Ausbildungstipp: Stressfrei Ausreiten im Frühjahr

Mit dem Pulverfass ins Gelände

Es könnte so schön sein, doch für manche Reiter sind die Ausritte im Frühjahr purer Stress. Überschäumendes Temperament des Pferdes und wildes Losstürmen im Galopp kann man allerdings verhindern, denn gutes Geländereiten beginnt nicht erst im Sommerhalbjahr im Gelände, sondern muss Teil der Winterarbeit sein. Wie der stressfreie Ausritt gelingt, erläutert FN-Ausbildungsbotschafter Christoph Hess.

Frage: Mein neunjähriger Wallach benimmt sich im Frühjahr unmöglich. Im Winter haben wir in unserer Umgebung kaum Chancen, im Gelände zu galoppieren. Meist drehen wir nur Schrittrunden. Wenn dann im Frühjahr die ersten größeren Ausritte ins Gelände anstehen, ist sein Bewegungsdrang nicht zu bändigen, auch wenn ich ihn vorher schon ablongiert habe. Er stürmt davon, macht Luftsprünge, die ich nicht immer abfangen kann, legt sich auf die Hand. Es dauert Monate, bis er sich friedlich durchs Gelände steuern lässt. So macht mir das wirklich keinen Spaß mehr. Wie bekomme ich ihn ruhig?

Michaela Metzger

Wir Reiter können es oftmals nach der Winterzeit nicht abwarten, endlich ins Gelände zu gehen und den lang ersehnten Galopp in der Gruppe zu wagen. Einige Pferde sind beim ersten Ausritt im Jahr voller Tatendrang und kaum zu bremsen, doch bei anderen hält diese Problematik das ganze Sommerhalbjahr an. So wird das Reiten im Gelände zu einer ständigen Herausforderung – sowohl für den Reiter als auch für das Pferd.

Besonders Pferde, die sehr gehfreudig und bei eintöniger Arbeit im Winter gelangweilt sind, werden in den Sommermonaten zu „tickenden Zeitbomben“. Doch das Reiten im Gelände ist keine Magie, jeder kann es praktizieren, doch muss es in ein systematisch aufgebautes Ausbildungsprogramm eingebaut werden. Das heißt, in der Reithalle und auf dem Außenplatz muss Ihr Pferd sorgfältig gymnastiziert werden, damit es an Ihren feinen treibenden Hilfen steht. Wählen Sie ein frisches Arbeitstempo im Trab und Galopp und reiten häufig Übergänge zwischen diesen beiden Gangarten. Je mehr Sie Ihr Pferd vor Ihren Ausritten springorientiert gymnastizieren, desto trittsicherer wird es sich hinterher im Gelände bewegen und unter dem Sattel sein natürliches Gleichgewicht finden. So sollten Sie sowohl in der Halle als auch auf dem Außenplatz unabhängig vom Zügel sitzen und das Leichttraben beziehungsweise das Galoppieren im leichten Sitz mit seinen unterschiedlichen Entlastungsformen als hauptsächliche Sitzform wählen.

Wird Ihr Pferd von Ihnen am Zügel festgehalten – was häufig unbewusst erfolgt –, dann wird es das möglicherweise in der Reithalle und auf dem offenen Reitplatz noch akzeptieren. Doch dieses Verhalten wird zu einem richtigen Problem, wenn Sie mit Ihrem Pferd ins Gelände gehen. Spätestens hier wird sich Ihr Wallach diesem unangenehmen Gefühl entziehen und seinen natürlichen Instinkt, den Fluchttrieb, aktivieren. Das Pferd macht Bocksprünge oder geht gar durch. Die einzige Chance „gegenzusteuern“ besteht darin, dass Sie es nach vorne ausgleichen, also im Trab und Galopp zulegen und auf keinen Fall versuchen, Ihr Pferd zurückzuhalten. Je mehr Sie die Zügel annehmen, desto mehr wird sich Ihr Pferd Ihrer Kontrolle entziehen und Ihnen „das Leben im Sattel“ außerordentlich schwer machen.

Immer wieder Übergänge

Auch im Gelände müssen Sie erneut eine Vielzahl an Übergängen im ruhigen, aber dennoch frischen Arbeitstempo im Trab und Galopp reiten. Der Übergang von dem Zweitaktrhythmus des Trabes in den Dreitaktrhythmus des Galopps und umgekehrt hat für Pferde eine unglaublich beruhigende Wirkung, die zugleich die Durchlässigkeit nachhaltig verbessert. Dabei müssen Sie sicherstellen, dass Sie in die jeweils neue Gangart „hinein reiten“, also sowohl beim „hoch-“ als auch beim „herunterschalten“ die treibende Hilfe anstelle der Zügelhilfe einsetzen. Für die Arbeit auf dem Außenplatz bzw. im Gelände empfehle ich, die Steigbügel zwei bis drei Löcher kürzer zu schnallen als in der Reithalle. Es sollte im Leichttraben und im leichten Sitz im Galopp sowie auf geraden und großen gebogenen Linien gearbeitet werden. Ich empfehle, dass neben dem Einzelreiten hier immer wieder zu zweit oder in einer Kleingruppe hintereinander und nebeneinander geritten wird. Pferde fühlen sich in der Gruppe wohl, sind sie doch Herdentiere. Deshalb rate ich Ihnen, niemals alleine mit Ihrem Pferd ins Gelände zu gehen.

