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Tipps für Reiter und Trainer: Das Geheimnis gut gerittener Wendungen

Persönlichkeiten der Pferdeszene

Voller Einsatz für den Verband

Engagiert, durchsetzungsstark und weitsichtig – so hat sich Breido Graf zu Rantzau 16 Jahre lang als Präsident für die FN eingesetzt. Nun gibt er das Amt ab. Ein Resümee. Und ein Rückblick auf ein Leben, in dem Pferde von Anfang an die Hauptrolle gespielt haben.

Nach 16 Amtsjahren nimmt FN-Präsident Breido Graf zu Rantzau „seinen Hut” und kandidiert mnicht noch einmal. Fotos: Jacques Toffi

Was braucht es, um Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung zu sein? Am meisten wohl Diplomatie. Denn Breido Graf zu Rantzau ist einer, der es wissen muss: „Man kann nicht sagen, für dieses Amt braucht man dieses oder jenes, jeder hat andere Stärken, die er in das Amt einbringt“, antwortet er mit Weitsicht. Breido Graf zu Rantzau spricht ruhig und besonnen, macht Pausen, geht in sich und betont, was ihm wichtig ist. Reden kann er, sich durchsetzen auch und sich zurücknehmen, wenn es angebracht ist. Er formuliert Visionen und Ziele. Der 71-Jährige ist seit 16 Jahren FN-Präsident. „Ich habe das Amt 2005 übernommen. Ich war ein Mann der Basis, Reiterbundvorsitzender, der erste Aktivensprecher im Landesverband. Ich habe den Sport von der Pike auf gelernt, bin Dressur und Springen geritten und habe gezüchtet. Im Herzen war ich Sportler, von Hause aus Züchter. Das war ein ganzes Pfund, das ich da mitgebracht habe. Mir konnte keiner so schnell an den Karren fahren…“, erinnert er sich an die Anfänge und betont: „FNPräsident zu sein heißt, von Zucht, Reiterei und Menschen etwas zu verstehen.“

500 Jahre alter Landsitz

Der Graf hat zum Termin auf Schloss Breitenburg südöstlich von Itzehoe in Schleswig-Holstein geladen, seinem Zuhause. Eine schmale Zufahrtsstraße führt Besucher zunächst an Koppeln mit Holzzäunen, einem Parkplatz mit Pferdeanhängern und Transportern und an Stallungen vorbei. Linker Hand sieht man da schon das Schloss auf einer Anhöhe liegen. Der große Innenhof ist gepflastert, in der Mitte steht ein alter Brunnen mit vergoldeter Kuppe. Es ist ein 500 Jahre alter Landsitz mit West- und Nordflügel, versehen mit unzähligen Fenstern und an den Seiten gesäumt mit Türmen. Das ganze Areal scheint verschlafen, was an den kühlen Temperaturen oder auch an Corona liegen mag. Im Salon des Schlosses mit schweren Holzmöbeln brennt Feuer im Kamin, an den Wänden hängen Gemälde, der Blick nach draußen gibt eine große Terrasse und dahinter einen Teich frei. Breido Graf zu Rantzau gehört zu einer der ältesten Adelsfamilien Schleswig-Holsteins. Das Schloss Breitenburg ist seit 1526 Stammsitz der Familie. Seine Mutter floh mit Pferden aus Ostpreußen nach Holstein. Breido Graf zu Rantzau ist in Breitenburg geboren (1949) und aufgewachsen. Dreijährig saß er das erste Mal auf einem Pferd. „Wir hatten einen sehr netten Stallmann, bei ihm war ich immer. Mit sieben Jahren bin ich dann mein erstes Turnier geritten, mit 58 das letzte“, erzählt der Senior. „Ich habe die Zeit voll ausgekostet.“

Er war bei drei Nationenpreisen im Einsatz und mit Landlord belegte er Platz fünf im Hamburger Springderby. Beim Derby startete er aber nicht nur einmal, hier sitzt er im Sattel von Lenz.

Pferdefachmänner im Gespräch: Paul Schockemöhle und Graf Rantzau.

Das Pferd seines Lebens

Er war als Junior sowohl im Dressurals auch im Springsport erfolgreich. Eine zeitlang ritt er bei dem renommierten Dressurausbilder Walter „Bubi“ Günther – „Dort habe ich den richtigen Sachverstand fürs Reiten bekommen“ – 1965 gewann er bei der Deutschen Meisterschaft Dressur, damals mit Pferdewechsel, die Bronzemedaille mit Baccara, im Junioren- Lager der Springreiter gewann er 1967 DM-Silber und er wurde Europameister im Sattel von Weintraube, die als Okaweintraube v. Waldjunker eingetragen war. „Weintraube war ein ganz tolles Pferd!“ Im Seniorenlager ging Breido Graf zu Rantzau national und international an den Start. „Ich gehörte bestimmt nicht zu den besten Reitern Deutschlands, aber ich konnte Pferde gut ausbilden“, sagt er rückblickend. Er war bei drei Nationenpreisen im Einsatz und belegte mit 34 Jahren Platz fünf im Hamburger Springderby. Im Sattel des Holsteiner Wallachs Landlord. „Landlord war das Pferd meines Lebens“, so Graf Rantzau, „ein Kämpfer, der technisch nicht super begabt war, aber eine fantastische Einstellung hatte.“ 

Gemeinsam mit DOKR-Geschäftsführer Dr. Dennis Peiler, Disziplin-Koordinator Andre Schoppmann und dem ehemaligen DOKR-Geschäftsführe Reinhard Wendt fiebert Graf Rantzau bei den Europameisterschaften in Aachen 2015 auf der Tribüne mit.

