Vorheriger Artikel

Ausgabe 07/2025
10 Tipps für gelungenes Parcoursspringen

Nächster Artikel

Ausgabe 07/2025
PM-Kurzreise: Internationales Festhallenturnier Frankfurt 

Persönlichkeiten der Pferdeszene: Karl-Heinz Streng 

In allen Sätteln zu Hause 

Aus seinen Augen blickt die Routine einer über 70-jährigen Laufbahn im Reitsport – nicht nur in zwei oder drei unterschiedlichen Ämtern, sondern in jeglichen Funktionen, die es gibt. Nichtsdestotrotz sagt Reitmeister Karl-Heinz „Kalli“ Streng, dass er immer noch dazulernt.

Fotos(4): Jacques Toffi

Pünktlichkeit ist das, was Kalli Streng erwartet. Sie gehört für ihn zu den Grundsätzen des Lebens. „Ich plane meine Zeit so, dass ich vor der Zeit da bin, egal ob Stau ist oder nicht“, betont der Reitmeister. „Meine Grundprinzipien sind Ehrlichkeit, Fleiß und eben Pünktlichkeit.“ Ein guter Start für den Pressetermin, wenn man mit dem Fotografen vorbildlich schon zehn Minuten vor dem vereinbarten Treffen um acht Uhr morgens am Mannheimer Reiterverein steht. Kalli Streng – drahtig, weißes Haar – schiebt das grüne Tor mit strammen Schritten zur Seite. Der Reiterverein im Herzen Mannheims ist sein Haus- und Hofgelände. Vor 50 Jahren ist er schon selbst hier geritten und hat inzwischen unzählige Trainerstunden auf dem Gelände abgeleistet. Über dem Springplatz wabert der Nebel, der Frühtau glänzt in der aufgehenden Sonne, zwei Störche fliegen in die Bäume am Rande des Platzes. Typisch für diese Location, die stattlichen Vögel mit rotem Schnabel und roten Beinen sind im angrenzenden Luisenpark und dem Naturschutzgebiet angesiedelt. In der Reithalle wird aufgebaut, die U25-Reiterinnen und Reiter sind zum Training angereist. Aber zuvor nimmt sich Reitmeister Streng noch ein wenig Zeit, einen Blick auf sein Leben zu werfen.

Umtriebig 

Kalli Streng, der eigentlich Karl-Heinz heißt, ist schon seit langem im Geschäft. Es gibt kein Amt, keinen Posten und keine Tätigkeit im Reitsport, die der 83-Jährige nicht ausgeübt hat. Er war Reiter – Springen, Vielseitigkeit, Dressur –, FEIRichter, Steward, Ausschussvorsitzender, Landestrainer, DOKR-Honorartrainer, fast 30-mal Equipechef Springen bei Nationenpreisen, Turnierveranstalter, Mitglied der Landeskommission, Ausbilder für Pferdewirtinnen und Pferdewirte sowie Prüfer für angehende Pferdewirte und Meister und außerdem im Vorstand der Bundesvereinigung der Berufsreiter. Er hat über 50 Auszubildende Pferdewirte unter seinen Fittichen gehabt. Die Zahl seiner Schülerinnen und Schüler, die er in Dressur und Springen bis zur Klasse S ausgebildet hat und immer noch trainiert, ist nirgends festgehalten. Es sind unzählige. Außerdem unterstützt er seit rund sieben Jahren erst Heinrich-Hermann Engemann und nun Bundestrainer Peter Teeuwen bei der Betreuung der U25-Springreiter in Warendorf.

