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Tipps für Reiter und Trainer

Das Geheimnis gut gerittener Wendungen

Das Reiten von Wendungen gehört schon für den Anfänger zum A und O erster Aktionen im Sattel. Es ermöglicht ihm Richtungsänderungen, ist also quasi die „Lenkung” des Pferdes. Warum das Reiten von Wendungen aber so viel mehr ist, was es mit Gleichgewicht, Geraderichtung oder diagonalen Hilfen zu tun hat und wie man überhaupt richtig wendet, erklärt Dressurexpertin Dr. Britta Schöffmann.

Korrekt gerittene Wendungen sagen viel aus über das Zusammenspiel der Reiterhilfen. Foto: Arnd Bronkhorst

Die Anweisung des Ausbilders klingt so simpel: Reite einen Zirkel. Was dann meist folgt ist alles, nur kein Kreis. Doch um nichts anderes handelt es sich bei einem Zirkel, dessen Bezeichnung sich von dem metallenen Zeichengerät ableitet, mit dem die meisten Leser zumindest in ihrer Schulzeit im Mathe-Unterricht Kreise um eine Nadel gezogen haben. Damit eine präzise runde Linie zu zeichnen ist ungleich einfacher, als sie ohne dieses Hilfsmittel zu reiten. Und so entstehen unterm Reiter in schöner Regelmäßigkeit Wendungen, die an Ostereier erinnern, einem Vieroder Achteck gleichen, mal zu klein, mal zu groß gelingen, teils rund, teils eckig geritten werden und überhaupt das Thema Stellung und Biegung oft ganz außer Acht lassen.

Wendungen zum Geraderichten

„Ist doch bloß ein blöder Zirkel“, mag so mancher denken. Dabei ist ein Zirkel, wie übrigens auch sämtliche anderen Wendungen, alles, nur nicht blöd. Bei allen Wendungen wird beispielsweise das Pferd entlang seiner Längsachse gebogen und so auf lange Sicht geradegerichtet. Das mag seltsam klingen, ist letztlich aber ganz logisch. In jeder – korrekt gerittenen – Wendung wird die Rumpfmuskulatur der Außenseite des Pferdes von Genick bis Schweif ein wenig gedehnt, die Innenseite ein wenig verkürzt. Werden Wendungen sowohl auf der linken als auch auf der rechten Hand abwechselnd geritten, gibt es auch einen entsprechenden Wechsel in der Muskulatur. Das wiedeKorrekt rum führt auf lange Sicht dazu, dass muskuläre Dysbalancen – Stichwort hohle Seite, Zwangsseite – sich verringern oder ganz verschwinden. Das Pferd wird zu beiden Seiten hin geschmeidiger und hat somit auch weniger Probleme, sich spurgenau und in sich gerade zu bewegen.

Ein Gefühl für die Lage der Schenkel ist für das Reiten vonWendungen besonders wichtig. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Blick hinter die Kulisse

Korrekt gerittene Wendungen sagen aber auch sehr viel aus über das Zusammenspiel der Reiterhilfen und ermöglichen sowohl Ausbildern als auch Richtern einen tiefen Blick hinter die auf den ersten Blick vielleicht ansprechend aussehende reiterliche Kulisse. Wer in seiner Einwirkung noch nicht so sicher ist, der wird sich nämlich schwer tun mit dem Einhalten einer gleichmäßig runden Linie. Ein bisschen zu wenig innerer Zügel und die Stellung fehlt und macht Biegung unmöglich. Ein bisschen zu viel innerer Zügel und das Pferd fällt auf die innere Schulter, verkantet womöglich im Genick oder weicht nach außen aus. Ein wenig zu viel äußerer Zügel und das Pferd blickt in die falsche Richtung. Der innere Schenkel zurückgelegt statt biegend in Gurthöhe und schon weicht die Hinterhand aus. Und wenn dann der äußere verwahrende Schenkel derweil schläft, ist die Linie der Wendung schon verlassen. Selbst die Gewichtsverlagerung und die nötige leichte Rotationsbewegung des Oberkörpers haben Einfluss auf Gelingen oder Misslingen einer Wendung.

