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Beziehung Pferd-Mensch-Hund: Das An- und Ableinen vom Pferd aus
Chronische Atemwegserkrankungen beim Pferd
Frei durchatmen oder nicht?
Ein Husten hier, ein Räuspern da – oft beginnt es harmlos. Doch was leicht überhört wird, kann der Anfang einer chronischen Lungenerkrankung sein: Equines Asthma. Eine Diagnose, die viele Pferde trifft. Was ist wichtig? Eine klare Diagnose. Und eine Therapie, die wirklich passt.
Ist die Atmung frei? Gesunde Atemwege sind essenziell für Lebensqualität und Leistungsfähigkeit. Erkrankungen werden oft zu spät erkannt. Fotos (2): Christiane Slawik
Es beginnt leise. Ein Husten zu Beginn des Trainings, ein kurzes Räuspern beim Ausreiten. Sporadisch, kaum der Rede wert. Doch viele Reiter beschleicht das Gefühl: Etwas stimmt nicht. Zurecht. „Gesunde Pferde husten nicht“, bringt es Dr. Ulrich Mengeler auf den Punkt. In seiner Praxis in Hamminkeln am Niederrhein behandelt er regelmäßig Pferde mit Atemwegserkrankungen aus ganz Deutschland – überwiegend für die Besitzer unerwartet – in einem fortgeschrittenen, schwerwiegenden und chronischen Zustand. „Auch werden mir immer wieder massiv erkrankte Tiere vorgestellt, die – aufgrund fehlerhafter Einschätzung durch ihre Besitzer – noch kurz zuvor im Reitunterricht oder im Turniersport eingesetzt wurden“, so seine Erfahrung. Was noch als harmlos eingeschätzt wurde, kann sich als Befund einer höhergradigen chronischen Atemwegserkrankung entpuppen – und damit als Herausforderung, die das Leben von Pferd und Besitzer dauerhaft verändert. Denn: Medikamente allein helfen selten. Regelmäßig müssen auch Haltung und Fütterung verbessert werden.
Wichtige Indizien: Diese Beobachtungen helfen bei der Anamnese
- Wie oft hustet das Pferd pro Tag?
- Seit wann bestehen die Symptome – Tage, Wochen, Monate?
- In welchen Situationen hustet es? (z.B. vor dem Training, beim Füttern, in Ruhe)
- Tritt der Husten saisonal auf?
- Bestehen weitere Symptome, die möglicherweise auf eine Atemwegserkrankung hinweisen?
Wichtig: Jeder Husten ist ein potenzieller Hinweis auf eine Erkrankung – und sollte tierärztlich abgeklärt werden. Jedoch auch ohne Husten kann eine Erkrankung der Atemwege vorliegen.
„Volkskrankheit“ unter Pferden?
Chronische Atemwegserkrankungen zählen zu den häufigsten Gesundheitsproblemen bei Pferden. Als chronisch gilt ein Verlauf dann, wenn die Symptome über Wochen anhalten oder immer wiederkehren – vor allem, wenn sie trotz Behandlung nicht vollständig abklingen. Schätzungen aus der Fachliteratur zufolge ist etwa jedes zweite Pferd im Laufe seines Lebens betroffen – mit unterschiedlich stark ausgeprägten Formen.

Die Staubbelastung im Stall wird oft unterschätzt – ist aber eine der häufigsten Ursachen für Atemwegsprobleme. Die Haltungsbedingungen spielen eine zentrale Rolle für Prävention und Linderung und müssen kritisch hinterfragt werden.
Früher sprach man von COB oder COPD, heute werden diese Krankheitsbilder unter dem Begriff „Equines Asthma“ zusammengefasst. Eine Umfrage der Freien Universität Berlin zeigt: Im Durchschnitt treten erste Symptome im Alter von zehn Jahren auf – also in einer Phase, in der Pferde eigentlich voll leistungsfähig sein sollten.

Ein gesundes Pferd atmet in Ruhe etwa zehn- bis 14-mal pro Minute – das sind pro Tag rund 80.000 Liter Luft, die durch seine Atemwege strömen. Fotos (3): Sabine Heüveldop

Aufgeblähte Nüstern, vor allem in Ruhe, sind ein deutliches Zeichen für Atemwegsprobleme.

