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Hilfsmittel beim Reiten: Gerte, Sporen, Stimme

Dezent und gekonnt, bitte!

Noch nie wurde so viel über den Einsatz und die Daseinsberechtigung der reiterlichen Hilfsmittel Gerte und Sporen geredet wie heute. Für die einen sind sie Notwendigkeit auf dem Weg zu feinster Kommunikation, für die anderen an der Grenze zur Tierquälerei – oder sogar darüber hinaus. Dr. Britta Schöffmann beleuchtet das Thema von allen Seiten.

Fein und nahezu unsichtbar soll der Einsatz von Gerte, Sporen und Stimme erfolgen – dabei kann die Gerte direkt neben dem Unterschenkel eingesetzt, diesen schon mal leicht verstärken. Fotos (11): Christiane Slawik

Gleich vorneweg: Man braucht keine Gerte, keine Peitsche und keine Sporen, um ein Pferd zu quälen. Das lässt sich auf vielerlei Arten bewerkstelligen, sogar mit bloßen Händen. Aber wer geht denn auch schon hin mit dem Vorsatz, (s)ein Pferd zu quälen und zu malträtieren? Mit Sicherheit nur eine verschwindend geringe Anzahl von Menschen, die entweder psychisch völlig gestört ist oder derart von sportlichem oder medialem Ehrgeiz zerfressen, dass sie ethisch-moralische Grundsätze über den Haufen werfen. Die überwältigende Mehrheit aller Pferdeleute – Reiter, Fahrer, Voltigierer, Züchter – ist jedoch vom Pferdevirus infiziert, weil sie der Faszination, die von diesen Tieren ausgeht, erlegen ist. Diese Menschen wollen nur Gutes für ihr Pferd.

Gutes wollen und tun

Allerdings ist Gutes wollen und Gutes tun beziehungsweise erreichen nicht immer einfach, vor allem, wenn es um den Pferdesport – ganz gleich, ob Sport, ob Hobby – geht. Die Beschäftigung mit Pferden erfordert nämlich nicht nur Liebe zum Pferd, sie erfordert auch viel Wissen um seine Natur und seine Bedürfnisse, und sie erfordert Fleiß, Hingabe und Können, um dem Pferd die bestmögliche Ausbildung zu geben, es zu fordern, statt zu überoder unterfordern. Sich dieses Wissen und Können anzueignen, ist sicher die größte Forderung an jeden Reiter, Fahrer, Pferdemenschen und damit auch die größte Herausforderung. Die Maxime über allem muss immer lauten: Das Pferd darf keinen Schaden nehmen.

Sport abschaffen als Lösung?

Für extreme Tierrechtler ist das ganz einfach zu erreichen. Wie? Indem sie jeglichen Pferdesport von vornherein als unnatürlich verurteilen und abschaffen wollen. Aber was ist schon natürlich für ein Lebewesen? Die Beschäftigung mit Algebra, Differentialrechnung oder Experimentalphysik gehört für die meisten menschlichen Schüler vermutlich auch nicht unbedingt zu ihrer natürlichen Verhaltensweise. Sind Lehrer deshalb Menschenquäler oder nicht viel eher Menschenfreunde und Menschenförderer? Und verfügen nicht auch sie über Hilfsmittel, um ihren Schülern Dinge zu erklären und näherzubringen?

Falsch verstanden

Tierrechtsorganisationen wie PETA versteigen sich, wenn es um Hilfsmittel im Reitsport geht, dagegen sogar zu Behauptungen wie „Sporen sind Metallstücke mit einem Dorn oder Rädchen…. Damit wird dem Pferd in die überaus empfindliche Bauchhaut gestochen…“ oder Gerten und Peitschen sind „dafür gemacht …, die Tiere zu schlagen, zu treiben, zu erschrecken und zu verängstigen.“ Von „Folterinstrumenten“ ist die Rede, von Zwang und permanenten Schmerzen. Derartige Aussagen zeugen allerdings von großer Unkenntnis und outen eine mangelnde Beschäftigung mit der Sache. Wer sich ein bisschen tiefer mit der Materie auseinandersetzt, wer die Natur unterschiedlicher Lebewesen studiert und sich mit Themen wie Lernverhalten, Intelligenz und Lernentwicklung beschäftigt, der wird solch abstruse Behauptungen nicht aufstellen.