Beim Reiten von Wendungen sollte der Ausbilder auch auf die verwahrenden Hilfen achten. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv

Hilfsmittel erleichtern die korrekte Wendung. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Ähnlich wie beim Fahrrad

Also weder blöd noch einfach! Die korrekte reiterliche Einwirkung muss dabei für jede Wendung gelten, egal ob Zirkel, Volte, Schlangenlinien oder „bloß” Ecke. Korrekt heißt: mindestens eine halbe Parade zur Einleitung der Wendung, gefolgt von einer Gewichtsverlagerung auf den inneren Gesäßknochen und einer stellenden inneren Zügelhilfe bei leicht vorgebendem, also Stellung zulassendem äußeren Zügel. Gleichzeitig macht der Reiter, ähnlich wie beim Abbiegen auf einem Fahrrad, eine Drehbewegung mit seinem Rumpf während sein innerer Schenkel am Gurt das Pferd treibt und biegt und der äußere verwahrend hinterm Gurt liegt. So wird die Hinterhand nach außen begrenzt und die Biegung gesichert. Und weil bei allen Wendungen der innere Schenkel an den verwahrenden äußeren Zügel herantreibt, spricht man bei der Einwirkung auf allen gebogenen Linien auch von der diagonalen Hilfengebung. Erst wenn die funktioniert, dann gelingt auch ein sauberes und spurgenaues Wenden.

Aber warum eigentlich?

Warum reicht beim Abwenden nicht das simple Prinzip „links herum = links ziehen und rechts herum = rechts ziehen”? Weil ein Pferd einen recht langen Hals hat und der Drehpunkt nicht der Kopf, sondern zunächst einmal die Schulter beziehungsweise die Vorhand des Pferdes ist. Erst später, wenn das Pferd unter dem Reiter an den Hilfen steht und sich mehr und mehr über die Versammlung schließt, lässt sich dieser Drehpunkt Richtung Hinterhand verlagern und ermöglicht Pirouetten – nie aber Richtung Kopf. Deshalb ist die Kontrolle von Schulter und Hinterhand des Pferdes auch so wichtig, denn die gelingt nur über die äußeren Hilfen.

Beim Reiten einer Quadrille sind Wendungen besonders häufig gefragt. Foto: FN-Archiv

Gleichmäßige Gewichtsverteilung

Und hier kommen die diagonalen Hilfen ins Spiel, basierend auf dem Treiben des inneren Schenkels in Richtung des äußeren Zügels. Innen und außen hat dabei nichts mit der Bahnmitte oder der Bande zu tun, so wie von vielen Reitschülern immer wieder vermutet, sondern mit der Frage: Gibt es Stellung oder nicht? Innen ist immer dort, wohin das Pferd gestellt ist. Keine Stellung, kein Innen – kein Innen auch kein Außen! Wenn es also die äußere Schulter ist, die zum großen Teil über das Gelingen von (Ab-)wenden entscheidet, dann ist es auch klar, warum Ausbilder und Reiter so pingelig beim Thema Stellung sein müssen. Allerdings sollten sie ebenso pingelig sein, wenn es bei Wendungen um die Biegung des Pferdes geht. Warum? Weil nur ein gebogenes Pferd sein Gewicht auf einem Kreisbogen gleichmäßig auf alle vier Beine verteilen kann und der Reiter somit einem Verschleiß entgegenwirkt. Vor allem auf der Zwangsseite, also der Seite, auf der sich das jeweilige Pferd zu Beginn der Ausbildung individuell etwas schlechter stellen und somit auch biegen lässt, passiert es sonst, dass es sich beim Wenden aufs innere Vorderbein stützt – und zwar in jeder Ecke, auf jedem Zirkel, in jeder Volte und bei jedem Abwenden überhaupt. Auf lange Sicht Verschleiß pur.

Oft zu hohes Tempo

Diese gleichmäßige Gewichtsverteilung in Wendungen klappt aber nur, wenn der Reiter sein Pferd nicht aus dem Gleichgewicht bringt. Entweder, weil er in einem viel zu hohen Tempo durch eine Ecke oder eine Volte rauscht. Oder weil er „falsch”, sprich gegen die Bewegung, sitzt. Wer links herum wendet, dabei aber seine innere Schulter nach vorn statt ein wenig nach hinten dreht, wendet quasi gegen das Pferd und bringt es somit aus dem Tritt.

