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Pferd mit Job

Vor dem Planwagen zum Märchenschloss 

Ramos und Ramiro, Kutschpferde auf der Insel Herrenchiemsee

Vor dem Schiffsanleger warten schon die Kutschpferde auf die Tagesgäste. Foto: Cornelia Höchstetter

Schloss- und Gartenverwaltung Herrenchiemsee, 83209 Herrenchiemsee

herrenchiemsee.de 

Gäste royal hofieren

In Bayern sind auf der Insel Herrenchiemsee etwa 30 Süddeutsche Kaltblutpferde im Einsatz, um die Inselgäste vom Schiffsanleger im Planwagen zum letzten Märchenschloss des bayerischen König Ludwig II. (1864–1886) zu bringen. Gut eine Viertelstunde zieht jeweils ein Zweispänner einen Planwagen durch Inselwald und Schlosspark zum Schloss, das an Versailles erinnert. 1953 startete der Kutschbetrieb, heute kommen jedes Jahr etwa 120.000 Fahrgäste zusammen, schätzt der Leiter des staatlichen Fuhrbetriebs, Christian Hofstetter. Die Stallungen der Chiemseepferde stammen noch aus dem Jahr 1853: große Boxen unter verputzten Ziegelgewölbedecken, um die Ställe verteilen sich Paddocks und Weiden.

 

Dürfen wir vorstellen? Bamos (mit Blesse), Wallach, Süddeutsches Kaltblut, 17 Jahre alt. Vater: Romanoff; Mutter: Staatsprämienstute Annerl von Dirnstein. Züchter: Alban Kusterer; Besitzer: die Schloss- und Gartenverwaltung Herrenchiemsee. Ramiro (mit Stern), Wallach, Süddeutsches Kaltblut, 18 Jahre alt. Vater: Rio; Mutter: Gute von Geronimo (Sächsisch-Thüringisch Schweres Warmblut); Züchter: Josef Wernberger; Besitzer: die Schloss- und Gartenverwaltung Herrenchiemsee.

Berufsbezeichnung: Vor dem Planwagen „Kutschpferde“, in den Kursen der Fahrschule „Fahrpferde”.

Kurzcharakteristik: Beides sind dem Menschen sehr zugewandte Pferde, fleißig, können aber auch sehr triebig sein – je nachdem, wer sie fährt und was man von ihnen verlangt. Alles in allem sind sie sehr anpassungsfähige Pferde. „Der Ramiro ist privat eher ein Schlitzohr, gerade auf der Koppel, wenn man ihn führt oder anderen Pferden gegenüber – dann hat er manchmal ein wenig Blödsinn im Kopf“, verrät Christian Hofstetter. Ramos sei hingegen ein ganz Braver. Im Geschirr sind beide absolut zuverlässig.

Ramos und Ramiro gehören zum „Stammpersonal“ auf Herrenchiemsee. Fotos(2): privat/Christian Hofstetter

Aktuelle Tätigkeit

Ramos und Ramiro gehören zu den Hauptgespannen auf der Insel Herrenchiemsee und zu den Pferden, die vielseitig eingesetzt werden: der Kutsch-Pendelverkehr mit den Planwagen vom Schiffsanleger zum Schloss und zurück läuft von Anfang April bis Oktober. „Im Frühjahr und Herbst haben wir noch Kutschenführerscheinkurse. Dafür nehmen wir die beiden auch gerne“, sagt Christian Hofstetter. Auch fürs Holzrücken, gebuchte Inselrundfahrten oder Hochzeiten – und sogar für Staatsempfänge ist auf die beiden Verlass. In der Kutsche hinter Ramos und Ramiro saßen schon der bayerische Ministerpräsident Markus Söder und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Besondere Kenntnisse und Fähigkeiten

Kutschpferde, die vor einem Planwagen gehen, brauchen ein besonders zuverlässiges Gleichmaß im Anzug – wenn sie loslaufen, soll es möglichst wenig ruckeln und der Zugwiderstand soll auf beide gleich verteilt sein. Deshalb ist es für Christian Hofstetter wichtig, dass seine Arbeitspferde eine „gesunde Arbeitslust“ haben, also weder übermotiviert noch faul sind. Königsdisziplin der Herrenchiemsee-Pferde ist: Stillstehen und Warten. Die Kernkompetenz: Gelassenheit, auch wenn die Menschenmassen vom Schiff auf die Planwagen zu kommen. Zu den Soft Skills der Planwagenpferde gehört, dass sie sich schnell auf wechselnde Fahrer an den Leinen einlassen.

