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Senioren-Europameisterschaften 2019

Serie Rassen und Reitweisen: Friesen

Wie Samt und Seide

Schwarz, lange Mähne, große Augen und der besondere Schwung in den Ohrspitzen: Das Friesenpferd ist mit die älteste Kulturrasse Europas. Heute ist es Showpferd und Schoßhund. Und Galopp kann es auch.

Das Friesenpferd gehört zu den ältesten Kultur­rassen Europas. Foto: Christiane Slawik

„Warmblutpferde sind wie Katzen. Friesen wie Hunde: Ein Friese steht am Weidetor, wenn sein Mensch kommt. Den Warmblüter muss man fangen“, so definiert Marc Peter Spahn den Unterschied zwischen den beiden Pferderassen. Der gebürtige Belgier, 43 Jahre alt, reitet seit etwa 15 Jahren Friesen in der internationalen Dressur. Sein erster Grand-Prix-Friese war Adel 357 – „Adel hat jeden Tag alles gemacht, was ich wollte. Er war jeden Tag 100 Prozent für mich da.“ Spahns aktuelles Grand-Prix-Pferd heißt Elias 494. Zehn Jahre alt, hat er die Karriere noch vor sich. In diesem Jahr war er in Hamburg und in Hagen am Start und jeweils platziert. Zugegeben – eine Ausnahme.

Mit Adel kam Marc Spahns Liebe zu den Friesen. Foto: Arnd Bronkhorst

Marc Spahn kam aus dem Warmblutlager im Jahr 1997 auf den Friesen. „Ehrlich gesagt, waren sie mir bis dahin nur als Kutschpferde bekannt.“ Sein Nachbar habe ihn gefragt, ob er sich mal auf seinen Friesenhengst setzen würde und ihn eventuell dressurmäßig bis in die höchste Sportklasse ausbilden möchte. „Ich erinnere mich genau an den ersten Ritt: Ich war erstaunt, dass der Friese so gut galoppierte und wie schwungvoll er sich vorwärts bewegte.“ Aber Spahn sagt auch, dass es ein großes Glück war, dass er Adel reiten durfte. Mit Adel wurde Marc Peter Spahn im Jahr 2004 Teil des niederländischen Projekts „Fryso Huys“, dessen Ziel es war, friesische Pferde im internationalen Dressursport zu präsentieren.

Schließlich ist der Friese eine der ältesten Kulturrassen Europas und heute ein nationales Prestigeobjekt der niederländischen Pferdewelt. Das Projekt lief bis vor sechs Jahren. Dafür siedelte Marc Peter Spahn sogar in die Niederlande um. Der Friesen wegen. Heute führt er selbständig den Ausbildungsstall „Stal Baron Spahn“ in Nieber bei Groningen. Für Warmblüter und Friesen gleichermaßen.

Freund des Menschen

Verzaubert haben diese schwarzen Pferde den Belgier, ihn eingewickelt in ihre lange Mähne. Denn die gehört auf jeden Fall zum Markenzeichen. 2000 Jahre alt sind Überlieferungen des römischen Schriftstellers Tacitus und des römischen Feldherren Caesar: Sie beschrieben ein Pferd, das „lange Mähne und kurze Beine“ hätte. Die lange Mähne ist geblieben, die kurzen Beine nicht. Die sind heute lang genug für Freizeit und Sport. Auch wenn ein Grand Prix nicht das Zuchtziel ist. Pferde wie Adel und Elias sind eher die Sahnehäubchen, mit denen sich Friesenfreunde schmücken. Leuchttürme, die jeder Pferderasse gut tun, weil sie für Aufmerksamkeit sorgen. „Heute wünschen wir uns den vielseitigen Friesen. Wir haben nebeneinander den barocken Typen und den sportlichen. In erster Linie soll der Friese Freude in der Freizeit machen, in der Dressur, beim Barockreiten, in der Hohen Schule und beim Fahren. Vereinzelt gibt es auch Wanderreit- und Voltigierpferde. Nur Springen liegt den Friesen weniger im Blut“, erklärt Ralf Schneider, Präsident des deutschen Friesenzuchtverbandes (FPZV).