Oft nur die Spitze des Eisbergs. Das Verhältnis von Schleim, der durch die Nüstern abgeht, und Schleim, der abgeschluckt wird oder im Körper verbleibt, ist von Pferd zu Pferd sehr unterschiedlich. Foto: Dr. Ulrich Mengeler
Schleichender Krankheitsverlauf
Atemwegserkrankungen bei Pferden bleiben oft lange unbemerkt. Aufgrund ihrer großen Lungenkapazität können sie Symptome über Wochen oder Monate kompensieren – besonders bei Freizeitpferden wird die nachlassende Leistungsfähigkeit häufig erst spät erkannt. Frühe Anzeichen wie anhaltender oder wiederkehrender Husten sollten nicht unterschätzt, sondern tierärztlich abgeklärt werden. Denn je früher die Erkrankung erkannt wird, desto besser sind die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung. Ohne gezielte Therapie drohen irreversible Schäden. Prof. Dr. Heidrun Gehlen, Fachtierärztin für Innere Medizin der Pferde und stellvertretende Leiterin der Pferdeklinik an der Freien Universität Berlin, warnt: „Remodelling, Fibrose, Emphysem – das sind strukturelle Veränderungen der Lunge, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen und die Lungenfunktion dauerhaft einschränken.“ Die Fachtierärztin beschäftigt sich seit vielen Jahren – sowohl in der Klinik als auch in der Forschung – mit Atemwegserkrankungen beim Pferd und kennt den schleichenden Verlauf genau: „Die Erkrankung entwickelt sich langsam, aber stetig.“ Mit zunehmendem Alter verliert die Lunge zusätzlich an Elastizität – der Zustand der Pferde verschlechtert sich, die Atmung wird zunehmend erschwert, ihre Belastbarkeit nimmt ab. „Solange es keine bahnbrechenden Therapien gibt, bleiben Atemwegserkrankungen ein gravierendes Problem“, betont sie. Umso wichtiger ist eine systematische, ursachenorientierte Diagnostik – als Grundlage jeder gezielten Behandlung.
Husten richtig deuten
Für Pferdebesitzer ist es oft schwer, den Ernst der Lage richtig einzuschätzen. Ein Pferd, das akut hustet, hat möglicherweise nur eine vorübergehende Reizung der oberen Atemwege – während der Stallnachbar mit gelegentlichem Husten bereits an einer chronischen Lungenerkrankung leidet. Umgekehrt gilt: Das Nichtvorhandensein von Husten bedeutet nicht automatisch, dass keine Erkrankung vorliegt. Aus seiner langjährigen Praxiserfahrung berichtet Dr. Mengeler: „Ein lungenkrankes Pferd muss nicht unbedingt husten.“
Denn nicht jedes betroffene Tier zeigt Husten als Symptom. „Der Schweregrad einer Erkrankung korreliert nicht zwangsläufig mit dem Vorkommen, der Intensität oder der Häufigkeit des Hustens“, gibt der Praktiker zu bedenken. Es gibt Krankheitsverläufe, bei denen Husten nur phasenweise auftritt. So kann etwa Husten während der Weidesaison auf eine Pollenallergie hinweisen, während Symptome im Winter in der Box auf eine Reaktion auf Feinstaub aus Heu und Stroh hindeuten. In beiden Fällen verschwinden die Beschwerden oft, sobald der auslösende Reiz wegfällt – doch das bedeutet nicht, dass das zugrunde liegende Problem gelöst ist. Denn, so bringt es der Tierarzt auf den Punkt: „Ein Pferd, das gelegentlich hustet, hat nicht ab und zu ein Problem – sondern oft durchgehend.“ Auch Nasenausfluss allein erlaubt keine verlässliche Aussage über Ursache oder Schwere einer Atemwegserkrankung. Sichtbarer Schleim kann ganz unterschiedliche Ursprünge haben – aus den oberen Atemwegen, der Luftröhre oder den Bronchien. Ob die Ursache bakteriell, allergisch oder anderer Natur ist, lässt sich nur durch gezielte Diagnostik klären.
Unterstützende Maßnahmen für Atemwegspatienten
1. Frische Luft & Bewegung → Weidegang, Außenboxen, tägliche Bewegung unterstützen die Lungenfunktion.
2. Staubarme Haltung → Heu wässern oder bedampfen. Staubarme Einstreu (z.B. Leinstroh) nutzen.
3. Immunstärkende Nährstoffe → Zink, Selen, Vitamin E und C, bedarfsgerecht über Mineralfutter.
4. Pflanzen mit Tradition → Thymian, Süßholz, Fenchel, Eibisch – aber nur in Absprache mit dem Tierarzt und ADMR beachten!
