Vorheriger Artikel

Ausgabe 10/2019
EM-Saison 2019: Interview mit Dr. Dennis Peiler

Nächster Artikel

Ausgabe 10/2019
Unser Stall soll besser werden: Die Sieger 2019

Ausreiten: Sicher unterwegs im Gelände

Ab nach draußen!

Dieser Tage offenbart sich draußen eine herbstliche Szenerie. Die Baumkronen leuchten gelblich bis orangerot, während einige Blätter langsam auf den Boden fallen. Für viele Reiter bedeutet das vor allem eins: Es ist beste Ausrittzeit! Sowohl Pferd als auch Mensch sind Insekten nicht mehr so ausgeliefert wie im Sommer, gleichzeitig sind die Tage noch nicht so kurz und kühl wie im Winter. Warum das Reiten im Gelände gut tut und welche kleinen Stolperfallen es zu meiden gilt, verrät der folgende Beitrag.

Der Herbst lockt mit bunten Farben zum Ausritt. Foto: Frank Sorge
Reiten unter freiem Himmel und mit Wind im Gesicht: Ausritte erfreuen sich großer Beliebtheit bei Reitern und dienen nicht nur in der Ausbildung des Reitanfängers als motivierendes Ziel, auf das freudig hingearbeitet werden kann. Auch Pferde genießen Geländereiten, kommt doch die ausgiebige Bewegung in der Natur ihren natürlichen Bedürfnissen am nächsten. Das macht Geländereiten zu einer willkommenen Abwechslung, die bei Mensch und Tier Freude und Motivation für die weitere Ausbildung schafft. Da kommt es überaus gelegen, dass Geländereiten eine Anzahl von positiven Effekten auf Pferd und Reiter hat! „Dass hier nicht wie in der Halle auf ebenem Hufschlag, sondern auf unterschiedlichen Böden und Geländeformen geritten wird, hat den Vorteil, dass andere Bewegungen erforderlich sind und somit das Bewegungsgefühl des Reiters, Geschmeidigkeit, Geschicklichkeit und Losgelassenheit geschult werden“, sagt Diana Koch, FN-Expertin zum Thema Ausreiten. Auch das Pferd profitiert vom Reiten im Gelände: „Über ‚Stock und Stein‘ zu gehen, sorgt beim Pferd für gesteigerte Trittsicherheit und Beweglichkeit. Außerdem führt diese andere Belastung zu einer besseren Durchblutung der Hufe. Durch die Gewöhnung an Umweltreize wie beispielsweise auffliegende Fasane wird das Pferd außerdem gelassener und entspannter.“ Auch mental profitieren Pferde vom Ritt durch die Natur: Eher triebige Pferde werden durch regelmäßiges Reiten im Gelände gehfreudig, während eher ‚heiße‘ Pferde Gelassenheit lernen. Bergauf bzw. bergab zu reiten, fördert bei Pferd und Reiter das Gleichgewicht und über längere Strecken wird Kondition aufgebaut. So wirkt sich Ausreiten nachhaltig positiv auf die Gymnastizierung aus.
Dieses Schild zeigt einen Reitweg an, der nur von Pferden mit Reiter benutzt werden darf. Fotos (2): Shutterstock
Reiten verboten. Auf einem so markierten Weg darf nicht geritten werden.

Ausrüstung des Reiters 

Gut sitzender Reithelm
Passende Reithose (enganliegend und faltenfrei)
Handschuhe
Festes Schuhwerk, das bis über den Knöchel reicht und einen Absatz hat
Ggf. eine Schutzweste (zum Springen) 

Ausrüstung des Pferdes 

Vielseitigkeits- oder Spring-sattel
Ggf. Beinschutz (Gamaschen, Sprungglocken, Streichkappen)
Ggf. Martingal, Vorderzeug oder Halsriemen

Auch das Reiten in Zweierreihen im geschlossenen Verband will geübt sein. Foto: FN-Archiv/Thoms Lehmann

