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Lobbyarbeit für den Pferdesport

„Wir müssen als Pferdeszene noch sichtbarer werden“

Wer Pferde hält, mit ihnen umgeht und Sport betreibt, hat auch bestimmte Interessen. Zum Beispiel, dass es Ausreitwege gibt, man Pferde transportieren darf, Weideflächen erhalten bleiben und es keine Pferdesteuer gibt. Um die Interessen aller Reiter zu vertreten, hat die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) seit Ende 2017 ein „Büro in Berlin“. Bernhard Feßler ist der Mann, der für die FN im und rund um den Berliner Bundestag Lobbyarbeit betreibt. Im Interview mit dem PM-Forum gibt er einen kleinen Einblick in seine Arbeit.

Vertritt in Berlin die Interessen der FN, von Pferdesportlern und -züchtern in Deutschland: Bernhard Feßler. Foto: Björn Schroeder/FN-Archiv

PM-­Forum: Herr Feßler, Sie sind für die FN in Berlin unterwegs. Erzählen Sie doch mal, was ist dort genau Ihre Aufgabe?

Bernhard Feßler: Ich vertrete die FN und ihre Interessen und damit die Interessen der Pferdesportler und Pferdezüchter in Deutschland gegenüber der Politik und anderen Institutionen. Ich verstehe mich als Diplomat und Brückenbauer an den Schnittstellen von Politik, Wirtschaft, Sport, Landwirtschaft und Gesellschaft. Konkret heißt das, ich platziere für die FN relevante Themen im politischen Umfeld auf Bundes- und Landesebene und versuche, in vorpolitischen Diskussionsprozessen Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen. Ich bin aber auch überfraktioneller, parteiunabhängiger Ansprechpartner für politische Entscheidungsträger bei allen Themen rund ums Pferd, dazu zählen der Breiten- und Spitzensport ebenso wie der Tierschutz. Und natürlich arbeite ich daran, die FN auf Bundesebene mit anderen Verbänden, Körperschaften und Organisationen zu vernetzen, wichtige Kontakte herzustellen und vor Ort für das Pferd und seinen Wert für die Gesellschaft zu werben. Außerdem unterstütze ich auch die Landespferdesport- und Zuchtverbände bei ihren politischen Belangen.

PM­-Forum: Wie müssen wir uns das vorstellen? Wie sieht eine typische Arbeitswoche bei Ihnen aus?

Feßler: Es gibt eigentlich nicht die klassische Woche. Zunächst einmal sichte ich täglich die politische Agenda, ich schaue also: Was steht an im Parlament? Was wird dort beraten? Welche Ausschüsse befassen sich mit welchen Themen und was davon könnte für uns relevant sein? Ich versuche also, den Pferdesport betreffende Themen frühzeitig zu erkennen, Handlungsspielräume für die FN-Positionen zu identifizieren und diese dann auch zu nutzen. Dazu gehört es, dass ich jede Woche viele persönliche Gespräche führe, mit Politikern und deren Beratern, aber auch im Wirtschafts- und Sozialbereich. Darüber hinaus nehme ich an Kongressen teil, arbeite aktiv in Gremien anderer Verbände mit, wie beispielsweise beim Aktionsbündnis Forum Natur, beim Deutschen Olympischen Sportbund oder beim Deutschen Bauernverband. Außerdem besuche ich Turniere oder Veranstaltungen mit mal mehr, mal weniger starkem Pferdebezug. Ich versuche dabei immer Themen aufzunehmen, ins Gespräch zu kommen und Kontakte zu knüpfen und zu pflegen.