Machen auch als sportlicher Vierspänner eine gute Figur. Foto: Shannon Brinkmann/Arnd Bronkhorst

Ein Friese bei Dressur-Weltmeisterschaften: Anders, ein Sohn von Marc Spahns Adel, mit seiner südafrika­nischen Reiterin Chere Burger 2014 in Caen. Foto: Pierre Costabadie/Arnd Bronkhorst

Vor allem ist der Friese eins: geliebtes Familienpferd. Der Verband feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen, geplant ist ein Friesenfestival am letzten Oktoberwochenende, mit Zucht, Sport und Show in Wickrath. Unter anderem wird hier die erste FN-Bundesschau für das Friesenpferd ausgetragen. Der FPZV ist der FN angeschlossen, der einzige eigenständige Friesenverband in Deutschland, und hält sich gleichzeitig streng an die Regeln des Ursprungszuchtbuchs „Koninklijke Friesch Paarden-Stamboek” (KFPS). Pro Jahr fallen in den Niederlanden über 3.000 Friesenfohlen, in 2018 waren es 3.687. Insgesamt sind beim KFPS derzeit rund 70.000 Pferde registriert: Stuten, Wallache, Hengste und Fohlen. In Deutschland sieht die Situation exklusiver aus. So sind es derzeit 42 eingetragene Hengste und etwa 200 zuchtaktive Stuten. Die Zahl der Nachzuchten ist rückläufig: Gab es vor sieben Jahren noch rund 150 Fohlen pro Jahr, waren es 2018 nur etwa 27. Dafür ist der Markt gut: Für einen fünfjährigen gerittenen Friesen zahlt man 12.000 bis 15.000 Euro, drei Jahre zuvor war es noch die Hälfte. Die Schwankungen sind nicht ungewöhnlich, denn so lange es das Friesenpferd gibt, so lange folgte der Bestand Hoch- und Tiefzeiten.

Weltrekord! 120 Friesen in einer Quadrille. Foto: Equitana

Bewegte Historie

Die wechselvolle Geschichte ist Jahrtausende zurückzuverfolgen. Die Römer kannten diese Pferde, im vierten Jahrhundert nach Christus schrieb der englische Kriegsberichterstatter von friesischen Truppen vor der englischen Festung Carlisle. Geritten hätten sie friesische Hengste. Wenn man so etwas liest, beginnt das Kopfkino und der Friese erscheint als stolzes und treues, starkes Pferd. Aus dem elften Jahrhundert stammen Illustrationen, die das friesische Pferd als Ritterpferd zeigen. Die Kernkompetenz damals: Kraft, um den Ritter mit Rüstung zu tragen. Der Friese als Gewichtsheber, ein schwerer Typ. Veredelt haben ihn im 16. und 17. Jahrhundert importierte Andalusier und auch Araber. Daher die Gene für den edlen Kopf.

Rückläufige Zuchtzahlen: Nur etwa 27 Friesen­fohlen kamen 2018 in Deutschland zur Welt. Foto: Arnd Bronkhorst

Zu dieser Zeit wurde der Friese zum königlichen Pferd. Die FPZV-Zuchtleiterin Romy Althaus beschreibt das so: „An den Fürstenhöfen war der Friese eine Mischung aus Rolls Royce und Panzer. Kamen andere Adlige zu Besuch, so führte man ihnen seine berittenen Offiziere vor und demonstrierte so zugleich Macht, Wohlstand und Eleganz.“ Der Friese war Spezialist für die Hohe Schule und oft eine Art Staatsgeschenk zu wichtigen Anlässen.

Die Wandlung ging weiter: Im 17. und 18. Jahrhundert wurde der Friese Kutschpferd, im 19. Jahrhundert entdeckten einige Pferdefreunde die Faszination des gerittenen Trabrennens mit den Friesen – die Friesen waren beliebt und befruchteten sogar die Orlow-Traberzucht. Später ging der Friese im Pflug auf den Äckern Frieslands. „Als Bauernpferd war er wenig beliebt. Seine aufwändigen Bewegungen waren mehr Show als harte Arbeit, die meisten Bauern holten sich lieber schwerere Kaltblüter“, erzählt Romy Althaus. Der Niedergang begann. Nur wenige Großbauern behielten die Friesen für die Sonntagskutsche zur Kirche – als Prestigeobjekt. Es waren zu wenig: Im Jahr 1913 existierten nur noch drei Friesenhengste: Prins 109, Alva 113 und Friso 117. Die letzten ihrer Art.

