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Diagnostik von Cushing und EMS schwierig

Krank gefüttert?

Zu fett gefüttert und zu wenig Bewegung – sogenannte „Wohlstandskrankheiten“ gibt es auch bei Pferden. Die Pars intermedia Dysfunktion der Hypophyse (PPID) – auch bekannt als Equines Cushing Syndrom – und das Equine Metabolische Syndrom (EMS) werden oftmals als Wohlstanderkrankungen tituliert. Aber warum eigentlich? Nun, weil die erkrankten Tiere bei EMS an Übergewicht leiden und bei PPID unter Umständen übergewichtig wirken können. Die Krankheiten allein darauf zu reduzieren, wäre jedoch falsch. Tatsächlich lösen sie viel mehr als bloßes Übergewicht aus und sind nicht alleine auf falsche Fütterung zurückzuführen.

Bei EMS ist der Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel gestört. Vor allem leichtfuttrige Rassen haben ein erhöhtes Krankheitsrisiko. Fotos (6): Christiane Slawik

Und wenngleich sich einige Symptome durchaus ähneln, unterscheiden sich die Krankheiten doch elementar voneinander. Kurz gesagt: Bei der Erkrankung PPID – auch bekannt unter Equine Cushing Syndrom – handelt es sich um die häufigste hormonelle Störung bei älteren Ponys und Pferden. „Ab einem Alter von zwölf Jahren tritt sie gehäuft auf“, berichtet Dr. Anastasios Moschos. Der Veterinär ist für die Firma IDEXX tätig und arbeitet dort an Laborlösungen zur Diagnostik der Krankheit. Dagegen ist bei EMS der Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel gestört. Vor allem leichtfuttrige Rassen haben ein erhöhtes Krankheitsrisiko. „Bei beiden Erkrankungen kann es vorkommen, dass Hufrehe das einzige klinisch auffällige Symptom ist. Dies kann bei mittelalten Pferden, die nicht besonders fettleibig sind, die Unterscheidung zwischen PPID und EMS auf dem ersten Blick erschweren“, berichtet Moschos.

Auslöser noch nicht erforscht

Während die Ursache für eine EMSErkrankung besser bekannt ist, rätselt die Wissenschaft noch über die genauen Auslöser des Cushing-Syndroms. Erklärungsansätze gibt es: „Vermutlich sind es altersbedingte, durch oxidativen Stress entstandene Schäden an den Nerven, die die Struktur und Funktion der Hirnanhangdrüse regulieren“, erzählt Moschos. Eine normalfunktionsfähige Hirnanhangdrüse produziert unter anderem das Hormon ACTH, das wiederum an der Nebennierenrinde die Ausschüttung des Hormons Kortisol regelt. Kortisol hat bei gesunden Pferden den Effekt, dass es etwa bei Stress vermehrt ausgeschüttet wird, um unter anderem Energiereserven zu mobilisieren. Bei an Cushing erkrankten Pferden bildet die Hirnanhangdrüse übermäßig ACTH und andere Mediatoren. Das kann mehrere Folgen haben: Beispielsweise schwächt das Hormon Kortisol das Immunsystem und hemmt den Proteinstoffwechsel, was zu Muskelschwund führt. Außerdem entgleist der Insulinstoffwechsel. Moschos fasst zusammen: „Als Folge der erhöhten Menge von ACTH und anderen Mediatoren im Blut wird eine Entgleisung unterschiedlicher Funktionen im Organismus verursacht, die im Zusammenspiel mit anderen Faktoren schließlich zu den Krankheitssymptomen der PPID führen.“

Nicht nur Shettlandponys können Cushing bekommen, auch Araber und andere Rassen sind betroffen.

Bei EMS und bei Cushing kann es vorkommen, dass Hufrehe das einzige für den Besitzer offensichtliche Symptom ist, daher ist die Unterscheidung oft schwierig.