In den Sattel steigt Breido Graf zu Rantzau mittlerweile nicht mehr, „Ich bin kein Spazierreiter, deshalb habe ich mir das abgeschminkt. Aber ich gucke immer mal, wenn unsere jungen Pferde gesprungen werden.“ Im Stall Breitenburg stehen rund 50 Pferde verschiedener Parteien, zu denen auch der ehemalige Springreiter Michael Rüping gehört. In den Boxen stehen auch noch ein paar Selbstgezogene der Familie Rantzau zur Ausbildung. Es sind allerdings die letzten aus der Zucht, weil Sohn Moritz kein Interesse an Pferden hat und das Züchten nicht ohne Sachverstand funktioniert.

Überbringer des Lösegelds

Breido Graf zu Rantzau ging zur Schule, in ein Internat, leistete seinen Wehrdienst und studierte BWL. Mit 27 Jahren, 1976, übernahm er die Leitung von Schloss Breitenburg zu dem rund 1.200 Hektar Forstfläche, die Hausverwaltung und das Tourismusprogramm gehören. An seiner Seite war seine Frau Elke, die 2015 verstorben ist. Gräfin Elke zu Rantzau, selbst erfolgreich im Springen, war die Schwester des Springreiters Hendrik Snoek, den Breido Graf zu Rantzau bei der Europameisterschaft kennengelernt hatte. Die beiden verbindet bis heute eine enge Freundschaft. 1976 wurde Hendrik Snoek mit 28 Jahren entführt, Breido Graf zu Rantzau war damals der Überbringer des erpressten Lösegeldes. Auf Schloss Breitenburg gab das Ehepaar Rantzau die Landwirtschaft auf und eröffnete stattdessen einen Golfclub und züchtete Holsteiner. Gräfin Elke zu Rantzau brachte zwei Töchter mit in die Ehe, hinzu kamen noch zwei gemeinsame Söhne, von denen einer, Moritz, mittlerweile die Geschicke des Schlosses führt. Acht Enkelkinder bringen Leben in die herrschaftliche Bude.

„Landlord war das Pferd meines Lebens, ein Kämpfer, der technisch nicht super begabt war, aber eine fantastische Einstellung hatte“, so Graf Rantzau.

Graf Rantzau mit seinem Vorgänger Dieter Graf von Landsberg- Velen, der den Verband 33 Jahre lang führte und 2012 verstarb, und Tochter Rosalie Freifrau von Landsberg-Velen, die heutige Turnierchefin des Balve Optimums. Foto: Ludwiga von Korff

„Der ist zu frech!“

1984 übernahm Breido Graf zu Rantzau sein erstes offizielles Amt in der Zucht: Er wurde stellvertretender Vorsitzender des Holsteiner Verbandes. „Wenn man sich immer meldet und was zu sagen hat, bekommt man einen Posten“, erklärt er trocken. Zwei Jahre später wurde er Vorsitzender, seit 2007 darf er sich Ehrenvorsitzender nennen. Ende der 80er-Jahre kam er dann erstmals mit dem Präsidium der Deutschen Reiterlichen Vereinigung in Kontakt – als Züchter, als Teil des Vorstandes Zucht. Ende der 90er-Jahre ging es um die Nachfolge des damaligen FN-Präsidenten Dieter Graf von Landsberg-Velen, Breido zu Rantzau kam dafür ins Gespräch, aber Graf Landsberg-Velen sagte: „Nein, den nehmen wir nicht, der ist zu frech!“ Graf Rantzau muss schmunzeln, als er diese Anekdote erzählt. Er übernahm stattdessen zunächst ab 2001 das Amt des Vizepräsidenten im FN-Bereich Sport sowie den Posten des Vorsitzenden im Vorstand Sport und des Deutschen Olympiade- Komitees für Reiterei (DOKR).