Zur Person:

Bernhard Feßler ist seit 2017 Leiter des FNHauptstadtbüros. Der gelernte Bänker und studierte Verwaltungswissenschaftler kommt aus Leinfelden-Echterdingen, wo er seit seinem zehnten Lebensjahr Mitglied im örtlichen Reit- und Fahrverein ist. Bei seinen zahlreichen beruflichen Stationen, u. a. als Referatsleiter beim LVI-Landesverband der Baden-Württembergischen Industrie und als Leiter für Politik, Wirtschaft und Außenbeziehungen für ein internationales Beratungsunternehmen im Bau- und Immobiliensektor, aber vor allem in seinen 12 Jahren als Geschäftsführer des Wirtschaftsrates im Landesverband Baden-Württemberg, legte er den Grundstein für ein großes Netzwerk an Kontakten, das ihm auch bei seiner jetzigen Aufgabe zu Gute kommt. In seiner Freizeit engagiert sich der passionierte Jagdreiter in vielen ehrenamtlichen Gremien und liebt alle Arten von Bergsport.

PM­-Forum: Können Sie uns ein paar konkrete Themen nennen, die Sie momentan beschäftigen?

Feßler: Da ist zum einen das Thema Wolf. Durch dessen unkontrollierte Ausbreitung kommt es immer wieder und vermehrt zu Übergriffen auf Pferde. Ich vertrete die Interessen der Pferdehalter, die ihre Tiere geschützt wissen müssen und versuche die in dieser Angelegenheit etwas träge agierende Politik dazu zu bewegen, effektivere Wolfsmanagementpläne aufzustellen. Dann beschäftigen mich zum Beispiel die etwas sperrig klingende „Verbrauchsgüterkaufrichtlinie“, die auch das Tierverkaufsrecht für Pferde beinhaltet, der grenznahe Reiseverkehr mit Pferden zwischen Deutschland und den Niederlanden und dass dieser ohne Gesundheitszeugnis möglich ist, sowie Verordnungen zur Equinen Einhufer Anämie und deren bürokratische Auswirkungen auf die Pferdeszene. Und natürlich haben wir an der Neuauflage der BMEL-Leitlinien für Tierschutz im Pferdesport mitgearbeitet. Ganz aktuell geht es dann auch noch um Verhandlungen mit der Politik in Bund und Ländern über Corona-Hilfen für den deutschen Reitsport.

PM-­Forum: Weshalb ist das, was Sie tun, so wichtig? Wie profitiert die FN, wie profitiert der Pferdesportler im Lande von Ihrer Arbeit?

Feßler: Wer möchte, dass seine eigenen Interessen in der Politik gehört werden, kann es sich heute kaum mehr leisten, nicht vor Ort aktiv zu sein. Ich gebe der FN ein Gesicht in dieser bisweilen von außen als „grau und undurchsichtig“ wahrgenommenen Szene und kann schnell auf Beschlüsse oder Vorhaben reagieren, weil ich sie eben mitbekomme. Sonst würde beispielsweise bei der Neugestaltung von Naturschutzgesetzen das Interesse der Pferdehalter und Reiter, die diesen Raum auf eine sehr schonende Art für sich nutzen und ausreiten oder ihre Pferde auf Wiesen weiden lassen möchte, nicht berücksichtigt werden.

Ganz aktuell: Feßler verhandelt mit der Politik in Bund und Ländern über Corona-Hilfen für den deutschen Reitsport. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv

 Feßlers große Leidenschaft gehört dem Jagdreiten. Foto: Björn Schroeder

PM-­Forum: Sie sind nun seit drei Jahren Leiter des FN­-Hauptstadtbüros. Was konnten Sie bisher erreichen? Können Sie hier Beispiele nennen?

Feßler: Grundsätzlich ist Lobbying der Verschwiegenheit verpflichtet. Wir arbeiten im Hintergrund und treten bei Erfolgen nicht in Erscheinung, zumal eine Eins-zu-eins-Zuordnung hier schwer ist. Ein schönes Beispiel ist vielleicht, dass die Mitglieder des Bundestages (MdB) einen Parlamentskreis Pferd gegründet haben, der mit viel Presseecho gestartet ist. Heute sind dort über 40 Bundestagsabgeordnete mit dabei, die einen indirekten oder direkten Bezug zum Pferd haben und darüber natürlich auch leichter für unsere Themen zu erreichen sind.

