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Pferdefutter: Das erwartet Pferdebesitzer

„Die Situation am Futtermittelmarkt ist angespannt“

Preissteigerungen soweit das Auge reicht und kein Ende in Sicht. Auch vor den Futtermitteln für Pferde machen die Kostenexplosionen nicht halt. Das PM-Forum blickt auf die Gründe und spricht im Interview mit Prof. Dr. Dirk Winter von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen über die derzeitige Situation am Futtermittelmarkt für Pferde und worauf sich Pferdebesitzer und Pensionsstallbetreiber einstellen müssen

Wie unbesorgt können Pferde in Zukunft ihre Nasen und Mäuler ins Futter stecken? Foto: Christiane Slawik

PM-Forum: Wie schätzen Sie die Futtersituation für den kommenden Winter 2022/2023 ein? Wird ausreichend Pferdefutter verfügbar sein oder besteht die Gefahr, eine Situation ähnlich wie im Dürrejahr 2018 zu erleben?

Prof. Dr. Dirk Winter: Der erste Schnitt ist relativ gut eingebracht worden, da noch die Restfeuchtigkeit aus dem Frühjahr mitgenommen werden konnte. Dann hat es bundesweit eine deutliche Zweiteilung gegeben. Die Trockenheit hat massiv zugeschlagen in großen Teilen Nord- und Ostdeutschlands, aber auch in Westfalen, so dass die Pferde teilweise in der Hauptweidesaison mit Raufutter zugefüttert werden mussten, weil überhaupt nichts mehr nachgewachsen ist. Das war in Süddeutschland anders, wo es immer wieder Regen gab, und die Entwicklung sich nicht so drastisch darstellte. Es gab also flächendeckend bundesweit keine gleiche Situation. Im Süden konnte allerdings auf den sandigen, leichteren Böden teilweise auch kein zweiter Schnitt eingebracht werden. Dadurch ist der Markt sehr angespannt. Die Trockenheit hat also massiven Einfluss auf die Versorgungslage am Raufuttermarkt. Das macht sich am Markt auch bei anderen Nutztierarten wie Rindern bemerkbar. Die Wiederkäuer treten damit in Konkurrenz zu den Pferden beim Raufutter. Das Kraftfutter könnte knapp werden – je nach Verfügbarkeit von Rohstoffen und Berücksichtigung von Produktionsrestriktionen in Folge von Energieknappheit.

PM-Forum: Wie können Pferdepensionsbetreiber auf die aktuelle Situation reagieren? Können noch vorbeugende Maßnahmen getroffen werden, um ausreichende Mengen günstigerer Futtermittel sicherzustellen?

Prof. Dr. Dirk Winter: Eine sinnvolle Möglichkeit, Krippenfutter zielgerichtet und bedarfsgerecht einzusetzen und somit Mengen einzusparen, ist eine am Bedarf des Pferdes orientierte Rationsplanung und Rationsberechnung. Wichtig ist, vorher einzuschätzen, welche Leistung das Pferd erbringt und wieviel es wiegt. Das funktioniert mit einer Waage oder durch Ausmessen und anschließender Schätzung nach der Formel: (Brustumfang in cm x Brustumfang in cm x Körperlänge in cm) / 11.877. Denn am Gewicht orientiert sich die Rationsgestaltung. Darüber hinaus sollte die Körperkondition anhand des Body Condition Scoring (BCS) bewertet werden. Er gibt das Verhältnis von Fettmasse zu fettfreier Masse im Körper an. Die Beurteilung der Body Condition ist nützlich, um die Menge an gespeichertem Fett abzuschätzen. So kann man Rückschlüsse auf die bisherige Rationsgestaltung ziehen. Die Praxis zeigt, dass es durchaus Pferde gibt, deren BCS über der Norm liegen, was eine Futterreduktion möglich und sinnvoll macht. Darüberhinaus können mittel- oder langfristige Verträge mit den Futtermittellieferanten hilfreich sein, um einen fest kalkulierbaren Krippenfutterpreis längerfristig zu halten. Die Verträge werden über einen zwischen den Parteien festgelegten Zeitraum zu festen Verkaufskonditionen und vereinbarten Bezugsmengen geschlossen. Es ist auch sinnvoll, die Qualität des Futters hinsichtlich von Nährstoffgehalten und Hygiene vertraglich zu vereinbaren. So hat der Pferdehalter Sicherheit, die jeweilige Futtermenge zum vereinbarten Preis und in der Qualität zu bekommen. Mögliche Preisveränderungen bleiben im Vertragszeitraum unberücksichtigt. Pferdehalter haben somit eine Preisverlässlichkeit. Derzeit ist allerdings die Bereitschaft zum Abschluss von Kontrakten bei Futterlieferanten gering, da die weiteren Marktentwicklungen nur schwer vorhersehbar sind. Die Pferdefütterung basiert bekanntlich nicht nur auf Krippenfutter. Die wesentliche, mengen-bestimmende Komponente ist das Raufutter wie Heu, Heulage oder auch Futterstroh, die auf den pferdehaltenden Betrieben selbst erzeugt oder auch von Landwirten aus der Region oder spezialisierten Futterhändlern zugekauft werden. Raufutterpreise werden nicht durch die globalen Märkte gesteuert, sondern sind eher regional ausgerichtet. Angebotsmenge und Nachfrage der Abnehmer regulieren allerdings auch hier den Preis.