Auch für Springreiter sind Wendungen besonders wichtig. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Wer‘s nicht glaubt, kann das ja mal beim Radfahren ausprobieren: den Lenker nach links (oder rechts) einschlagen, eine Kurve fahren und den Oberkörper dabei in die Gegenrichtung drehen. Doch Vorsicht, das könnte böse enden. Das Fahrrad wird die falsche Körperhaltung des Menschen nicht ausgleichen, ein Pferd dagegen wird es versuchen. Dasselbe gilt für ein zu hohes Tempo in Kurven, denn hier wirken Fliehkräfte. Wer manchen Reiter sein Pferd um die Ecken scheuchen sieht, möchte vermutlich nicht unbedingt mit ihm am Steuer durch eine scharfe Kurve fahren…

Dr. Britta Schöffmann

Typische Probleme und Tipps zur Lösung

Wer in Sitz und Einwirkung schon sehr sicher ist, müsste eigentlich auch korrekte Wendungen reiten können. In der Praxis sieht das anders aus, die Gründe dafür sind vielfältig. Hier die typischen Probleme, ihre möglichen Ursachen und ein paar Tipps zur Lösung.

 

  • Beim Durchreiten der Ecke ist das Pferd nicht oder falsch gestellt.
    Tipp: Das passiert oft aus mangelnder Konzentration des Reiters, der ja auch ohne korrekte Stellung irgendwie „um die Kurve” gekommen ist. Einfach mal eine Pylone in die Ecken stellen und zunächst im Schritt, später im Trab (im Galopp nur mit gut versammelten Pferden) außen herumreiten. Umwerfen gilt nicht! Schon wird der Reiter deutlich aufmerksamer und wird seinen inneren Schenkel vermehrt einsetzen. Auch bei allen anderen Wendungen hilft es dann, sich seinen inneren Schenkel als Pylone vorzustellen.
  • Beim Durchreiten der Ecke oder Abwenden kommt das Pferd auf die Vorhand und/oder kippt hinter die Senkrechte.
    Tipp: Meist hat hier die einleitende halbe Parade gefehlt, sodass das Pferd sein Gleichgewicht verliert. Also mit Beginn der Stellung halbe Parade (siehe auch PM-Forum 05/2021) reiten! Das gilt auch für das Durchreiten einer Ecke mit anschließendem Abwenden auf die Mittellinie, dies sind nämlich zwei Wendungen in schneller Folge! Und einfach mal darüber nachdenken, was man normalerweise tut, wenn man auf dem Fahrrad oder am Steuer eines Autos auf eine 90-Grad-Kurve zufährt.
  • Der Zirkel oder die Volte wird nicht rund.
    Tipp: Ganz wichtig: Sich zunächst einmal selbst die runde Linie vorstellen. Pferde kennen nämlich keine geometrischen Formen und würden von sich aus keine gleichmäßigen Kreise laufen. Erst wenn der Reiter vor seinem inneren Auge die Kreislinie vor sich sieht, kann er sich auch bemühen, sie einzuhalten. Dazu auch die Bahnpunkte nutzen: Im Zirkel die vier Zirkelpunkte anvisieren, kurz treffen und schon wieder zum nächsten wenden wollen, dabei an jedem Zirkelpunkt eine halbe Parade. Bei Volten zunächst an der langen Seite üben und sich die Mittellinie als äußere Begrenzung vornehmen und eine halbe Parade zur Einleitung, bei Bedarf weitere. Visualisieren hilft übrigens bei fast jeder Hufschlagfigur und Lektion – gerne auch mit optischen Hilfsmitteln wie Pylonen.
  • Das Pferd weicht über die äußere Schulter nach außen aus.
    Tipp: Das geschieht, wenn a) der Reiter zu viel über den inneren Zügel einwirkt, b) der äußere Zügel nicht genügend ansteht oder c) überhaupt gern mal auf der hohlen Seite des Pferdes. In Fall a) versuchen, dezenter zu stellen. In Fall b) sich auf den äußeren Zügel konzentrieren und ihn etwas mehr anstehen lassen. Sich dabei immer wieder klar machen, dass nicht der Kopf des Pferdes, sondern seine äußere Schulter gewendet wird. Und in Fall c) versuchen – zusätzlich zu allgemeiner geraderichtender Ausbildungsarbeit – mit dem äußeren Zügel den Hals des Pferdes etwas gerader zu machen, gegebenenfalls sogar vorübergehend konter zu stellen und so die (ausweichende) Schulter wieder vor die Hinterhand zu bringen.
