Ausbildungstipp von Christoph Hess
Schritt – die schwierigste Gangart
Einen guten Schritt entwickelt der Reiter über richtiges Reiten in den Grundgangarten Trab und Galopp. Das heißt, nur aus gutem Reiten kann sich auch ein guter Schritt entwickeln. Soweit die Theorie. Was der Reiter in der Praxis tun kann, um den Schritt zu verbessern, erläutert FN-Ausbildungsbotschafter Christoph Hess im folgenden Beitrag.
Frage
Meine sechsjährige Stute befindet sich in solider Ausbildung, indem sie neben meiner Reiterei unter Aufsicht auch vom Profi weiter ausgebildet wird. Das stete Augenmerk liegt hier immer darauf, dass sie jederzeit reell über den Rücken geht. Vom Typus ist sie eher der Blütertyp, niemals stark, sondern sich eher verkriechend. Im Schritt hält sie sich gerne innerlich fest. Für mich ist die Balance schwierig und nicht zu schaffen, dass die Stute einerseits energisch abfußt, aber andererseits auch gelassen schreitet. Was kann ich tun, damit wir beide uns verbessern?
Eines muss vorweg gestellt werden, damit bewusst wird, wie wichtig die Grundgangarten Trab und Galopp für den Schritt sind: Einen guten Schritt entwickelt der Reiter über richtiges Reiten in den Grundgangarten Trab und Galopp. Insofern ist der Schritt ein echter Prüfstein für das richtige Reiten in diesen zwei anderen Grundgangarten. Das klingt zunächst paradox, doch die Praxis zeigt immer wieder, gutes Schrittreiten wird nicht dadurch erreicht, dass das Pferd fast ausschließlich in dieser Grundgangart „gearbeitet“ wird, sondern dadurch, dass das Pferd sicher an den Hilfen des Reiters ist und sich losgelassen bei guter Dehnung und Balance in den Grundgangarten Trab und Galopp reiten lässt.
Gibt es hierbei Schwierigkeiten, muss es für jeden Reiter eine Herausforderung sein, diese zunächst abzustellen, um danach im Schritt zu reiten. Insofern muss sich der Reiter über Folgendes im Klaren sein: Mit dem Schritt kann er das Geritten sein seines Pferdes überprüfen.
Er wird feststellen, ob sich sein Pferd loslässt, er zum Treiben kommt – ohne dass das Pferd dabei faul und phlegmatisch ist –, das Pferd das Gebiss „sucht“, sich also an die Hand des Reiters herandehnt. Der Reiter muss weiterhin sicher sein, jederzeit vorwärts, aber auch seitwärts reiten zu können. Je besser und vor allem sensibler das Pferd die treibenden Hilfen des Reiters annimmt, desto besser wird das Ergebnis im Schrittreiten sein.
Aus diesem Grunde vergeben die Turnierrichter in Dressurprüfungen auch bei den Schrittnoten den Koeffizienten 2, das heißt: Der Schritt wird doppelt gewichtet. Zum einen wird er vor dem Hintergrund des Taktes, des Fleißes und des Raumgriffes bewertet.
Zum anderen achten die Richter in besonderer Weise darauf, dass der Reiter „zum Reiten“ im Schritt kommt und diesen nicht nur als „passiver Passagier“ begleitet. Dieses aktive Reiten ist ein wichtiges Kriterium für die Überprüfung, ob der Reiter mit seinem Pferd auf dem richtigen Weg der Ausbildung ist oder nicht.
Dabei setzt der Reiter seine treibenden Schenkelhilfen wechselseitig ein. Das muss sicher im Viertakt erfolgen. Er muss dabei gleichzeitig mit seinen Händen im Vor und Zurück in die Nickbewegung des Pferdes eingehen und sollte das Gefühl haben, sein Pferd zwischen seinem Mitschwingen in der Hüfte, seinen Schenkeln und seinen Händen einzurahmen. Im Idealfall wird ihm das Pferd das Gefühl geben, sich nach vorwärts/abwärts zu dehnen und dabei den Ganaschenwinkel zu öffnen, wodurch die Nasenlinie leicht vor die Senkrechte kommt.
Das, was sich so leicht schriftlich in Worte kleiden lässt, ist in der Praxis nicht ganz einfach zu erreichen, denn jeder Reiter muss im Laufe seiner Ausbildung das richtige Gefühl für das Schrittreiten entwickeln: Auf der einen Seite muss er das Pferd schreiten lassen, ohne dabei selbst übermäßig aktiv zu treiben, auf der anderen Seite darf er aber nicht passiv werden, was zu einem deutlich verschlechterten Schritt führen kann.
