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Lernen vom Reitmeister: Claus Erhorn

„Die Hangbahn hilft jedem!“

Bei den Longines Luhmühlen Horse Trials 2023 übernahm Thies Kaspereit eine ganz besondere Aufgabe: Er ernannte den Hannoveraner Landestrainer Vielseitigkeit Claus Erhorn zum „Reitmeister“ – die beiden Männer verbindet eine Geschichte rund um die Olympischen Spiele 1988 in Seoul.

Claus Erhorn ist im Ausbildungszentrum Luhmühlen Ausbildungsleiter. Fotos (3): Jacques Toffi

Gold nach 52 Jahren – und Claus Erhorn hat einen gehörigen Teil dazu beigetragen. Bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul hat sich die deutsche Vielseitigkeits-Equipe zum ersten Mal seit 1936 wieder die Goldmedaille gesichert. Zur Equipe gehörten Thies Kaspareit, Matthias Baumann, Ralf Ehrenbrink und Claus Erhorn mit Justyn Thyme. Mit 39,60 Minuspunkten bringt Erhorn das zweitbeste Dressurergebnis aller 50 Olympiastarter für die Teamwertung ein. Der Geländetag läuft für das deutsche Team super, auch Erhorn kommt ohne Hindernisfehler ins Ziel. Erhorn erbringt eine Meisterleistung im Springen, was nicht die Spezialdisziplin von Justyn Thyme ist. Mit nur einem Hindernis- und 1,75 Zeit-Fehlern galoppiert das Paar über die Ziellinie – Gold für das Team! Dramatisch sind die 1,75 Zeitfehler dennoch, sie kosten am Ende Erhorn die Einzelmedaille, es wird für ihn Platz vier. 21 Jahre später wird dieser enorme Erfolg noch einmal gewürdigt: 2009 gehörten Claus Erhorn und sein Justyn Thyme zu den ersten Paaren, die in Luhmühlen in die ‚Hall of Fame‘ des Vielseitigkeitssports aufgenommen werden.

Ein Blick auf den Anfang

Claus Erhorn wurde 1959 in Hamburg- Harburg geboren. Seine Eltern hatten einen landwirtschaftlichen Betrieb, auf dem auch Pferde gezüchtet wurden. Bereits mit zwölf Jahren begann er seine vielseitige reiterliche Laufbahn. Schon frühzeitig entschied er sich für den Beruf des Pferdewirtes und absolvierte eine Bereiterlehre bei Hans Jörg Böhmer im Gestüt Neritz. 1979/1980 leistete Erhorn seinen Wehrdienst an der Sportschule der Bundeswehr. 

Gemeinsam bei den Olympischen Spielen in Seoul: Claus Erhorn (links) und Thies Kaspereit gehörten zur Vielseitigkeits-Equipe, die sich 1988 die Goldmedaille sicherte. Foto: Stefan Lafrentz

Von dort aus wechselte er an die Landesreitschule in Vechta, die damals vom späteren Bundestrainer Hans Melzer geleitet wurde. Von 1981 bis 1984 hatte er eine Anstellung als Bereiter im Pferdezucht- und Reitverein Luhmühlen, bevor er sich bei der Familie Koch in Vierhöfen mit einem Privatstall selbstständig machte. 1984 gehörte Erhorn mit der Stute Fair Lady zur deutschen Olympia-Equipe in Los Angeles und reiste mit Mannschafts- Bronze nach Hause. Ein Jahr später gewann das Paar erneut Team- Bronze, dieses Mal bei den Europameisterschaften in Burghley, 1986 wurden die beiden Siebte in der Einzelwertung bei den Weltmeisterschaften im australischen Gawler. Justyn Thyme löste Fair Lady als Erhorns Toppferd ab. Mit ihm gehörte Erhorn auch 1987 zum EM-Team und wieder gab es Team- Bronze – dann kam Seoul!

