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Serie Persönlichkeiten der Pferdeszene: Achaz von Buchwaldt

„Der Schlüssel heißt Gefühl”

Reitmeister, zweifacher Derbysieger, Nationenpreisreiter – Achaz von Buchwaldt hat viel erreicht in seinem Leben, mit Willensstärke, Kampfgeist und ganz viel Gefühl im Sattel. Seine Expertise als Trainer ist heiß begehrt und er war einer der wenigen, die Hans Günter Winkler duzen durften.

Achaz von Buchwaldt ist Oldtimer-Fan. Alle Fotos: Jacques Toffi

Eine einfache Antwort gibt es nicht, wenn man Achaz von Buchwaldt um Rat fragt. Man kann sicher sein, dass er sorgsam durchdacht, dass er differenziert antwortet. Er fertigt niemanden mit Standardsätzen aus den Lehrbüchern ab, sondern vermittelt das, was er gelernt hat, Erfahrungen, die er gesammelt hat – als Spitzenreiter, als Ausbilder und als Trainer. Achaz von Buchwaldt lebt mit seiner Frau Elisabeth im Westen Hamburgs, umgeben von viel Grün und Wald, dörflich, idyllisch, norddeutsch. Blankenese und die Elbe sind nur einen Steinwurf entfernt. Ihr Wohnhaus liegt oberhalb der Reitanlage, auf der sie sich jahrzehntelang mit ihren Pferden beschäftigt haben. Ab und an hört man das Geklapper der Hufe auf Asphalt, wenn man an der Haustür steht und auf die Reithalle, das Stallgebäude mit Fachwerk und die Außenreitplätze heruntersieht. Fast ist es so, als blicke man von dort oben auf Achaz von Buchwaldts ganzes Leben mit den Pferden herab. Seit rund 15 Jahren widmet sich der 74-Jährige der Ausbildung von Reitern und Pferden. Sechs Pferde hat er noch. Jahrelang hat er Holsteiner gezüchtet – als Hobby, aber nur aus den Stuten und deren Nachkommen, mit denen er im Sport große Erfolge erzielt hat. Seine letzten beiden Zuchtprodukte sind dreijährig, ein Nachkomme von Kannan, einer von Chaman.

Trainer und Psychologe

Zu seinen ehemaligen Schülern zählen u. a. Lars Nieberg, Pia-Luise Aufrecht und Alexandra Fricker. Er hat den Schweizer Profi Pius Schwizer unterstützt, war von 2005 bis 2011 Nationaltrainer der Dänen und hat das Schweizer Springteam trainiert. Seine eigene Zeit im Sattel hat ihn sehr geprägt.

Familienbande: Achaz von Buchwaldt mit seiner pferdebegeisterten Familie.

„Ich habe viel gelernt, was ich jetzt für meine Trainertätigkeit nutzen kann“, betont Achaz von Buchwaldt. „Es war früher häufig so, dass wir von unseren Trainern runtergemacht wurden, wenn wir auf dem Pferd saßen. Wir bekamen zu hören: Du machst dies falsch, du kannst jenes nicht. Das war nicht besonders konstruktiv. Ich wusste immer, genau so werde ich es nicht machen. Man muss Selbstvertrauen haben, wenn man erfolgreich sein will, und ein Trainer sollte seinen Schüler auch mental unterstützen.“ Ein guter Trainer, da ist sich von Buchwaldt sicher, sollte gleichzeitig auch ein guter Psychologe sein. Der Schüler muss Spaß haben, dann kann er viel mehr erreichen. Vor allem müsse der Trainer seine Schüler motivieren. „Ich habe nie nach dem Rausreiten aus dem Parcours Kritik an meinem Schüler geübt. Das führt nur zu Gegenwehr und die Diskussion ist nicht sachlich. Besser man wartet 20 Minuten, dann kann der Schüler aufnehmen und lernen.“

Bei aller Liebe zu seiner Arbeit, weiß er auch um die nicht so angenehmen Seiten. „Trainer zu sein, ist ein harter Job. Wenn’s gut läuft, sind alle gut drauf. Aber wenn’s nicht läuft, ist es genau das Gegenteil. Da muss man dann auch viel Kritik einstecken und braucht ein dickes Fell. Außerdem ist man sehr viel unterwegs und die Turniere sind anstrengend. Man rennt ständig zwischen Abreiteplatz und Prüfung hin und her und muss sich unheimlich konzentrieren. Bei fünf Reitern weißt du dann abends, was du getan hast.“

Der große Triumph beim Deutschen Spring-Derby, das Achaz von Buchwaldt zweimal gewann.