Glücklicherweise gab es in Friesland doch noch das Interesse, den ursprünglichen Friesen zu erhalten. Was wollten die Züchter? Das Exterieur, der Charakter voller Freundlichkeit, Intelligenz, Anpassungsfähigkeit und den Leistungswillen. Es ging wieder aufwärts, bis in die 1960er Jahre. Der Traktor verdrängte überall das Pferd. In den Niederlanden gab es 1965 nur noch 500 registrierte Friesenstuten. Schon wieder war der Friese vom Aussterben bedroht. Einmal wieder waren es Liebhaber, die dieses Pferd durch ihr Engagement retteten. 1967 organisierten die Friesenleute eine Parade nach Warkum am Eijsselmeer. Ein Werbefeldzug sozusagen. Es ist gelungen. Heute treffen sich die Fans der Friesen alljährlich in Leeuwarden in der niederländischen Provinz Friesland zur Körung. Und was da los ist, kann man sich vorstellen, wenn man schon mal auf einer niederländischen Pferdezuchtveranstaltung war.

Der Ruf als Kutschpferd eilt dem Friesen voraus, gerne angespannt vor einer Traditionskutsche. Foto: Christiane Slawik

Bühne frei

In Deutschland feierte der Friese in den 1980er und 1990er Jahren seinen Siegeszug. Großen Anteil hatte dabei Günther Fröhlich, bekannt als „Friesenpapst“ und Macher des Pferdemusicals „Zauberwald“. Er brachte die Friesen 1979 auf die Equitana und 1980 zur Eurocheval nach Offenburg. „Wir haben die Pferde gefahren, zeigten sie an der Doppellonge und in der Freiheitsdressur – das volle Spektrum!“ Heute erzählt der 74-Jährige gerne von seiner ersten Begegnung mit Friesen: „Das war bei der Weltmeisterschaft der Vierspänner 1977 in Ungarn: Ich sah Tjeerd Velstra (Anm. d. Red.: den späteren Bundestrainer der niederländischen Fahrer) mit seinen vier Friesen und mir blieb die Luft weg. Das Gleichmaß im Takt faszinierte mich.“ Günther Fröhlich kehrte von der Ungarn-Reise nach Hause zurück und kaufte sich in Friesland seine ersten Friesen. „Wir haben unsere geritten und gefahren und gezeigt, was die wirklich können!“ Fröhlich brachte die Friesen sogar ins Fernsehen, einmal kutschierte Fröhlich den Kampfwagen für „Wetten dass…“, Thomas Gottschalk mit an Bord und im Vollkaracho durch die Römerarena von Xanten.

Das Langhaar ihres Vierbeiners ist der ganze Stolz der meisten Friesenbesitzer. Foto: Christiane Slawik

Damit und mit den neun Jahren des Zauberwald-Musicals, in dem die Friesen mit auftraten, steckten Fröhlich und sein Team so manchen Pferdemenschen mit dem Friesenvirus an. Heute lebt Günther Fröhlich immer noch mit Friesen auf dem Gestüt Glimbach und widmet sich der Gesundheit der Pferde mit einer Reha-Station. Werbung in eigener Sache machen heute die Friesen der Ostseequadrille. Die existiert seit 1998. Barbara Rennert-Pape aus Berlin erzählt, dass der Verein auf der Equitana Open Air Anfang Juli in Mannheim gerade erst einen Weltrekord aufgestellt hat. Über 120 Friesen formierten sich zu einer eindrucksvollen Quadrille. Der Lohn: ein Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde. Bei allem Applaus ist Barbara Rennert-Pape nichts wichtiger als der Charakter der Friesen: „Das sind Ein-Mann-Pferde, die sterben für einen.“ Es seien so sanfte Wesen, dass es nicht mal für die Hengste ein Problem mache, wenn es in den Quadrillen mal rempelt und schubst. Wenn Steigbügel klappern und man mit Fellkontakt in die Figur der Mühle geht. Da gibt es keine Quieken und kein Hauen. Die Friesen machen mit, was auf dem Programm steht.

Zuchtziel Raumgriff

Das schätzt auch Josef Loy an den Pferden. Seit 1997 züchtet er diese in Strae­len am Niederrhein. Oft startet er selbst auf Fahrturnieren in den Niederlanden, „wo man quasi an jedem Wochenende eine andere Friesenveranstaltung hat.“ Loy hat sich in die Friesenthematik eingearbeitet, eingelesen, hat viel von alten niederländischen Züchtern gelernt, wie er selber sagt. Entsprechend erfolgreich ist seine Zucht. 15 Friesen hat er heute, fünf gekörte Hengste, davon sind drei selber gezogen und alle waren Körungssieger.