Ein gutes Beispiel dafür, wie dezent und wohl dosiert eine Gerte zum Einsatz kommen sollte – hier in der Freiarbeit wie ein bloßer Fingerzeig

„Man braucht keine Hilfsmittel, um ein Pferd zu gymnastizieren, aber Hilfsmittel erleichtern die Kommunikation zwischen Pferd und Reiter. Dabei ist es wichtig, dass Hilfsmittel die reiterliche Einwirkung unterstützen, sie aber niemals ersetzen. Ein Reiter, der abhängig ist von Gerte, Sporen oder Stimme befindet sich in seiner Ausbildung nicht mehr auf dem richtigen Weg.“

Zitiert aus „Die Reitabzeichen 5–1 der Deutschen Reiterlichen Vereinigung“ aus dem FNverlag

Gerte und Peitsche sind Hilfsmittel und sollen keine Angst machen. Jungpferde werden behutsam an sie gewöhnt.

Beim Longieren dient die Peitsche als vortreibende Hilfe und als Wegweiser.

Dosiert unterstützt der Ausbilder vom Boden aus und motiviert das Pferd durch leichte Berührung mit der Gerte, aktiver im Hinterbein abzufußen.

Helfen, nicht zwingen

Hilfsmittel im Reitsport sind, wie der Name es schon erahnen lässt, Instrumentarien, die dem Menschen helfen, dem Pferd etwas zu erklären und umgekehrt dem Pferd helfen, die Anfragen des Menschen zu verstehen. Zwang ist dabei immer ein schlechter Ratgeber, vor allem, da der Mensch etwa 60, 70 Kilogramm wiegt, das Pferd aber schnell das Zehnfache davon. Der Versuch, ein Pferd unter Einsatz von Gerte und Sporen – fehlerfrei und nachhaltig – über Hindernisse oder in Piaffen und fliegende Wechsel zwingen zu wollen, ist schon allein deshalb zum Scheitern verurteilt.

Ein Pferd in Angst wird keine Leistung bringen, seinem Reiter nicht vertrauen und sogar zur Gefahr für sich und die Umwelt werden. Das angestrebte Ziel allen Reitens (und auch Fahrens) ist deshalb vielmehr ein Miteinander von Pferd und Mensch, eine Art Team-Bildung. Im Verlauf von Jahrhunderten der Beschäftigung mit dem Pferd kam der Mensch der Natur des Pferdes immer näher. Wo zwischenzeitlich im Mittelalter tatsächlich oftmals brutale Unterwerfung der Pferde – teils mit martialischen Sporen und Gebissen erzwungen – die Regel war, entwickelte sich nach und nach mit wachsendem Wissen und Verständnis die Reitkunst mit feinen Reiterhilfen, den Körper gymnastizierenden und trainierenden Übungen und Lektionen sowie dezent eingesetzten Hilfsmitteln zur besseren Verständigung.

Armverlängerung

Peitsche und Gerte waren und sind in diesem Zusammenhang nichts anderes als die Verlängerung des menschlichen Arms (Longierpeitsche) beziehungsweise die Verdoppelung und gegebenenfalls auch Verlängerung des Reiterschenkels. Auf diese Weise kann die Schenkelhilfe klarer und damit fürs Pferd nachvollziehbarer werden. Mit der Gerte kann der Reiter außerdem Stellen an Rumpf, Hinterhand oder Kruppe des Pferdes erreichen, an die der treibende Schenkel nicht heranreicht. Und an der Schulter eingesetzt, kann die Gerte bei ganz jungen Pferden den äußeren Zügel und damit die Lenkung ergänzen, bei in sich stark schiefen Pferden die Geraderichtung unterstützen.

Beidseitig bitte!

