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Lektion im Fokus: Überstreichen

Tipps für Reiter und Trainer

Das Geheimnis der Paraden

Wenn das Schulterherein oft als die „Mutter aller Lektionen” bezeichnet wird, so passt für die Parade auf jeden Fall die Formulierung „Mutter aller Einwirkungen”. Denn nichts ist so wichtig wie das korrekte Reiten von Paraden. Warum das so ist und was gute Paraden ausmacht, erklärt Dressur-Expertin Dr. Britta Schöffmann.

Die Parade, das große Mysterium? Bei vielen Reitern herrschen oft nebulöse bis abenteuerliche Vorstellungen von Ausführung, Anwendung und Sinn der Paraden. Foto: Christiane Slawik

Lauscht man landauf und landab mal in Reithallen oder an Reitplätzen, so hört man – zumindest bei qualitativ besserem Unterricht – immer mal wieder die Aufforderung des Ausbilders an seine Reitschüler: „Halbe Parade, ihre müsst halbe Paraden reiten”. Soweit so richtig! Und wer einmal ein Reitabzeichen absolviert hat, der erinnert sich vermutlich auch noch aus dem praktischen und theoretischen Unterricht an Formulierungen wie „halbe Paraden machen ein Pferd aufmerksam und leiten jede Lektion ein” oder „eine ganze Parade besteht aus mehreren halben Paraden und führt immer zum Halten”. Dann gibt es auch Reitschüler, die noch in weiterführende Fachliteratur wie die FN-Richtlinien Band 1 schauen und dort lesen: „Unter einer halben Parade wird das kurzzeitige Einschließen des Pferdes in die Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen des Reiters verstanden.“

Nebulöse Vorstellungen

Doch trotz all dieser Beschreibungen, trotz Unterricht und Literaturangebot, herrschen bei vielen Beteiligten auf dem Pferderücken oft nebulöse bis abenteuerliche Vorstellungen von Ausführung, Anwendung und Sinn der halben und ganzen Paraden. Kein Witz, aber auf die Frage nach der Hilfengebung bei zum Beispiel einer ganzen Parade, gibt es von langjährig aktiven Reitern tatsächlich Antworten wie „Da zieht man so lange bis das Pferd steht”, „Da muss ich mit den Zügeln spielen und mich ganz tief in den Sattel setzen” oder „Paraden werden mit den Zügeln geritten”. Überhaupt wird gern von spielenden Händen, tiefem Einsitzen, Abbremsen und sonstigem berichtet. Es gibt aber auch Reiter, die zumindest etwas vom „Zusammenwirken der Hilfen“ wissen. Aber auch hier kommt auf die Nachfrage „Und was genau tust du dann, wenn du eine Parade reitest” häufig nur Unbestimmtes. Die Parade, das große Mysterium? Das muss sie nicht sein, wird sie richtig und in ihren Einzelheiten verinnerlicht. Aus Einzelheiten bzw. Einzelteilen besteht sie nämlich tatsächlich, und zwar aus einzelnen Hilfen, die unter dem Begriff Parade zusammenspielen. Überhaupt ist der Begriff des Zusammenspiels letztlich günstiger als der der Zusammenwirkung, denn die einzelnen Hilfen wirken nur auf den ersten Blick zeitgleich zusammen. In Wahrheit laufen sie nacheinander und ineinandergreifend ab, wenn auch nur in Bruchteilen von Sekunden versetzt. Dabei kommt, wie eigentlich immer beim Reiten, die treibende Schenkelhilfe zuerst, die Zügelhilfen zuletzt. Irgendwo dazwischen agiert noch die Gewichtshilfe, die aber je nach Anforderung ein wenig variieren kann. Das manchmal zu beobachtende „vorne Halten, hinten Quetschen” hat mit einer korrekten Parade also nichts zu tun.

Paraden beim Übergang vom Trab zum Schritt

Version 1: Das Pferd stockt
Dem Reiter erklären, nicht den Trab beenden, sondern den Schritt gedanklich beginnen zu wollen. Dadurch rückt unbewusst die treibende Schenkelhilfe in den Vordergrund, die Zügel geben schneller Raum. Dies ermöglicht dem Pferd, ohne zu zögern fließend vom Zweitakt des Trabs in den Viertakt des Schritts zu wechseln. Geht das Pferd zusätzlich zur Stockung noch gegen die Hand, kann es helfen, den Übergang ein paar Mal in Richtung eines Zügel-aus-der-Hand-kauen-Lassens zu reiten.

Version 2: Der Übergang ist auslaufend
Dem Reiter erklären, dass zu zögerliche Paraden vom Pferd nicht verstanden werden. Deshalb soll er die annehmende Zügelhilfe ruhig etwas klarer setzen und länger durchhalten, selbst wenn es dabei mal zur Stockung kommt. Einfach ein paar Mal wiederholen, bis sich das Gefühl für die Intensität der Hilfen eingestellt hat.