Von 1999 bis 2005 war er außerdem Vizepräsident der World Breeding Federation for Sport Horses (WBFSH). „Pferde sind mein Leben. Sie haben mich erzogen, Pflichtbewusstsein gelehrt und mir einen gewissen, nicht zu großen Ehrgeiz gegeben. Und sie haben mir unendlich viel Freude bereitet.“ 2005, nach der Amtszeit von Jürgen Thumann, übernahm Breido Graf zu Rantzau schließlich den Präsidentenposten. Rückblickend sagt er: „Es waren sehr schöne Jahre, wenn auch nicht immer einfach. Ich habe immer das gemacht, was ich glaubte gut zu beherrschen… Im Umgang mit Menschen bin ich gut, denke ich. Menschen zusammenzubekommen, das liegt mir, auch wenn ich mich mal durchsetzen muss. Der Laden ist gut organisiert und es herrscht eine gute, friedliche Stimmung. Natürlich habe auch ich Defizite. Ich bin beispielsweise nicht so gerne in die große Sportwelt gefahren, nach Berlin und Frankfurt, wo die Verbandsgremien anderer Verbände sitzen. Ich habe mich immer lieber um unseren Verband gekümmert. Es gibt viele Aufgaben, einiges läuft gegen uns. Nicht nur Corona – ich denke, das werden wir einigermaßen gut überstehen – auch die Ganztagsschulen zum Beispiel machen das Management eines Reitbetriebs nicht einfacher. Und wir müssen die Turnierveranstalter wieder motiviert bekommen… “

„Ich war ein Mann der Basis, Reiterbundvorsitzender, der erste Aktivensprecher im Landesverband. Im Herzen war ich Sportler, von Hause aus Züchter“, so Graf Rantzau über seine Anfänge als Präsident.

Ehrungen vornehmen – das gehört auch zu den Aufgaben des FN-Präsidenten. Hier erhält Wolfgang Brinkmann das Deutsche Reiterkreuz in Gold.

Menschlich der größte Fehler

Bei einer Sache ist es Breido Graf zu Rantzau besonders wichtig, sie anzusprechen: „Menschlich gesehen war mein größter Fehler in meiner Präsidentenzeit, dass ich nicht verhindert habe, dass Christian Ahlmann eine viel härtere Strafe bekam als vier andere Reiter mit gleichem Vergehen.“ Damit spricht er die Sperre an, die Ahlmann wegen des Capsaisin-Funds bei Cöster bei den Olympischen Spielen 2008 bekam. „Das hat das Vertrauen der Reiter in die FN lange Zeit gestört“, räumt Graf Rantzau ein. „Insgesamt war es eine schwere Zeit. Ich habe mich mehrmals bei Christian entschuldigt, bin bei ihm gewesen. Innerhalb des Verbandes musste ich damals ganz schön den Rücken gerade machen, weil unbeteiligte Funktionäre mir und einigen unschuldigen Mitarbeitern ans Leder wollten. Ich denke, sonst habe ich nicht so viele Fehler gemacht, aber das sehe ich als einen an. Jetzt ist es gut. Aber ich verschweige es nicht! Wenn ich von erfolgreicher Präsidentschaft spreche, darf ich das auch nicht.“ Die Geschichte ist abgehakt, von allen Beteiligten. 

Schulterklopfen vom FN-Präsidenten für Springreiter Maurice Tebbel bei den Europameisterschaften 2017 in Göteborg.

„Mit schwierigen Situation umzugehen gehört zu diesem Amt dazu“, betont Graf Rantzau. Und es habe ja viel Schönes gegeben, fügt er mit Nachdruck hinzu. „Mit das Schönste war die WM in Aachen, dass Deutschland Gastgeber der schönsten Weltreiterspiele war, das hat uns schon stolz gemacht. Abgesehen davon gab es viele andere schöne Momente, Championatserfolge…“ Für sein Engagement im Pferdesport wurde Breido Graf zu Rantzau mehrfach ausgezeichnet: von der FN mit dem Reiterkreuz in Gold und der Gustav- Rau-Medaille, vom Westfälischen Reiterverein mit dem Friedensreiterpreis und mit dem Meteor-Preis der Holsteiner Masters.

Breido Graf zu Rantzau, dem das Leben seit letztem Jahr mit einer Krebserkrankung eine ganz andere schwere Aufgabe aufgebürdet hat, wird sein Amt im Sommer an Hans-Joachim Erbel abgeben. „Ich gehe, weil ich der Meinung bin, ein Sportverband sollte nicht von zu vielen Alten geführt werden“, sagt er. „Außerdem war ich so viel auf der Straße, 50 bis 70 Tage im Jahr. Es ist Zeit…“ Er verabschiedet sich mit einem guten Gefühl: „Es fällt mir nicht schwer abzugeben. Wir sind gut aufgestellt im Haupt- und Ehrenamt, ich kann meinen Posten ruhigen Gewissens übergeben. Ich bin froh, dass ich sagen kann, es freut sich keiner, dass ich gehe. Und dass die Leute einen bis zum Schluss gemocht haben – nach so langer Zeit, das ist nicht selbstverständlich. Ich gebe einen friedlichen Verband ab. Und es ist ja nicht vorbei…“ In Warendorf wird man ihn weiterhin ab und an sehen und auf dem Schloss wird Graf Rantzau genug zu tun haben und seinen Sohn Moritz unterstützen. Und auf eines freut er sich besonders: „Ich werde auch gerne mit den jungen Pferden auf die ländlichen Turniere fahren.“

Laura Becker

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