Voraussetzung dafür ist natürlich, die Gerte sowohl mit der rechten als auch mit der linken Hand führen zu können. Das oft gehörte Argument „ich kann die Gerte nur rechts halten, mit links bin ich so ungeschickt“ zieht nicht. Wer möchte, dass sich sein Pferd im Laufe der Ausbildung geraderichtet, also auf beiden Händen gleich geschmeidig wird, der darf nicht selbst eine ungeschickte, steife oder feste Zügelfaust (oder ganze Körperseite) haben. Also: üben, üben,üben und die Gerte so häufig wechseln, dass es irgendwann keinen Unterschied mehr macht, ob sie in der rechten oder in der linken Hand liegt. Wichtig ist auch, die Gertenhilfe passend zu dosieren und genau zu positionieren. Meist reicht schon ein leichtes Touchieren, also Berühren, um sich dem Pferd mitzuteilen. Zum Schlagen, Quälen und Verängstigen sind Gerte und Peitsche nicht gedacht!

unten: Abbrechende Haare am Pferderumpf (s.o.) in Bereichen, wo Unterschenkel und Sporen das Tier berühren, sind immer ein Alarmsignal!

oben: Es sind die kleinen Tricks: Fell stehen lassen oder gar ein Sporenschutzgurt – wer sowas benötigt, sollte sich fragen, ob er seine Sporen wirklich angemessen einsetzt.

Tipps gegen Triebigkeit

Ist ein Pferd triebig und fehlt ihm der natürliche Vorwärtsdrang, kann dies mehrere Ursachen haben. Ein schlechtsitzender oder drückender Sattel kann zu Schmerzen führen und dem Pferd das Vorwärts verleiden. Auch gesundheitliche Probleme wie fast unsichtbare Lahmheiten, Rückenprobleme, Blockaden, gynäkologische Probleme etc. bremsen Pferde oft aus. Selbst ein schlechtsitzender oder klemmender Reiter kann die Ursache für Triebigkeit sein. Wenn alle diese Dinge ausgeschlossen und Reitersitz und Einwirkung verbessert sind, wäre der erste Tipp: Abwechslung. Tage- und wochenlanges Rundendrehen in Reithalle oder auf dem Reitplatz können die Motivation des Pferdes zur Mitarbeit nehmen. Besser mal ins Gelände gehen, lockere Galoppstrecken nach vorwärts reiten, bergauf und bergab; außerdem Springgymnastik, Stangenarbeit etc. Das alles am besten im leichten Sitz mit kurzem Bügel, damit das Pferd den Rücken wieder freier bewegen kann. Denn letztendlich sind faule Pferde immer wenig losgelassene Pferde. Alles, was die Rückentätigkeit und das losgelassene Schwingen verbessert, fördert auch Fleiß und Gehfreude.

Wirkweisen und Gründe

Wo am Pferdekörper die Gertenhilfe eingesetzt wird, und um eine Hilfe handelt es sich, hängt auch davon ab, was sie bewirken soll. Hinter dem seitwärtstreibenden Schenkel, beispielsweise beim Schenkelweichen oder in der Vorhandwendung, unterstützt sie die Aufforderung zum Weichen dieses Schenkels. Die Gerte wirkt hier quasi wie ein zweiter seitwärtstreibender Schenkel und hilft dem Pferd beim Verstehen der reiterlichen Aktion. Im Vorwärts mehr Richtung Unterschenkel des Pferdes, also zwischen Knie und Sprunggelenk eingesetzt, wirkt sie vortreibend – auch oder gerade bei der Versammlungsarbeit. Auch hier wird nur leicht touchiert. Vor allem Pferde, die auf dem Weg in die Versammlung sind, neigen schon mal dazu, im Hinterbein eher langsam zu werden, statt fleißig unter den Schwerpunkt zu fußen und mehr Last aufzunehmen. Mit einem leichten Touchieren kann man hier das Hinterbein daran „erinnern“, weiter fleißig zu sein, statt inaktiv zu werden und sich vom gemeinsamen Schwerpunkt nach hinten wegzubewegen. Und warum das Ganze? Weil ein von hinten herangeschlossenes Pferd eine stabile Oberlinie entwickelt und somit seinen Rücken entlastet und das Reitergewicht schadlos tragen kann. Je besser ein Pferd ausgebildet ist, je feiner es die primären reiterlichen Hilfen, also Gewicht, Schenkel und Zügel, beantwortet, desto überflüssiger wird die Gerte. Ein Reiter, der ohne Gerte im Sattel aufgeschmissen ist und klagt, sein Pferd nun nicht mehr vorwärtszubekommen, hat definitiv bis dato viel falsch gemacht. Das Gleiche gilt auch für die Sporen, die nicht als Verstärkung eines „Gaspedals“ gedacht sind.