Trockenheit machte den Weiden und Böden in weiten Teilen Nord- und Ostdeutschlands in diesem Jahr zu schaffen, viele Pferdehalter mussten zufüttern. Das hatte auch Einfluss auf die Versorgungslage am Raufuttermarkt. Fotos (2): Christiane Slawik

Futterstroh ist für Pferde mit weniger Energiebedarf eine Alternative zu nährstoffreichem Heu.

PM-Forum: Auf welche Preisentwicklung müssen sich Pferdepensionsbetreiber und Pferdebesitzer einstellen, wenn es nicht mehr möglich sein sollte Kontrakte abzuschließen, sondern Futter teuer zugekauft werden muss? Welche zusätzlichen Kosten kommen auf sie zu?

Prof. Dr. Dirk Winter: Die derzeitige Situation im Futtermittelmarkt ist geprägt durch bisher nicht gekannte Preissteigerungen beim Getreide. Früher waren die Preise eher regional geprägt. Heute sind sie einer globalen Preisorientierung gewichen, da die verschiedenen Getreide als attraktive und mittlerweile sehr volatile Rohstoffe an den Börsen weltweit gehandelt werden. Weizen übernimmt eine Leitstellung. Steigt der
Weizenpreis, führt das meistens zeitversetzt zu vergleichbaren Preisentwicklungen bei den anderen Getreidesorten. Die Haferpreise werden an den Großmärkten gehandelt und liegen im Moment so um die 280 Euro pro Tonne. Das ist bei den anderen Getreidearten leider nicht anders. Weil Russland und die Ukraine nicht liefern konnten oder durften, gab es eine massive Begrenzung des Marktes. Das waren bei beiden Ländern zusammen 30 Prozent des Weizens am Weltmarkt. Es hat sich etwas entschärft, dadurch dass die Ukraine über Odessa wieder liefern konnte. Aber dazu gekommen ist, dass andere große Getreideproduzenten wie die USA ebenfalls massiv unter Trockenheit gelitten haben. Dadurch ist der Markt wieder in Bewegung geraten. Der Getreidemarkt ist einfach seit 20, 30 Jahren kein regionaler Markt mehr. Wir merken das also sofort an der Getreidepreisentwicklung vor Ort, wenn es bei den großen Produzenten Veränderungen gibt. Die Trockenheit in anderen Regionen der Erde, die Verknappung durch den Ukraine-Krieg und dass auch China in den Markt
eintritt und deutlich mehr Getreide aufkauft, führt zu deutlichen Preisveränderungen. Der Preis hat sich leider seit dem Anstieg im Frühjahr nach der Ernte nicht wieder normalisiert, obwohl wir eine relativ durchschnittliche Getreideernte hatten. Allerdings ist die Körnermais-Ernte durch die Trockenheit stark eingebrochen.

Und das führt wiederum insgesamt zu einem deutlichen Minus bei der Getreideernte. Nicht nur die fehlenden Mengen an Getreide auf den Weltmärkten sind ursächlich für die deutlichen Preisanstiege, auch die extreme Entwicklung der Düngepreise sowie die Situation auf den Energiemärkten (zum Beispiel Benzin- und Dieselpreisentwicklungen, Gasknappheit) führen zu deutlichen Preisverteuerungen. Getreide und Nebenerzeugnisse sind vielfach auch wertbestimmende Komponenten in den Krippenfuttermitteln. Deshalb führen Preissteigerungen beim Getreide auch zwangsläufig zu Preisanstiegen in den Ergänzungsfuttermitteln für Pferde, wie es derzeit bei Pellet- und Müslifutter deutlich erkennbar ist. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind Preisanpassungen für die Kunden, insbesondere in der Pensionspferdehaltung, unumgänglich. Allerdings ist zu empfehlen, die Preisentwicklungen transparent und für die Kunden nachvollziehbar aufzuzeigen. Dazu gilt unbedingt bei Preisentlastungen in den Futtermärkten, diese an die Kunden weiterzugeben. Nur so ist eine vertrauensvolle, nachhaltige Kundenbeziehung möglich. Mit einer Pensionspreiserhöhung von mindestens 50 Euro pro Pferd im Monat muss man rechnen, da auch zum 1. Oktober der Mindestlohn gestiegen ist.