  • Das Pferd lehnt sich oder drängt in Wendungen nach innen.
    Tipp: Zuerst die Stellung überprüfen. Die Ränder von innerem Auge und innerer Nüster müssen zu sehen sein, ansonsten liegt keine Stellung und damit auch keine Biegung vor. Das passiert häufig auf der Zwangsseite. Der Begriff bedeutet aber nicht, dass der Reiter den Kopf seines Pferdes nun nach innen zwingt. Also nicht am inneren Zügel nach rückwärts ziehen, sondern bei aktiv biegenden Schenkelhilfen korrigierend gegebenenfalls die innere Hand etwas anheben. So wird kein stärkerer und somit negativer Rückwärtsdruck auf Pferdemaul und Unterkiefer ausgeübt (was die meisten Pferde mit Festhalten quittieren würden), sondern lediglich der Druck von der Lade Richtung Leftze verlagert. Das wiederum löst bei den meisten Pferden eine Kaubewegung und somit ein Loslassen von Kiefermuskulatur und Genick aus. Erreicht der Reiter über diese Korrektur eine nachgiebige Stellung, kann sich das Pferd auch biegen, wobei es seine innere Schulter frei bekommt und sich nicht mehr darüber abstützt.
  • Beim Zirkel-verkleinern/-vergrößern geht die gleichmäßige Linie verloren.
    Tipp: Wieder sollte der Reiter die Linie visualisieren und die Spirale „sehen”. Um die Konzentration zu erhöhen, kann es helfen sich vorzustellen, auf einem schmalen kreisförmigen Steg zu reiten, von dem man zu beiden Seiten in die Tiefe stürzen könnte.
  • Das Pferd weicht trotz aller Bemühungen immer über eine Schulter aus bzw. stützt sich darauf.
    Tipp: Manche Pferde sind in sich (noch) so schief, dass die Zügelund Schenkelhilfen des Reiters allein in den Wendungen nicht immer ausreichen. Hier kann die Gerte unterstützend eingesetzt werden. Ist ein Pferd beispielsweise links deutlich hohl, wird es in Linkswendungen über die rechte Schulter nach außen driften, sich in Rechtswendungen dagegen auf die rechte Schulter innen stützen. Hier kann der Reiter die Gerte rechts führen, bei Bedarf an die Pferdeschulter tippen und sie so auf der linken Hand nach außen begrenzen bzw. auf der rechten Hand zum Ausweichen animieren. Dabei die gertenführende Zügelfaust so locker lassen, dass der Reiter sein Handgelenk nicht verkantet oder die Hand hochzieht.
  • Die Volten werden zu groß oder zu klein.
    Tipp: Hier spielen meist mehrere Faktoren eine Rolle. Zum einen fehlt manchen Reitern die Vorstellung über die Abmessungen, zum anderen kann die mangelnde Geraderichtung des Pferdes die Ursache sein. Aber auch fehlende Konzentration, noch unsichere Abstimmung der Einzelhilfen oder aber Sitzfehler (z.B. eingeknickte Hüfte) können die Ursache für Probleme sein. Wird die Volte immer zu groß am besten mit Zehn-Meter-Volten an der langen Seite beginnen, sich an der Mittellinie orientieren und bei jedem Tritt „wenden, wenden, wenden“ denken. Wird die Volte zu klein, den inneren Schenkel verstärkt einsetzen und damit das Pferd bei leichter Innenstellung gedanklich Richtung Außenlinie der Volte (äußeren Zügel) drängen wollen. Und dabei immer eins im Blick haben: Sitz, Sitz, Sitz!

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