Die Planung macht’s 

Vergnügen bei gleichzeitigem Nutzen – da kann es ja nur Helm auf und raus ins Grüne heißen, oder? Immer sachte mit den ‚jungen‘ Pferden! Auch der Schritt ins Gelände ist bedacht anzugehen: „Sowohl Pferd als auch Reiter sollten nach und nach ans Geländereiten herangeführt werden“, empfiehlt Jörg Jacobs, Leiter der Westfälischen Reit- und Fahrschule in Münster. „Pferde fühlen sich im Freien deutlich wohler, wenn sie an Wind und Wetter gewöhnt sind. Auch für Reiter ist Ausreiten komfortabler und sicherer, wenn sie vorher bereits außerhalb der Halle auf unbedachten Plätzen trainiert haben“, so Jacobs. Ferner bedarf es bei Pferd und Reiter mit Blick auf die Ausbildung gewisser Voraussetzungen. So muss der Reiter über eine gefestigte Sitzgrundlage verfügen, um auch bei unvorhergesehenen Situationen sicher im Sattel zu sitzen. Besonders wichtig ist der leichte Sitz: Wer sich mit kurzem Steigbügel in allen drei Gangarten sicher ausbalancieren kann, ist bereit für den Ausritt. Erste Springerfahrungen festigen den leichten Sitz und geben Sicherheit. „Ehe es ans Ausreiten geht, ist es sinnvoll, dass das Reiten in der Abteilung geübt wird“, merkt Jacobs an. Damit ein Pferd an einem Ausritt teilnehmen kann, muss es so sicher an den Hilfen stehen, dass der Reiter jederzeit die Kontrolle über die Grundgangarten hat und Übergänge sowie Wendungen reiten kann. Darüber hinaus benötigen sowohl Pferd als auch Reiter eine für einen Ausritt angemessene Ausrüstung (siehe Kasten).

Damit der Ritt über die vom Raureif glitzernden Stoppelfelder und den mit Kastanien und Bucheckern bedeckten Waldboden im echten Leben genauso malerisch verläuft wie im Kopfkino, sollte er vorher grob geplant werden. Zunächst ist zu klären, wer am Ausritt teilnimmt. Ausgeritten werden sollte immer mindestens zu zweit. Alleine ausreiten gefährdet Pferd und Reiter, da bei einem Notfall niemand anderes informiert ist. „Wenn es an die Einteilung der Gruppe geht, kann man dem Motto ‚erfahrener Reiter – junges Pferd und unerfahrener Reiter – altes Pferd‘ Folge leisten“, sagt Jacobs. Die Strecke ist passend zu Ausbildungsstand und Fitnesslevel von Pferd und Reiter zu wählen. Bei der Einteilung der Strecke wiederum müssen Aufwärm- und Erholungsphase berücksichtigt werden. Dementsprechend sollten anfänglich und abschließend mindestens zehn Minuten Schrittreiten und vor und nach dem Galoppieren ein längerer Trababschnitt eingeplant werden. Alternativ kann die Aufwärmphase auch auf dem Außenplatz durchgeführt werden. Dort wo Trab oder Galopp auf dem Programm stehen, sollte der Untergrund eben und federnd beschaffen sein, während auf unebenem, hartem und unübersichtlichem Boden nur Schritt geritten wird.
Reiter sind laut Straßenverkehrsordnung Fahrzeuge und müssen sich entsprechend verhalten: Sie reiten rechts und benutzen die Fahrbahn. Foto: FN-Archiv/Thoms Lehmann
Beim Reiten in der Gruppe kündigt der erste Reiter per Handzeichen beispielsweise Tempowechsel an. Foto: FN-Archiv/Thoms Lehmann

Alle fit? 

Bevor die Tore des Reitstalls hinter sich gelassen werden können, steht natürlich noch ein Check an: Sind Reiter und Pferd gesund? Wer Krankheitsanzeichen oder scheinbar harmlose Druck- und Scheuerstellen entdeckt, sollte das Pferd lieber schonen. Bei der Fellpflege gilt es Schmutz, Staub, verklebte Stellen und Verkrustungen zu entfernen. Hierbei muss ein besonderer Fokus auf die Stellen gelegt werden, an denen Sattel, Gurt und Zaumzeug aufliegen oder das Pferd besonders stark schwitzt. Andernfalls können während eines längeren Ausritts leicht Druck- und Scheuerstellen entstehen. Auch die Hufe müssen vor und nach jedem Ausritt gründlich kontrolliert und ausgekratzt werden, denn das Reiten über harten und steinigen Boden beansprucht Pferdehufe besonders und setzt sie Fremdkörpern wie zum Beispiel Steinen aus.