Tabu für Anfänger

Der Einsatz von Sporen dient vielmehr der punktgenauen Verfeinerung einer Schenkelhilfe eines erfahrenen Reiters auf einem schon weiter ausgebildeten Pferd, ähnlich dem Schnips mit dem kleinen Finger anstelle eines Klapses mit der flachen Hand. Das Bild, das manche Gegner von Sporen haben, entstammt alten Westernfilmen, in denen Helden und Bösewichte mit klirrenden Rädchensporen an ihren Boots durch Wüstensand oder Saloon stapfen oder sie ihren Pferden im schnellen Galopp in den Rumpf boxen. DAS hat mit dem Einsatz von Sporen gemäß klassischer Reitausbildung nichts gemein! Wie gesagt, es geht um die weitere Verfeinerung einer bereits fast perfekten Schenkelhilfe, die eine spezielle kleine Stelle des Bauchmuskels gezielt ansprechen und damit eine reflektorische Reaktion des Pferdes beziehungsweise dieser speziellen Muskelpartie hervorrufen soll. Deshalb gehören Sporen auch nicht an die Füße von Anfängern oder Kindern, denn diese sind erstens noch nicht in der Lage, die Lage ihrer Unterschenkel und Füße zu kontrollieren, zweitens können sie ihre einzelnen Hilfen noch nicht aufeinander abstimmen, also noch nicht gezielt einwirken.

Fehlerhafter Einsatz

Bei aller Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Gerte und Sporen, bei allen Regeln und Reglementierungen, die die Reiterverbände zum Schutz der Pferde dazu aufgestellt haben, gibt es allerdings immer wieder unschöne Bilder rund um diese Hilfsmittel. Die meisten davon sind Folge mangelnden Wissens und Könnens, andere Folge mangelnder Selbstbeherrschung. Wem das Wissen um die Natur des Pferdes und dessen Lernverhalten fehlt, wird vielleicht seine Gerte recht vorsichtig, aber viel zu häufig einsetzen. Ein uneindeutiges und womöglich im falschen Moment gesetztes „Patsch, Patsch“ mag zart und nett gemeint sein, führt aber bei Nichtreaktion zu einer Desensibilisierung beim Pferd. Statt einer Reaktion tritt Gewöhnung ein, das Pferd versteht nicht mehr, was mit dieser irgendwann in Dauerschleife gegebenen Hilfe gemeint ist. Es lernt, nicht mehr zu reagieren. Das Gleiche kann passieren, wenn das reiterliche Können nicht ausreicht, der Reitersitz noch wackelig und unruhig ist. Nicht gewollte Berührungen mit Bein und Sporn führen ebenfalls zur Abstumpfung beim Pferd. Nicht selten heißt es dann „mein Pferd ist faul und triebig“, dabei hat es der Reiter dazu gemacht. Und nicht selten werden dann tatsächlich noch mehr Gertenhilfen gegeben, werden längere Sporen umgeschnallt. Ein unerfreulicher Kreislauf für Pferd und Reiter.

 

Besser so: An die Füße von Anfängern oder Kindern, die ganz offensichtlich noch Schwierigkeiten mit ruhiger Schenkellage und fein aufeinander abgestimmter Hilfengebung haben, gehören keine Sporen

Sporen über Sporen – Modelle gibt es viele, gebrauchen sollten sie nur Reiter mit ruhigem Schenkel, die in der Lage sind, sie dosiert einzusetzen. Und bitte immer nur einen auf einmal! Foto: Jacques Toffi

So nicht! Wer die Gerte zum Schlagen missbraucht, handelt unreiterlich und hat wenig verstanden, worum es im Pferdesport geht.

Mit dezenter Hilfengebung hat das nichts zu tun: Sporen sind nicht dazu da, sie in den Pferdebauch zu bohren – ein No-go!

Das sagen die Richtlinien

• „Zur Verbesserung der Verständigung mit dem Pferd bzw. zur Unterstützung und Verfeinerung der Hilfengebung können die Stimme, die Gerte oder die Sporen punktuell eingesetzt werden. Sie sind aber kein Ersatz für die reiterlichen Hilfen.“
• „Ziel ist es, weitgehend ohne Gerte auszukommen.“
• „Sie [die Sporen] dürfen bei der treibenden Einwirkung nicht dominieren. Der Reiter treibt mit der Wade – nicht mit den Sporen.“

Zitiert aus „Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1“ aus dem FNverlag

