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Weihnachtsreiten: Gewinnspiel für Schulpferdereiter

Neue Anlage für die Reiterstaffeln Dortmund und Willich

WG für Polizeipferde

Aus zwei mach‘ eins – und das richtig gut: Die NRW-Reiterstaffeln aus Dortmund und Willich haben sich für eine Wohngemeinschaft entschieden. Seit dem Sommer gibt es nur noch eine Landespolizeireiterstaffel. Die 32 Pferde leben jetzt in Bochum-Wattenscheid, jedes auf 16 Quadratmetern plus Terrasse. Ihr Training findet auf einem Ebbe-Flut-Sandplatz statt. Die Dienstpferde haben jetzt einen echten Vorzeigestall.

Im Sattel der Polizeipferde sitzen inzwischen hauptsächlich Frauen. Foto: FN-Archiv

„Mit dem Graf bitte das Training beenden. Der muss noch zum Landtag“, schallt der Lautsprecher über den 80 Meter langen Sandplatz. Grit Fleskes, Hauptkommissarin und eine der Trainerinnen, schaltet ihr Mikrofon aus und widmet sich den übrigen neun Polizeipferden auf dem Sandplatz. Heute ist Dienstag und Dienstag ist wie Donnerstag Ausbildungstag im Stall der Polizeireiterstaffel NRW. „Seit wir hier sind, reiten wir fast immer nur draußen auf dem Platz. Der ist 40 mal 80 Meter groß und wir können unsere Pferde auch mal auf großen Runden vorwärts galoppieren. Das tut denen richtig gut, weil die sonst viel im Schritt auf Asphalt unterwegs sind“, erklärt die zweite Trainerin, Maike Rasche. „Natürlich werden die Pferde nach der Skala der Ausbildung gymnastiziert, damit sie gesund bleiben.“ Der Graf verlässt derweil den Platz. Sein Dienst beginnt in Kürze. Die Polizeireiterstaffel hat den durchgehenden Auftrag zum „Schutz des Landtags“ in Düsseldorf. Zwei Reiterstreifen sind dort acht Stunden am Tag im Einsatz.

Neuer Standort Bochum

Am 17. Juni in diesem Jahr war der große Umzugstag: Die beiden NRW-Reiterstaffeln Dortmund (als Reiterstaffel Westfalen) und Willich (Reiterstaffel Rheinland) wurden zu einer Landesreiterstaffel zusammengelegt. Mit dem neuen Standort Bochum-Wattenscheid sind die Reiter nun dem Polizeipräsidium Bochum angeschlossen. „Strategisch ist der Standort gut, weil wir relativ mittig von NRW sitzen“, erklärt der neue Leiter der Landesreiterstaffel, Thorsten Maicher. Im Jahr 2015 konnte sich die Polizei bereits das Gelände in Bochum-Wattenscheid sichern. Dann wurde lange geplant und 2019 fing der Neu- und Umbau an – von Anfang an war das Ziel, dass die Pferde artgerecht und in einer modernen Haltung leben sollten. „Wir haben uns mit Gerlinde Hoffmann von der FN (Anm. der Redaktion: ehemalige Leiterin der Abteilung Umwelt und Pferdehaltung der FN) getroffen und uns beraten lassen, ebenso von den Landwirtschaftskammern“, erzählen Thorsten Maicher, Leiter der Landesreiterstaffel, und Roman Leyendecker, sein Stellvertreter. Geplant wurde der Stall von Dipl.-Ing. Architektin BdB Urte Meermann. Ihr Spezialgebiet ist der Neubau und Umbau von Reitanlagen sowie Bauen im Außenbereich. Sie ist auch Jury-Mitglied beim PM-Wettbewerb „Unser Stall soll besser werden“.