Haferpreise werden wie die anderer Getreide auch an Großmärkten gehandelt – der Getreidemangel am Weltmarkt macht sich daher auch im Geldbeutel von Pferdebesitzern bemerkbar. Foto: Frank Sorge

Wie gut ist die Heuernte? Der Raufuttermittelmarkt ist größtenteils noch regional dominiert. Angebot und Nachfrage bestimmen hier den Preis. Foto: Marius Schwarz/ galoppfoto.de

Keine Kompromisse! Die Futtertqualität muss stimmen. Wer hier spart, spart am falschen Ende. Foto: Christiane Slawik

PM-Forum: Was sind Ihre Empfehlungen zur alternativen Fütterung vonPferden, um deren Energiebedarf zu decken, falls Krippenfuttermittel nicht mehr verfügbar oder schlicht viel zu teuer werden sollten?

Prof. Dr. Dirk Winter: Mein Tipp, um Raufutter zu sparen, wäre, dass man Heu oder Heulage mit Futterstroh mischt. Das sollte in vielen Pensionspferdebetrieben auch machbar sein, da die Pferde dort relativ häufig – vom Body Condition Score her gesehen – eine Energiereduktion vertragen. Das A und O ist aber die Raufutterqualität bei der Fütterung. Es wäre ein großer Fehler, schlechte Qualität günstiger zu kaufen. Das wäre an der falschen Stelle gespart. Gerade wenn der Betriebsleiter das Futter selbst erzeugt hat, muss er wissen, dass er Futtermittelunternehmer ist. Er produziert und verkauft das Futter an seine Einsteller. Bei Problemen träfe es ihn dann voll und ganz, dass er dafür rechtlich gerade stehen muss. Pensionsstallbetreiber sind bei zugekauftem Futter dafür verantwortlich, dass die Pferde hygienisch einwandfreies Futter bekommen. Bei Heulageballen sollte darauf geachtet werden, dass sie zügig verfüttert werden, da sie schnell verderblich sind. Eine Mineral- und Vitaminzufütterung beim Pferd ist unabdingbar. Maissilage, die viel Energie und wenig Eiweiß hat, kann man ebenfalls zufüttern.

PM-Forum: Welche Maßnahmen muss man für das Grünland ergreifen, damit sich die Weidefläche im Herbst/Winter zur Weidesaison 2023 wieder erholen kann?

Prof. Dr. Dirk Winter: Gras besitzt eine sehr hohe Resilienz bei Trockenheit. Wenn es regnet, stellt sich der Grünlandbewuchs relativ schnell wieder ein. Insgesamt gilt bei der Weidepflege: Wenn wir Freiflächen haben, wo die Pferde Trittsiegel hinterlassen haben und man Lücken sieht, ist eine Übersaat vorzunehmen. Sonst setzen sich dort schnellwüchsige Kräuter hinein wie zum Beispiel Brennnessel oder Hahnenfuß, die man nicht auf der Pferdeweide haben möchte. Im Herbst ist eine Weidebegehung wichtig. Um eine gute Narbendichte zu erhalten, empfiehlt sich das Deutsche Weidelgras. Wenn Pferdehalter ihre Pferde gerne im Herbst und Winter auf der Weide halten möchten, ist das ein richtiger Ansatz, um den Pferden Auslauf zu ermöglichen. Für die Weide kann das aber problematisch sein. Als Betriebsleiter muss ich dann entscheiden, wie ich auf diese Wünsche der Kunden und ihrer Pferde eingehen und gegebenenfalls Weideflächen dafür bereitstellen kann. Dann sollte man dafür am besten Flächen auswählen, die nicht zu feucht und nicht zu steil sind, da dort noch mehr Trittschäden entstehen können. Diese Flächen müssten dann im folgenden Frühjahr eventuell neu angesät werden. Betriebe, die zu wenig Fläche haben, müssen die freie Bewegung dann auf Paddocks auslagern. Betriebe, die komplette Winterweiden bieten, sollten darauf achten, dass Schutzhütten aufgestellt sind und die Pferde trockene Liegeflächen sowie genügend Wasser haben. Bei Zufütterung sollten die Fressplätze trocken sein. Ganzjährige Weidehaltung sowie Offen- und Bewegungsstallhaltung sind ein ganz großes Thema für alle Pferde und nicht nur die Robustpferderassen. Für das Weidemanagement sind Umtriebsweiden ein vernünftiges System. Man muss dann nicht die gesamte Fläche mulchen, sondern es reichen die Geilstellen und hochgewachsenen Bereiche. Dann können diese Flächen von den Pferden auch nach der entsprechenden Zeit wieder zur Beweidung genutzt werden. Ein weiterer Tipp wäre, bei der Raufuttergewinnung nächstes Jahr den ersten Schnitt etwas vorzuverlegen, um dann die Möglichkeit zu haben, noch einen guten zweiten Schnitt einzufahren. Das ist dann natürlich sehr nährstoffhaltiges Heu, aber man hätte eben mehr zeitliche Sicherheit für den zweiten Schnitt und insgesamt mehr Ertrag. Und bei Pferden mit weniger Energiebedarf kann man wiederum Futterstroh zu dem nährstoffhaltigen Heu mischen.

