, da die jeweils äußere Körperhälfte in der Wendung gedehnt wird, während gleichzeitig das innere Hinterbein vermehrt in Richtung unter den Schwerpunkt fußt und dabei Last aufnimmt. Somit verbessern gebogene Linien nicht nur die allgemeine Geschmeidigkeit und Beweglichkeit des Pferdes, sondern helfen auch die Geraderichtung und Versammlung zu fördern. Alle Hufschlagfiguren, ganz gleich wie simpel, sollten daher immer auf ganz korrekten Linien und mit korrekter Hilfengebung geritten werden. Nur dann können Reiter und Pferd den gymnastizierenden Effekt der Übung auch wirklich nutzen.

Tempowechsel nutzen

Der häufige Wechsel der Bewegungsrichtung hält die Pferde wach und fördert gleichzeitig die Losgelassenheit und die Beweglichkeit. „Zu viele Wiederholungen und zu viele verschiedene Übungen sollten aber vermieden werden. Sowohl eine qualitative als auch eine quantitative Überfrachtung an Übungen führt zu Unaufmerksamkeit und somit auch zu einer gewissen Unfallgefahr. Pferd und Reiter sollen schließlich motivierter aus dem Training herausgehen“, resümiert Julia Kohl. Kurze Pausen mit hingegebenem Zügel nach den einzelnen Übungen fördern zudem den Trainingseffekt. Mehr Abwechslung kommt in die Übungen, wenn Übergänge miteingebaut werden. Entweder in Form von Gangartenwechseln, zum Beispiel beim Durchreiten der Mittellinie, oder als Tempounterschiede innerhalb der Gangart.

Damit sich der Reiter bei seinem Vorhaben nicht selbst verzettelt, können auch hier wieder Pylonen die Punkte markieren, an denen der Übergang erfolgen soll. „Ich verwende optische Hilfsmittel gerne im Unterricht in der Basisarbeit. Oft haben sich Reiter an einem Problem festgebissen und werden durch die neu gestellten Aufgaben davon abgelenkt und bekommen einen anderen Zugang, eine andere Idee für die Herangehensweise“, sagt die Ausbilderin. Aber auch bei der Arbeit an bestimmten Lektionen, wie etwa Viereck verkleinern und vergrößern oder einfachen Galoppwechseln, können optische Fixpunkte die Korrektheit der Ausführung fördern und mehr Abwechslung in das tägliche Training bringen.

Entgegen der Gewohnheit

Lektionen werden in vielen Dressuraufgaben stets am gleichen Punkt und auf der gleichen Linie verlangt. Das führt im Alltag schnell dazu, dass die Pferde schon aus Gewohnheit die Lektion gerne vorwegnehmen und quasi selbständig zum Beispiel bei X halten. Die Resultate sind dann meist nicht besonders wertvoll. Darum empfiehlt es sich, Lektionen auch an ungewohnten Punkten in der Reitbahn einzuleiten und ganz bewusst die Prüfungslinien zu verlassen. Gerade bei den Trabverstärkungen hilft es oft, diese sogar bewusst zu unterbrechen – also nur eine halbe lange Seite zuzulegen oder nach der Hälfte der Diagonalen wieder aufzunehmen.

Auch bei der Kurzkehrtwendung kann es hilfreich sein, nach einer Viertelwendung zunächst wieder geradeaus zu reiten. So bleiben Takt und Fleiß des Mittelschritts erhalten und das Pferd bleibt sicher an den Hilfen des Reiters. Außerdem hilft diese Übung dem Reiter, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wann die Wendung vorbereitet und eingeleitet werden muss, um sie später am Punkt ausführen zu können. „Natürlich kann man optische Hilfsmittel auch bei der Arbeit an höheren Lektionen bzw. bei deren Erarbeitung einsetzen. Zum Beispiel beim Erarbeiten von Galopppirouetten. Hierzu stellt man eine Pylone in den Mittelpunkt des Zirkels und verkleinert die Zirkellinie im Galopp nun traversartig um die Pylone herum“, erklärt die Pferdewirtschaftsmeisterin.

