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FN-Projekt „Grüner Stall“:

RV Oberstedten im Öko-Check

Photovoltaikanlage, Wasserzisternen, LED-Beleuchtungsanlagen, neue Duschköpfe, neue Gebäudedämmungen – die Möglichkeiten, eine Reitsportanlage möglichst ökologisch zu betreiben, sind vielfältig. So vielfältig, dass man als Verein unter Umständen gar nicht weiß, wo man überhaupt anfangen soll. Und vor allem wie. Schließlich können die Modernisierungsmaßnahmen schnell einen fünf- oder gar sechsstelligen Betrag verschlingen.

Reithallen eignen sich mit ihren großen Dachflächen besonders gut für Solarplatten einer Photovoltaikanlage. Foto: Frank Sorge

Eine Unterstützung in diesem Dschungel von Modernisierungs- und Förderungsmöglichkeiten bietet der sogenannte Öko-Check. Dieser wird etwa von Landessportbünden angeboten. Ziel ist es, Pferdesportvereine bei der Planung und Finanzierung von ökologischen Modernisierungsmaßnahmen zu unterstützen. Dafür besucht ein Berater die Anlage und macht sich vor Ort ein Bild von den Gegebenheiten, ehe er dann einen individuellen Plan hinsichtlich Einsparpotenziale, Investitionsmöglichkeiten und Förderungsangebote erstellt. Im Rahmen des Projekts „Der Grüne Stall“ hat die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) einen Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem sich Vereine für einen solchen Öko-Check bewerben konnten. Acht Vereine wurden für den Öko-Check ausgewählt und erhalten einen Zuschuss für Modernisierungmaßnahmen. Einer davon ist der Reitverein Oberstedten.

Verbunden mit der Natur

Rund 30 Kilometer vom Frankfurter Stadtzentrum entfernt hat der Reitverein Oberstedten seine Heimat.Auf den ersten Blick ist die Anlage dabei nicht unbedingt erkennbar. Versteckt von Hecken und Bäumen liegt sie am Rande eines Wohngebietes in Oberstedten, einem Teil des Ortes Oberursel. Auf einer Holzbank vor der Reithalle sitzen Betriebsleiterin Julia Maaß und Liv Kramer, die sich um den Social-Media-Auftritt des Vereins kümmert. Die beiden Frauen warten auf Matthias Schwing vom Landessportbund Hessen. Er besucht die Anlage, um sich im Rahmen des Öko-Checks ein Bild zu verschaffen. Warum sich der Verein für den Öko- Check überhaupt angemeldet hat?

Berater Matthias Schwing geht mit Betriebsleiterin Julia Maaß den Fragenkatalog des Öko-Checks durch. Fotos: Nico Nadig

 Betriebsleiterin Maaß erklärt: „Für uns ist es wichtig, dass wir als Reiter die Natur nicht nur nutzen, sondern auch entsprechend in unserem Stall wirtschaften und dass wir die Natur nicht über die Maße strapazieren.“ Denn natürlich habe der Verein einen gewissen Verbrauch an Energie und Wasser. Diesem probiere man bereits durch unterschiedliche Maßnahmen entgegenzuwirken. Mithilfe des Öko-Checks sollen daher jetzt noch weitere Denkanstöße geliefert werden. „Wir wollten erfahren, wie wir ein paar Projekte von uns noch ökologischer und energieeffizienter umsetzen können“, erzählt Liv Kramer von den Erwartungen.