Jörg Jacobs, Leiter der Westfälischen Reit- und Fahrschule in Münster. Foto: privat
Diana Koch, in der FN-Abteilung Vereine, Umwelt, Breitensport und Betriebe zuständig für das Thema Aus­reiten. Foto: FN-Archiv
Aufgepasst! In einigen Bundesländern müssen Reiter eine Plakette für ihre Pferde bean­tragen, wenn sie aus­reiten möchten. Wer ohne trotzdem ausreitet, riskiert ein Bußgeld und unnötigen Ärger. Foto: FN-Archiv/Thoms Lehmann

In der Gruppe

Und dann endlich die in goldenes Licht getauchte Herbstlandschaft vom Pferderücken aus erleben. Wenn dies in einer größeren Gruppe passiert, sollte die Reihenfolge der Pferde nach deren Temperament, Vorlieben, aber auch Aversionen festgelegt werden. Notwendigerweise werden Anfang und Schluss der Abteilung von erfahrenen Reitern gebildet, deren Anweisungen Folge geleistet wird. Zu überlegen ist, ob im geschlossenen Verband, also in Zweierreihen, geritten wird. Im Straßenverkehr ist es sinnvoll und geländeerfahrene Pferde gehen meistens gerne und gelassen nebeneinander. „Auch ist wichtig, dass passende Abstände eingehalten werden. Es sollen keine zu großen Lücken entstehen, aber gleichzeitig muss ein Sicherheitsabstand eingehalten werden. So kann es zum einen nicht dazu kommen, dass hinten gehende Pferde zum eifrigen Aufholen angespornt oder Reiter überhört werden und zum anderen wird die Gefahr des Aufreitens minimiert“, erklärt Koch. Damit mitten in Wald und Flur kein Chaos entsteht, müssen Gangartwechsel wie Anreiten, Antraben, Angaloppieren und Durchparieren vorher per Handzeichen angekündigt werden.

Bergauf, bergab reiten schult das Gleichgewicht von Reiter und Pferd. Fotos (3): FN-Archiv/Thoms Lehmann

Im Straßenverkehr

Ein Ritt im Gelände findet meist nicht nur auf menschenleeren Waldwegen und verlassenen Feldern statt. Aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte in Deutschland treffen Reiter häufig auf andere Personen, die dieselben Pfade freizeitlich oder im Zuge ihrer Arbeit nutzen. Schnell sehen sie sich mit Straßenverkehr konfrontiert. „Am sichersten ist es, seine Pferde schon auf dem Reitstallgrundstück mit solchen Situationen vertraut zu machen. Das nimmt ihnen die Furcht vor dem Unbekannten“, so Jacobs. Wenn man anderen Menschen oder Tieren beim Ausritt begegnet, gilt es durchzuparieren und mit einem ausreichend großen Sicherheitsabstand im Schritt vorbeizureiten. Damit wird die Gefahr für die eigene Gruppe eingegrenzt und Rücksicht auf Mitmenschen und -tiere genommen. 

Im Straßenverkehr kommt es darauf an, Ruhe zu bewahren und einigen simplen Regeln zu folgen. Laut Straßenverkehrsordnung handelt es sich bei Reitern um Fahrzeuge. Dementsprechend sind sie angehalten, den rechten Fahrbandrand zu nutzen. Die allgemeinen Verkehrsschilder gelten auch für Reiter. Darüber hinaus gibt es für Reiter spezifische Gebots- bzw. Verbotsschilder (siehe oben). Wenn ein Weg mit einem Gebotsschild gekennzeichnet ist, ist er ausschließlich Reitern vorbehalten. Ein Reitverbotsschild hingegen zeigt an, dass hier nicht geritten werden darf. Wer die Richtung ändern möchte, muss das als Reiter – genau wie als Fahrradfahrer – mit einem Handzeichen ankündigen. Bevor eine Straße überquert wird, gilt es dicht aufzuschließen und zu überprüfen, ob sie in beide Richtungen frei ist. Dann kann als geschlossene Gruppe zügig passiert werden.
Vor und nach jedem Ausritt müssen die Hufe gründlich kontrolliert werden. Foto: FN-Archiv/Thoms Lehmann
Erfrischung nach dem Ausritt: Abkühlung für die Pferdebeine. Foto: FN-Archiv/Thoms Lehmann
Damit der Ausritt also nicht nur zu einem schönen, sondern auch zu einem sicheren Erlebnis für Reiter und Pferd wird, muss einiges beachtet werden. Ausreiten ist mehr als mit rosigen Wangen die frische Luft und das Knirschen der gefallenen Blätter unter den Pferdehufen genießen. Es bedarf umfangreicher Kenntnisse und guter Vorbereitung, damit es nicht nur Spaß macht, sondern gleichzeitig auch sicher ist. Keine schlechte Idee also, als Pferdemensch seine Kompetenz im Umgang mit dem vierbeinigen Partner und als Reiter im Sattel zu verbessern und dies mit einer Qualifikation nachzuweisen. Dafür bietet die FN ab 2020 die Pferdeführerscheine an, welche den Basis- und den Reitpass ersetzen (siehe Kasten unten). Für Experte Jörg Jacobs steht fest: „Als Reiter ist es unsere Verantwortung, uns fortzubilden. Und es ist absolut empfehlenswert, eine Qualifikation zu erwerben, die diese Kompetenz auch dokumentiert. Im Fall der Fälle kann es hilfreich sein, wenn man seine Alltagstauglichkeit rund ums Pferd auch belegen kann.“