Pferdewirte angestellt

Zur Landesreiterstaffel NRW am Standort Bochum gehören aktuell 32 Dienstpferde – alles Wallache, acht Polizeireiter und 38 Polizeireiterinnen. 36.000 Quadratmeter Platz bietet der neue Standort: für ein neues Dienstgebäude, Ställe mit vier mal vier Meter großen Boxen und angeschlossenen Paddocks (vier mal sechs Meter), zwei Reithallen, eine Longierhalle, eine Führanlage, Außenreitplätze, Weideflächen, Schlechtwetter- Paddocks und Parkplätze unter dem Dach für die Zweipferdeanhänger mit deren Zugfahrzeugen. Neu sind auch neun Angestellte für die Pferdeversorgung – unter ihnen zwei Pferdewirtschaftsmeister und weitere Pferdewirte. „Damit wollen wir die Reiter entlasten, damit sie mehr Zeit für das Training der Pferde haben“, erklärt Roman Leyendecker, „und wir wollten noch mehr Augenmerk auf die Qualität der Pferdehaltung legen.“

Gedenkecke für Goldstern

Jeden Morgen um sieben Uhr kommen die Polizeireiter nach Bochum-Wattenscheid. Nach der Dienstbesprechung und dem Check des Einsatzplanes ziehen sie sich um. Das neue Dienstgebäude ist barrierefrei.

Roman Leyendecker schaut nach den Pferden auf den neuen Koppeln. Fotos (9): Cornelia Höchstetter

Im Eingangsbereich gibt es eine Gedenkecke für Goldstern und Klaus Balkenhol. Aber eine solche Ausnahmegenehmigung für den Sport würde es heute nicht mehr geben. Dienst nach Vorschrift, und der wird gut organisiert. Es gibt Trocken- und Umzugsräume im Erdgeschoss, Büros und Besprechungszimmer im ersten Stock – mit Blick auf die Pferde, die in ihren Paddockboxen sich die Sonne aufs Fell scheinen lassen. Die Zweibeiner haben dafür keine Muße. Raus aus den Privatklamotten, rein in die Dienstkleidung – zu der die Reithosen gehören. Die Damenumkleidekabinen mit Duschen und Schränken sind etwa sechsmal so groß wie die der Männer – das entspricht der aktuellen Geschlechterverteilung. Ein Blick in die Schränke zeigt einen Geschlechterunterschied: Bei den Frauen hängt schon mal ein Foto des vierbeinigen Kollegen in der Tür.

Proben den Aufstand: Im Training gewöhnen sich die Pferde an Trubel, Flaggen und Lärm.

Wenn sie an einem Regentag vom Einsatz zurückkommen, dürfen sie sich über den neuen Trockenraum freuen: Für Reitklamotten, die Stiefel stecken auf Stäben, die Reithelme ebenso. „Alles ist nummeriert, jeder Reiter und jedes Pferd hat seine Nummer und die finden sich auf jeder Satteltasche, am Regenmantel und am Visier wieder“, erzählt Roman Leyendecker. Entsprechende Nummern haben die Schränke. Ein mittelgroßer Polizist oder eine Polizistin trägt auf manchen Einsätzen drei Schichten: Reitklamotten, Körperschutzausstattung mit Alukunststofflegierung und einen feuerfesten Reitanzug.

Das Pferd trägt seine Einsatztrense mit schnittfesten Zügeln und den Sattel mit Taschen, in denen Einsatzhelme und Regenschutz stecken. Zum normalen Reitergewicht kommen bis zwölf Kilogramm dazu. Kein Wunder, dass der Trockenraum so groß ist.

Lufttrockner für Pferdedecken

Im Hauptstallgebäude befinden sich nicht nur die beiden Boxenreihen den angeschlossenen Paddocks, sondern auch der Trockenraum und die Sattelkammer – mit Zwischenwänden für Dienst- und Trainingstrensen und Sattelhaltern an den festen Wänden. An Satteldecken findet man alles, was es an Materialien hergibt. Die extra produzierten Filzdecken haben sich am besten bewährt, findet Roman Leyendecker. Er hat ein Faible für die Ausrüstung und deren Aufbewahrung und konnte mitplanen – etwa die Aufhängevorrichtung der Pferdedecken. Im Trockenraum stehen außerdem eine leistungsstarke Waschmaschine und der Lufttrockner, der eine zwölffache Luftbewegung schafft.