Früher Pferdekontakt 

Pferde waren schon früh Teil von Kalli Strengs Leben. Sein Vater ist ein gebürtiger Dortmunder. Im Krieg war er in der Nähe von Halberstadt in der ehemaligen DDR stationiert und lernte dort Kalli Strengs Mutter kennen. Dort wurde Karl-Heinz auch geboren, Jahrgang 1941, und wuchs auf dem Hof seiner Großeltern bei Halberstadt auf, blieb dort bis nach dem Krieg, bis seine Eltern als Kaufmann und Verkäuferin in Dortmund Fuß gefasst hatten und zog dann ebenfalls nach Dortmund. Bei einem Spaziergang an der Westfalenhalle vorbei sah Kalli Streng einen großen Misthaufen. „Dann bin ich dort hingegangen und habe gefragt, ob ich helfen könnte“, erinnert sich der Senior. „Ich war schon immer sehr arbeitswillig, habe mitgeholfen und mich mit dem Futtermeister und Stallpersonal gut verstanden. Sie unterstützten mich schließlich mit Pflegepferden. Dort bin ich auch mit Anke Frömming und ihrem Vater in Kontakt gekommen und dann nahm alles seinen Lauf. Ich wurde Turnierpfleger von Harry Boldt, weil die Pferde von Anke Frömmings Vater Günther Jucho zur Ausbildung bei Heinrich Boldt in Gütersloh standen und Harry Boldt die Pferde geritten hat. Wenige Jahre nach meinen Anfängen ritt ich schon Springprüfungen bis Klasse S. Irgendwann war mir klar, dass ich das lernen will.“ Kalli Streng redet schnell und nicht besonders laut. Manche Wörter verschluckt er in seinen Erzählungen. Sein Blick ist immer ganz ruhig, er strahlt routinierte Gelassenheit aus.

Früher Pferdekontakt

Pferde waren schon früh Teil von Kalli Strengs Leben. Sein Vater ist ein gebürtiger Dortmunder. Im Krieg war er in der Nähe von Halberstadt in der ehemaligen DDR stationiert und lernte dort Kalli Strengs Mutter kennen. Dort wurde Karl-Heinz auch geboren, Jahrgang 1941, und wuchs auf dem Hof seiner Großeltern bei Halberstadt auf, blieb dort bis nach dem Krieg, bis seine Eltern als Kaufmann und Verkäuferin in Dortmund Fuß gefasst hatten und zog dann ebenfalls nach Dortmund. Bei einem Spaziergang an der Westfalenhalle vorbei sah Kalli Streng einen großen Misthaufen.

Gut gelaunt am Kaffeestand am Rande der Deutschen Meisterschaften in Balve vor ein paar Jahren.

„Dann bin ich dort hingegangen und habe gefragt, ob ich helfen könnte“, erinnert sich der Senior. „Ich war schon immer sehr arbeitswillig, habe mitgeholfen und mich mit dem Futtermeister und Stallpersonal gut verstanden. Sie unterstützten mich schließlich mit Pflegepferden. Dort bin ich auch mit Anke Frömming und ihrem Vater in Kontakt gekommen und dann nahm alles seinen Lauf. Ich wurde Turnierpfleger von Harry Boldt, weil die Pferde von Anke Frömmings Vater Günther Jucho zur Ausbildung bei Heinrich Boldt in Gütersloh standen und Harry Boldt die Pferde geritten hat. Wenige Jahre nach meinen Anfängen ritt ich schon Springprüfungen bis Klasse S. Irgendwann war mir klar, dass ich das lernen will.“ Kalli Streng redet schnell und nicht besonders laut. Manche Wörter verschluckt er in seinen Erzählungen. Sein Blick ist immer ganz ruhig, er strahlt routinierte Gelassenheit aus.

Dortmunder Jahre 

Von 1955 bis 1968 hat der Reitmeister im Dortmunder Reiterverein in der Westfalenhalle geholfen und geritten, hat aber auch halbtags einige Jahre Bürotätigkeiten ausgeübt. Von 1964 bis 1968 arbeitete er als Reitlehrer, übernahm das erfolgreiche Springpferd Granat von Udo Nesch und ritt in beiden Sparten von Materialprüfungen bis Klasse S erfolgreich auf Turnieren. In dieser Zeit konnte er in Westfalen gut im Sport mithalten.

