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Lernen vom Reitmeister: Hans Melzer
Mit ganzer Passion
„Fachliche Kompetenz, Beharrlichkeit und grenzenloser Optimismus“ – so beschreibt ihn Reitmeisterin Ingrid Klimke. 21 Jahre Bundestrainer, 34 Medaillen, 19 Mal Championats-Gold – so beschreibt ihn der Sport. Sein Sport, die Vielseitigkeit! In zwei Jahrzehnten, von 2001 bis 2021, hat Hans Melzer die deutschen Vielseitigkeitsreiter zu den besten der Welt gemacht. Aber auch vor und nach dieser Zeit ist er mit Leib und Seele Reiter, Trainer, Pferdemann.
Von Reitmeister zu Reitmeisterin: In seinen über 20 Jahren als Bundestrainer hat Hans Melzer so manchen Werdegang in der Vielseitigkeit intensiv begleitet – der von Ingrid Klimke ist wohl eines der besten Beispiele. Alle Fotos: Stefan Lafrentz
„Ich war die ganze Woche nicht nervös, weil ich wusste, wie gut unsere Reiter drauf sind!“ Ein typischer Melzer-Satz kurz nach einem Championat. Teamspirit war für ihn immer ebenso ein Kernziel wie Kondition oder Durchlässigkeit. „Du formst immer wieder aus uns ‚Individualisten im Sattel‘ ein perfekt harmonierendes und exakt funktionierendes Team. Das macht Dich zu einem der erfolgreichsten Ausbilder und Trainer“, wieder so eine treffende Aussage von Ingrid Klimke, deren Vielseitigkeitslaufbahn unter der Ägide Melzer sensationell an Fahrt aufnahm. Auch als Trainer hat Melzer immer auf Teamarbeit gesetzt. 16 Jahre lang hatte er den Briten Chris Bartle an seiner Seite, er als Cheftrainer, Bartle als Disziplintrainer. Die beiden haben sich ausgetauscht, ergänzt, bereichert und die deutschen Vielseitigkeitsreiter zu den besten der Welt gemacht. Und Hans Melzer ist neugierig. Kaum ein Pferdesporttrainer zuvor hat sich so für moderne sportwissenschaftliche Methoden interessiert, hat Leistungsdiagnostik und Sportpsychologie ins Training einbezogen und an kleinsten Stellschrauben gedreht.
Erste Schritte
Hans Melzer wurde 1951 am letzten Tag des Wonnemonats Mai geboren. Einen passenderen Monat hätte er sich nicht „aussuchen“ können, denn selbst wenn er ernst guckt, lacht sein Gesicht irgendwie. Er hat sein Abitur gemacht und Betriebswirtschaft studiert, bevor er sich ganz den Pferden widmete und eine Bereiterlehre auf Gut Westenried bei Albrecht von Bredow machte. Er wurde Nachwuchsführungskraft bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, Leiter der Landesreitschule Weser-Ems und des Vielseitigkeitszentrums in Luhmühlen. „Nebenbei“ ging er 1975 und 1977 bei den Europameisterschaften der Vielseitigkeitsreiter an den Start.
Weg zum Bundestrainer
1984 machte Melzer sich mit einem Vielseitigkeits-Ausbildungsstall in Neu Wulmstorf selbstständig, zwei Jahre später übernahm er zusätzlich das Amt des Bundestrainers der Pony-Vielseitigkeitsreiter. Elf Jahre war er für die Jüngsten zuständig, dann lockte eine neue Aufgabe: 1997 übernahm er die Leitung des inzwischen gegründeten Ausbildungszentrums Luhmühlen, bevor er 2001 die Nachfolge von Martin Plewa antrat und Bundestrainer der deutschen Vielseitigkeitsreiter wurde.
Passion lebt weiter
Ende 2021, nach den Olympischen Spielen in Tokio, hat Melzer seinen Staffelstab an einen Mann übergeben, der in seiner Trainerzeit zweimaliger Mannschafts-Olympiasieger wurde: Peter Thomsen. Und was macht Hans Melzer jetzt? Das, was er immer gemacht hat: Er reitet – gerne Jagden, bildet aus, trainiert und widmet sich weiterhin mit ganzer Passion den Pferden.
Kim Kreling
Nach seinem Abschied als Bundestrainer hat Hans Melzer wieder mehr Zeit, selbst in den Sattel zu steigen und macht das auch mit ganzer Passion.
Für seine Verdienste wurde Hans Melzer in diesem Jahr mit dem Reiterkreuz in Gold geehrt.
Hans Melzers Ausbildungstipp: Galoppieren im Gelände
Galoppieren im Gelände macht Hans Melzer nicht nur persönlich Spaß, sondern ist auch sein Ausbildungstipp.