Eingewöhnungszeit

Aus Willich kommen die Polizeireiterin Annette van Doornick und ihr Pferd Fire. Sie beobachtete nach dem Umzug bei ihrem Pferd, dass er erst noch nicht hundertprozentig in Bochum angekommen war – so viel großzügiger der Stall auch ist. „Es war eben viel Neues: Zwei Pferdegruppen wurden zusammengestellt, die Fahrzeuge haben sich teilweise verändert, die neue Anlage.“ Einige Kollegen und Kolleginnen beobachteten umgekehrt, dass ihre Pferde beim Putzen und beim Füttern sofort viel entspannter geworden sind. Eben, weil so viel Platz sei, zum Putzen, zum Satteln.

Die Pferde haben die Wahl: Box oder Paddock.

Maike Rasche freut sich immer, wenn sie sieht, dass die Pferde im Paddock stehen und dösen. „Gerade der Stall in Dortmund war nicht so ruhig, wie es auf der neuen Anlage ist“, erzählt die Trainerin. Die Stallgasse war etwas dunkler. Der Bochumer Stall ist hell, weil alle Boxen tagsüber die geöffneten Türen zum Paddock haben. Und weil ein transparentes Lichtband mittig an der Decke verläuft. Die Deckenhöhe entspricht unter dem Giebel etwa drei- oder viermal der durchschnittlichen Widerristhöhe. Die Leitlinien zur Pferdehaltung geben die doppelte Widerristhöhe als Mindestmaß vor. Frische Luft zirkuliert nicht nur von den offenen Türen in den Stall. Auch die Holzwände der Boxen haben Lüftungsschlitze und die warme verbrauchte Luft verschwindet nach oben durch die Trauffirstlüftung nach draußen.

Dass dreimal täglich Heu gefüttert wird, bringt Ruhe und Zufriedenheit in die vierbeinige Diensttruppe, ebenso der tägliche Koppelgang. Dort stehen sie zwar nur alleine oder zu zweit, damit die Verletzungsgefahr minimiert ist. Es sind eben Beamte, die allzeit einsatzbereit sein sollten.

Eine breite Stallgasse bringt Ruhe, wenn die Pferde gesattelt werden.

Ausbilderin Grit Fleskes gewöhnt das Nachwuchspferd an fliegende Gegenstände.

Noch ist eine gewisse Skepsis vorhanden.

Pferd als Sympathieträger

Warum setzt die Polizei eigentlich im 21. Jahrhundert immer noch auf das Pferd? Stellt man diese Frage verschiedenen Polizeireitern und -reiterinnen – die Antwort gleicht sich: „Weil selbst die Hardcore-Hooligans Respekt vor den Pferden zeigen“, ist Roman Leyendeckers Erfahrung. Seine Kollegin Annette van Doornick empfindet: „Auf dem Pferd habe ich als Polizistin einen besseren Überblick und das Gefühl, man könne mehr Menschen beeinflussen. Und in der Regel wird man als Reiter positiver empfangen als im Auto sitzend.“ Und Thorsten Maicher weiß: „Das Pferd ist ein Sympathieträger.“ Ein wichtiges und regelmäßiges Einsatzgebiet der Reiterstaffel sind Fußballspiele, Demonstrationen oder Großveranstaltungen. Die NRW-Staffel wird auch bundesweit angefragt. Damit Pferde und Reiter fit für ihren Job sind, hilft die neue Anlage enorm.

