2. Liebenberger Pferdeforum „Pferde und Medien“
„Wir müssen das Pferd zu den Menschen bringen“
Mehr Internet, mehr Social Media, mehr Veranstaltungen mit Eventcharakter und vor allem mehr Emotionen – das sind die Zutaten, mit denen sich auch künftig Menschen fürs Pferd begeistern lassen. Zu diesem Ergebnis kam das 2. Liebenberger Pferdeforum, zu dem die Deutsche Kreditbank AG gemeinsam mit dem Oldenburger Pferdezuchtverband und den Persönlichen Mitgliedern ins Löwenberger Land bei Berlin eingeladen hatte. Unter der Überschrift „Pferde und Medien“ drehten sich sämtliche Beiträge vor allem um ein Thema: Wie gewinnen wir mehr und vor allem neue Menschen für Pferdesport und Pferdezucht?
Den Wandel in der Pferdezucht brachte Dr. Axel Brockmann, Landstallmeister des Niedersächsischen Landgestüts in Celle auf den Punkt: Der Züchter von gestern war männlich, landwirtschaftlich geprägt, dachte in Generationen und tauschte sich vor Ort auf den Stationen persönlich über die Hengste aus. Die Züchterschaft von morgen ist weiblich, kommt aus dem Reitsport und geht auf Hengstschauen, in Hochglanzprospekten und im Internet auf die Suche nach potenziellen Vererbern. Das hat Konsequenzen, nicht nur für die Zucht selbst. Als Vorteil von Homepage, Facebook und Co. nannte Brockmann die weltweite Aufmerksamkeit, die das Internet erst möglich macht. Damit das Landgestüt aber auch in den Köpfen der Menschen vor Ort präsent bleibt, liefern Konzerte, Weihnachtsmarkt, Gottesdienste sowie die neue „Erlebnis Pferd“, die die klassische Hengstparade ersetzt, ausreichend Anlass zur Berichterstattung. „Ohne Medien können wir die Begeisterung für das Pferd nicht ins Volk tragen. Wir müssen Emotionen wecken in einer breiten Bevölkerungsschicht“, so Brockmann.
„Medienstar“ Niederlande
Offensichtlich präsent in den Medien sind die niederländischen Pferdesportler. „Orange ist the new gold“ schrieb gar der Weltreiterverband über die Weltreiterspiele in Caen. „Vor jedem Bericht steht allerdings eines: eine Entscheidung, eine Tat oder der Erfolg“, erklärte der niederländische Journalist Dirk Willem Rosie. Aus seiner Sicht basiert die Medienwirksamkeit seiner Landsleute auch auf kulturellen Unterschieden. „Anders als die Deutschen sind wir Holländer schlecht erzogen und daher auffällig. Und damit kommen wir in die Medien“, erklärte er augenzwinkernd am Beispiel eines Bildes mit verkleideten und ausgelassen feiernden niederländischen Fans. An den Umgang mit den Medien werden schon die Nachwuchsreiter im Rahmen eines Talentfindungs- und -förderungsprogramms gewöhnt. Eine Maßnahme, die unter dem Stichwort „Über die Jugend in die Medien“ in ähnlicher Form auch in Deutschland umgesetzt wird, wie FN-Präsident Breido Graf zu Rantzau später berichtete.
Die richtige Geschichte macht’s
Mit solchen Sendebeiträgen konnte RTL-Reporterin Clara Briefs auch ihre Redaktionskollegen vom Pferd überzeugen: Geschichten über die erfolgreiche Züchterin Harli Seifert, die auch heute noch bei jedem Fohlen glänzende Augen bekommt, oder Dressurreiterin Andrea Bethge, deren Pferd nach einem Unfall heute im Grand Prix geht. „Man braucht eine gute Geschichte und muss Leidenschaft transportieren. Dann ist das Thema Pferd im Fernsehen erfolgreich. Schaffen Sie keine fachliche Distanz, sondern persönliche Nähe“, empfahl Briefs und ergänzte auch gleich, was es für eine gute Story braucht: Alles, was die Welt noch nicht gesehen, gelesen oder gehört hat oder was eine neue Sichtweise auf Dinge erlaubt und natürlich die richtigen Protagonisten.