Lebenslauf

Die Schloss- und Gartenverwaltung Herrenchiemsee kauft fast jedes Jahr auf den Fohlenauktionen der Süddeutschen Kaltblüter zwei bis drei Absetzer, die dann auf der Insel aufwachsen. So war es auch mit Ramos und Ramiro. Wie alle Absetzer zogen sie im Spätherbst in einen Laufstall mit Auslauf, Anfang Mai beginnt für die Jungpferde die Zeit auf der Sommerweide. Bis Anfang November sind etwa 20 Hengste vom Jährling bis zu den Dreijährigen Tag und Nacht draußen. An einer der großen Sommerkoppeln führt der Spazierweg zum Neuen Schloss vorbei. Im Winter kommen die Jungpferde wieder in den Laufstall. Mit zweieinhalb Jahren werden sie kastriert, und am Ende des Winters an Trense und Geschirr gewöhnt. Zur Ausbildung gehören Longenarbeit, Doppellonge und das Ziehen von Schleppen. Die jungen Pferde gewöhnen sich an die Geräusche und lernen die Kommandos. „Im Frühjahr werden sie als Dreijährige erstmals zu einem älteren Pferd dazu gespannt. Mit dem Trainingswagen fahren wir um die Insel. Wenn das sitzt, ziehen sie den Planwagen erst ohne und wenn sie sicher laufen mit Fahrgästen die Kutschtour entlang“, erklärt Christian Hofstetter. Nach den ersten Fahrten geht es wieder auf die Sommerweide. Vierjährig werden sie häufiger eingesetzt und ab Fünfjährig sind sie voll im Betrieb dabei – natürlich mit Pausentagen.

Der normale Alltag

Um 10.15 Uhr stehen die ersten Kutschen unten am Schiffsanleger bereit. Die nächsten folgen nach Bedarf. Nach zwei bis drei Runden gehen die ersten Gespanne in die Mittagspause. Eine Stunde Pause, dann nachmittags nochmals zwei bis drei Runden. „Meistens gehen die Pferde am Tag drei bis fünf Stunden im Gespann“, sagt Hofstetter.

Freizeitausgleich

Der freie Tag der Chiemseepferde findet auf den Ausläufen am Stall statt. Im Herbst dürfen sie auf die Koppel – dann werden die Hufeisen abgenommen.

Ausbildungsleiter

Seit 22 Jahren ist Christian Hofstetter auf der Insel. Angefangen hat er bei Helmut Meidert – in Bayern bekannt in der Fahrsportszene, der 35 Jahre lang Abteilungsleiter für den Pferdebereich war. Christian Hofstetter trat in seine Fußspuren und ist seit drei Jahren der Abteilungsleiter.

 

Kernkompetenz Gelassenheit: Planwagenpferde müssen sehr entspannt sein. 

Wie würde das Zwischenzeugnis lauten?

Christan Hofstetter bewertet: „Das Zwischenzeugnis für Ramos und Ramiro würde sehr gut ausfallen. Die Idealbesetzung für diesen Job. Nur dem Ramiro tät‘ ich schon mal sagen, dass er sich den anderen Pferden gegenüber kollegialer verhalten soll. Ansonsten habe ich nichts zu bemängeln. Dass die zwei manchmal wahnsinnig langsam gehen können, ist zwar für mich nicht so angenehm, aber im täglichen Einsatz ein Vorteil, wenn unterschiedliche Fahrer auf dem Kutschbock sitzen. Dann ist es doch sicherer mit langsameren Pferden. Ramos und Ramiro können wir mit jedem unserer Kutscher losschicken, da kann ich mich darauf verlassen, dass die zwei keinen Blödsinn machen.“

Die Unterscheidung zum privaten Hobbypferd

Für den Abteilungsleiter, der auch privat Pferde hält, ist der Umgang mit den Inselkaltblütern eher wie mit Arbeitskollegen.

 Rentenversicherung

Die Chiemseepferde haben statt Pension die Arbeitsteilzeit: „Wir brauchen die älteren Pferde für die Fahrkurse und zum Einfahren der Nachwuchspferde – solange sie gesund und arbeitswillig sind und keine Beschwerden haben, sind sie im Einsatz. Den können wir je nach Pferd dosieren“, erzählt Christian Hofstetter. Manche Kutschenkaltblüter gehen im Alter auch mit den Jungpferden auf die Koppel und übernehmen die Erziehung.

Cornelia Höchstetter

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