5. Gesunde Verdauung – starkes Immunsystem → Hochwertiges Raufutter, Probiotika (z.B. Lebendhefen) können die Abwehrkräfte stärken.
Naturheilkunde & Akupunktur → ergänzend zur schulmedizinischen Behandlung möglich
Wichtig: Diese Maßnahmen ersetzen keine tierärztliche Therapie, können aber unterstützen.
Was die Lunge krank macht
Akute Atemwegserkrankungen bei Pferden entstehen häufig durch Infektionen mit Viren oder Bakterien – besonders bei Jungtieren, älteren Pferden oder immungeschwächten Tieren. In der Praxis zeigt sich jedoch: Chronische Erkrankungen der Atemwege betreffen vor allem erwachsene Pferde – meist als Folge der jahrelangen Inhalation von Feinstaub. Dazu zählen unter anderem Pollen sowie Sporen von Schimmelpilzen – insbesondere aus Heu und Stroh. „Bei vielen betroffenen Pferden liegt eine allergische Komponente vor“, erklärt Prof. Dr. Heidrun Gehlen. „Sowohl die genetische Veranlagung als auch die zunehmende Umweltbelastung spielen dabei eine wichtige Rolle.“ Manche Pferde sind besonders anfällig. „Wir wissen, dass Tiere mit Sommerekzem häufig auch andere Allergien entwickeln – und dadurch eher zu Asthma neigen“, so die Fachtierärztin. „Ihr Immunsystem reagiert nicht mehr physiologisch, sondern überschießend.“ Auch aus der Sicht von Dr. Mengeler sind rund 80 bis 90 Prozent der Atemwegserkrankungen bei erwachsenen Pferden auf Feinstaub zurückzuführen. „Nur etwa zehn Prozent haben eine infektiöse Ursache“, so seine Praxiserfahrung. Feine, alveolargängige Stäube aus Heu, Stroh oder verunreinigtem Futter gelangen tief in die Lunge. Sie können dort nicht einfach abgehustet werden, sondern müssen vom Körper aufwendig abgebaut werden – eine Belastung für das Immunsystem. Auch das Stallklima selbst spielt eine Rolle: Hohe Ammoniakkonzentrationen oder zu geringe Luftzirkulation belasten die Atemwege zusätzlich.
Analyse deckt auf
Diesen Beobachtungen schließt sich auch Futterexperte Tobias Kleimann von der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt Nordrhein-Westfalen (LUFA NRW) an. „Schwärzepilze auf Stroh und Schimmelpilze sowie Hefen im Heu sind ein großes Problem“, erklärt er. In Münster analysiert die LUFA jährlich rund 1700 Heu- und Heulageproben – auf Nährstoffe wie beispielsweise Rohprotein, Zucker, Fruktan und Rohfaser sowie auf Mineralstoffe und Spurenelemente. Mit der Untersuchung des Gesamtkeimgehalts werden die Gehalte von Bakterien, Schimmelpilzen und Hefen ermittelt. Weiterhin können unter anderem Mykotoxine (Schimmelpilzgifte) untersucht werden. „Denn je nach Witterung können auch Mykotoxine auftreten“, erklärt Kleimann. „Diese Pilzgifte schwächen das Immunsystem, belasten die Leber und können sogar neurotoxisch wirken.“ Wie Tobias Kleimann betont, entscheidet nicht nur die Heuqualität bei der Ernte über die Futtertauglichkeit – auch die Lagerung birgt Risiken. „Heu sollte so gelagert werden, dass es ausschwitzen kann“, erklärt er. Besonders bedeutend sei das bei Großballen. Eine zu hohe Restfeuchte ist ebenfalls ein großes Problem. „Bei zu hoher Restfeuchte kann es schnell zu Schimmelbildung und erhöhter Keimbelastung kommen.“ Sein Rat: „Wer unterschiedliche Heupartien einsetzt oder Symptome beobachtet, sollte das Futter regelmäßig untersuchen lassen – idealerweise auf Basis einer repräsentativen Probenziehung.“
Therapien im Überblick – was wann hilft
Schleimlöser & Bronchenerweiterer → verflüssigen Schleim, erleichtern die Atmung
Entzündungshemmer (Kortison) → reduziert Schleimhautreizungen, besonders bei chronischen Entzündungen
Antibiotika (nur nach Erregernachweis!) → bei bakteriellen Infekten und positivem Antibiogramm
Inhalationstherapie → befeuchtet Schleimhäute, lindert Reizungen, löst Schleim
Desensibilisierung → bei bekannten Allergien gegen Pollen, Pilzsporen etc.