Ausbilder mit Auszeichnung

1990 legte Erhorn seine Meisterprüfung mit Stensbeck-Auszeichnung ab, wurde ein Jahr später im Ausbildungszentrum Luhmühlen als Ausbilder tätig und übernahm 2001 das Amt des Landestrainers in Hannover. Bevor Erhorn selbst zum erstklassigen und gefragten Ausbilder wurde, hat er von vielen bekannten Namen gelernt: Christian Engfer, Uwe Wichmann, Rosemarie Springer, Horst Karsten und Martin Plewa. 

Claus Erhorn kann auf eine bewegte Karriere im Sattel zurückblicken.

„Hochkompetent mit Hingabe und viel Herzblut” – so beschreiben ihn seine Schüler. 2021 wurde Claus Erhorn mit der Goldenen Ehrennadel des Niedersächsischen Reiterverbandes ausgezeichnet, im Juni 2023 wurde der Vielseitigkeitsprofi und Pferdemann durch und durch zum Reit- meister ernannt. In der Laudatio betonte sein Gold-Kollege von 1988, Thies Kaspareit, dass Erhorn immer ein sportliches Vorbild gewesen sei, „weil bei Dir akribische Trainingsplanung und Trainingsfleiß gepaart mit Horsemanship und ästhetischem, klassischem, reiterlichem Können einfach gegeben war.“

 Claus Erhorns Ausbildungstipp: Die Hangbahn

Was ist eine Hangbahn überhaupt? Eine Hangbahn, oft auch Schrägbahn genannt, ist ein Reitweg oder eine Strecke im Gelände, der entweder natürlich bergauf oder bergab geht. Auch eine abfallende Weide kann als Hangbahn genutzt werden. Die Steigung sollte etwa bei zwölf bis 14 Prozent liegen. 

 

 

Eins vorab: das Reiten auf der Hangbahn ist für jedes Pferd und jeden Reiter sinnvoll – egal auf welchem Niveau sich das Reiter-Pferd-Paar befindet. Wichtig vorab ist auch unbedingt, dass man sein Pferd erst aufwärmt, bevor man auf die Hangbahn geht. Die Hangbahn trainiert Pferd und Reiter gleichermaßen, beispielsweise wenn es um das Thema Gleichgewicht geht. Zudem ist es ungemein wichtig, sein Pferd spüren zu lernen. Sehr gerne nutze ich die Hangbahn im Unterricht mit erwachsenen Anfängern, um ihnen ein Gefühl für sich und das Pferd zu vermitteln. In der Zügelführung ist eine stetige, leichte Verbindung beim Hangbahntraining sinnvoll. Das Pferd muss den Hals als Balancierstange nutzen können. Und der Reiter muss lernen, dass der Zügel kein Festhaltegriff ist. Ein sehr gutes Hilfsmittel ist das Reiten mit Halsriemen, dazu kann auch ein Steigbügelriemen verwendet werden. Der Halsriemen vermittelt Sicherheit und kann dabei helfen, wenn die Pferde vorne etwas zu stark werden. Ich habe früher viel mit Linda Tellington- Jones zusammengearbeitet und gerade bei Justyn Thyme hatten wir tolle Erfolge durch die Arbeit mit Halsring.

Wie bewegt sich das Pferd bergauf, bergab und wie muss ich meinen Oberkörper neigen, um im Gleichgewicht zu bleiben?

Vorteile des Trainings

Balance und Gleichgewicht können sowohl beim jungen Pferd als auch beim Reiter verbessert werden. Beim Bergaufreiten werden vor allem die Hinterhand und die Rückenmuskulatur des Pferdes gekräftigt, was zu einer besseren Tragkraft führt. Wichtig ist, dass man dabei in einem kontrollierten Tempo arbeitet – erst im Schritt, dann im Trab und nur im schon weiter fortgeschrittenen Stadium im Galopp. Zu schnelles oder langsames Reiten können den Takt stören. Das Tempo sollte erst dann gesteigert werden, wenn das Pferd sich sicher bewegt. Das Reiten bergab zwingt das Pferd, sich zu sammeln und den Takt zu bewahren. Gerade auch hierbei ist darauf zu achten, nicht zu schnell zu reiten, damit das Pferd den Takt nicht verliert.