Die Anzeichen

Die Symptome dieser Fehlfunktion sind dabei vielfältig. Tierbesitzer sollten daher gerade bei älteren Pferden auf jede Veränderung achten und bei Verdacht frühestmöglich einen Tierarzt rufen. Was sind nun aber solche verdächtigen Veränderungen? Nun, eines der auffälligsten kann die Hypertrichose sein: Das Pferd hat dickes, übermäßig langes und lockiges Haar. „Dieses lange Fell wird häufig nicht gewechselt oder der Wechsel erfolgt langsam und über Jahre hinweg immer schlechter oder auch nur teilweise mit dem Resultat zurückbleibender langer Haare im Bereich der Drosselrinne, an den Beinen und am Unterbauch“, erzählt Moschos. Außerdem leiden sehr viele an Cushing erkrankte Pferde an Hufrehe. „Nicht selten ist die Hufrehe das einzige für den Pferdebesitzer offensichtliche Anzeichen der Erkrankung“, erklärt er. Bei der Hufrehe handelt es sich um eine Endzündung der Huflederhaut. Ein akuter Hufreheschub erfordert eine sofortige Behandlung durch einen Tierarzt, um eine mögliche Senkung oder Drehung des Hufbeins zu vermeiden. 

Es existieren aber noch mehr Symptome: typische Fetteinlagerungen im Bereich des Halses, des Nackenkamms sowie auf der Kruppe bis hin zur Schweifwurzel und im Bereich des Euters oder des Schlauches sind nicht ungewöhnlich. Außerdem kann es zum Abbau von Muskulatur – vor allem im Rückenbereich – kommen. „Einige Pferde entwickeln einen sogenannten Tonnenbauch“, berichtet Moschos. Ebenso sind Leistungseinbußen, orthopädische Probleme und Fruchtbarkeitsstörungen mögliche Indikatoren. Eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte sowie schlecht und langsam heilende Wunden sind auf das durch die Erkrankung geschwächte Immunsystem zurückzuführen.

Bei Ponys und leichtfuttrigen Pferden sollten Besitzer versuchen, die Fressgeschwindigkeit zu verlangsamen. Viele Pferde tolerieren eine Fressbremse und können so zeitweise auch auf die Weide. Foto: istock

Nicht leicht zu diagnostizieren

Angesichts dieser unterschiedlichen Symptome ist eine Diagnose nicht einfach. Auf jeden Fall ist laut Moschos eine umfassende klinische Untersuchung durch einen Tierarzt und eine Blutanalyse durch ein Labor notwendig. „Das allgemeine labordiagnostische Organprofil kann verändert sein, doch diese Veränderungen sind nicht spezifisch für diese Erkrankung und die exakte Diagnose macht weitere spezielle Blutuntersuchungen erforderlich“, berichtet der Veterinär. Bei dieser speziellen Blutuntersuchung wird zuerst normalerweise ein ACTH-Test gemacht. Hierbei kann es bei einigen Fällen vorkommen, dass dieser Test zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden muss. Denn oft entwickelt sich die Krankheit schleichend. Außerdem dient bei dem Test die ACTH-Konzentration als Indikator. Und dieser ist störanfällig. Stress und Schmerzen können ihn etwa ansteigen lassen. Genauso spielt die Jahreszeit bei der Diagnostik eine Rolle. So deuten Studienergebnisse daraufhin, dass Pferde im Herbst ohnehin einen höheren ACTH-Wert haben – offensichtlich reagiert der Körper auf die kürzer werdenden Tage. Bei Cushing-Patienten ist dieser Anstieg jedoch deutlich höher als bei gesunden Pferden, weshalb der ACTH-Wert eine höhere diagnostische Aussagekraft in den Herbstmonaten hat. Hat sich der Verdacht bestätigt, wird ein Behandlungsplan erstellt. Ein Plan, der die Krankheit zurück halten soll. Heilbar ist Cushing nämlich nicht.

