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Der korrekte Reitersitz

Auf die Balance kommt es an

„Kopf hoch, Brust raus, Absatz tief“ – so schallte es einst durch Deutschlands Reithallen. Auch wenn der Kasernenhofton vergangener Tage längst abgelöst wurde, wenn der richtige Reitersitz inzwischen auch nach neuesten sportwissenschaftlichen Erkenntnissen erarbeitet wird, so hat sich eines im Laufe der Zeit nicht geändert: die Bedeutung des korrekten Sitzes. Dressurausbilderin und Sportwissenschaftlerin Dr. Britta Schöffmann erklärt, warum ein guter Reitersitz so wichtig ist, was er mit reiterlicher Einwirkung zu tun hat und warum jedes Pferd einen gut sitzenden Reiter verdient.

Ein guter, korrekter Sitz ist geschmeidig und ausbalanciert in jeder Lebenslage. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv

Gutes Reiten ist der beste Tierschutz. Ein Grundsatz, der gar nicht oft genug betont werden kann. Wenn auch vermutlich nicht jeder Reiter wirklich gut werden kann – das ist nun mal abhängig von Talent, Ehrgeiz, Motiven, Mitteln und Zeit –, so kann und sollte sich aber doch jeder Reiter aus Rücksicht aufs Pferd bemühen, im Rahmen seiner eigenen Grenzen so gut wie möglich zu werden. Ein guter und korrekter Sitz gehört dazu. Nicht, weil der Reitersitz einer willkürlich erdachten Form oder Regel entsprechen soll, sondern weil nur über einen korrekten Sitz eine verständliche und stressfreie Kommunikation mit dem Pferd möglich ist.

Balance als Schlüssel

Was aber ist überhaupt ein guter, korrekter Sitz? Diese Frage ist ganz einfach zu beantworten: Es ist ein ausbalancierter Sitz. Nur wenn der Reiter in der Lage ist, mit seinem Körper die dreidimensionalen Bewegungen des Pferdes – der Pferdekörper bewegt sich sowohl vorwärts als auch rhythmisch auf und ab und durch das Pendeln des Rumpfes/Bauches vor allem im Schritt auch leicht hin und her – mitzugehen und auch bei überraschenden Rhythmusveränderungen nicht aus dem Gleichgewicht kommt, ist er auf dem Pferderücken ausbalanciert. Fehlt dem Reiter diese Balance wird er fürs Pferd zum Störfaktor. Ein ausbalancierter Reiter ist dagegen in der Lage, sämtliche Bewegungen des Pferdes ohne Aufwand mitzumachen und sich ihm immer ruhiger, unaufgeregter und geschmeidiger in der jeweiligen Sitzform anzupassen, ganz egal, ob in den verschiedenen Gangarten, über Hindernisse oder bergauf und bergab im Gelände. Selbst die meisten Bocksprünge sind für den gut ausbalancierten Reiter im Allgemeinen nicht mehr wirklich schwierig auszusitzen.

Gleichgewichtsund Koordinationsgefühl hängen mit der allgemeinen Sportlichkeit und Fitness eng zusammen – Ausgleichssport ist somit unbedingt zu empfehlen! Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv

Gerade bei Anfängern essenziell: An der Longe ein Gefühl für Körper, Sitz und Balance erarbeiten. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Hirnzellen auf Trab

Die Fähigkeit, sich und seinen Körper auszubalancieren, hat unter anderem etwas mit Gleichgewichts- und Koordinationsgefühl, mit Beweglichkeit und allgemeiner Sportlichkeit/Fitness zu tun. Wer hier Defizite hat, der tut sich meist auch auf dem Pferderücken schwer. Doch auch wenn eine gewisse Unsportlichkeit angeboren ist und unter anderem mit der Konzentration von speziellen Nervenbotenstoffen im Gehirn zusammenhängt, so lässt sich durch vielseitiges Training trotzdem einiges verbessern. Gerade das Reiten bietet hier Möglichkeiten, denn auf dem Pferderücken wird der menschliche Körper ja unaufhörlich mit wechselnden Bewegungsanforderungen konfrontiert und muss sich immer wieder neu austarieren. Das fördert nicht nur die muskuläre Entwicklung, sondern auch die nervale. Je häufiger die Hirnzellen dem Körper Befehle zum Ausbalancieren geben müssen, desto mehr kommen auch diese Zellen auf Trab. Die Folge: Die Reaktionsfähigkeit nimmt zu, die beiden Hirnhälften verschalten sich besser miteinander, viele Aktionen im Sattel geschehen dann irgendwann mehr und mehr aus dem Unterbewusstsein heraus. Schon allein aus diesem Grund ist eine vielseitige Ausbildung in allen reiterlichen Sitzformen, also im Dressursitz und im leichten Sitz in seinen unterschiedlichen Ausprägungen, so enorm wichtig.