Netzwerken gehört zum Job: Feßler mit Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission und bekennender Pferdefan. Foto: privat

Dafür, dass Pferde als Weidetiere effektiv vor dem Wolf geschützt werden, setzt sich Feßler für die FN in der Berliner Politiklandschaft ein. Foto: Christiane Slawik

PM-­Forum: Wie reagieren Politiker, deren Mitarbeiter und die Leute in den Ministerien auf Sie? Sind die freundlich zu Ihnen oder eher genervt?

Feßler: Das ist ein sehr guter und zuweilen auch verbindlicher Umgang. Freundschaftlich könnte man ihn zu manchen Mandatsträgern nennen. Zu Beamten oder Bediensteten der öffentlichen Hand bin ich professionell mit der gebotenen Distanz. Wir finden nahezu überall offene Türen. Und dort wo nicht, arbeite ich daran, sie zu öffnen.

Schon gewusst…?

Seit Ende 2017 hat die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) wieder einen Sitz in Berlin. Schon einmal, von seiner Gründung im Jahr 1905 bis zum Zweiten Weltkrieg, hatte der Verband der Züchter des deutschen Halbblutpferdes als Vorläufer der heutigen Deutschen Reiterlichen Vereinigung seine Zentrale in Berlin.

PM-Forum: Was macht Ihnen besonders viel Freude an Ihrem Job?

Feßler: Ich liebe die Vielfalt, kein Tag ist wie der andere. Das Netzwerk wächst ständig, ich habe viele Kontakte und darf miterleben, wie die eigenen Themen Gehör finden. Viel Freude macht mir auch der Kontakt zur Basis im Pferdesport, also dorthin, wo die Themen entstehen, für die ich mich einsetze.

PM­-Forum: Gibt es etwas, das jeder einzelne Pferdesportler vor Ort in seinem Umfeld tun kann, um seine Interessen und die anderer Pferdefreunde auch im kleinen Maßstab zu vertreten?

Feßler: Ja, auf jeden Fall. Wir müssen als Pferdeszene insgesamt noch sichtbarer werden, uns mehr zeigen. Pferdesport ist nicht Elitesport, sondern Breitensport. Die Vereine überleben nur dann, wenn sie Mitglieder haben. Jeder kann bei anderen das Pferdeinteresse wecken, Vorbild sein und unseren Sport positiv darstellen. Das geht schon mit Kleinigkeiten los, zum Beispiel indem man beim Ausreiten bei Begegnungen mit anderen Verkehrsteilnehmern freundlich grüßt. Und natürlich lohnt es sich, auch vor Ort Kontakte zu knüpfen, sich als Verein in seinem Umfeld für Jugendarbeit zu engagieren, Turniere zu veranstalten und so zum Stadt- und Gemeindeleben beizutragen und als wertvoller Bestandteil dessen wahrgenommen zu werden. Dadurch schafft man sich eine komfortable Position, gerade für Tage, an denen auch mal kritische Themen auf den Tisch kommen.

PM­-Forum: Zum Abschluss noch eine Frage: Welche Auswirkungen hatte und hat die Corona­-Pandemie auf Ihren Job?

Feßler: Im Normalfall sind die Tage besonders in den Sitzungswochen des Deutschen Bundestags lang. Durch die Corona-Pandemie fällt hier vieles weg. Es fehlen die Gespräche und direkten Zugänge, der Austausch. Gerade Netzwerke leben von der aktiven Gestaltung und diese ist stark eingeschränkt. Online-Konferenzen sind eine Möglichkeit, das Tagesgeschäft zu erledigen. Sie sind aber niemals dafür geeignet, Themen umfassend zu diskutieren. Dazu braucht es die persönliche Gesprächsatmosphäre. Aber die Coronazeit hat auch was Gutes: Ich erlebe ein Leben außerhalb der Politikblase, die sonst alles einnimmt. Und genieße auch mal etwas mehr Privatleben. Das kannte ich so nicht und es hat auch seine Vorzüge – bei aller Begeisterung und Leidenschaft für den Job.

Das Interview führte Maike Hoheisel-Popp.

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