Bereits der Wechsel von Bergauf- und Bergabreiten schult das Gleichgewicht von Reiter und Pferd. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

In Hinblick auf den Reiter muss dieser sowohl beim Bergauf- als auch Bergabreiten die richtige Körperposition einnehmen: bergauf leicht nach vorne, bergab leicht zurückgelehnt. Beides dient der Entlastung des Pferdes, beim Reiter wird außerdem die Unabhängigkeit der Schenkel- und Zügelhilfen geschult, was das Pferd wiederum in seiner Bewegungsfreiheit unterstützt. Der häufigste Fehler beim Hangbahntraining ist, dass der Reiter zu viel mit der Hand bremst. Pferde müssen auch losgelassen werden, mal stolpern „dürfen”, um so die Chance zu kriegen, sich selbst auszubalancieren.

Beispiele für Übungen an der Hangbahn

  • Rauf- und Runterreiten: Schon das einfache Bergab- und Bergauf-Reiten schult das Gleichgewicht von Reiter und Pferd – zuerst im Schritt, dann im Trab. Einige Pferde werden im Bergab deutlich schneller, sie balancieren sich noch nicht gut genug aus, lernen das aber meist sehr schnell.
  • Volten und Zirkel anlegen: Unabhängig von der Größe des angelegten Kreises ist immer gleich: Im Bergab müssen die Pferde langsamer werden und vermehrt Last aufnehmen, im Bergauf sollte das Tempo etwas zügiger angelegt werden.
  • Diagnonal schräg rauf oder schräg runter: Wenn man eine Hangbahn auf einer Weide oder Wiese nutzt, kann man wunderbar über die Schräge, gedachte Diagonale, die Hand wechseln. Das Schräg-Reiten birgt zusätzliche Herausforderungen: Bei dieser Arbeit muss das Pferd ständig seinen Schwerpunkt wechseln sowie der Reiter seine Sitzpositur. Beide sollen die ganze Zeit im gemeinsamen Gleichgewicht sein. Beispiel: Wenn die Hangbahn nach links abfällt, muss der Reiter das Pferd mit dem rechten Zügel und dem linken Schenkel vermehrt unterstützen, damit das Pferd nicht nach links wegkippt. Das Gewicht sollte dabei minimal nach rechts verlagert werden – den Gegebenheiten und dem Pferd angepasst.
  • Bergab halten: Beim Halten im Bergab lernt das Pferd, mit beiden Hinterbeinen geschlossen unter dem Schwerpunkt zu stehen. Das Halten übt man erst aus dem Schritt und dann aus dem Trab – nur für wirklich fortgeschrittene Paare ist es auch aus dem Galopp möglich. Ein bekanntes Beispiel ist Ingrid Klimke: Die Reitmeisterin nutzt die Hangbahn auch für das Training ihrer Dressurpferde. Kein Pferd kann im Bergab mit hoher Kruppe piaffieren, die Pferde müssen hinten richtig drunterfußen und Last aufnehmen. Das ist richtiges Krafttraining. Deshalb ist es wichtig: Nie zu lang am Stück trainieren, kurze Frequenzen mit häufigen Pausen.

Tipp: Gerade für Pferde mit Problemen beim Gleichgewicht reicht die Arbeit auf der Hangbahn im Schritt oft aus. Das ist eine fantastische Möglichkeit, dass sich die Pferde in Ruhe ausbalancieren lernen, ohne Stress. Hat ein Pferd gesundheitliche Probleme wie etwa Spat oder Kissing Spines, kann man sie durchaus auch auf der Hangbahn reiten, aber natürlich mit Vorsicht und einem gesunden Gefühl fürs Maß.

Noch ein Tipp: Pferden, die Hangbahntraining nicht kennen, geht schneller die Kraft aus, als man denkt. Sie laufen dann zwar noch vorwärts, können sich aber nicht mehr im Gleichgewicht tragen. Deshalb: Nie länger als 20 Minuten an der Hangbahn trainieren und immer wieder Pausen einbauen.

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