Charlotte Dymek

Pferdeführerschein Reiten 

Was ist der Pferdeführschein Reiten? 

Der Pferdeführerschein Reiten ist ein Kompetenznachweis für sicheres Reiten bzw. Ausreiten. Hierfür wird ein Vorbereitungslehrgang (30 Lerneinheiten) besucht und abschließend eine Prüfung abgelegt. Er ersetzt ab 2020 als fachliche Erweiterung den Reitpass. Teilnahmevo-rausetzung ist der Pferdeführerschein Umgang und ein Mindestalter von zehn Jahren. Außerdem braucht es Erfahrungen im Umgang mit Pferden und reiterliche Grundkenntnisse.

Was sind die Inhalte? 

Hier wird das Einmaleins des Reitens geprüft: von der Vorbereitung des Pferdes über den richtigen Sitz im Sattel bis zum Reiten in allen Grundgangarten, sowohl in der Reitbahn als auch im Gelände. Auch Sicherheits-aspekte wie Verhaltensregeln beim Ausreiten und Erste Hilfe für Pferd und Reiter sowie der angemessene Umgang mit Umwelt und Natur werden behandelt. 

Wo kann der Pferdeführerschein Reiten abgelegt werden?

Informationen zu den Pferdeführerscheinen und Lehrgängen erteilen die Landespferdesportverbände. Viele weitere Fragen beantworten die FAQs unter www.pferd-aktuell.de/ausbildung/fuehrerscheine-im-pferdesport/pferdefuehrerschein-reiten

Pferdeführerschein Umgang

Was ist der Pferdeführerschein Umgang?

Der Pferdeführschein Umgang ist ein Kompetenznachweis für den richtigen und artgerechten Umgang mit dem Pferd. Hierfür wird ein Vorbereitungslehrgang (30 Lerneinheiten) besucht und abschließend eine Prüfung abgelegt. Er ersetzt ab 2020 als zeitgemäße Erweiterung den Basispass Pferdekunde, auch als Zulassungsvoraussetzung für die Reitabzeichen ab Klasse 5 (Reiten, Fahren, Voltigieren, Longieren, Westernreiten ab Klasse 4).

Was sind die Inhalte? 

Im Kern geht es darum, Verhaltensweisen und Bedürfnisse von Pferden zu verstehen und angemessen auf diese zu reagieren. Thematisch werden u. a. Haltung, Fütterung, Pflege und Gesundheit behandelt. Praktisch wird außerdem geübt, wie man ein Pferd in verschiedenen Situationen führt. Das ist für Anfänger sowie für jeden, der Kontakt zu Pferden hat, relevant, um ein Grundverständnis für den Umgang mit ihnen zu entwickeln. In der Prüfung sind vier Stationen zu absolvieren:
erster Kontakt und Pferdepflege (Aufhalftern, Anbinden, Putzen)
Pferdeverhalten und verhaltensgerechter Umgang mit dem Pferd
Bodenarbeit, Führen im eingezäunten Bereich (Dreiecksbahn, Bodenarbeits- Parcours)
Führen in Alltagssituationen aus dem öffentlichen Raum (Begegnung mit Radfahrern, Autos, Traktoren oder anderen Erholungssuchenden) 

Wo kann der Pferdeführerschein Umgang abgelegt werden?

Informationen zu den Pferdeführerscheinen und Lehrgängen erteilen die Landespferdesportverbände. Viele weitere Fragen beantworten die FAQs unter www.pferd-aktuell.de/ausbildung/fuehrerscheine-im-pferdesport/pferdefuehrerschein-umgang

Vorheriger Artikel

Ausgabe 10/2019
EM-Saison 2019: Interview mit Dr. Dennis Peiler

Nächster Artikel

Ausgabe 10/2019
Unser Stall soll besser werden: Die Sieger 2019