Das Interview führte Tina Pantel

Beim Body Condition Score werden sechs definierte Körperregionen beurteilt: Hals, Schulterpartie, Rippen der Brustwand, Rücken und Kruppe, Hüfthöcker sowie die Linie zwischen Schweifansatz und Sitzbeinhöcker. Foto: Stefan Lafrentz

Im Winter bleibt der Eimer leer? Bei Pferden, deren Body Condition Score über der Norm liegt, kann mit Blick aufs Krippenfutter eine Reduktion möglich und sinnvoll sein. Foto: Christiane Slawik

Die Hintergründe zur Entwicklung am Futtermittelmarkt

Es ist wie in so vielen anderen Wirtschaftsbereichen der Güterindustrie: Pferdefutter wird knapper und teurer. Ein Grund dafür ist der Ukraine-Krieg und die damit verbundene Rohstoffknappheit. Sanktionen und ein Handelsembargo gegen Russland schränken den Import von Öl, Gas und Getreide stark ein. Auch die zunächst von Russland verhinderten Getreideexporte aus der Ukraine trugen zur Preissteigerung und Knappheit von Lebens- und Futtermitteln bei. Erste Exporte aus der Ukraine Richtung Europa im August liefen zwar langsam wieder an, es bleibt jedoch abzuwarten, wie lange Russland die Handelswege der Ukraine geöffnet lässt. Die Ernteprognosen aus Deutschland und auch aus der Ukraine lassen hoffen, dass die Getreideverfügbarkeit über den Winter gegeben ist. Ein weiterer Grund für die starken Preissteigerungen bei Futtermitteln sind die gestiegenen Energiekosten. Fabriken werden meist über Gas mit Energie versorgt. Die steigenden Gaspreise führen zu höheren Produktionskosten, die dann die Kosten für Futtermittel erhöhen. Falls die Notfallstufe des Gas-Notfallplans der Bundesregierung ausgerufen wird, bleibt abzuwarten, in welchem Maße die Futtermittelproduktion nach verordneten Einschränkungen weiter betrieben werden kann.

Importstopp, Ernte & Co.

Neben der Frage, ob genügend Getreide und Gas auf dem Markt ist, spielt auch die Verfügbarkeit von Futterinhaltsstoffen wie Phosphaten, Spurenelementen oder Mineralstoffen eine große Rolle bei der Preisentwicklung von Futtermitteln, da diese zum Großteil aus Russland importiert wurden und ebenfalls dem Handelsembargo unterliegen. Bereits Anfang April 2022 war Pferdefutter daher etwa drei Euro pro Sack teurer als vor dem Kriegsausbruch, weitere Preissteigerungen für Krippenfutter sind zu erwarten. Heu, Heulage und Stroh sollten in ausreichenden Mengen und Qualitäten verfügbar sein, da die Ernten bisher den Durchschnitt des letzten Jahres erreichten. Raufutter wird teurer werden, da viele Landwirte und Pensionsstallbetreiber reichlich davon einlagern werden, um einer eventuellen Krippenfutterknappheit vorzubeugen. Gleiches gilt für Futterhafer.

Gras besitzt eine relativ hohe Resiliez gegen Trockenheit, wenn es regnet, ist es schnell wieder grün. Dennoch ist ein ganzjähriges Weidemanagement mit Weitblick essenziell. Foto: Stefan Lafrentz

Auch die Verfügbarkeit von Supplementen wie Mineralstoffen spielt eine große Rolle bei der Preisentwicklung der Futtermittel. Foto: Frank Sorge

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