Drei Sitzformen, eine Basis

So unterschiedlich diese Sitzformen auch auf den ersten Blick aussehen mögen, die Balance ist ihre gemeinsame Basis. Lediglich die speziellen Anforderungen unterscheiden sich und setzen damit unterschiedliche Trainingsschwerpunkte und -reize. Die eher statische Haltung im Dressursitz bei dennoch mitschwingender Mittelpositur, der vor allem bei weiten Strecken mehr Kraftausdauer erfordernde Geländesitz oder der mit Balance-Extremen agierende Springsitz, sie alle sprechen unterschiedliche Muskeln, Gelenke, Nervenbahnen und Hirnregionen an und fördern damit das Balanciervermögen, den Gleichgewichtssinn und letztlich auch die Koordination im Sattel. Wohl dem, der alle diese Sitzformen in seiner Ausbildung erlernt und auch sein Reiterleben lang regelmäßig anwendet.

Der leichte Sitz lässt sich auch an der Longe und im Schritt und Trab üben. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Lernen durch Probieren

Aber wie lässt sich der richtige Sitz, egal in welcher Ausprägung, überhaupt erlernen? Sicher nicht durch Drill, wohl aber durch Probieren, Üben und Trainieren. Als Ausbilder muss man dazu wissen, dass es einen großen Unterschied macht, wen man als Reitschüler vor sich hat. Kinder zum Beispiel lernen vor allem intuitiv aus dem „sich bewegen“ und aus Versuch und Irrtum. In dieser Phase des Lebens werden so Geschicklichkeit und Gleichgewicht beinahe wie nebenher und spielerisch geschult. Ganz unbedarft lassen sich die meisten Kinder auch auf dem Pferderücken auf den wackeligen Untergrund, sprich das Pferd, ein.

Hier sollte der Ausbilder zunächst tunlichst nicht gleich mit rigiden Anweisungen kommen und an die perfekte Sitzform und den nächsten Spring- oder Dressurreiterwettbewerb denken, sondern die Kinder erst mal weitestgehend machen lassen. Erst wenn sich die Balance auf dem Pferderücken – mit und ohne Sattel – in allen Gangarten, in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und möglichst auch über kleinen Hindernissen wie von selbst eingestellt hat, kann der Ausbilder im nächsten Schritt Tipps zu formalen Verbesserungen der jeweiligen Sitzform geben. Optimal, wenn er dabei auch gleich deren Sinn erklärt oder, noch besser, das Kind Dinge ausprobieren lässt, zum Beispiel die korrekte und nicht korrekte Sitzlinie Ohr-Schulter-Hüfte-Absatz am Boden ohne Pferd. Erfühlte Erkenntnisse bleiben eher haften als bloße Erklärungen.

Der Einsatz von Hilfsmitteln wie Franklinbällen soll bei der Sitzschulung das bewusstere Erfühlen einzelner Körperpartien unterstützen. Foto: Jacques Toffi

Lockerungsübungen vor Beginn der Trainingseinheit machen geschmeidig und kommen damit auch dem Sitz zugute. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv

Sitzen fühlen

Das Fühlen zu schulen und zu verbessern, ist auch die große Herausforderung, wenn es um erwachsene Reitanfänger geht. Ab einem gewissen Alter verlieren viele Menschen, vor allem, wenn sie sich wenig bewegen und viel am Schreibtisch sitzen, nicht nur ihre Beweglichkeit, sie verlernen irgendwann auch das intuitive Fühlen und setzen stattdessen vermehrt ihren Kopf ein. Im Bemühen „richtig“ zu sitzen, verkrampfen sie sich dann aber oft und können so eben nicht zu einem ausbalancierten Sitz finden. Je mehr der Reitlehrer dann womöglich schimpft, desto schwieriger wird es für den Reitschüler.