Ein häufig anzutreffendes Phänomen ist es, dass Vollblüter auf der einen Seite oftmals sehr gehfreudig sind, auf der anderen aber die vortreibenden Hilfen des Reiters ignorieren. Daraus ergibt sich das Phänomen, das Sie hier beschreiben. Ihr Pferd dehnt sich nicht im Hals und kommt nicht zum ehrlichen Schreiten. Doch es gibt reiterliche
Herausforderungen, die uns helfen, diese Schwächen zu beheben.
Trab-Galoppübergänge
Kaum ein Übergang wie der vom Trab in den Galopp und vom Galopp zurück in den Trab hat eine so positive Auswirkung auf die Durchlässigkeit, den Gehorsam und das damit sensible Gerittensein des Pferdes. So empfehle ich Ihnen für Ihre Stute, dass Sie diese Übergänge ganz gewissenhaft in jede tägliche Ausbildungseinheit mit aufnehmen.
Sie sollten dies zunächst auf einem großen Zirkel praktizieren und dabei darauf achten, dass Ihr Pferd sowohl
bei dem „Heraufschalten“ vom Trab in den Galopp als auch beim „Herunterschalten“ vom Galopp in den Trab stets an Ihren treibenden Hilfen ist. Besonders beim „Herunterschalten“ ist es wichtig, dass Sie den Schwung des Galopps im Trab mit beibehalten. Deshalb ist es wichtig, bevor Sie „in den Trab hinein galoppieren“ zuvor die Galoppsprünge geringfügig zu verlängern und den Trab so gestalten, dass Sie bei den ersten Tritten im Trab (nach dem Übergang vom
Galopp) die Tritte verlängern können. Das Pferd muss nach vorne ziehen und darf auf keinen Fall durch einen verlangsamten Galopp in dem Übergang in einen verlangsamten Trab (gelegentlich hat dieser dann eine passageartige Tendenz) geritten werden. Sie müssen im Übergang das Gefühl haben, entweder mit beiden Händen überstreichen oder die Zügel aus der Hand kauen lassen zu können.
Reiten Sie den Übergang mit einer rückwärtsorientierten Tendenz – also mit verkürzten Galoppsprüngen vor dem Übergang und nach dem Übergang mit kurzen, schwunglosen Trabtritten, dann werden Sie nie in der Lage sein, einen taktsicheren, fleißigen und ergiebigen Schritt zu reiten. Insofern hat der Übergang speziell vom Galopp in den Trab eine zentral wichtige Bedeutung für harmonisches und damit sensibles Reiten in allen drei Grundgangarten.
Ab ins Gelände
Ergänzt werden kann dieses Basistraining noch dadurch, dass Sie nach dieser gymnastizierenden Arbeit ausgiebig im Gelände reiten, und das möglichst in unebenem Gelände auf unterschiedlichem Boden (härterem und weicherem). Diese Art des Reitens im Gelände hilft Ihnen, Ihr Pferd zu veranlassen, zum Schreiten – ja, zum „Marschieren“ – zu kommen und sich innerlich zu entspannen. Ich empfehle aber das Reiten im Gelände in Ihrem Falle erst nach der gymnastizierenden Arbeit in der Halle bzw. auf dem Reitplatz zu praktizieren. Je mehr sich Ihr Pferd entspannt, je mehr Sie zum „aktiven“ Treiben im Rhythmus der Schrittbewegung kommen, desto wirkungsvoller wird das Reiten im Gelände sein.
Fazit:
Im Schritt darf das Pferd weder bummeln, noch darf sich der Reiter ausruhen, sonst werden Sie Ihr Schrittproblem
nie wirklich befriedigend lösen können. Einmal das Pferd im Schritt bummeln zu lassen und es ein anderes
Mal zum Schreiten aufzufordern, wird kein Pferd „verstehen“. Deshalb hat Konsequenz in der Ausbildung einen ganz hohen Stellenwert.
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas Grundsätzliches ergänzen: Das Schrittreiten sollte in der Aufwärmphase
stets am langen oder sogar mit hingegebenem Zügel erfolgen. Lässt sich das Pferd los und kommt der Reiter im Verlauf des weiteren Trainings zum ruhigen (aber taktmäßigen) Treiben, dann bietet es sich an, die Zügel zu verkürzen – ohne dass dabei der Viertakt des Schrittes verloren gehen darf und der Reiter das Tempo bzw. die Frequenz des Schrittes
verändert. Das wird nur dann gelingen, wenn der Reiter sich ganz auf das Schrittreiten konzentriert, denn Schritt darf nie gedankenlos mit kurzen Zügeln geritten werden.
Christoph Hess
PM-Leserinnen und -Leser können sich bei Ausbildungsproblemen gerne an Christoph Hess wenden. Schildern Sie Ihre Schwierigkeiten kurz und bündig, die Redaktion wählt dann einen Beitrag für die Veröffentlichung aus. Wenn Sie ein gutes, druckfähiges Foto haben, können Sie dies selbstverständlich mitschicken.
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