Der Liebling ist Fedde fan Horp, er stammt von Jasper 366 ab, dem Jahrhunderthengst aus den Niederlanden. Josef Loy plaudert aus dem Nähkästchen: „Ich schau den Pferden auf die Ohren: Die Ohrenspitzen müssen zueinander gedreht sein, wenn ich das Pferd anschaue.“ Dann weiß er, dass die Pferde aus einer bestimmten Linie kommen und Bewegung, eine gute Lage der Schulter und trockene Beine mitbringen. Josef Loy kommt nicht mehr aus dem Schwärmen heraus: „Bei aller Knieaktion: Das Bein soll vorne rauskommen, und dort hintreten, wo die Schulter hinzeigt.“ Mit einem Wort: Raumgriff. Den will Loy.

Flechtwerk: Wer Friesen hat, beherrscht die hohe Flechtkunst, um die Mähne zu schonen und zu schmücken. Foto: Christiane Slawik

Bei Schaubildern der barocken Reiterei sind die „schwarzen Perlen“ sehr beliebt. Foto: Frank Sorge

Raumgriff und Gangwerk: Das ist Dressurreiter Marc Peter Spahn natürlich auch wichtig. Denn er kennt das Vorurteil: Der Friese könne nicht galoppieren. „Das stimmt so nicht mehr. Gerade der Galopp hat sich bei den Friesen in den letzten zehn Jahren so enorm verbessert.“ Spahn trainierte seinen Hengst Adel mit der niederländischen Olympiareiterin Tineke Bartels. „Wir sind das richtig akademisch angegangen: Weil der Friese mehr Bodybuilder als Marathonläufer ist, hat er eine ganz andere Muskulatur. Also haben wir ständig im Training Laktatmessungen vorgenommen, um zu lernen, wie wir die Muskulatur am besten trainieren.“ Wer das nicht weiß, riskiert Muskelkater. Und ein Pferd, das Muskelkater hat, möchte nicht gerne arbeiten. So wird fälschlicherweise mancher Friese schnell als „faul“ abgestempelt.

Marc Spahns Traum: Mit Elias einmal mehr als 70 Prozent in einem Grand Prix erreichen. Foto: privat

Der Fesselbehang ist Zuchtziel und erfordert viel Pflege, sonst droht Mauke. Foto: Christiane Slawik

Mentale Stärke

Auch in der Ausdauer ist der Friese kein Weltmeister. „Herz und Puls haben wir ständig überprüft“, sagt Spahn. „Beim Friesen dauert es viel länger als beim Warmblüter, Kondition für den Prix St. Georges oder den Grand Prix aufzubauen. Der Warmblüter entwickelt sich im Dressurtraining mit seinem Körper schneller als im Kopf. Er braucht mehr Zeit, das Gelernte mental zu verarbeiten. Beim Friesen ist es umgekehrt: Er ist mit dem Kopf schneller und der Körper braucht mehr Zeit.“ Von Spahns Erkenntnissen können alle Friesenreiter profitieren. Seine Tipps: sinnvolles Intervalltraining, nicht zu viele Wiederholungen, dafür mehr Zeit, um den Friesen nach der Skala der Ausbildung aufzubauen. „Er lernt wegen seiner natürlichen Aufrichtung langsamer, den Hals fallen zu lassen und sich an das Gebiss zu dehnen und die Nase vor die Senkrechte zu bekommen.“

Adressen und Verbände:

Friesenpferdezuchtverband, ein Filialzuchtbuch des niederländischen Verbands und der FN angeschlossen:
www.fpzv-ev.de

Deutsche Abteilung des niederländischen Verbandes KFPS:
www.mein-dfz.de

Koninklijke Friesch Paarden-Stamboek:
www.kfps.nl

Züchter, Ausbilder, Show:
www.friesen-­loy.de
www.gestuet-glimbach.de
www.stal­baronspahn.nl
www.ostsee-quadrille.de

Was liebt der belgische Dressurreiter an den schwarzen Pferden? „Die akzeptieren alles schneller, die machen sich nicht so den Stress wie ein Warmblüter.“ Dass ein Dressurrichter nicht immer gut zum Friesenreiter ist, „daran gewöhnt man sich“, sagt Marc Peter Spahn.

Auch bei den Kollegen. „Friesen sind eben Geschmackssache. Ich muss niemanden überzeugen.“ Hauptsache, er ist überzeugt. Sein Ziel mit dem jungen Elias: „Gerne würden wir international mal 70 Prozent als Bewertung erreichen. Aber: Bisher habe ich jeden Moment mit Elias genossen, von der A-Dressur bis zum Grand Prix. Das haben wir alles zusammen erlebt. Deshalb mache ich uns keinen Druck. Der Spaß ist mir das Wichtigste.“

Cornelia Höchstetter

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