Prüfung zum Reitmeister 

1968 heiratete er seine Frau Christa, eine Architektin, die ihn in seiner beruflichen Entwicklung immer unterstützt hat. Das Paar zog ins Jagdhaus Jucho bei Paderborn, dort war Kalli Streng zuständig für die Pferde und für die Jagd und verfolgte sehr erfolgreich seine Karriere im Springsattel weiter. Nachdem er schließlich von 1972 bis 1975 in Kaiserslautern tätig war, kam er durch Kontakte als Reitlehrer nach Mosbach. Dort war er angestellt, konnte viele sehr gute Pferde ausbilden und lernte unter anderem Olympiareiter und Vielseitigkeitslegende Herbert Blöcker und Joachim Jung, Michael Jungs Vater, kennen. In diesen Jahren legte er die Reitlehrerprüfung ab und machte sich 1983 als Ausbilder und späterer Pächter des Reitclubs Mosbach selbstständig. 1989 nahm Karl-Heinz Streng an der Prüfung zum Reitmeister teil. Es war die zweite überhaupt in der Geschichte der Reiterei und sollte auch die letzte bleiben. Danach wurde die Prüfung abgeschafft. Seither wird der Titel nur noch für besondere Verdienste verliehen. Die erste Prüfung 1964 absolvierten mit Erfolg Günter Festerling und Theo Hansen. Bei der zweiten 1989 waren es Jean Bemelmans und Karl- Heinz Streng. „Die Qualität dieser Prüfung war sehr hoch. Man musste zum Beispiel international geritten, Pferde herausgebracht, Prüfungspferde selbst ausgebildet und Lehrlinge gehabt haben und vieles mehr. Unter anderem viel Theorie lernen, eine Hausarbeit und ein Referat anfertigen“, berichtet der Senior.

Ann-Kathrin Lindner wurde 2021 mit FBW Sunfire Deutsche Meisterin im Grand Prix der U25-Reiter in der Dressur, ein Jahr zuvor sogar Einzel-Europameisterin. Der Trainer an ihrer Seite: Kalli Streng. 

Trainerlaufbahn

Ende der 1970er bis 1990 wurde Streng außerdem Regionaltrainer in Nordbaden in Dressur und Springen. Von einer Art Springprüfungen hält er besonders viel: „Ich bin ein großer Fan von Mannschaftsspringen. Wir sind als Reiter sowieso Einzelkämpfer. Da ist der Mannschaftssport eine andere Aufgabe, die zusammenschweißt.“ Insgesamt saß Kalli Streng 30 Jahre lang am Richtertisch, war als Steward oder Mitglied der Ground Jury im Einsatz und von 1992 bis 2007 engagierte er sich in der Landeskommission und verschiedenen Ausschüssen in Baden-Württemberg.  

Von 1990 bis 2007 hatte er zudem das Landestrainer-Amt der Springreiter in Baden-Württemberg inne und trainierte etliche Schüler, die Erfolge bei Deutschen und Europa-Meisterschaften feierten. „Ich hatte viele Musterschüler in meiner Laufbahn. Und ich freue mich, wenn ich unterwegs bin und ehemalige Lehrlinge und Schüler sehe, die bei mir gelernt haben. Ich hatte viele richtig gute Reiter bei mir. Da ist man schon stolz, wenn sie machen, was du ihnen geraten hast.“

Nicht alles war besser, aber…

Mit Blick auf die Entwicklung des Reitsports und des Nachwuchses sagt er, dass früher nicht alles besser gewesen sei, aber ganz vergessen könne man es auch nicht, es habe auch gute Sachen gegeben. „Die Guten sind auch gut. Aber bei vielen Jugendlichen hat das Ganze schon ein bisschen nachgelassen. Zu meiner Zeit hatten wir mehr Grundwissen um das gesamte Paket Pferd. Heute schauen viele nicht mehr richtig hin. Sie reiten und sind dann mit anderen Dingen beschäftigt. Aber die jungen Leute müssen auch Gelegenheit haben, das alles zu lernen. Und da liegt etwas im Argen.“

Alles zu seiner Zeit 

Fragt man Kalli Streng, welche der vielen Tätigkeiten in seiner Laufbahn ihm am meisten Spaß gemacht hat, sagt er: „Alles zu seiner Zeit. Ich war ein guter Pfleger und ein einigermaßen guter Reiter. Ich habe gut hingeguckt und hingehört und ich hatte, glaube ich, auch ein kleines bisschen Talent. Aber ich denke, ich bin fast ein besserer Trainer als ich Reiter gewesen bin. Ich musste viel Dressur reiten und mochte es nicht so. Aber das war für meine letzten 20, 30 Jahre das Beste, was mir passieren konnte. Ich bin zum Beispiel schon immer ein richtiger Eckenfreak gewesen, denn daraus entwickelt sich fast alles.“