Beim korrekten Dressursitz bilden Ohr-Schulter-Hüfte-Absatz eine Linie. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Auch hier wäre es sinnvoller, durch begleitende Gymnastik die allgemeine Fitness zu verbessern und Wege zu finden, das Gefühl wieder in den Vordergrund zu bringen. In der modernen Reitausbildung werden dazu inzwischen diverse Hilfsmittel und Methoden, auch aus anderen Sportarten, eingesetzt. Das Unterrichten mit Hilfe innerer Bilder ist beispielsweise eine Möglichkeit oder das Bewegungstraining nach Eckart Meyners. Auch der Einsatz von Franklin-Bällen, die bei der Sitzschulung unter anderem ein bewussteres Erfühlen einzelner Körperpartien hervorrufen, kann helfen Sitzprobleme zu lösen. Einzug in die Reiterei hat auch die Neuroathletik gefunden, ein modernes Trainingskonzept, das sich auf die Verbesserung der Prozesse zwischen Körper und Gehirn fokussiert.

Lernfähiges Gehirn

Immerhin ist es ja das Gehirn, das letztlich jegliche Bewegung und Körperhaltung steuert und dabei manchmal seinen eigenen Weg zu gehen scheint. Wer hat es als Reiter nicht schon mal erlebt, dass irgendeine „dumme Angewohnheit“, beispielsweise eine verdeckte oder verdrehte Faust, vom Ausbilder zum hundertsten Mal korrigiert wurde – ohne Erfolg. Denn besagte Faust scheint ein Eigenleben zu haben und sich selbst vor erfahrenen Reitern und deren bewusster Kontrolle zu verstecken. Es ist schon ein seltsames Ding, dieses menschliche Gehirn. Es ist so leistungsfähig, dass es viele Dinge irgendwann im Unterbewusstsein abspeichert. Vor allem Dinge, die es wieder und wieder gemacht hat. Das Gehirn ist so anpassungs- und auch lernfähig, dass es sogar in der Lage ist, ein Bild zu drehen. Würden wir uns einige Tage lang mit dem Kopf nach unten irgendwo hinhängen, dann würden wir zunächst unsere Umgebung auf dem Kopf stehend sehen. Irgendwann aber wird unser Hirn das offensichtlich „falsche“ Bild drehen und wir sehen alles wieder richtig herum. Faszinierend!

Fehler abgespeichert

Diese Lernfähigkeit des Gehirns hat große Vorteile, denn so müssen wir zum Glück nicht bei jeder Kleinigkeit bewusst alles steuern. Stehen, Laufen oder Gehen zum Beispiel gelingt, nachdem wir es als Kleinkind einmal gelernt haben, irgendwann einfach so und ohne bei jedem Stopp, bei jedem Schritt darüber nachdenken zu müssen. Das Gehirn hat es abgespeichert und bedient über Nervenverbindungen die notwendigen Muskelgruppen und nervalen Abläufe selbstständig. Dummerweise speichert das Gehirn nach einer gewissen Zeit aber auch alle möglichen Haltungs- oder Bewegungsfehler ab. Eine hochgezogene Schulter, eine verdrehte Hand, ein ungleicher Gang, das Hirn ist da nicht wählerisch.

Ohne Bügel reiten fördert die Balance und kommt damit auch dem Sitz zugute. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Immer wieder

Kein Wunder also, dass es nicht immer ganz einfach ist, die geforderte reiterliche Sitzform zu erlernen und vor allem einmal eingeschlichene Fehler wieder abzustellen. Aber warum, so mag sich mancher weniger ambitionierte Reiter fragen, ist der korrekte Reitersitz überhaupt wichtig. Warum wird von ernsthaften und seriösen Ausbildern immer wieder am Reitersitz gearbeitet? Weil nur darüber eine effektive und pferdefreundliche Einwirkung möglich ist. Eine ruhige Reiterhand zum Beispiel kann nicht bei einem unruhigen und wackeligen Sitz gelingen. Sie ist aber wichtig, weil nur über eine ruhige Hand eine weiche und feine Verbindung zum Pferdemaul möglich ist. Eine solche feine Verbindung ist erstens pferdefreundlich, da sie den Druck aufs Gebiss – bei gebissloser Zäumung auf den Nasenrücken – minimal hält und überflüssige Druckveränderungen vermeidet. Und zweitens ermöglicht sie dem Pferd, bei gewollten leichten Druckveränderungen zu verstehen, was gewünscht wird und entsprechend zu reagieren. Wackelt dagegen eine Reiterhand aufgrund von Sitzfehlern auf und ab und hin und her, bekommt das Pferd ununterbrochen Einwirkungen, die nicht nur unangenehm sind, sondern aus seiner Sicht auch keinen Sinn ergeben.