Alarmsignale beachten

Ebenso unerfreulich ist es, wenn Reiter (und deren Ausbilder) erste Hinweise über den ungewollten Missbrauch von Sporen übersehen. Abbrechende Haare am Pferderumpf an den Stellen, wo ein unruhiger Unterschenkel und „porkelnder“ Sporn immer und immer wieder den Pferderumpf berührt, sollten ein Alarmzeichen sein und den Reiter veranlassen, umgehend die Sporen abzuschnallen und seine Einwirkung sporenlos wieder zu verbessern. Weiße Stellen am Pferdebauch, gerötete und wunde Haut oder gar seltsame breite Bauchgurtkonstruktionen zum Verhindern solcher Stellen sind ein Armutszeugnis für den Reiter! Ein noch schlimmeres Armutszeugnis allerdings sind blutende Sporenlöcher oder Gertenstriemen an Kruppe oder Rumpf, denn sie sind Zeugnisse absoluten reiterlichen Versagens und gehören zur Kategorie „mangelnde Selbstbeherrschung“. Auf Turnieren führten derartige Zwischenfälle zum Ausschluss, doch was hinter verschlossenen Reithallentüren zu Hause passiert, entzieht sich der verbandlichen Kontrolle. Wenn der betroffene Reiter nicht selbst schamgebeugt vom Pferd steigt und sich selbst Besserung gelobt, dann sollten Dritte ihn auf sein Fehlverhalten aufmerksam machen, ihn bei Nichteinsicht melden. Denn wie gesagt: Das Wohl des Pferdes ist oberste Maxime!

unten: Abbrechende Haare am Pferderumpf (s.o.) in Bereichen, wo Unterschenkel und Sporen das Tier berühren, sind immer ein Alarmsignal!

oben: Es sind die kleinen Tricks: Fell stehen lassen oder gar ein Sporenschutzgurt – wer sowas benötigt, sollte sich fragen, ob er seine Sporen wirklich angemessen einsetzt.

Stimmgewaltig, lautlos

Also vielleicht nur Stimmhilfen statt Gerte und/oder Sporen? Ganz so simpel ist auch das nicht. Auf Turnieren sind sie zum einen nicht zugelassen. Und im Training müsste das Pferd zum anderen erst einmal lernen, welches Stimmkommando für was überhaupt steht. Theoretisch könnte man ein Pferd auf eine gewisse Anzahl solcher Stimmhilfen konditionieren. Dazu muss der Reiter dann aber trotzdem zunächst die primäre Einwirkung setzen und diese dann mit einem Stimmsignal verbinden. Am bekanntesten ist hier sicherlich die energisch vortreibende Schenkelhilfe verbunden mit einem Schnalzer. Nach einer gewissen Zeit reicht schon die sekundäre Hilfe, also der Schnalzer, um das Pferd frischer nach vorn reiten zu können. Bei manchen Lektionen machen vorübergehende Stimmhilfen auch unter dem Reiter sicher Sinn. Neben dem Schnalzer ist es zum Beispiel beim Erlernen des Rückwärtsrichtens das Wort „Zuuurück“, das sowohl am Boden als auch vom Sattel aus die Einwirkung begleiten und somit unterstützen kann. Oder ein kurzes „brr“ beim Durchparieren. Ganz ohne eine Auffrischung hin und wieder können sich aber auch Stimmhilfen abnutzen. Und ein Zuviel an Stimmhilfen stumpft nicht nur irgendwann auch ein Pferd ab, es würde bei einer vollen Reithalle mit fünf oder gar zehn Stimmhilfe einsetzenden Reitern wohl zu einem nervtötenden Geplapper und hohen Lärmpegel führen. Die unsichtbaren und vor allem auch unhörbaren Reiterhilfen dagegen sind, mit und ohne Einsatz der Hilfsmittel, in ihrer Perfektion irgendwann das angestrebte lautlose Zwiegespräch zwischen Pferd und Reiter.

Dr. Britta Schöffmann

Großes Durcheinander: Würde auf einem vollen Vorbereitungsplatz jeder seine Stimme zur Hilfe einsetzen, wäre der Lärmpegel extrem hoch. Stimme ist daher keine Dauerlösung.

Beim Erlernen des Rückwärtsrichtens kann ein lang gezogenes „Zuuuurück“ mit der Stimme helfen. Foto: Stefan Lafrentz

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