„Man kann den Pferden mit einer medikamentösen Behandlung, guter Pflege und regelmäßiger Kontrolle des Gesundheitsstatus aber ein sehr gutes Leben ermöglichen“, beruhigt Moschos. Der Behandlungsplan hänge von den Symptomen ab. Er empfiehlt jedenfalls regelmäßige Gesundheitschecks einschließlich Blutuntersuchungen. Außerdem sei eine orthopädische Hufpflege bei Tieren mit Hufrehe wichtig. „Zahnkontrollen, regelmäßige Entwurmungen, Scheren des Fells im Sommer, einen Witterungsschutz und gegebenenfalls eine Decke im Winter sowie ein qualitativ hochwertiges Futter sind Maßnahmen, die bei PPID-Patienten besondere Beachtung finden sollten“, zählt der Veterinär weitere Punkte für das Management der Patienten auf. Hinsichtlich des Futters sollten Besitzer auf eine ausbalancierte Ernährung für ältere Pferde achten, bei der Antioxidantien und Mineralien bedarfsgerecht zugeführt werden. Gleichzeitig ist laut Moschos darauf zu achten, ob das Tier aufgrund der Erkrankung einen erhöhten Kalorienbedarf hat. Moschos: „Dennoch ist eine Überfütterung bei PPID zu vermeiden, da der Glukosestoffwechsel in vielen Fällen beeinträchtigt ist.“

Ein Symptom für Cushing ist das dicke, übermäßig lange und lockige Haar. Foto: Frank Sorge

Das lange Fell wird häufig nicht oder nur langsam gewechselt, so dass das Scheren sinnvoll sein kann.

Cushing ist eine Alterskrankheit

Das Cushing-Syndrom zählt zu den bedeutsamsten Erkrankungen für ältere Pferde, weshalb es immer intensiver erforscht wird. Und wichtige Fortschritte wurden bereits erzielt: „In den letzten zehn Jahren haben wir sehr viel über die möglichen Ursachen gelernt und neue Tests für eine bessere Diagnose entwickelt“, berichtet Moschos, schränkt aber ein: „Die vielfältigen Wechselwirkungen unterschiedlicher Faktoren bei der Entstehung und im Verlauf von PPID stellen weiterhin eine große Herausforderung für Forscher und Tierärzte dar.“ Übrigens: Eine Studie ergab, dass mittlerweile 30 Prozent aller Pferde über 15 Jahre von der Krankheit betroffen sind. Warum Cushing heutzutage häufiger diagnostiziert wird, hängt laut Moschos an verschiedenen Faktoren. Ein Grund: Veterinärmediziner hätten bessere Möglichkeiten, um die Erkrankung festzustellen. Außerdem seien Besitzer und Reiter heute umfangreicher informiert und könnten die Veränderungen bei ihren Pferden so schneller erkennen. Und: „Unsere Pferde leben mittlerweile länger und erreichen die Altersgruppe, in der die Erkrankung oft vorkommt.“

EMS – zu fett gefüttert

Bei der Krankheit „Equines Metabolisches Syndrom“ spielen dagegen Altersfaktoren keine übergeordnete Rolle – wenngleich die Krankheit ab einem Alter von acht bis 20 Jahren gehäuft auftritt, wie Moschos verrät. Dagegen könnten jedoch die Gene eine wichtigere Rolle spielen als vermutet. Wissenschaftler der Universität von Minnesota stellten 2018 eine Studie vor, bei der sie Welsh und Morgan-Ponys – zwei als besonders EMS-gefährdet eingestufte Rassen – auf bestimmte Merkmale untersucht hatten. Es stellte sich heraus, dass gewisse EMSauslösende Stoffwechselmerkmale eine Vererbbarkeit von bis zu 80 Prozent besaßen. Zweifelsfrei liegt einer der Hauptauslöser aber in einer fett- und stärkereichen Fütterung verbunden mit mangelnder Bewegung. Sind dann einmal alle Fettzellen gefüllt, müssen neue angelegt werden. Und dieses Gewebe ist für die Entstehung von Entzündungsmediatoren mitverantwortlich. Gleichzeitig kurbeln die Fettzellen die Produktion von Hormonen an, die etwa das Immunsystem und den Fett- sowie Zuckerstoffwechsel beeinträchtigen. Außerdem sollen diese Hormone die Insulinrezeptoren blockieren oder zumindest beeinträchtigen, was zu einer Insulinresistenz führt – diese verminderte Reaktion gleicht der Körper mit einer erhöhten Insulinproduktion aus. In der Forschung wird vermutet, dass dieser Effekt ein Auslöser der Hufrehe ist.