Nur aus einem korrekten Sitz heraus kann auch die Reiterhand ruhig sein und eine feine und weiche Verbindung zum Pferdemaul ermöglichen. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Der leichte Sitz ist so angelegt, dass der Reiter auch mit Balanceextremen gut agieren kann. Foto: Stefan Lafrentz

Grundpfeiler Sitz

Aber auch ein vor oder hinter der Senkrechten sitzen, ein in den Sattel Plumpsen, flatternde Unterschenkel und vieles mehr verhindern nicht nur eine gelungene Einwirkung und damit eine gelungene Kommunikation, die verhindern auch ein Lernen sowie eine gewünschte körperliche Entwicklung des Pferdes, das durch gutes Reiten ja eigentlich gesund erhalten werden soll. Kein Wunder, dass sich im korrekten Reitersitz also der erste Schlüssel für gutes Reiten verbirgt. Kein Wunder auch, dass zum Beispiel an der Spanischen Hofreitschule in Wien ganze Generationen von Eleven, also angehenden Bereitern, erst einmal für Jahre an der Longe Sitzschulung betreiben mussten. Wer sich und sein Reiten beziehungsweise seine Reitschüler ernst nimmt, sollte das Thema Reitersitz deshalb nie vernachlässigen – nicht in der Grundausbildung, aber auch nicht in späteren Jahren. Denn Sitzfehler können sich immer einschleichen. Und sie gehen immer zu Lasten des Pferdes.

Dr. Britta Schöffmann

Auch bergauf sollte der Reitersitz ausbalanciert bleiben und der Bewegung des Pferdes mühelos folgen. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Egal welche Sitzform, ob Dressur-, Spring- oder Geländesitz: Die Grundlagen sind für alle gleich. Foto: Stefan Lafrentz/FN-Archiv

Typische Sitzfehler

Sitzfehler gibt es viele. Sie alle verhindern gutes Reiten und erschweren es dem Pferd, den Sinn reiterlicher Einwirkung zu verstehen und sich weiterzuentwickeln. Hier eine kleine Auswahl typischer Fehler, ihre Auswirkungen auf das Pferd sowie Lösungsvorschläge. Bei allen beschriebenen Problem lassen sich zusätzliche Hilfsmittel bzw. Methoden (siehe Haupttext) sehr gut unterstützend einsetzen. Trotzdem gilt letztlich immer der alte Grundsatz: Reiten lernt man nur durch Reiten. Immerhin ist nicht nur jeder Reiter, sondern auch jedes Pferd anders.

Rücklage

Manche Reiter geraten nur bei Paraden in Rücklage, andere sitzen immer hinter der Senkrechten. Vor allem bei sportlich reitenden Ponykindern hat sich in den letzten Jahren eine Art Liege-Schiebesitz durchgesetzt. Der falsche Gedanke: In Rücklage kann ich das Pferd besser von hinten heranschließen. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Über die Rücklage übt der Reiter, der auf diese Weise hinter dem Schwerpunkt sitzt, enormen Druck auf den hinteren Teil des Pferderückens aus. Das Pferd macht in der Lende eine Ausweichbewegung nach unten, die Hinterbeine können dadurch nicht mehr Richtung Schwerpunkt durchfußen. Vor allem in Trabverstärkungen behindert dies den Schub, in der Versammlung verhindert es Hankenbeugung und Lastaufnahme, bei Paraden verursacht es ein auf die Hand drücken des Pferdes.

Lösungsansatz: Bei halben und ganzen Paraden bewusst entlasten statt belasten, den Reiter vorübergehend sogar mal leicht nach vorn fallen und spüren lassen, wie das Pferd reagiert. Der Gedanke: Um Fehlhaltungen zu verändern hilft es, vorübergehend eine extreme Gegenhaltung einzunehmen.

Kinder benötigen bei der Sitzschulung eine andere Ansprache als Erwachsene. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Nach vorn fallen

Das Gegenteil zur Rücklage ist die Vorlage, also das vor die Senkrechte kippen. Vor allem eher ängstliche Reiter neigen zum nach vorn Fallen und zum Spaltsitz. Dabei klemmen die meisten Reiter noch mit den Oberschenkeln, um sich im Sattel halten zu können, blockieren dabei aber ihr Becken. Dadurch bremsen manche Pferde eher ab und reagieren mit mangelnder Bewegungsfreude, andere bekommen Angst und werden schneller.