Naturheilkunde & Akupunktur → ergänzend zur schulmedizinischen Behandlung möglich
Hinweis: Jede Therapie sollte individuell abgestimmt und tierärztlich begleitet werden.
Zwischen Anspruch und Alltag
Fundierte Diagnose, gezielte Therapie und eine enge Zusammenarbeit zwischen Tierärzten, Stallbetreibern und Pferdebesitzern – darin sind sich die Fachleute einig – bilden die Grundlage für eine erfolgreiche Behandlung. Doch in der Praxis sieht das oft anders aus. Häufig bleibt es bei einer rein symptomatischen Behandlung: Nach kurzer klinischer Untersuchung werden Antibiotika, Schleimlöser oder Kortison verabreicht – eine weiterführende Diagnostik erfolgt nicht. Mitunter greifen auch Pferdebesitzer selbst zu Medikamenten, ohne tierärztliche Rücksprache. Oft werden so nur Symptome kaschiert und Verbesserungen als Heilungserfolg gewertet. Die Folge: Die eigentliche Ursache bleibt unerkannt – und mit ihr die Chance auf nachhaltige Besserung. Prof. Heidrun Gehlen betont die Bedeutung einer engmaschigen Therapiekontrolle: Bleibt der Erfolg aus, müsse die Behandlung konsequent hinterfragt werden. Wie wichtig das ist, zeigt ein Fall aus ihrer Klinik: Eine 14-jährige Stute war über Jahre wegen chronischen Hustens behandelt worden – mit Kortison und Bronchienerweiterern, aber ohne nachhaltige Besserung. Als letzte Option stand die Euthanasie im Raum. Erst eine gründliche Bronchoskopie in der Klinik brachte die wahre Ursache ans Licht: Ein gutartiger Tumor blockierte einen Bronchus. Nach dessen Entfernung verschwanden die Symptome vollständig. Der Fall zeigt eindrücklich: Ohne präzise Diagnose gibt es keine wirksame Therapie – besonders bei unklaren oder therapieresistenten Verläufen.

Pferden, die vor allem im Sommer Atemwegsprobleme haben, machen Pollenflug und Pilzsporen Probleme. Tierärzte sprechen von weideassoziierter Atemwegsobstruktion – ausgelöst durch eine Überreaktion des körpereigenen Abwehrsystems auf Blüten- und Gräserpollen.

Heute noch auf dem Turnier, wenige Tage später chronisch krank. Nicht immer schätzen Pferdebesitzer die Lage richtig ein. Foto: Dr. Tanja Becker/Equitaris

Probenentnahme mittels Katheter unter endoskopischer Kontrolle. Fotos (3): Dr. Ulrich Mengeler

Die BAL (bronchoalveoläre Lavage) ist eine Methode zur Probengewinnung im Rahmen der Bronchoskopie. Dabei wird eine Spülflüssigkeit eingebracht und anschließend wieder abgesaugt – zur zytologischen Analyse der entzündlichen Zellzusammensetzung.

Sorgfältige Diagnose
Prof. Dr. Heidrun Gehlen empfiehlt als Basisdiagnostik eine gründliche klinische Untersuchung, ergänzt durch eine Blut-Gas-Analyse zur Beurteilung der Sauerstoffversorgung. Dabei wird gemessen, wie gut die Lunge das Blut mit Sauerstoff anreichert. Hinzu kommt eine Endoskopie der Atemwege – idealerweise kombiniert mit einer bronchoalveolären Lavage (BAL). Nur so lässt sich feststellen, ob die Ursache der Symptome infektiös, allergisch oder anderer Natur ist. Auch Dr. Mengeler plädiert für ein strukturiertes Vorgehen: Zunächst sollten die Beobachtungen des Besitzers erfasst werden – etwa wann und unter welchen Bedingungen Atemwegsbeschwerden auftreten. Darauf folgt eine klinische Untersuchung mit beidseitigem Abhören der Lunge unter forcierter Atmung, d.h. nach Atemhemmung, was erste Hinweise liefern kann. Besonders aufschlussreich ist die Bronchoskopie: Sie ermöglicht einen direkten Blick in die Atemwege und kann mit einer sogenannten bronchoalveolären Lavage (BAL) kombiniert werden. Dabei wird eine Spülflüssigkeit in tiefere Lungenbereiche eingebracht und anschließend wieder entnommen – zur Analyse der Zellen, die Hinweise auf Ursache, Art, Stadium und Schweregrad der Entzündung geben. Zusätzlich kann Sekret aus der Luftröhre oder den größeren Bronchien entnommen werden, das sogenannte Tracheobronchialsekret (TBS). Es wird mikrobiologisch untersucht, um unter anderem mögliche Krankheitserreger wie Bakterien nachzuweisen. Ein anschließendes Antibiogramm zeigt dann, welche Wirkstoffe gegen die gefundenen Erreger wirksam sind.