Reflektiert und mit Wissen

Der Reitmeister hat zwei Kinder (1972 und 1974) und vier Enkelkinder. Sie wohnen in München. „Meine beiden Kinder sind geritten. Letztendlich hat es aber bei ihnen nicht bis oben gereicht. Dem Großen habe ich es, glaube ich, abgewöhnt. Vielleicht war ich zu streng. Der Reitunterricht früher war schon hart, ich hatte das übernommen aus meinen jungen Jahren mit den alten Ausbildern der Kavallerie. Aber mittlerweile bin ich viel ruhiger geworden. Ich habe mich unheimlich verändert. Das ist gut. Der Reitunterricht ist viel angenehmer, wenn man bei der Sache bleibt und nicht unkontrolliert laut wird“, blickt Streng selbstkritisch zurück und sagt: „Ich habe früher nie über Reitlehre nachgedacht, ich habe alles aus dem Bauch heraus gemacht. Mittlerweile habe ich mich durch die ganzen Prüfungen, die ich gemacht habe, intensiv damit auseinandergesetzt und ja, da ist wirklich was dran. Es geht einfach ohne Theorie nicht. Naja, es geht, aber es geht besser mit. Das Wissen steht vor dem Können. Wenn es ein Problem gibt, muss man eine Pause machen und darüber nachdenken. Und die Theorie hilft, wenn es nicht weitergeht.“

Kalli Streng im Austausch mit den besten Reitern des Landes, hier 2020 mit Jessica von Bredow-Werndl. Foto: Stefan Lafrentz

Hier geht´s lang – Kalli Streng gibt den Weg vor im Parcours. 

Größten Wert legte Kalli Streng schon immer auf die vielseitige Ausbildung – für die (Berufs)reiter und die Pferde und eines ist ihm klar geworden: „Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dass man langsamer machen muss. Man muss den Pferden Zeit lassen. Als junger Ausbilder hat man Druck, aber heute würde ich den Pferdebesitzern sagen, es dauert so lange, wie das Pferd es vorgibt. Entweder wir kommen da zusammen oder eben nicht.“

Ausbilder-Urgestein

Nach einer Knieoperation mit 75 Jahren setzte sich Kalli Streng noch einmal aufs Pferd. Aber es funktionierte nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Deshalb beendete er seine reiterliche Laufbahn. Er berichtet: „Anfangs habe ich mich wirklich schwer getan damit. Ich habe mich früher immer mal wieder selbst auf die Pferde meiner Schüler gesetzt. Das fehlte dann. Aber im Laufe der Zeit habe ich es auch von unten gut hinbekommen.“ Seine Reitsport-Jahre summieren sich mittlerweile auf mehr als ein halbes Jahrhundert: Inzwischen kann man Karl-Heinz Streng als Urgestein der deutschen Ausbilder bezeichnen, ein Pferdemann durch und durch. Eine Bank in der klassischen Pferdeausbildung. Er betont: „Ich muss sagen, ich hatte immer viel Glück, viele Gönner, die mir die Pferde zur Verfügung gestellt haben, und gute Ausbilder, vor allem Udo Nesch, ein sehr gut sitzender und fachlich guter Ausbilder. Seine Erfolge sprechen für sich, u.a. der Gewinn des Deutschen Dressur-Derbys in Hamburg und der dritte Platz im Großen Preis der Bundesrepublik.“

Ausgezeichnet!

Eines der Pferde, das er nie vergessen wird, hieß Brokat: „Mein erstes Lehrpferd. Ein Holsteiner, den der alte Heinrich Boldt ausgebildet hat und der dann von Harry Boldt und später von Anke Frömming geritten wurde. Dann durfte ich ihn erfolgreich reiten. Das steht sogar in Harry Boldts Buch ,Das Dressurpferd‘. Wenn ich Brokat nicht gehabt hätte, hätte mir etwas in meinem Leben gefehlt.“ 2007 erhielt Kalli Streng das Deutsche Reiterkreuz in Silber für sein Engagement im Reitsport. 2014 verlieh ihm die BBR die Felix-Bürkner-Ehrenmedaille, die höchste Ehrung, die ein BBR-Mitglied für außergewöhnliche Verdienste um den Berufsstand erhalten kann. 2017 folgte das Deutsche Reiterkreuz in Gold – die höchste Auszeichnung, die die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) zu vergeben hat. 2023 wurde er von der DOKR-Trainerakademie als Trainer für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Schwer vorstellbar, aber sein Plan ist es, allmählich kürzerzutreten. Die Spätrente ist in Sicht.

 

Laura Becker

Vorheriger Artikel

Ausgabe 07/2025
10 Tipps für gelungenes Parcoursspringen

Nächster Artikel

Ausgabe 07/2025
PM-Kurzreise: Internationales Festhallenturnier Frankfurt