Wenn der Übermut des Pferdes zum Buckeln, zur Seite Springen oder gar Durchgehen führt, kann es für den Reiter gefährlich werden.

Sinnvoller Aufbau

Im Gelände selbst sollten Sie stets einen ruhigen, aber dennoch fleißigen Arbeitstrab zu Beginn Ihres Ausritts wählen. Dieser ausgiebige erste Trab tut allen Pferden gut und Sie werden damit als Reiter in der Lage sein, den Übermut, der nicht nur bei Ihrem Pferd anzutreffen ist, zu kanalisieren. In dieser ersten Trabphase werden durch die naturgegebenen Bodenunebenheiten die Sehnen, Bänder und Gelenke ihres Pferdes trainiert.

Nach der ersten etwa zehnminütigen Trabarbeit empfehle ich Ihnen eine ebenso lange Schrittpause, bevor Sie ein zweites Mal etwa zehn Minuten am Stück traben. Wird Ihnen Ihr Pferd in dieser Trabphase etwas eilig, dann sollten Sie über die Übung „Schulterherein“ versuchen, Ihr Pferd auf sich zu konzentrieren und es damit zu beruhigen und in seiner Losgelassenheit und Durchlässigkeit zu verbessern. Je sicherer das Pferd den inneren Schenkel annimmt und sich durch die Schenkelhilfe beruhigen lässt, desto einfacher ist das Galoppieren, das ja bei vielen Pferden – also nicht nur bei Ihrem – zu heftigen Reaktionen führen kann. Häufig gewöhnen sich dies die Pferde nämlich an – besonders dann, wenn der Reiter ängstlich ist und den Galopp nicht nach vorne anlegt, weil er bereits die ersten Galoppsprünge verkürzt und eine rückwärts wirkende Reitweise praktiziert. Insofern empfehle ich Ihnen, lieber „gut“ im Gelände zu traben als „schlecht“ zu galoppieren. Damit meine ich: Sie müssen stets die Grundgangart, die Sie reiten, auch kontrollieren können. Ist Ihnen dies im Galopp nicht möglich, sollten Sie zunächst ausgiebig traben, solange bis Sie aus Ihrer treibenden Einwirkung heraus das Pferd auch am längeren Zügel reiten können und sich dieses an die Hand nach vorwärts-abwärts dehnt.
Beim Galoppieren ist es ganz wichtig, dass es in einem kontrollierten Vorwärts erfolgt. Ein ständiges „auf der Bremse stehen“ (in diesem Falle hieße das am Zügel ziehen und das Pferd ständig zurückhalten), führt nicht zu einem kontrollierten Galopp, sondern zum Gegenteil – bis hin zum unkontrollierten Durchgehen und Buckeln.

Dieses Durchgehen und Buckeln kann sich zudem noch ganz leicht auch auf die anderen Pferde in der Gruppe übertragen. So wird möglicherweise ein in einem ruhigen Tempo begonnener Ausritt zu einer wilden und damit völlig unkontrollierten „Jagd“, die schon häufig zu Verletzungen bei Pferd und Reiter geführt hat. Auch aus diesem Grund sollten Sie sich hinter einem ruhigen und erfahrenen Têtenreiter einordnen, um gegebenenfalls auf diesen „aufreiten“ zu können, um dadurch Ihr Pferd zu beruhigen. Eines sollten Sie stets beachten: Der Galopp in Richtung „Heimat“ ist ein No Go. Stattdessen sollte man in einem ruhigen Tempo im Trab und Schritt nach Hause zurückkehren.

Fazit:

Das Reiten im Gelände ist mit das Schönste, was wir mit unseren Pferden erleben dürfen. Doch auch in diesem Fall gilt die Maxime: „Vor der Freude fordern die Götter uns den Fleiß.“

PM-Leserinnen und -Leser können sich bei Ausbildungsproble­men gerne an Christoph Hess wenden. Schildern Sie Ihre Schwie­rig­keiten kurz und bündig, die Redaktion wählt dann einen Beitrag für die Veröffentlichung aus. Wenn Sie ein gutes, druckfähiges Foto ­haben, können Sie dies selbstverständlich mitschicken.

Kontakt: chess@fn-dokr.de

In Ihrem Falle bedeutet dies, dass Sie Ihr Pferd sorgfältig in der Halle und auf dem Außenplatz arbeiten, bevor Sie ins Gelände gehen – und das vor jedem Ausritt. Sind die ersten Ausritte sicher und kontrolliert durchgeführt worden, kann das Pensum allmählich gesteigert werden. Es kann längerfristig getrabt und galoppiert werden – und dies auf unterschiedlichen Bodenformationen im Bergauf und im Bergab. Das Reiten neben der Straße beziehungsweise das Überqueren von Straßen ist zu üben, und Sorglosigkeit kann ebenso verhängnisvoll sein wie mangelnde Konzentration, die schon alleine durch den Gebrauch des Handys eingeschränkt ist.

Vorheriger Artikel

Ausgabe 05/2015
Wozu Anlehnung und wie viel?

Nächster Artikel

Ausgabe 05/2015
„Wir müssen das Pferd zu den Menschen bringen“