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Pferdetraining trifft Physiotherapie
„Zeit ist das schönste, was wir unseren Pferden schenken können!“
Ein Pferd im Training sinnvoll zu unterstützen, stellt viele Pferdebesitzer, Reiter und Trainer immer wieder vor eine Herausforderung. Dabei ist es ganz egal, ob es darum geht, ein junges Pferd schonend aufzubauen und eine solide Basis zu erarbeiten, ein Reitpferd bestmöglich und gesunderhaltend zu arbeiten, einen Rekonvaleszenten wieder anzutrainieren oder einen Rentner so lange wie möglich fit zu halten. Doch eines hat jede Form von Pferdetraining gemeinsam: Physiotherapie kann einen wertvollen Beitrag leisten. Das PM-Forum hat mit FNverlags-Autorin Silke Kaupp gesprochen, wie das geht und einen Blick auf ihr neues Buch geworfen.
Stretching fürs Pferd – Silke Kaupp bei der Arbeit. Fotos: FNverlag
PM-Forum: Sie sind gelernte Pferdewirtin mit dem Schwerpunkt klassische Reitausbildung, arbeiten seit mehr als 30 Jahren erfolgreich in dem Beruf, haben in der Zeit eine Vielzahl an Pferden ausgebildet und sich dennoch irgendwann entschlossen: Ich lasse mich parallel zur Pferde-Physiotherapeutin ausbilden. Warum entstand dieser Wunsch?
Silke Kaupp: Nach einem Reitunfall mit Brüchen der Halswirbel- und Brustwirbelsäule war klar, dass ich als Bereiterin nur noch bedingt einsetzbar bin. Dem Pferdesport wollte ich beruflich dennoch treu bleiben. Zum Zeitpunkt meines Ausbildungsbeginns zur Pferdephysiotherapeutin war noch nicht klar, ob ich diesen Beruf überhaupt jemals würde ausüben können. Trotzdem wollte ich mich wenigstens theoretisch weiterbilden. Die Idee war, dadurch meinen Reitunterricht zu optimieren. Ich wollte meine Reitschüler mit ihren Pferden noch besser begleiten können, denn mit mehr Verständnis für und Wissen über biomechanische Zusammenhänge, Bewegungsabläufe und die Funktion der Muskulatur lässt sich noch gezielter an Problematiken arbeiten.
PM-Forum: Seit einigen Jahren vereinen sie nun die beiden Berufe erfolgreich miteinander. Was würden Sie sagen, sind die größten Vorteile dieser zwei Blickwinkel aufs Pferd?
Kaupp: Für mich sind beide inzwischen untrennbar miteinander verbunden. Wir erwarten von unseren Pferden, dass sie Leistungen bringen, für die sie ursprünglich nicht gemacht wurden – der Rücken des Pferdes ist nicht zum Tragen konzipiert. Nur mit Training und optimaler Unterstützung können wir das Pferd zu einem Reittier formen und es langfristig gesund und leistungsfähig erhalten. Natürlich habe ich die Grundsätze dessen schon in meiner Ausbildung zur Pferdewirtin gelernt. Aber durch die Kombination mit der Physiotherapie habe ich nun noch mehr Möglichkeiten. Mittels physiotherapeutischer Maßnahmen kann ich Pferde ganz anders auf ihre Aufgaben vorbereiten. Dies kommt ihnen und ihren Reitern dann beim Reiten zugute. Und auch nach dem Training kann die Physiotherapie in den Erholungsphasen tolle Dienste leisten. Es ist natürlich ideal, dass ich immer beide Blickwinkel auf das Pferd habe, so kann ich seine Entwicklung viel enger begleiten.
PM-Forum: In Ihrem kürzlich erschienen Buch geht es um die Symbiose von Pferdetraining und Elementen der Physiotherapie mit dem Ziel, das Wohlbefinden des Pferdes zu optimieren. Können Sie uns mehr über Ihre Gedanken und Motivation erzählen, die diesem Buch zugrunde liegen?
Kaupp: Die Elemente der Physiotherapie ermöglichen es dem Pferd, seine Bewegungsmöglichkeit voll auszuschöpfen. Training ist wichtig, um Muskulatur aufzubauen. Das Training eines Pferdes basiert darauf, dass die Muskulatur sich an- und abspannen kann. Beides sollte in einem guten Gleichgewicht zwischen Spieler und Gegenspieler, aber auch der beiden Körperhälften geschehen. Gleichzeitig ist verspannte Muskulatur aber nicht trainierbar. Wer versucht, dies dennoch zu tun, wird Folgeschäden durch Kompensationshaltungen nicht vermeiden können. Die Physiotherapie hilft, die Muskulatur auf das Training vorzubereiten, aber auch bei der Regeneration. Sie legt quasi den Grundstein, auf den der Reiter dann aufbauen kann, um durch sinnvolles und zielgerichtetes Training die Leistungsfähigkeit seines Pferdes weiter aufzubauen. Am Ende geht es aber auch darum, dass viele kleine Bausteine sich optimal ergänzen. Es ist daher immer sinnvoll, das Gesamtbild zu betrachten und auch auf passende Ausrüstung, Hufpflege etc. zu achten.