2012 wurde Achaz von Buchwaldt der Titel „Reitmeister“ verliehen. Beim Hamburger Spring-Derby. Auf jenem heiligen Rasen, auf dem er seine größten Erfolge als Reiter gefeiert hat: Er wurde Derby-Sieger, zweimal. „Schon als Junge habe ich beim Derby an der Reling gestanden. Nur Aachen kommt dem gleich. Letzteres habe ich nicht geschafft, aber dafür zweimal den Eichenkranz.“ Bis dahin war es allerdings ein langer, hart umkämpfter Weg.

Vorbild Onkel Magnus

Achaz von Buchwaldt hatte ein Vorbild. Das war sein Onkel Magnus von Buchwaldt, der in Lütjenburg nahe der Ostsee lebte. Ein Gutsbesitzer mit finanziellen Möglichkeiten, der nach dem Krieg ein erfolgreicher Reiter wurde, 1958 den Großen Preis von Aachen gewann, als Nationenpreisreiter im Einsatz war und den deutscher Hochsprungrekord für Pferde von 2,20 Meter aufgestellt hat. „So wie Magnus wollte ich werden“, betont der Senior. Er wurde 1944 in Grömitz geboren und lebte mit seiner Familie in Mecklenburg, bevor sie fliehen mussten. Sie kamen bei den Verwandten in Schleswig-Holstein unter. „Dort wurden wir wie Flüchtlinge behandelt, immer von oben herab. Und wir merkten andauernd, dass wir nicht willkommen waren“, erinnert sich der 74-Jährige und gibt sich noch heute kämpferisch: „Denen wollte ich es zeigen. Ich habe mich sehr interessiert für die Pferde. Mein Vater ist geritten und er hat mir geholfen, dass ich ab und zu reiten konnte. Ich saß erst auf Ponys, habe mir Parcours aufgebaut und mir vorgestellt, wie das später werden soll.“

2012 wurde Achaz von Buchwaldt als Reitmeister ausgezeichnet

Im kommenden Jahr feiern Achaz und Elisabeth von Buchwaldt ihre Goldene Hochzeit. Elisabeth kam mit zwei Pferden per Schiff von Brasilien nach Deutschland – und blieb.

Unter Winklers Fittichen

Der junge von Buchwaldt war ein fleißiger Schüler, er stieg von den Ponys auf Großpferde um, eignete sich einen ausbalancierten Sitz an und war immer darauf bedacht, mit feiner Hilfengebung einzuwirken. Talentiert wie er war, bekam er Pferde gestellt und nahm an Turnieren in Schleswig-Holstein teil, beispielsweise an der Großen Gebrauchsprüfung für das Holsteiner Pferd in Bad Segeberg. Dort mussten die Pferde neben Dressur, Springen und Gelände auch eine Prüfung absolvieren, bei der sie einen Baumstamm ziehen mussten. „Ich bin aus der ländlichen Reiterei entstanden.“ Nach der Schule und einer abgeschlossenen kaufmännische Lehre in Reutlingen, bestritt der damals 23-Jährige 1967 seinen ersten Auftritt beim Hamburger Derby mit Athene (Platz acht). Equipechef Gustav Pfordte wurde auf ihn aufmerksam und lud ihn nach Warendorf ein. Achaz von Buchwaldt zog an das DOKR und kam unter die Fittiche von Hans Günter Winkler. „Das war eine harte Schule“, erinnert er sich, „wir wurden ganz schön rangenommen und getriezt. Aber ich habe mir nicht alles gefallen lassen und konnte ganz schön aufmüpfig werden.“

Von Buchwaldt blieb nur drei Jahre in Warendorf, diese Zeit war allerdings sehr ereignisreich, sowohl sportlich als auch privat. Er lernte seine Frau kennen, die mit ihren Pferden aus Brasilien nach Warendorf gekommen war. Sie war mit der Cap San Diego angereist. Die Schiffsreise hatte vier Wochen gedauert, ihre beiden Vollblüter standen in Holzboxen an Deck. Mittlerweile liegt die Cap San Diego als maritimes Denkmal im Hamburger Hafen vor Anker. Es ist das größte, fahrtüchtige Museums-Schiff der Welt.