Die Abrechnung studieren

Mittlerweile ist Matthias Schwing auf der Anlage in Oberursel angekommen. Unter den Arm hat er sich einen dicken Ordner geklemmt, als er auf die beiden Frauen zuläuft. Denn unvorbereitet kommt der Klima-Berater des Landessportbundes Hessen keinesfalls. Bereits im Vorfeld hat er verschiedene Unterlagen wie den Gebäudeplan oder die Strom- und Wasserabrechnung durchgewälzt. Und tatsächlich ist dem erfahrenen Klima-Berater etwas aufgefallen: Beim Blick auf die Wasserrechnung des Vereins entdeckte er eine Auffälligkeit im Zusammenhang mit den Abwasserkosten. Das Einsparpotenzial liegt dabei im vierstelligen Bereich, und alles, was der RV Oberstedten dafür machen muss, ist beim zuständigen Wasserverband anzurufen. Stichwort Wasser: Wasser zählt zu den wichtigsten Ressourcen der Erde. Es ist essenziel für das Leben der Menschen, Tiere und das Fortbestehen der Natur. Allerdings ist die Ressource begrenzt – auch in Deutschland gab es bereits immer wieder örtlich bedingte Wasserknappheit. Für ein Aufhalten des Klimawandels und eine möglichst ökologische Lebensweise ist der Umgang mit diesem Gut daher von großer Bedeutung. Was bedeutet das nun aber für Pferdesportanlagen? Nun, zuerst ist festzuhalten, dass Pferdesportanlagen zweifelsohne auf einen beachtlichen Wasserverbrauch kommen können. Die Pferde brauchen es zum Trinken, gleichzeitig wird es zum Saubermachen benötigt. Und dann wäre da ja ebenfalls noch das Wässern der Reitböden.

„Der Verbrauch des Reiterstübchens gibt dagegen meist nicht so viel her. Viele Reiter nutzen ihre eigenen Duschen zu Hause“, berichtet Schwing. Um die Belastung von Trinkwasserund Grundwasserquellen möglichst zu begrenzen, schlägt Schwing der Betriebsleiterin des RVO daher vor, über Wasserzisternen nachzudenken. Diese könnten im Zusammenhang mit einer Modernisierung des Daches installiert werden. „Bei der Dachfläche und bei dem anfallenden Regen wäre darüber nachzudenken, damit dann die Außenreitplätze zu bewässern“, erklärt der Klima-Berater. Eine Wasserzisterne kann unter dem Boden, aber auch oberhalb installiert werden. Durch Rohrzuläufe gelangt Regenwasser beispielsweise vom Dach in den Sammelbehälter. Über Pumpen kann das Wasser dann aus der Zisterne zur Bewässerung der Außenanlage oder auch zum Waschen der Pferde benutzt werden. Die Kosten der Zisterne hängen dabei von der Größe ab und inwieweit ein Verein gewisse Arbeiten in Eigenleistung durchführen kann. Angesichts steigender Wasserpreise kann sich eine Zisternenanlage auch trotz fünfstelliger Investitionskosten als rentabel erweisen. Tatsächlich hat sich der Verein schon mal mit einer solchen Anlage auseinandergesetzt. Aber die Idee auch wieder verworfen. Warum? Nun, jedenfalls nicht aus Kostengründen. Vielmehr würde eine Zisternenanlage schon allein für das Wässern der Böden nicht ausreichen. „Damit der Boden hier perfekt ist, braucht es wirklich eine Menge an Wasser“, sagt Maaß und verdeutlicht: „Wir haben die örtliche Feuerwehr mal dazu eingeladen, dass sie ihre Übungen bei uns auf dem Platz machen kann. Danach war der Boden gerade optimal.“

In der Halle hat der RV Oberstedten bereits neue LED-Röhren angebracht. Eine noch günstigere Alternative sind Strahler, die einzeln angesteuert werden können.

An den Querbalken der Stallgasse hat der Verein bereits energiesparende LED-Röhren angebracht.

Infokasten

Investitionen in einen ökologischeren Betrieb können schnell teuer werden. Aber es gibt verschiedene Förderprogramme:

  • Der Projektträger Jülich betreut im Auftrag von Bundes- und Landesministerien sowie der Europäischen Kommission eine Vielzahl von Forschungsund Innovationsförderprogramme: www.ptj.de
  • Förderungsdatenbank des Bundesministeriums für Energie und Wirtschaft: www.foerderdatenbank.de
  • Vereine können die zuständigen Landessportbünde kontaktieren.
  • Förderungsmöglichkeiten der Gemeinde oder Kommune erfragen.
  • Übrigens: Wer kein Förderprogramm benötigt, weil es sich etwa um die Anschaffung eines Wasserkochers oder anderer Kleingeräte handelt, für den ist die Website www.blauer-engel.de interessant. Hier werden Produkte angezeigt, die mit dem Umweltsiegel versehen sind.