Treiben nicht gleich „Gas geben“

So manchem Reiter erschließt sich jedoch nicht, warum er mit dem Treiben beginnen soll, wo er doch eigentlich „bremsen” möchte. Hier hilft der Hinweis, dass Treiben nicht unbedingt „Gas geben” bedeutet, sondern vielmehr Einflussnahme auf die Hinterbeine des Pferdes gemäß des Grundsatzes: von hinten nach vorn! Durch das Treiben wird die Aktivität der Hinterbeine etwas aufgefrischt, die Hinterhufe dabei zu einem vermehrten Fußen Richtung Schwerpunkt (etwa da, wo der Reiter sitzt) aufgefordert. 

In der halben Parade wird das Pferd kurzfristig vermehrt zwischen allen Hilfen eingerahmt. Fotos (3): Stefan Lafrentz

Das kann sich schiebend in einem Mehr an Vorwärts darstellen, aber auch tragend (versammelnd) in einem mehr an Aufwärts, abhängig davon, was die Zügelhilfen ermöglichen. Bei Paraden sind es die umgehend auf das Treiben folgenden annehmenden Zügelhilfen, die dem Pferd signalisieren „hier geblieben!” und die von hinten entstehende Bewegung von mehr Vorwärts in mehr Aufwärts umleiten. Dabei beugen sich die großen Gelenke der Hinterhand, das Pferd nimmt hinten ein wenig mehr Last auf, entlastet so seine Vorhand und wird leichter in der Hand. 

Bei der ganzen Parade wird über zwei, drei halbe Paraden wie in Bild 1 eingeleitet, bei der letzten, die ja zum Halten führen soll, kommt noch eine etwas länger aushaltende Zügelhilfe hinzu. Also quasi: Parade, Parade, Halt.

Je nachdem, was nun folgen soll, schließt sich entweder sofort eine nachgebende Zügelhilfe an, die die Bewegungsenergie sogleich nach vorn durchfließen lässt (bei halben Paraden innerhalb einer Gangart), oder die annehmende Zügelhilfe wird zur kurz aushaltenden, umgehend gefolgt von einer vortreibenden Schenkelhilfe und dann einer nachgebenden Zügel- und erneut vortreibenden Schenkelhilfe (bei halben Paraden zwischen den Gangarten). Bei der ganzen Parade wird über zwei, drei halbe Paraden wie in Variante 1 eingeleitet, bei der letzten, die ja zum Halten führen soll, kommt noch eine etwas länger aushaltende Zügelhilfe hinzu. Also quasi: Parade, Parade, Halt.

Die halben Paraden leiten über zur ganzen Parade und diese führt zum geschlossenen Halten.

Sicherer Sitz ist notwendig

Klingt kompliziert, ist es auch, zumindest für Reitanfänger oder noch recht unerfahrene Reiter. Denn dieses Zusammenspiel von Gewicht, Schenkel und Hand erfordert einen sicher ausbalancierten Sitz, ein gutes Gefühl für Timing und Intensität der Einzelhilfen und eine extrem schnelle Hilfengebung überhaupt. Spitzenreiter sind meist in der Lage, diese Hilfenkombination so schnell und perfekt aufeinander abgestimmt zu geben, dass sie wie eine Hilfe aussieht, beinahe unsichtbar ist und gar einzelne Phasen innerhalb der jewei- 28 Ausbi ldung FORUM 5/2021 ligen Gangarten beeinflussen und Erhabenheit hervorrufen kann. So perfekt muss eine Parade aber nicht unbedingt sein, korrekt genügt erst einmal. 

Auch für das Anreiten von Hindernissen ist das Annehmen der halben Paraden wichtig. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

Hier tun sich manche Reiter aber schwer, entweder, weil sie zu früh oder zu viel mit der Hand einwirken, weil sie nicht mit der treibenden Hilfe beginnen oder das Nachgeben, sprich das Loslassen, vergessen. Denn zu jeder halben und letztlich auch ganzen Parade gehört das Nachgeben immer dazu: treiben, abfangen – und loslassen! Auch ein falsches Verständnis der Gewichtshilfen verhindert das Gelingen von Paraden. Man hört im Unterricht oft „setz dich bei der Parade tiefer rein”, eine Formulierung, die wenig hilfreich ist. Die meisten Reiter verwechseln tiefes Einsitzen nämlich mit Zurücklehnen. Dabei geraten sie jedoch mit dem Oberkörper hinter die Senkrechte und üben so einen unangenehmen Druck auf den Pferderücken aus. Das Pferd reagiert mit leichtem Absenken seiner Lendenpartie, was wiederum das Unterfußen und die Hankenbeugung behindert. In der Folge stützt es sich mehr auf die Zügel oder hebt sich heraus, was dann den Reiter verärgert oder frustriert, der mit stärkerem Zügeleinsatz reagiert – und so Pferderücken und Hinterhand noch mehr behindert.