Für ein Pferd mit EMS sind korrekte Ernährung und viel Bewegung die Voraussetzung, damit es ein „normales” Leben führen kann.

Cushing ist eine Alterskrankheit und nicht heilbar. Man kann den Pferden aber mit einer medikamentösen Behandlung und viel Pflege ein gutes Leben ermöglichen.

Anzeichen erkennen

Neben der Hufrehe, die eben oft das einzige für den Besitzer sichtbare Anzeichen darstellt, ist bereits Übergewicht ein wichtiger Indikator für die Erkrankung. Diese Fettansammlungen treten dabei häufig an bestimmten Stellen wie etwa im Bereich der Schulter- und Lendenregion, des Mähnenkamms, der Kruppe, des Schweifansatzes, des Euters oder Schlauches auf. Außerdem agieren an EMS erkrankte Pferde oftmals lethargisch. Dies sind Symptome, die eben auch auf andere Krankheiten wie das Cushing Syndrom hindeuten könnten. Wie also erfolgt eine gesicherte Diagnose? Hierzu wird die Hilfe von Laboruntersuchungen benötigt. Ist der Fall eindeutig, reicht oftmals schon eine Nüchtern-Insulin- und Glukose-Bestimmung zur Klärung. Allerdings ist dieser Test nicht immer gänzlich aussagekräftig, da zu Beginn damit eine Insulinresistenz noch nicht erfasst werden kann. Um die Diagnose zu bestätigen, wird der Veterinär dann auf sogenannte dynamische Tests zurückgreifen – oftmals auf den oralen Glukose-Toleranztest.

Fütterung und Bewegung entscheidend

Hat sich der Verdacht von EMS bestätigt, steht eine strikte Diät an. Denn eine wirksame medikamentöse Therapie gegen die Insulinresistenz liegt nicht vor. Allerdings sorgt die Gewichtsminderung dafür, dass sich die Insulinsensivität des Tieres erheblich verbessert und das Pferd ein normales Leben führen kann. Wichtige Voraussetzungen dafür sind eine korrekte Ernährung und viel Bewegung. In Zusammenarbeit mit dem Tierarzt sollte ein individuell auf das Pferd abgestimmter „Trainingsplan“ erstellt werden. Überhaupt lässt sich so das Risiko einer Erkrankung vermindern – gerade bei Ponys und leichtfuttrigen Pferden. Hier sollten Besitzer etwa versuchen, die Fressgeschwindigkeit zu verlangsamen, dabei können engmaschigere Heunetze oder sog. „Heutoys“ nützlich sein. Auch das Benutzen einer gut sitzenden und nicht scheuernden Fressbremse für die Zeit auf der Weide kann hilfreich sein. Nicht alle Pferde tolerieren diese Restriktionen, weshalb genauestens darauf geachtet werden muss, ob das Pferd mit der Situation gut zurechtkommt. Bei all den Maßnahmen sollten Besitzer jedoch unbedingt darauf achten, dass ihr Pferd nicht unterernährt wird. Genauso sollte der Abnahmeprozess in Maßen vonstattengehen – ein bis zwei Prozent Abnahme des Körpergewichts pro Woche sind völlig ausreichend.

Nico Nadig

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