Lösungsansatz: Zunächst im Stand, dann auch im Schritt, den Reiter auffordern, sich abwechselnd extrem weit Richtung Pferderücken zu lehnen und extrem weit nach vorn Richtung Pferdehals. Auf diese Weise erhält das Gehirn eine deutlichere Rückmeldung hinsichtlich der Körperlage im Raum. Denn auch bei diesem Sitzfehler hat der Reiter das (falsche) Gefühl, er sitze doch in der Senkrechten. In Trab und Galopp immer wieder korrigieren und darauf hinweisen, dass der Reiter erst richtig sitzt, wenn sich bei ihm das Gefühl „ich bin hinter der Senkrechten“ einstellt. Eine Video-Aufnahme kann hier helfen, Gefühltes zu verifizieren.

Gebrochene Linie „Ohr-Schulter-Hüfte-Absatz“

Stimmt die Senkrechte „Schulter-Hüfte-Absatz“ im Dressursitz, befindet sich der Reiter im Gleichgewicht und könnte, wäre das Pferd plötzlich weg, sicher auf den Füßen landen. Ist die Senkrechte dagegen gestört, ist es meist der nach vorn gerutschte Unterschenkel (Stuhlsitz). Der Reiter sitzt dadurch hinter dem Schwerpunkt und übt negativen Druck auf den Pferderücken aus.

Lösungsansatz: Erst einmal die Bedeutung dieser Linie erklären/vormachen oder machen lassen. Dazu mit leicht gebeugten Beinen hinstellen und auf die Senkrechte verweisen. Dann ein Bein leicht vorstellen und fragen, was wohl passiert, wenn auch das zweite Bein nach vorn geht. Spätestens dann ist dem Reiter zumindest die Bedeutung der Senkrechten klar und somit mehr als nur eine reine Anweisung. Wichtig: Zunächst den Sattel überprüfen. Ist hier schon der Schwerpunkt nach hinten gekippt, kann der Reiter die Senkrechte gar nicht halten.

Unruhige Hände

Häufig gehen unruhige Zügelfäuste mit durchgestreckten Armen einher, manchmal aber auch mit einem insgesamt zu losen Sitz. Je nach Ursache ist der Lösungsansatz verschieden. Unruhige Hände verhindern eine punktgenaue und verständliche Einwirkung und fügen dem Pferd Schmerzen zu.

Lösungsansatz Arm: Den Reiter halten lassen und am durchgestreckten Arm zu sich ziehen, anschließend auffordern, die Arme leicht zu winkeln. Dann noch einmal dran ziehen (darauf achten, dass der Reiter den Arm nicht an den Körper presst). Was passiert? Über den durchgestreckten Arm lässt sich der ganze Reiter bewegen und fast aus dem Sattel ziehen, über den angewinkelten nicht. Der Reiter erkennt und erfühlt den Zusammenhang von Armhaltung und Körperkontrolle.

Lösungsansatz loser Sitz: Durch häufige Wechsel der Sitzformen (bei jeweils passend verschnallten Steigbügeln) die allgemeine positive Körperspannung des Reiters verbessern. Zusätzlich mit inneren Bildern arbeiten (z.B. „Stell dir vor, du bist auf einem Trampolin.“) und auf die korrekte Höhe der Zügelfäuste achten. Manche Reiter werden lose im Sitz, weil sie die Hände zu hoch tragen, andere weil sie sie zu tief halten. Auch hier wieder auf die lockere Winkelung der Ellenbogen achten.

Gekippte Zügelfäuste

Meist ist es nur eine Hand, die der Reiter unbewusst verdreht, manchmal sind es aber auch beide. Über eine verdeckte Zügelfaust ist eine feine und punktgenaue Einwirkung nicht mehr möglich, der Druck aufs Pferdemaul erhöht sich negativ.

Lösungsansatz: Im Handel werden allerhand mechanische Hilfsmittel angeboten, die eine bessere Handkontrolle versprechen. Die Gefahr liegt hier jedoch in einer dadurch entstehenden zu statischen Zügelführung. Immerhin sollen die Hände ja „atmen“. Bei einer gekippten Hand hilft als Korrektur manchmal schon, die Gerte in dieser Hand führen zu lassen. Auch innere Bilder können helfen, die Faust/die Fäuste besser zu positionieren, zum Beispiel „Stell dir vor, du hältst in jeder Hand ein Sektglas“ (bei Minderjährigen O-Saft) oder „Stell dir vor, du balancierst Gläser auf einem Tablett.“

Kleiner Hüpfer über ein Hindernis? Kein Problem für einen Reiter mit ausbalanciertem Sitz. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

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