Außenplatz wie ein Strand

„Am ersten Tag hat es sich angefühlt, als ob wir am Strand reiten“, erzählt die Polizeireiterin Annette van Doormick vom ersten Training auf dem Ebbe- und Flutplatz. Dessen 80 mal 40 Meter sind so groß wie vier normale Reithallen nebeneinander. Da sind die Möglichkeiten des Trainings mannigfaltig. Mit dem Außenplatz ist man wetterunabhängig und im Winter können die Reiter auch nach Einbruch der Dunkelheit noch raus. Das nennt man dann Flutlichttraining. Platz genug, um Quadrillereiten zu üben, was ein perfektes Training für gutes Timing ist. Und darauf kommt es beim Einsatz an. Die Pferde müssen dann automatisch im geschlossenen Verband dicht an dicht zusammengehen. „Das ist dann Taktik, wenn wir geometrische Figuren reiten, um Störer in Demonstrationen oder vor dem Fussballstadion zu lenken“, gibt Roman Leyendecker einen Einblick in die Art des Polizei-Reitens.

In der Sattelkammer (oben) hängen Arbeits- und Einsatztrensen. Im Trockenraum (unten) stehen Stiefel auf dem Kopf.

Welches Pferd eignet sich?

Eigentlich sind die stabilen und großen Tiere gefragt, weil sie respekteinflößend wirken. Sieht man sich im Bochumer Stall um, trifft man unterschiedliche Typen. „Eine Mischung ist gut“, sagt Jasmin Hammes, „wie in einer Handballmannschaft. Da braucht man große starke und kleine wendige Spieler.“ Deshalb gehört auch Black Blitz zum Team, der aussieht wie ein Vielseitigkeitspferd. „Der hat ein grundgutes Gemüt“, sagt seine Reiterin Anja Otrzonsek. Am wichtigsten sind Eigenschaften wie Neugierde: Erschrecken dürfen die Pferde, aber sie müssen sich danach wieder an die Schreckelemente wagen und sich überzeugen lassen.

Fahnen, Rasseln und Getöse

Auf dem Ausbildungsplan der Polizeipferde stehen neben dem Quadrillereiten auch Dressur, Springen, Ausritte, um die Streifenritte zu üben, Taktik mit geometrischen Figuren einüben und auch das Schrecktraining. Rasseln, Fahnen, Geschrei, Lautsprecher – Utensilien dafür liegen in den Schränken in der Reithalle bereit. Ein Teil der Reiter geht zu Fuß auf den Reitplatz und gemeinsam auf die Pferde zu, um dann vor ihnen wegzurennen. So dass das Fluchttier dem schrecklichen Getöse hinterherläuft. So lernen die jungen Pferde das an der Seite der erfahrenen Pferde. Das ist bei den ersten Einsätzen so: Pferde in der Ausbildung gehen erst in einem „Beritt“, das sind je sechs Pferde, mit erfahrenen Pferden zu Veranstaltungen, die gut berechenbar sind. Etwa für Fußballspiele vor Stadien, wo besonders viel Platz ist. Dann gehen die jungen Tiere die „erste Rutsche“ mit, also vor dem Spiel und gehen so mit hoffentlich guten Erlebnissen wieder nach Hause, während die Profis die „zweite Rutsche“ nach dem Spiel noch dazu übernehmen.

Bitte einsteigen

Zwischen Stall und Dienstgebäude stehen unter einem langgezogenen Dach etwa zehn VW Bully T6, bereits angekuppelt an Zweipferdeanhängern. Das Heu für die langen Einsätze kommt in ein extra Fach an das Heck der Autos. Die Einsatzfahrzeuge sind piccobello sauber. Für Graf und dessen Pferdekollegen, die beide nach Düsseldorf zum Streifereiten müssen, fährt schon mal der Wagen vor.

Cornelia Höchstetter

PM besuchen Reiterstaffeln

In den vergangen Jahren haben die PM immer wieder die Polizeireiterstaffeln in ganz Deutschland besucht. Auch 2022 sind wieder Seminare oder Exkursionen dazu geplant. Behalten Sie dafür das PM-Seminarprogramm unter www.pferd-aktuell.de/seminare im Blick.

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