PM-Forum: Warum sind Entspannung und Wohlbefinden des Pferdes so essenziell für erfolgreiches Training?
Kaupp: Nur ein Pferd, das sich in seinem Körper wohlfühlt, wird gute Leistung bringen und dem Reiter langfristig Freude schenken können.
PM-Forum: Sie sprechen in Ihrem Buch auch den Faktor „Zeit“ als Schlüssel zur erfolgreichen Ausbildung an. Können Sie uns das näher erläutern?
Kaupp: Zeit ist das schönste, was wir unseren Pferden schenken können! Wir leben in einer schnelllebigen Zeit und können es uns nicht oft genug vor Augen führen: Alles, was wir mit dem Pferd machen, braucht Zeit! Die Grundausbildung des jungen Reitpferdes braucht Zeit, ebenso die Entwicklung zu dem, was es mal werden soll. Pferde nach einer Verletzungspause brauchen Zeit, müssen langsam wieder an ihren alten Leistungsstand herangeführt werden. Auch Muskulatur entsteht nicht über Nacht, sondern braucht Zeit sich zu entwickeln. All das ist ein Zusammenspiel von Training, aber auch von Pausen und Erholungsphasen. Zeit ist genauso im täglichen Umgang notwendig. Sich das Pferd genau anschauen, sich Zeit nehmen, Verhaltensweisen zu beobachten, aktiv aufzunehmen, wie sich das Pferd zum Beispiel beim Satteln und beim Putzen verhält, wie sein Verhältnis zum Boxennachbar, sein allgemeines Befinden oder das Fressverhalten ist, kann sehr aufschlussreich sein, um Probleme, die das Wohlbefinden stören und damit auch ein Training erschweren oder gar verhindern, rechtzeitig zu erkennen. Wer hier beschleunigt, befindet sich meist auf dem Weg in eine Sackgasse.
PM-Forum: An wen richtet sich Ihr Buch? Wer sollte es unbedingt lesen?
Kaupp: Ursprünglich habe ich das Buch für meine Kunden geschrieben, die mich bei der physiotherapeutischen Behandlung und auch im Reitunterricht immer fragen, was sie denn machen können, wenn ich nicht danebenstehe. Daraus entstand mein Wunsch, einige Übungen zur Pferdemassage und Mobilisation, die der Pferdebesitzer selbst machen kann, zusammenzufassen und weiterzugeben. Ebenso habe ich all meine Gedanken zum Training aufgeschrieben. Eigentlich haben wir alle, die eine gute reiterliche Grundausbildung besitzen, alles Rüstzeug, das wir für ein gesunderhaltendes Pferdetraining brauchen. Wir müssen uns nur ins Gedächtnis rufen, dass unsere Lektionen, Hufschlagfiguren etc. immer auch einen trainingstechnischen Sinn haben. Das Buch sollte daher jeder Reiter lesen, der bereit ist, sich mit der Basisarbeit als Grundlage für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Pferdes zu beschäftigen.
PM-Forum: Eine Frage zum Abschluss: Haben Sie einen Tipp für unsere Leser, wie sie mit einer simplen Übung ihr Pferd ein wenig verwöhnen und dessen Wohlbefinden steigern können?
Kaupp: Zu meinen Lieblingsübungen gehören Entspannungstechniken wie die Zwerchfelltechnik. Durch das Lösen des Zwerchfells bringt man innere Ruhe in Pferd und Reiter und ermöglicht eine bessere Atmung. Beides hilft im Training. Für die Zwerchfelltechnik legt man eine Hand auf den Rücken, die andere von unten an den Bauch des Pferdes und stellt sich nun vor, die Hände durch das Pferd hinweg zusammenzuführen. Man lässt die Hände etwas ins Fell einsinken, hält die Position für ein paar Sekunden und lockert sie wieder – so als würde man einen Luftballon sanft drücken und die Spannung anschließend wieder wegnehmen.
Das Interview führten Alina Stratmann und Maike Hoheisel-Popp.
ISBN: 978-3-88542-689-9
Auflage: 1. Auflage 2022
Format: 195 x 235 mm
Umfang: 200 Seiten, zahlreiche farbige Fotos und Illustrationen
Preis: 25 Euro
Die Zwerchfelltechnik bringt Ruhe in Pferd und Reiter.
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