Von Buchwaldt blieb nur drei Jahre in Warendorf, diese Zeit war allerdings sehr ereignisreich, sowohl sportlich als auch privat. Er lernte seine Frau kennen, die mit ihren Pferden aus Brasilien nach Warendorf gekommen war. Sie war mit der Cap San Diego angereist. Die Schiffsreise hatte vier Wochen gedauert, ihre beiden Vollblüter standen in Holzboxen an Deck. Mittlerweile liegt die Cap San Diego als maritimes Denkmal im Hamburger Hafen vor Anker. Es ist das größte, fahrtüchtige Museums-Schiff der Welt. An die erste Begegnung mit der jungen Brasilianerin, die bei den Pan American Games Silber in der Dressur gewonnen hatte, erinnert sich Achaz von Buchwaldt noch genau und muss grinsen: „Sie hat mich keines Blickes gewürdigt. Aber es gab ein Fest und Bundestrainer Herbert Meyer arrangierte, dass ich sie abholen konnte. Ich habe mir extra einen Porsche besorgt, hatte rote Backen und konnte nicht einmal richtig übers Steuer gucken…“

1969 haben die beiden geheiratet, Sönke Sönksen und Ludwig Gössing waren die Trauzeugen. Ein Jahr später wurde Achaz von Buchwaldt Europameister der ländlichen Vielseitigkeitsreiter, gemeinsam mit Helmut Rethemeyer, Karsten Huck und Dieter Hesselbach im Team. Dann verließ das Paar von Buchwaldt Warendorf und zog nach Hamburg auf den Moorhof von Michael Herz, bis sie 1975 die Anlage des verstorbenen Walter „Bubi“ Günther pachten und später erwerben konnten, die bis heute ihr Zuhause geblieben ist. 1973 und 1976 wurden ihre beiden Töchter geboren.

Wendy und Lausbub

Die 80er und 90er Jahre waren für Achaz von Buchwaldt die erfolgreichsten im Sattel. Der irische Wallach Pims war sein erstes Erfolgspferd. Mit ihm ritt er viele Nationenpreise und gewann internationale Große Preise. 1982: der erste Derbysieg. Er saß auf der Hannoveraner Stute Wendy v. Wedekind. „Sie hat mir auf Anhieb unheimlich gut gefallen.“ Nach nur zwei Jahren wurde aus der Zuchtstute eine Derby-Siegerin, die den Parcours ohne Fehler absolvierte. Sein Onkel Magnus gratulierte ihm nicht, aber dafür bekam Achaz von Buchwaldt noch am selben Tag einen Anruf aus Warendorf. „Ich nahm den Hörer ab und er sagte nur: Hier ist Hans! Ich wusste erst gar nicht, mit wem ich spreche. Und dann sagte er nochmal: Ja, jetzt Hans! Es war Hans Günter Winkler und er zollte mir seine Anerkennung, indem er mir das Privileg gab, ihn duzen zu dürfen.“

Das Derby zu gewinnen war schon ein riesiger Erfolg. Als Hamburger vor Hamburger Publikum zu gewinnen setzte dem Ganzen noch die Krone auf. Trotzdem, einen Haken gab es: „1982 war das Jahr der Europameisterschaft, deswegen war nicht die erste Garde der Springreiter am Start, die wollten ihre Pferde schonen. In der Presse hieß es dann, ich hätte nur gewonnen, weil die Konkurrenz nicht so groß war. Das hat mich schon geärgert… und angespornt. Ich dachte nur, euch werde ich es beweisen.“ Das tat er. Aber nicht nur erneut beim Derby, sondern auch auf der Championatsbühne.

„Alles, was ich erreicht habe, habe ich nur geschafft, weil ich ein Kämpfer bin“, sagt der heute 74-jährige Achaz von Buchwaldt.

Im folgenden Jahr gewann er mit dem Team EM-Bronze. Außerdem wurde er im selben Jahr zum Deutschen Vize-Meister gekürt. Diesen Erfolg wiederholte er noch einmal 1991. Er war in Aachen am Start, zwischen 1982 und 1996 bei 40 Nationenpreisen im Einsatz und gewann viele Große Preise auf der ganzen Welt.

Whitaker und Pessoa

14 Jahre nach seinem ersten Derbysieg trat er mit dem Landgraf-Sohn Lausbub erneut an, um sich im schwierigsten Parcours der Welt zu beweisen. „Lausbub war ein herausragendes Pferd. Er war zwar kein Überflieger, aber wenn man ihn richtig ritt und gefühlvoll behandelte, hat er wirklich alles für einen gemacht.“ Wie schon beim ersten Triumph meisterte von Buchwaldt auch mit Lausbub den Kurs fehlerfrei. Sie mussten im Stechen gegen John Whitaker und Nelson Pessoa antreten – und überzeugten. Vor allem: Bei den großen Namen konnte keine Rede mehr sein von zu wenig Konkurrenz. „Das war eine Genugtuung“, sagt von Buchwaldt zufrieden. Lausbub war bei seinem Derbysieg 18 Jahre alt. Und Achaz von Buchwaldt war in einem Augenblick etwas unbedacht. „Ich hatte einem Reporter im Vorfeld blauäugig gesagt, wenn Lausbub gewinnt, würde ich ihn aus dem Sport verabschieden… Das musste ich dann auch tun – dabei hätte er eigentlich noch gehen können, so fit und voller Willen wie er war.“