Stromfresser identifizieren

Einen genauen Blick wirft Schwing ebenfalls auf die Stromversorgung der Reitanlage. „Es kann da energetisch schon mal etwas sein, was beispielsweise selbst verlegt worden ist. Aber Reithallen sind oftmals nicht so hochtechnisiert wie etwa Sporthallen mit Lüftungsanlagen“, berichtet der erfahrene Klima-Berater. Stromfresser wie alte Leuchtstoffröhren findet er bei Reitvereinen trotzdem immer wieder. In Oberursel hängen solche alten Lampen ebenfalls noch vereinzelt in der Stallgasse. Auf den Querbalken der Gasse hat der Verein jedoch bereits neue, energiesparsame LEDRöhren angebracht. Ausgestattet mit Bewegungsmeldern. Diese sind laut des Klima-Beraters eine sinnvolle Möglichkeit, um unnötiges Anlassen der Lampen zu vermeiden. Gerade in solchen Räumen wie der Sattelkammer, die nicht andauernd besucht sind und wo der Lichtschalter schnell mal übersehen werden kann, bietet sich ein solcher Bewegungsmelder an. Zusätzlich empfiehlt er, die Bewegungsmelder mit Zeitschaltuhren zu versehen, sodass diese nicht nachts unnötig angehen. Nicht nur die Beleuchtung in der Stallgasse und den Räumen des Reitsportheims begutachtet Schwing, sondern auch die Lampen in der Halle. Betriebsleiterin Maaß erzählt, dass der Verein hier schon auf LED-Röhren umgestellt hat. Ganz glücklich ist man damit allerdings nicht. Denn einige Röhren mussten bereits ausgetauscht werden. Einen Lösungsvorschlag beziehungsweise eine alternative Idee zur Beleuchtung hat der Experte des Landessportbundes Hessen parat: Er empfiehlt ein LEDStrahlersystem. Die LED-Lampen hätten eine lange Lebensdauer und könnten bei einem Strahlersystem einzeln angesteuert werden.

Auf dem Dach der Halle soll demnächst eine Solaranlage gebaut werden.

Statt Trinkwasser zum Waschen der Pferde zu nehmen, können Vereine Zisternen nutzen und das Regenwasser sammeln.

Kaltes Wasser für die Pferde

Auf seinem Rundgang über die Reitsportanlage des RV Oberstedten hat Schwing noch einen weiteren Stromfresser identifiziert. Einen Stromfresser, den er bereits von einem früheren Besuch vor mehr als zehn Jahren kennt: die Begleitheizung des Vereins. Hierbei handelt es sich um eine elektrische Heizleitung, die um die Wasserrohre gelegt wird. Sie heizt dann das durch die Rohre fließende Wasser auf und sorgt dafür, dass im Winter nichts einfriert. Hört sich durchaus praktisch an, verursacht aber tatsächlich einen erheblichen Energieverbrauch. Statt auf eine solche Anlage zu setzen, schlägt Schwing vor, die entsprechenden Wasserrohre umfassend und dicker zu isolieren. Einem Einfrieren im Winter könnte so entgegengewirkt werden. Außerdem behalte das Wasser eine gewisse Temperatur. Dass die Begleitheizung nicht gerade stromsparend ist, dessen ist man sich beim RV Oberstedten bewusst. Trotzdem möchte der Verein nicht darauf verzichten. Warum, erklärt Betriebsleiterin Maaß: „Die Pferde gehen nicht an das Wasser, wenn es eiskalt ist. Daher sind wir mit der Heizung einfach vorsichtig.“