Medizin und Management
Entscheidend für den langfristigen Behandlungserfolg ist nicht allein die Medizin – sondern vor allem das Management der Haltungsbedingungen. Eine Umfrage von Dr. Beatrice Lehmann (Freie Universität Berlin) zeigt: Bei mehr als der Hälfte der untersuchten Pferde verschlechterten sich die Symptome durch den Kontakt mit trockenem Heu. In rund 70 Prozent der Fälle hielten die Beschwerden mehrere Wochen an – im Schnitt etwa acht. Für Prof. Heidrun Gehlen ist klar: „Langfristige Therapieerfolge bei allergischen Komponenten erreicht man nur durch konsequente Haltungsoptimierung und die Reduktion allergieauslösender Reize.“ Heu und Stroh enthalten fast immer potenziell problematische Stoffe – ganz vermeiden lässt sich das nicht. Doch ihre Wirkung lässt sich begrenzen: durch Bedampfen oder Wässern von Heu, regelmäßigen Luftaustausch, saubere Lagerung und ein staubarmes Stallmanagement. Das sind die entscheidenden Stellschrauben. Doch nicht alle Pferdehalter sind bereit, diesen Weg mitzugehen. Eine Dissertation an der LMU München (Szivacz, 2012) zeigt: Viele Halter änderten trotz gesundheitlicher Probleme ihrer Tiere nichts an der Haltung. Zwar wird in vielen Ställen inzwischen auf staubarmes Management geachtet – doch Dr. Mengeler erlebt auch das Gegenteil: „Wir kommen manchmal in Ställe, in denen die Stallgasse mit dem Laubbläser „gefegt“ wird – während die Pferde in den Boxen stehen. Da kann die beste Therapie nicht helfen.“ Ein Satz, den er dabei oft hört: „Es husten nur ein paar Pferde – die anderen haben nichts.“ Für Dr. Mengeler ein Trugschluss: „Die anderen haben nicht „nichts“ – sie zeigen nur noch nichts. Bleiben die Bedingungen belastend, werden sie früher oder später ebenfalls Symptome entwickeln.“ Selbst Bewegungs- oder Laufställe bieten keine Garantie für gesunde Atemwege. Fütterung von staubigem Heu reizt die Lunge, auch wenn viel Frischluft drumherum vorhanden ist. Weiter können Hygienemängel, häufiger Pferdewechsel oder eine hohe Keimbelastung durch schlechtes Management auch hier zum Risiko werden. „Die Lunge ist kein besonders regenerationsfähiges Organ“, warnt Prof. Dr. Gehlen. „Was einmal zerstört ist, bleibt zerstört.“
Heu – prüfen, was drinsteckt
Tobias Kleimann (LUFA NRW) betont:
- Die Heuqualität schwankt stark – je nach Wetter, Schnittzeitpunkt, Lagerung
- Zucker- und Hefegehalte sind oft zu hoch
- Schimmelpilze und ihre Gifte (Mykotoxine) belasten Lunge, Leber und Immunsystem
Empfehlung: Heu bei wechselnder Qualität regelmäßig analysieren. Wichtig ist eine repräsentative Mischprobiere. Zu weiteren Infos geht es hier.