König Fußball regiert das Fernsehen
Ein Zurück in die gute alte Zeit, in denen Pferdesport regelmäßig im Fernsehen zu sehen war, wird es aber wohl nicht mehr geben. Das machte Hartmann von der Tann den rund 230 Teilnehmern in aller Deutlichkeit klar. „Was zählt, ist die Quote“, sagte der ehemalige ARD-Chefredakteur und kam entsprechender Kritik am Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen zuvor: „Wenn wir von ALLEN Gebühren bekommen, müssen wir – zumindest in einem gewissen Umfang – auch liefern, was ALLE wollen.“ Und das ist in erster Linie Fußball, der nicht nur Einschaltquoten, sondern auch ein jüngeres Publikum garantiert. In der nächsten Saison erwartet die Premier League in England Fernseheinnahmen in Höhe von 3,2 Milliarden Euro, die deutsche Fußballiga immerhin 885 Millionen – das sind, konservativ geschätzt, die Produktionskosten für rund 550 Tatorte.
1,3 Millionen Zuschauer müssen es mindestens sein, wenn ein Thema fürs Erste Programm interessant sein soll, erklärte von der Tann weiter. „Wenn also etwa die Hälfte aller organisierten Reiter den Fernseher einschaltet, brauchen Sie immer noch eine runde Million Zufallszuschauer“, sagte der ehemalige Sportkommentator. Diese seien dem Reitsport in einer verstädternden Gesellschaft und eines sich ändernden Tierschutzgedankens allerdings nicht mehr so verbunden wie in früheren Zeiten. „Zudem rückt der Sport immer mehr in den Unterhaltungssektor“, sagte von der Tann. „Drei Kriterien bestimmen über den Erfolg: der Sport muss spektakuläre Bilder bieten, die Regeln müssen verständlich und für Zuschauer leicht nachvollziehbar sein und nicht zuletzt muss mindestens einen deutschen Protagonisten geben, der vom Aschenputtel zum Star wird.“
Vom „Aschenputtel“ zum Superstar
Eine Karriere beispielsweise, wie die von Isabell Werth. Sie stieg von der Nachwuchsreiterin im ländlichen Umfeld zur gefeierten Dressur-Queen auf und hat sich dank der Unterstützung von Madeleine Winter-Schulze seit Jahrzehnten an der Spitze des Dressursports etabliert. In Liebenberg plauderten die beiden über ihr nächstes Ziel: der gemeinsame Auftritt von Werth mit Bella Donna und ihrer Schüler Beatrice Buchwald mit Weihegold OLD bei den Olympischen Spielen in Rio.
Erfolg alleine ist jedoch kein Garant für dauerhaften Zuschauer- und Medienzuspruch. Auch hier musste Hartmann von der Tann die Zuhörer enttäuschen. Verschwindet ein Star oder wird der Erfolg zur Gewohnheit, erlahmt auch das Interesse. „Das Publikum ist undankbar“, sagte er und belegte dies am Beispiel von Tennis und Formel eins, an der das Interesse noch zu „Schumi’s” aktiven Zeiten um 60 Prozent zurückging.
Aus den Augen, aus dem Sinn
Dass es den deutschen Spitzenreitern unter solchen Umständen manchmal schwerfällt, in den Medien präsent zu bleiben, wird durch die Tatsache verschärft, dass heute viele Topturniere im Ausland und damit außerhalb des Blickfelds der deutschen Medien und Öffentlichkeit stattfinden. Statt weltweit fünf Fünf-Sterne-Turniere gäbe es aktuell 70, klärte Volker Wulff auf. Der bekannte Turnierveranstalter unterstrich darüber hinaus die Aussagen aller Referenten, dass angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen eine Veranstaltung heute mehr bieten muss als nur Sport. Beispiele wie die Hop Top-Show oder die Apassionata, die jährlich etwa 500.000 Zuschauer anlockt, beweisen, dass das Pferd nach wie vor eine Faszination auf die Menschen ausübt, wenn auch auf sich verändernde Weise.
Eine ähnliche Ansicht vertrat auch Paul Schockemöhle: „Die Turnierlandschaft hat sich verändert, dem müssen wir uns stellen. Wir müssen wieder dahin kommen, die Turniere zu gesellschaftlichen Events werden zu lassen“, sagte er in der abschließenden Diskussionsrunde. Der PM-Vorsitzende Dieter Medow brachte es schließlich auf den Punkt: „Wir müssen das Pferd zu den Menschen bringen.“
Digitale Zukunft
Ein Weg dorthin führt übers Internet. Zunehmende Professionalität, neue Formate, die Möglichkeit, den Zeitpunkt des Einschaltens selbst zu bestimmen, und nicht zuletzt die Globalisierung des Sports sorgen für immer größeren Zuspruch, wie das Beispiel der Internetplattform ClipMyHorse beweist. Klang es bei Hartmann von der Tann noch nach einer Vermutung, war sich Lars Tjaden, Vertriebsleiter bei ClipMyHorse, bereits sicher: „Der Reitsport wird sich künftig komplett auf die digitalen Medien beschränken.“
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