„Für mich ist der Galopp im Gelände natürlich das Herzstück der Vielseitigkeit, aber das Galoppieren im Gelände würde ich definitiv jedem empfehlen. Das bringt Abwechslung in den Trainingsalltag, ist für die Pferde mentaler Balsam und sie genießen es. Beim Galoppieren im Gelände schult man Ausdauer, Rittigkeit und Gleichgewicht des Pferdes, im Grunde kann man die ganze Skala der Ausbildung dabei fördern. Ich kann beispielsweise genauso Tempounterschiede und Übergänge üben wie in der Halle oder auf dem Platz, nur dass es den Pferden draußen mehr Spaß macht. Ich kann Hand- und Tempowechsel reiten, ich achte beim Aufnehmen darauf, dass sie in der Balance bleiben und dass das Genick der höchste Punkt bleibt. Allein schon das Reiten auf unterschiedlichen Böden schult das Gleichgewicht: Mal über einen ebenen Wiesenweg, dann über einen Waldweg mit Wurzeln, bergauf, bergab, härterer oder weicherer Boden, Gras, Sand. Das schult und härtet den Bewegungsapparat sehr viel mehr ab als immer nur auf einem topgeraden Ebbe-Flut-Boden zu reiten.
Körpersprache einsetzen
Und ich verbinde meine Übungen mit meiner Körpersprache. Es ist wichtig, dass Pferde lernen auf den Körper des Reiters zu reagieren. Ein Beispiel: Wenn ich mich mehr in den Sattel setze und intensiver mit den Unterschenkeln treibe, sollen sie nicht weglaufen, sondern sich auch mehr setzen. Das kann man wunderbar im leichten Bergab-Galopp üben. Das Gesäß kommt näher an den Sattel, der Oberkörper wird vermehrt aufgerichtet, die Pferde balancieren sich aus und kommen nicht auf die Vorhand. Bergauf wollen Pferde von Natur aus immer eher schneller werden. Dann gehe ich als Reiter mit dem Oberkörper etwas nach vorne in den deutlicheren leichten Sitz. So entwickle ich am Berg außerdem Kraft und Schnelligkeit und nicht zuletzt Ehrgeiz. Das alles zusammen kann einen ordentlichen Konditionsschub mit sich bringen. Ich kann auch im Gelände eine Galopp-Traversale einbauen, danach wieder in den leichten Sitz gehen und den Galopp nach vorne auflösen. Man hat im Gelände alle Möglichkeiten und kann sie mit den verschiedenen Gegebenheiten logisch verknüpfen.
Für jedes Pferd
Das Training im Galopp im Gelände beginne ich sobald die Pferde angeritten wurden, je eher, desto besser. Draußen in der Natur sind die Pferde abgelenkter und konzentrieren sich nicht darauf, ‚nur‘ im Kreis zu laufen. Die ersten Male empfiehlt es sich, ein Zugpferd mitzunehmen, das dem Youngster Sicherheit vermittelt. Ein Pferd, das vorweggeht, wenn mal ein Trecker kommt oder eine Herde Kühe neugierig am Zaun steht. Für junge Pferde sind Waldwege besonders vorteilhaft: Rechts und links sind Bäume, an denen sie einen gewissen Halt finden können.
Das Reiten auf unterschiedlichen Böden macht Pferde trittsicher und schult das Gleichgewicht.
Wenn ich einen sehr übermütigen Youngster habe, der gerne buckelt, ist es super, ihn in hügeligem Gelände zu bewegen. Mit dem Auf und Ab hat er dann genug zu tun. Mit ‚heißen‘ Pferden gehe ich besonders häufig ins Gelände, bis sie sich daran gewöhnt haben und entspannen. Bei ‚dieseligen’ Pferden, die nicht so schnell in Gang kommen, setze ich gerne zwei flotte Pferde vorne dran, damit sie Ehrgeiz entwickeln, hinterherzukommen.
Gefühl schulen
Voraussetzung für die Galopparbeit im Gelände sind natürlich ein ausbalancierter leichter Sitz und ein passendes Bügelmaß. Und als Trainer habe ich zwei Möglichkeiten: Entweder ich reite mit oder ich mache im Gelände Treffpunkte aus, an dem mir meine Schüler berichten, was sie erlebt haben und wie sich ihr Pferd angefühlt hat. Ich halte es für sehr wichtig, dass die Reiter selbst ein Gefühl entwickeln. Nach dem Austausch gibt es neue Tipps oder Ideen und weiter geht’s. Das geht natürlich nur mit fortgeschrittenen Schülern und auch dann lasse ich sie nicht alleine reiten, sondern immer zu zweit oder dritt. Besonders gerne verknüpfe ich das Geländereiten und eine Trainingseinheit auf dem Platz oder in der Halle. Wir sitzen bei uns im Stall auf, reiten 30 Minuten durchs Gelände, was super ist für die Lösungsphase und insgesamt für die Losgelassenheit. Dann absolvieren wir unsere Trainingseinheit und reiten wieder durchs Gelände zurück. Das ist der Optimalfall!“
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