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Ausbildung mit Wilfried Gehrmann, Teil 3

Am Langzügel bis zur Piaffe

Die Arbeit am Langzügel kann, richtig angewandt, eine hervorragende Ergänzung zum Reiten sein. Selbstverständlich muss der Reiter hierzu das theoretische Wissen um die Skala der Aus­bildung und das Erarbeiten der Lektionen haben. Und darüber hinaus die praktische Erfahrung, dieses Wissen bei den unterschiedlichen Reaktionen des Pferdes auch umzusetzen.

Wilfried Gehrmann ist nicht nur „Doppellongenpapst“, sondern auch Experte an den Langzügeln.

Die besten Fortschritte in der Langzügelarbeit erreicht man, wenn man sie regelmäßig vor dem Reiten oder nach dem Longieren durchführt. Das Credo dabei sollte sein: Nicht zu viel auf einmal verlangen und sich auch an kleinen Fortschritten erfreuen. Das Pferd bestimmt den Gang der Ausbildung. Nie darf versucht werden, etwas zu erzwingen. Das gegenseitige Vertrauen ist entscheidend für jeden Fortschritt. Durch Loben des Pferdes werden die besten Ergebnisse erreicht. Bevor mit der Arbeit am Langzügel begonnen wird, sollte das Pferd mit der Arbeit an der Doppellongen vertraut gemacht werden. Die Berührungen der Longen an der Hinterhand müssen vom Pferd gelassen akzeptiert werden, ansonsten kann es hierbei zu heftigen Reaktionen kommen. Aus Sicherheitsgründen sollte in einer Reitbahn geübt werden. Türen und Tore müssen geschlossen werden.

Vorgehensweise: Ein Helfer führt das Pferd am Kopf, der Longenführer geht mit genügend Sicherheitsabstand hinterher. Nun werden Übergänge Schritt-Halten geübt, damit das Pferd die treibenden und verhaltenden Hilfen kennenlernt. Durch Beruhigen und Loben wird das Vertrauen hergestellt. Durch vorsichtiges Abstreichen mit der Touchiergerte (ca. 2,20m Länge) von oben nach unten, wird das Pferd an die Berührung der Gerte gewöhnt. Keinesfalls sollte das Pferd hierdurch ängstlich werden.

Text: Wilfried Gehrmann/Antje Jandke
Fotos: Antje Jandke

Schritt

Im Schritt ist bei leichter Verbindung zum Pferdemaul darauf zu achten, dass das Pferd taktmäßig, fleißig und raumgreifend schreitet und dabei den Hals fallen lässt. Hat das Pferd die Tendenz den Hufschlag zu verlassen, muss es durch den Helfer korrigiert werden.

Halten

Im Halten soll das Pferd zunächst entspannen und ruhig stehen. Im fortgeschrittenen Bereich achtet man auf eine geschlossene Aufstellung, indem durch Berühren des herausstehenden Hinterbeins mit der Gerte die Hinterhand herangeschlossen wird.

Rückwärtsrichten

Nach einem korrekten Halten erfolgt ein durchlässiges Rückwärtsrichten mit nachgiebigem Genick und aktivem Abfußen bei diagonaler Fußfolge. Bei den ersten Versuchen kann ein Helfer unter Umständen von vorne mithelfen, das Pferd zum flüssigen Rückwärtstreten zu veranlassen. Nach diesen Vorübungen wird das Pferd, auch unter dem Reiter, auf leichtere Hilfen hin zurücktreten.

Schenkelweichen

Jüngere Pferde zeigen unter dem Reiter oft Probleme, die seitwärtstreibenden Hilfen anzunehmen. Hierbei kann der lange Zügel sehr hilfreich sein. Man geht hinter dem Pferd her und rundet von der kurzen Seite des Vierecks die Ecke ab, so dass es in einem Winkel von knapp 45 Grad zur langen Seite kommt. Kurz vor Erreichen des Hufschlags wird das Pferd zum Beispiel auf der rechten Hand nach Links gestellt, wobei gleichzeitig die Touchiergerte das linke Hinterbein im Abfußen berührt. Somit wird das Pferd veranlasst, fleißig vorwärts-seitwärts überzutreten. Richtig ausgeführt, wird das Pferd nun unter dem Reiter beim Schenkelweichen die vorwärts-seitwärtstreibenden Hilfen besser durchlassen.

Schulterherein

Schulterherein ist die Lektion, die die Grundausbildung festigt und für die weitere Ausbildung eine wesentliche Voraussetzung ist. Durch diese Lektion wird vieles verbessert, darunter
die diagonale Hilfengebung (innerer Schenkel – äußerer Zügel)
die Selbsthaltung bzw. relative Aufrichtung
das Durchschwingen des inneren Hinterbeins
die Längsbiegung
die Geraderichtung
der Versammlungsgrad
Zudem ist die Übung Voraussetzung für die weiteren Seitengänge wie Travers, Renvers und Traversalen.

Wenn ein Pferd auf leichte Hilfen hin Schenkelweichen geht, kann bei entsprechendem Ausbildungsstand das Schulterherein probiert werden. Aus der Ecke oder aus der Volte wird die Vorhand des Pferdes nach innen geführt bei gleichzeitigem Touchieren am inneren Hinterbein.

Sobald das Pferd die Tendenz hat, zu viel nach innen abzuwenden, muss es an der äußeren Longe abgefangen werden. Bei geschicktem Zusammenwirken der Hilfen, wird das Pferd bei leichter Längsbiegung die vorwärtstreibenden Hilfen annehmen. Da der Zügelführer hinter dem Pferd hergeht, kann er die korrekte Abstellung genau beobachten. Das Pferd bewegt sich auf drei Linien, es deckt sich das diagonale Beinpaar (hinten innen/vorne außen).

Piaffe

Piaffe und Passage gehören zu den schwersten und anspruchsvollsten Lektionen im Grand Prix-Bereich. Sie sind aber auch hervorragende Trainingslektionen in der fortgeschrittenen Dressurausbildung. 

Wenn ein Pferd zum Beispiel am langen Zügel halbe Tritte bzw. die Piaffe beherrscht, wird es sich auch unter dem Reiter bei vermehrter Hankenbeugung leichter versammeln lassen. Das kommt vor allem dem Galopp zugute, der dann mehr bergauf und mehr durchgesprungen gezeigt werden kann. Falls ein Pferd Veranlagung zur Passage hat, wird hierdurch die Trabmechanik durch energisches Abfußen verbessert – und das nicht erst ab Klasse S. Der Grundsatz „weniger ist mehr“ hat bei dieser Arbeit höchste Priorität. Falsche Spannung (Spanntritt) muss vermieden werden.

Der Mann an den Leinen

Manche rufen ihn nur den „Doppellongen-Papst“. Wilfried Gehrmann war 25 Jahre lang Leiter der Landesreit- und Fahrschule Rheinland. Er ist Inhaber des Deutschen Reitabzeichens in Gold, war langjähriges Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung der Berufsreiter im Deutschen Reiter- und Fahrer-Verband e.V., Richter mit höchsten nationalen Qualifikationen im Reiten und Fahren sowie Mitglied in vielen Prüfungsausschüssen. Über 90 Pferdewirt-Azubis verschiedener Fachrichtungen hat er ausgebildet. Er ist Mit-Autor des FN-Standardwerks „Richtlinien für Reiten und Fahren, Bd.6: Longieren“ und Autor des Buches „Doppellonge – eine klassische Ausbildungsmethode“, erschienen im FNverlag.

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