Analyse des Problems

Um das Verständnis für die Paraden und die Arbeit daran zu optimieren, ist eine Analyse des jeweils sichtbaren oder fühlbaren Problems der erste und wichtigste Schritt, denn Paraden können aus den unterschiedlichsten Ursachen heraus und auf die unterschiedlichste Weise misslingen. Was sieht oder fühlt man? Ein Stocken oder ein Auslaufen? Zieht das Pferd den Reiter nach vorn oder nach unten? Wehrt es sich gegen die Hand? Nimmt es die Parade gar nicht an? Ganz wichtig: Was tut der Reiter während des Parierens? Lehnt er sich nach hinten? Fällt er nach vorn? Drückt er die Hände runter oder zieht er sie nach hinten? Gibt er nicht nach oder vielleicht zu früh? All dieseFragen bzw. die Antworten darauf haben Einfluss auf die Lösung des jeweiligen Problems. Wenn Reiter die Zusammenhänge zwischen ihrem Tun und der Wirkung auf ihr Pferd verstehen, hilft das sehr. Wenn sie nicht nur auswendig gelernte Sätze wie „halbe Paraden machen ein Pferd aufmerksam” abspulen, sondern auch die Bedeutung, den Sinn dahinter begreifen. Eine gut gerittene Parade zum Beispiel, egal ob halbe oder ganze, schließt ein Pferd von hinten nach vorn, verhilft ihm zu besserem Gleichgewicht in Wendungen, verkürzt den Rahmen, fördert die Hankenbeugung, stärkt die Hinterhand, führt zu mehr Trag- und Federkraft, bringt mehr Durchlässigkeit und somit eine leichtere Verbindung zur Reiterhand – die Grundlage für feines Reiten.

Dr. Britta Schöffmann

Paraden beim Übergang vom Trab zum Halten

Version 1: Das Pferd zieht nach vorn und pariert nicht umgehend Wie sitzt der Reiter?

In diesem Fall meist mehr oder weniger stark hinter der Senkrechten, häufig verbunden mit rückwärts wirkenden Händen. Hier hilft der Hinweis an den Reiter, dass Rücklage in der Parade, verbunden mit Ziehen am Zügel, letztlich der Frage gleicht: Wer von uns beiden ist stärker? Dass es das Pferd ist, liegt wohl auf der Hand! Auch der Hinweis auf den negativen Abwärtsdruck auf den Pferderücken und die Auswirkungen auf die Hinterbeine fördert Verständnis. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang zusätzlich das Einsetzen innerer Bilder wie: „Stell dir vor, du sitzt auf einem großen Gymnastikball und lehnst dich nach hinten – wohin rollt der Ball dann?” All dies sind Dinge, die sich der Reiter vorstellen und verstehen kann. Zur Lösung des Problems hilft es häufig, den Reiter aufzufordern, im Moment der ganzen Parade mit dem Oberkörper kurz ein wenig nach vorn zu kippen. Viele Pferde stellen dabei umgehend das Durchlaufen durch die Parade ein. Auch das lässt sich erklären: Die Entlastung vereinfacht es dem Pferd – ähnlich wie beim Rückwärtsrichten –, die Hanken zu beugen und die Lende leicht anzuheben, also die für die Parade erforderliche Last aufzunehmen. Auf lange Sicht gesehen soll die Parade natürlich aus der senkrechten Sitzposition und mit kaum sichtbaren Gewichtshilfen geritten werden, doch um als Reiter aus einer Fehlbewegung herauszukommen muss man schon mal genau ins Gegenteil wechseln.

Version 2: Das Pferd stockt und geht gegen die Hand

Auch bei diesem Paradenproblem ist im Allgemeinen zu viel Reiterhand im Spiel, diesmal verbunden mit zu geringem Treiben und unbewusstem vor die Senkrechte Kippen und meist heruntergedrückten Zügelfäusten. Hier macht es Sinn, erst wieder an den halben Paraden zu arbeiten – sowohl innerhalb als auch zwischen den Gangarten. Dabei darauf achten, dass der Reiter seine Senkrechte findet, die Ellenbogen gewinkelt hält (drückende Fäuste machen den Sitz steif und blockieren Pferd und Reiter) und den Bewegungsfluss innerhalb der Parade nicht stört. Erst wenn das gut funktioniert wieder an die ganzen Paraden gehen.

Version 3: Das Pferd pariert über den Schritt

Klare Einwirkung findet auch im Kopf statt. Manche Reiter neigen aus falsch verstandener Freundlichkeit ihrem Pferd gegenüber dazu, eine Parade wie eine Einladung zu einer Gesprächsrunde zu formulieren, ähnlich wie „Was hältst du davon, wenn wir beide vielleicht mal gemeinsam versuchen anzuhalten?” Mit einer solch schwammigen Einwirkung kann ein Pferd aber nun wirklich nichts anfangen. So zögerlich die Hilfen gegeben werden, so zögerlich sprich auslaufend wird auch die Parade ausfallen. Hilfreich ist es hier, sich selbst bzw. den Reitschüler auf die Klarheit des Gedankens hinzuweisen: „Ich möchte halten – jetzt!” Zu den drei ersten Worten werden die einleitenden halben Paraden gegeben, auf „jetzt” folgt die konsequente ganze Parade zum Halten. Die Vorstellung von der tiefen Schlucht, die sich vor dem Pferd auftut, wirkt hier manchmal zusätzlich Wunder.

Das Zusammenspiel von Gewicht, Schenkel und Hand erfordert einen sicher ausbalancierten Sitz. Foto: Thoms Lehmann/FN-Archiv

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