Geführt oder geritten: Stangen bringen Abwechslung in den Alltag. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Basis verbessern

Die Forderung nach einer vielseitigen Ausbildung von Reiter und Pferd – wie sie in den Richtlinien für Reiten und Fahren formuliert ist – macht also nicht nur an der Basis durchaus Sinn. Durch unterschiedliche Schwerpunkte im Alltag – Dressur, Springen, Reiten im Gelände, Bodenarbeit oder Longieren – erzielt man automatisch eine gesunde Abwechslung, weil sich je nach Schwerpunkt unterschiedliche Lektionen und Übungen anbieten. Pylonen, Stangen und Tonnen können ungeübten Reitern eine Orientierung bieten und fortgeschrittene Reiter erkennen auf abwechslungsreiche und spielerische Art, die Notwendigkeit und den Sinn der zusammenwirkenden Hilfen. „Der Reiter entwickelt einfach mehr Ehrgeiz und reitet automatisch bewusster mit seinem gesamten Körper: Er schaut in die richtige Richtung, die Gewichtshilfen werden automatisch gezielter eingesetzt und er folgt mit seinen Bewegungen viel geschmeidiger der Bewegung des Pferdes. Letztlich bringt auch die Arbeit an vermeintlich einfachen, unspektakulären Übungen viel Spaß“, resümiert Julia Kohl.

Lorella Joschko

Julia Kohl. Foto: privat

Die Expertin: Julia Kohl

ist zweifache Pferdewirtschaftsmeisterin (Klassische Reitausbildung & Zucht und Haltung) und betreibt seit 1995 den Zucht- und Ausbildungsstall „Julani“ zusammen mit ihrer Lebensgefährtin. Neben der Ausbildung nach klassischen Grundsätzen von Pferd und Reiter widmet sie sich auch der Weiterbildung in anderen Disziplinen wie der Working Equitation oder dem Westernreiten.

Beispiele für Übungen mit Stangen und Pylonen

Übung 1

Zirkels kann sich der Reiter nun an den visuellen Punkten orientieren und Hilfengebung sowie Wegführung entsprechend anpassen. Dabei leitet der Blick die Bewegung: Wer stets zum nächsten Zirkelpunkt schaut, sitzt in die Bewegungsrichtung und ist auf dem richtigen Weg zum runden Zirkel. Fortgeschrittene Reiter können den Zirkel verkleinern, indem sie innerhalb der Pylonen auf einer gleichmäßig runden Linie reiten. Dieser verkleinerte Zirkel erfordert ein hohes Maß an Längsbiegung beim Pferd – und setzt eine sichere diagonale Hilfengebung beim Reiter voraus.

Grafiken (5): Lorella Joschko

Übung 2

Stangen als visuelles Hilfsmittel eignen sich vor allem gut als Begrenzung für das Reiten von Volten. Dazu wird eine Gasse aus zwei Stangen rechts und links der Mittellinie platziert, durch die hindurch der Reiter die Volte anlegt. Die Linie wird durch die Gasse begrenzt und einem Ausweichen über die äußere Schulter entgegengewirkt. Soll eine 8-Meter-Volte erarbeitet werden, wird entweder die Gasse verschoben oder um eine dritte Stange erweitert. Auch beim korrekten Reiten von Schlangenlinien können Stangen eingesetzt werden. Dazu markiert man mit den Stangen jeweils das Geradeausreiten über der Mittellinie, bevor die neue Wendung eingeleitet wird. Als Erweiterung kann bei jedem Berühren des Hufschlags eine Volte eingeleitet werden.

Übung 3

Übergänge innerhalb der Übungen halten das Pferd aufmerksam und fördern die Losgelassenheit. Hierzu werden auf einer einfachen Schlangenlinie die Pylonen als eine Art Tor aufgestellt. Diese Tore markieren die Punkte zum vorgegebenen Übergang. Vor dem Durchreiten der Pylonen wird zum Beispiel aus dem Trab in den Schritt pariert, um gleich nach dem Durchreiten wieder anzutraben.

Übung 4

Die Kurzkehrtwendung zählt bereits zu den versammelnden Lektionen, bei der die Vorhand um die Hinterhand wendet. Takt, Fleiß und Bewegungsfluss des Schritts bleiben erhalten. Zum Aufbau werden vier Pylonen in der Reitbahn platziert, am besten als Raute auf dem Mittelzirkel Durch die Linienführung ist jeweils lediglich eine halbe Kurzkehrtwendung erforderlich. So kann der Reiter bereits nach wenigen Schritten wieder geradeausreiten, das Pferd bleibt sicher an den Hilfen und nimmt die Lektion nicht einfach vorweg. Klappt die Viertelwendung auf dem Übungsviereck auf beiden Händen, ist die korrekte Kurzkehrtwendung am vorgegebenen Punkt meistens kein Problem mehr.

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