Strom produzieren

Ein Beitrag zu mehr ökologischem Verhalten muss sich aber keinesfalls nur auf das Reduzieren von Energiefressern beschränken. Wie Schwing erzählt, bieten sich gerade die Dächer von Reithallen für Photovoltaik- Anlagen an. Der durch die Solaranlage erzeugte Strom kann dann entweder selbst genutzt oder in das öffentliche Netz eingespeist werden. Öko-Berater Schwing vermutet, dass bei Vereinen wie dem RV Oberstedten aufgrund des nicht so hohen Energieverbrauches eher die zweite Variante in Betracht kommt. Auf diesem Wege würden die Reitsportanlagen aber einen großen Beitrag zur CO2-Einsparung beziehungsweise der Umwidmung von Brennstoffen leisten. Tatsächlich gibt es sogar Anbieter, die als Mieter des Daches auftreten. Konkret bedeutet dies: Ein Reitverein vermietet sein Dach über eine Laufzeit von 20 Jahren an einen Solaranlagenanbieter. Dieser zahlt jährlich eine gewisse Miete für das Dach. Auf die Reithalle des Reitvereins Oberstedten soll eben eine solche Anlage gebaut werden. Schwing hat dazu nur einen Tipp: „Man sollte sich gleich in den Vertrag mitreinschreiben lassen, dass die Anlage nach 20 Jahren in den Besitz des Vereins übergeht.“

Bewegungsmelder – wie hier vor der Lampe angebracht – helfen dabei, dass in der Sattelkammer das Licht nicht unnötig angelassen wird.

Die Umrüstungen auf LED-Röhren können durch verschiedene Förderprogramme bezuschusst werden.

Investitionskosten senken

Neue LED-Anlage, Wasserzisternen und eine Photovoltaik-Anlage – alles Investitionen, die viel Geld verschlingen. Geld, das nicht jeder einfach mal zur Verfügung hat. Muss er aber auch gar nicht, wie Schwing im Anschluss an den Rundgang aufzeigt: Er schlägt seinen blauen Ordner auf und holt Unterlagen von verschieden Förderprogrammen hervor. Die Kosten für ein LED-Strahlersystem in der Reithalle beziffert er auf etwa 15.000 Euro, davon könnten jedoch bis zu 85 Prozent durch Zuschüsse finanziert werden. Auch für den Aufbau einer Zisterne würde es zwischen 60 und 70 Prozent Unterstützung geben. Die Zuschüsse kommen dabei etwa von Landessportverbänden wie dem aus Hessen oder auch aus kommunalen Förderungen. Weil natürlich trotzdem noch Kosten auf den Verein zukommen, empfiehlt er der Betriebsleiterin eine Prioritätenliste zu schreiben. „Alles, was Kosten spart, würde ich dann erst mal nach oben packen“, sagt Schwing.

Und manches lässt sich auch schon mit weniger Geld klimafreundlicher betreiben: Bei seinem Rundgang ist dem Experten aufgefallen, dass unter dem Waschbecken auf der Männertoilette ein Boiler hängt. Der sei zwar in Ordnung, wenn er aber kaputt gehe, solle sich der Verein besser einen Durchlauferhitzer anschaffen. Schwing: „Der Boiler speichert fünf Liter Wasser und hält die jetzt Tag und Nacht warm. Das braucht es nicht.“ Ein Durchlauferhitzer sei bei einem solch geringen Bedarf klimaschonender. Nicht nur diesen Ratschlag wird der Reitverein Oberstedten umsetzen, wenn der Boiler sich denn dann verabschiedet. Auch mit den anderen Vorschlägen wolle man sich intensiv auseinandersetzen, sobald der Bericht von Schwing im E-Mail-Postfach angekommen sei. „Zuerst nehmen wir jetzt das Projekt mit der Photovoltaik- Anlage in Angriff, um grüne Energie zu fördern“, sagt Liv Kramer. Betriebsleiterin Maaß ergänzt, dass man im Anschluss überlegen wolle, ob man die Hallenbeleuchtung nach den Anregungen von Schwing optimieren könne.

Nico Nadig

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