Neue Wege für alte Probleme
Stallklima, Futterhygiene und Management bleiben entscheidend – doch auch auf wissenschaftlicher Ebene wird intensiv daran gearbeitet, chronische Atemwegserkrankungen besser zu verstehen. „Es wird derzeit zum Beispiel an der Mikrobiomanalyse gearbeitet“, berichtet Prof. Dr. Heidrun Gehlen. „Auch bei uns laufen entsprechende Studien.“ Ziel ist es, besser zu verstehen, wie sich die mikrobielle Zusammensetzung der Lunge bei Krankheit verändert – und welchen Einfluss das auf den Verlauf hat. Auch regenerative Ansätze wie die Stammzelltherapie werden erforscht. Sie könnten langfristig tiefgreifende Reparaturprozesse im Lungengewebe ermöglichen – befinden sich aber noch im experimentellen Stadium. Die Richtung ist vielversprechend. Doch bis solche Verfahren den Weg in die Praxis finden, bleibt vor allem eines entscheidend: aufmerksam sein, frühzeitig handeln – und die Haltungsbedingungen so optimieren, dass Pferde wieder frei atmen können.
Sabine Heüveldop

Atemwegserkrankungen lassen sich durch gezielte Diagnostik und Therapie wirksam kontrollieren. Doch nur in Kombination mit optimierter Haltung, Fütterung und Bewegung besteht eine echte Chance auf einen nachhaltigen Therapieerfolg. Foto: Christiane Slawik
Exkurs für besonders Interessierte
Schritt für Schritt zur Diagnose
Eine fundierte Diagnose ist der Schlüssel zu jeder wirksamen Therapie. Gerade bei Atemwegserkrankungen ist es entscheidend, systematisch vorzugehen, um die Ursache klar einzugrenzen – und nicht nur Symptome zu behandeln. Nicht jedes Pferd mit Husten hat dieselbe Ursache – nur eine fundierte Diagnostik ermöglicht gezielte Therapie. Der Ablauf gliedert sich in sechs zentrale Schritte:
1. Anamnese – Zuhören lohnt sich: Pferdebesitzer sehen ihr Tier jeden Tag – ihre Beobachtungen sind oft der erste wichtige Baustein für die richtige Diagnose: Wann tritt der Husten auf – beim Füttern, beim Training oder saisonal? Wie klingt er – trocken, rasselnd, produktiv? Auch die Beschaffenheit des Nasenausflusses kann auf akute oder chronische Prozesse hinweisen.
2. Allgemeinuntersuchung – Gesundheitsstatur erfassen: Die klassischen PAT-Werte (Puls, Atmung, Temperatur) sowie die Kontrolle der Schleimhäute geben Aufschluss über das Allgemeinbefinden. Fieber, erhöhte Atemfrequenz oder blasse Schleimhäute sind Hinweise auf akute Infekte.
3. Spezifische Atemwegsuntersuchung: Das Abhören von Lunge und Luftröhre unter forcierter Atmung kann Schleimrasseln und andere auffällige Geräusche hörbar machen. Durch eine kurze Atemhemmung wird eine tiefere Atmung provoziert – notwendig, da der Pferdebrustkorb eine tiefergehende Auskultation erschwert. Ergänzend hilft das Abklopfen (Perkussion), vergrößerte Lungenfelder zu erkennen – etwa bei chronischer Überblähung.
4. Erregernachweis & Antibiogramm – gezielt statt blind behandeln: Bei Verdacht auf bakterielle Ursachen wird Schleim entnommen und unter anderem mikrobiologisch untersucht. Ein begleitendes Antibiogramm zeigt, welche Wirkstoffe gegen den Erreger tatsächlich wirksam sind. So lassen sich Resistenzbildungen vermeiden – und die Therapie wird effizienter.
5. Endoskopie & Zytologie – der Blick ins Innere: Die Bronchoskopie liefert unter leichter Sedation direkte Bilder aus den Atemwegen: Schleim, Rötungen, Schwellungen – all das lässt sich sichtbar machen. Per Absaugung kann Schleim für die zelluläre Untersuchung (Zytologie) gewonnen werden. Diese zeigt, ob eher akute, subakute oder chronisch-entzündliche Prozesse vorliegen.
6. BAL & TBS – diagnostisch tiefer gehen: Die bronchoalveoläre Lavage (BAL), eine Art Spülprobe aus der Tiefe der Lunge, ermöglicht die Analyse von Zellen aus den tiefen Atemwegen – entscheidend bei der Einordnung allergischer oder chronischer Verläufe (z. B. Asthma-Subtypen). Ergänzend hilft das Tracheobronchialsekret (TBS) bei der Abklärung bakterieller oder viraler Erreger. Beide Verfahren ergänzen sich ideal – und sind für das Pferd in der Regel gut verträglich.
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