Achaz von Buchwaldt war 25 (!) Jahre lang Mitglied im Bundeskader, u. a. mit der hessischen Stute Alexa und mit First Lady. 2003 war er mit 58 Jahren in Leipzig als dienstältester Springreiter am Start. Er saß im Sattel einer berühmten Stute, mit der er gleichzeitig seine aktive Karriere beendete: die Holsteinerin Loreana v. Lord. Von Buchwaldt hatte die Stute ausgebildet und in den internationalen Spitzensport gebracht. Nach dem Sieg im Großen Preis von Braunschweig 2002 wechselte sie zu Lars Nieberg, der lange Zeit im Stall von Buchwaldt geritten ist. Mit Nieberg war Loreana erfolgreich auf Fünf Sterne-Niveau, gewann Weltcup-Springen und wurde Vierte in der Riders Tour-Gesamtwertung. Athene, Wendy, Alexa, First Lady, Loreana – auffällig viele Stuten. „Das war Zufall. Aber ich war Gefühlsreiter. Das kommt Stuten entgegen“, so von Buchwaldts Erklärung und er betont: „Wenn das Gefühl nicht da ist, kommt man nicht an die Spitze.

Das wusste schon Goethe. Von ihm stammt der Satz ,Wenn Ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nie erjagen’.“ Nachdem von Buchwaldt sich entschieden hatte, Loreana abzugeben, zog er sich aus dem Turniersport zurück. Achaz von Buchwaldt hat eine durch und durch freundliche Art, in seinem Gesicht liegt stets ein verschmitztes Lächeln, seine Augen strahlen – und doch schwingt immer etwas Ernsthaftigkeit in seinen Erzählungen mit. So ganz lässt die Vergangenheit ihn nicht los. „Die ganz großen Titel, auch Championatstitel, habe ich nicht geschafft. Die Deutschen Meisterschaften hätte ich gewinnen müssen, ich war so so dicht dran. Mir hat das richtige Management damals gefehlt. Die Gedanken daran legt man nicht einfach ab. Das beschäftigt mich schon immer noch. Ich war immer ein bisschen Einzelgänger und habe niemanden an mich herangelassen. Alles, was ich erreicht habe, habe ich nur geschafft, weil ich ein Kämpfer bin.“

Achaz von Buchwaldt bei der Gartenarbeit.

Oldtimer-Fan

Nach wie vor bekommt Achaz von Buchwaldt viele Anfragen, er ist ein geschätzter Trainer. Aber der Großvater von fünf Enkelkindern möchte lieber mehr zu Hause sein. Er hat immer Wert darauf gelegt, sich auch für andere Themen als die Reiterei zu interessieren. Er ist Fan alter Autos, reist gern und trifft Freunde außerhalb des Reitsports. Nächstes Jahr feiert das Ehepaar von Buchwaldt Goldene Hochzeit.

Kleinere Trainingseinheiten gibt Achaz von Buchwaldt noch. Und wenn er in der Reitbahn steht, gibt es eine Sache, die er immer versucht hat zu vermitteln: „Den für mich wichtigsten Satz, der mich ein Leben lang begleitet hat, habe ich mit 14 Jahren von meinem Reitlehrer gehört. Er sagte: Reiten heißt fühlen. Es dauerte viele Jahre, bis ich ihn verstand und versuchte, ihn mir zu eigen zu machen. Die Technik kann man lernen, Material kann man kaufen. Sie sind der Weg zum Erfolg. Aber der Schlüssel heißt Gefühl. Es ist Kommunikation und Empathie, es ist Liebe und Respekt für sein Pferd und es ist die Fähigkeit, sich jedes Mal und mit jedem Pferd neu zu definieren.“ Achaz von Buchwaldt sagt zwar, dass er dieses Credo für sich selbst zu spät umgesetzt hat, aber dennoch hat es ihn geformt – zu einem Gefühlsreiter und Gefühlstrainer.

Laura Becker

PM-Seminartipp:

Achaz von Buchwaldt führt am 31. Mai 2019 exklusiv eine Gruppe PM über den Derby-Parcours in Hamburg. Infos zu dem PM-Seminar sind im Terminteil dieser Ausgabe unter „Hamburg“ zu finden.

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